Am Wochenende habe ich mich gemeinsam mit ein paar friends der Herausforderung Sankanbiriwa gestellt. Der Sankanbiriwa ist der zweithöchste Berg Sierra Leones. Wie hoch er genau ist, darüber gibt es unterschiedliche Informationen. Ich nehme hier natürlich die höchste Schätzung, weil sie sich am besten anhört. Laut Britanica ist der Sankanbiriwa 1.853m über Meeresspiegel (wikipedia spricht von 1.850m, eine andere website nur von 1.120m). Der höchste Berg, der Bintumani, ist mit 1.948m nicht einmal 100m höher. Nicht nur die Höhe, auch der Name ist überall unterschiedlich geschrieben, aber unabhängig davon, ist der Berg ja immer der gleiche 😉
How to plan a hiking trip in Salone
Hannah und Max haben den Bintumani schon bestiegen. Nun wollten sie noch den Sankanbiriwa machen und natürlich wollte ich mit. Schon seit letztem Jahr steht das auf unserer Liste. Aber die meisten Berge und Hügel kann man nur zwischen Dezember und April besteigen. Sobald es regnet, ist es zu gefährlich, da man oft über glatte Felsen laufen muss und die werden zur Rutschpartie sobald sie nass sind. Es war also klar, der Sankanbiriwa soll noch vor Ostern unser Ziel sein.
Die erste Herausforderung ist meist nicht der Berg selbst, sondern die Planung vorneweg. Und vor der Planung muss man natürlich erst einmal davon erfahren, dass es diesen Berg überhaupt gibt und dass man ihn besteigen kann. Es gibt keine Wanderkarte für Sierra Leone. Meist funktioniert es so, dass man entweder, wenn man einen Berg sieht und hinauf möchte, bei googlemaps schaut, welches Dorf vielleicht am besten liegen könnte, um von dort aus den Berg zu besteigen. Dann fährt man in dieses Dorf. Normalerweise kommen von selbst Leute neugierig angelaufen und fragen, was man möchte. Es werden dann Bänke und andere Sitzgelegenheiten gebracht, man spricht mit dem Chief und den Dorfbewohnern, entrichtet etwas Kola (früher hat man Kolanüsse gebracht, heute ist es etwas Geld) und dann werden 1-3 junge Männer beauftragt, die Gäste auf den Berg zu führen. Manchmal kennen sie den Weg, manchmal nicht. Ihr erinnert euch vielleicht an unseren Trip auf den Camel Mountain. So läuft die Vorbereitung, wenn es sich um einen Tagesausflug handelt. Hat man eine mehrtätige Tour vor, ist es etwas aufwendiger.
Der Bintumani ist der bekannteste Berg, da der höchste. Aber selbst für die Besteigung des Bintumani ist es nicht easy, alles zu organisieren. Sierra Leonische Menschen wandern normalerweise nicht. Deshalb fragt man normalerweise in Expatkreisen, ob schon mal jemand dort war oder jemand jemanden kennt, der oder die weiß, von wo man startet, wie lange es dauert, was man bedenken sollte, in welcher Jahreszeit es machbar ist und so weiter. Für den Sankanbiriwa ist es noch schwieriger. Dass man ihn überhaupt besteigen kann, wussten wir von einem Schweizer Pärchen, das für drei Jahre hier war. Wir wussten also von welchem Dorf aus wir am besten starten sollten (Kenewa) und dass wir zwei Nächte im Zelt auf dem Berg verbringen werden. Die online-Recherche hat uns nicht viel schlauer gemacht. Es gibt nur zwei oder drei Berichte, allerdings hat es keine Gruppe in den online-Berichten auf den Berg geschafft. Eine hat abgebrochen, weil das Dorf zu viel Kola / Geld haben wollte und die zweite Gruppe konnte wegen Regen nicht bis zum Gipfel. Aber da wir wussten auch, es ist die schönere Wanderung mit den schöneren Ausblicken im Vergleich zum Bintumani, hat uns das nicht abgehalten.
Step 1 – die Planung
Ich muss zugeben, ich habe zur Planung ungefähr zero Prozent beigetragen. Ein großes Lob und Dankeschön deshalb an Hannah und auch an Max. Hannah hat versucht aus der Schweiz nochmal genauere Infos zu bekommen und beide haben auch online geschaut, wie andere versucht haben, den Sankanbiriwa zu besteigen. Ich habe drei Leute gefragt, ob sie schon dort waren oder jemanden kennen, aber ohne brauchbares feedback.
Es war klar, dass wir ein langes Wochenende brauchen würden, da der Sankanbiriwa in den Tingi Hills und damit ganz im Osten des Landes liegt. Wir hatten einen Tag Anreise geplant bis nach Koidu (die größte Stadt in der Gegend), Tag 2 Weiterreise zum letzten Dorf und Aufstieg Part 1, Tag 3 Gipfel und teilweise Abstieg, Tag 4 restlicher Abstieg und Rückfahrt. Fast so hat es dann auch geklappt.
Da es in den Tingi Hills keine Infrastruktur und keine Dörfer gibt, war klar, wir müssen Essen und Zelte mitnehmen und eigentlich auch Wasser. Laut Internetrecherche soll es Wasser geben, aber man weiß nie, wie viel Wasser gerade in den Bächen fließt und ob man das wirklich trinken möchte. Mir war klar, dass ich es nicht schaffen würde, Wasser für drei Tage auf den Berg zu schleppen. Hannah hatte deshalb Wassertabletten dabei, mit denen wir das Wasser reinigen würden. Beim letzten Treffen hatten wir den Speiseplan besprochen bzw. Hannahs Vorschlag abgesegnet. Es würde einen Tag Nudeln mit Tomatensoße geben und einen Tag Reis mit Linsen. Sonst galt es noch ein bisschen energy food wie Nüsse, Aufstriche, etwas Gemüse wie Karotten und Gurken zu besorgen, damit wir auch etwas Frisches haben würden. Am Vortag der Reise habe ich noch schickes Plastikgeschirr und bunten Farben besort, natürlich brauchten wir ja auch Teller, Tassen, Löffel, Messer und Topf auf dem Berg…
Tag 1 – Anreise nach Koidu
Unser Plan war ja, die erste Nacht noch in Koidu zu verbringen. Koidu ist die größte Stadt im Kono Distrikt. In dieser Gegend spielt übrigens auch der Film „Blood Diamond“. Hans-Jochen, ebenfalls über Brot für die Welt in Sierra Leone, wohnt in Koidu und war so nett uns unbekannterweise für die erste Nacht zu beherbergen. Das ist auch nicht ganz selbstverständlich. Immerhin kannte er niemanden von uns, mich nur aus der whatsapp-Gruppe und wir kamen zu sechst 😉 Hannah und Max mit zwei Freundinnen aus Österreich, die gerade zu Besuch sind, und Joseph und ich.
Bevor ich in Freetown los bin, habe ich noch Zwiebeln, Karotten und Gurken besorgt und war ernsthaft erschrocken, wie schwer das bisschen Gemüse ist. Mir schwante schon Schreckliches… Es gibt nichts Schlimmeres für meine armen Füßchen, als zu schwere Last. Das hatte ich schmerzhaft bei meiner Alpenüberquerung gelernt.
Nach dem Gemüse habe ich erst Joseph eingesammelt und dann ging es weiter knapp vier Stunden bis nach Makeni, wo es bei Max noch einen schnellen Kaffee gab und dann ging es nochmal 2 Stunden und 16 Minuten weiter bis nach Koidu. Hannah, Anna und Laura kamen direkt von Bo über die abenteuerliche Dirtroad nur kurz nach uns bei Hans-Jochen aka Jacksin an. Koidu hat nicht ganz so viel zu bieten wie Freetown, aber einen tollen Clocktower und wirklich einen hervorragenden Gastgeber, der uns unkompliziert und ganz wunderbar aufgenommen hat. Erste Eindrücke von der Anreise:
Tag 2 – Dorfpalaver und Aufstieg Part 1
Am Samstag wurde es dann ernst. Nach einem ausgiebigen Frühstück hieß es, Rucksäcke packen, so dass alles nötig dabei ist und zugleich das Gewicht noch (er)tragbar ist. Das war die größte Herausforderung. Ich hatte meine Klamotten, einen Teil des Essens und fünf 1.5l Flaschen Wasser im Rucksack. Es waren auf jeden Fall mehr Kilos als bei meiner Alpenüberquerung vor ein paar Jahren. Mit leichter Verspätung sind wir mit Hannahs Landcruiser los Richtung Tingi Hills. Unterwegs haben wir noch Wasservorrat aufgestockt und Brot und Nescafe gekauft. Alles nicht so einfach in Koidu. Die ersten Meter waren noch geteerte Straße, dann ging es knapp zwei Stunden über eine rough road. Ohne Landcruiser ist die Strecke nicht wirklich machbar. Unterwegs begegneten wir nur Motorrädern und Menschen zu Fuß. Schon auf dem Weg war klar, in der Regenzeit ist der Sankanbiriwa nicht wirklich machbar, schon die Straße zum Dorf ist dann kaum befahrbar. Selbst für Landcruiser.
Es galt zwei Brücken zu überqueren, die aus morschen Holzbrettern bestanden. Die eine Brücke hatte auch ein großes Loch, so dass wir alle ausstiegen, bis auf Senior Driver Max und ihm genaue Instruktionen geben mussten, wie und wo die Räder die Brücke überqueren sollten, damit wir nicht feststecken würden. Der Weg ist Teil des Abenteuers 😉
Nach zwei Stunden waren wir alle gut durchgeschüttelt, Knochen neu sortiert und die Nacken gelockert. Die Menschen in den Dörfern, die wir unterwegs durchfuhren, waren alle sehr neugierig und interessiert, was dieses Auto voller fremder Leute hier wohl machen würde. Es war klar, hier kommt nicht so oft ein Auto vorbei. Wir hatten die Info, dass wir mit dem Auto nur bis Kenewa fahren können und dort mit dem Chief sprechen müssen und von dort auch guides mit auf den Weg bekommen. Wir wussten zwar, dass es noch ein Dorf gibt, dass näher am Berg ist, aber es hieß, es ist nicht mit dem Auto erreichbar. Also hielten wir in Kenewa am Dorfplatz neben dem großen Baum an und stiegen aus. Sofort kamen Kinder, Frauen und Männer, begrüßten uns und fragten, was unser Vorhaben wäre. Wir erklärten, dass wir gerne mit dem Chief sprechen würden, um die traditions zu respektieren, weil wir auf den Sankanbiriwa möchten. Da fing schon das erste palaver an. Der Paramount Chief sei krank hieß es, deshalb sind alle chief bei einem meeting. Der Dorfchief, der section chief, alle beim meeting. Der Section chief wurde angerufen, es hieß, er würde so gegen 16h zurück sein, dann könnten wir mit ihm alles Nötige besprechen. Für uns wäre das aber zu spät. Wir mussten unbedingt am Samstag schon den ersten Teil des Aufstiegs hinter uns bringen, sonst würden wir es nicht bis zum Gipfel des Sankanbiriwa schaffen. Also langes Hin und Her. Schließlich haben sich ein paar Männer besprochen und entschieden, sie könnten uns auch ohne den chief begrüßen und direkt mit uns verhandeln. Als das geklärt war, wurden wir offiziell begrüßt. Uns wurden drei Kolanüsse in einem Plastikbecher überreicht. Wie wir im Nachhinein erst lernten, hätten wir zwei nehmen sollen und eine zurückgeben. Aber gut. Es sei uns verziehen. Während dieser ganzen Zeit saßen wir auf Holzbänken, die eilig gebracht worden waren im Kreis unter dem Baum mit mehreren Frauen, Kindern und Männern, die uns alle interessiert anschauten. Die Frauen brachten uns die Grußformeln in der lokalen Sprache bei und erfreuten sich, an unserer schlechten Aussprache, wenn wir wiederholten, was sie sagten.
Im Hintergrund haben ein paar Männer aus dem Dorf mit dem Section chief telefoniert und bekamen von ihm das okay, die Verhandlungen führen zu dürfen. Hannah und Joseph haben für uns die Gespräche übernommen. Joseph hat auch direkt mit dem Section Chief gesprochen. Irgendwann kam das Dorf mit einem Preis, der uns zu hoch erschien. Wir sollten 1.500 NLe für den Paramount Chief zahlen, 1.500 NLe für den Section Chief, 500NLe für das Dorf und da war dann unser guide noch nicht inbegriffen. Am Ende haben wir auf 3.000 NLe all inclusive heruntergehandelt. (Aktuell ist der Wechselkurs meist bei 24.5NLe zu 1 Euro. In den Dörfern gibt es aber kaum Geldwirtschaft. Es ist also eine riesige Summe.) Nach einer Stunde waren wir dann soweit und hatten die Erlaubnis weiterzugehen und den Berg zu besteigen. Uns wurde ein Guide mitgegeben, der angeblich den Weg kennen würde.
Gegen ein Uhr haben wir uns also endlich auf den Weg gemacht, nachdem wir uns alle schön mit Sonnencreme eingeschmiert hatten und unsere Käppis aufgesetzt haben. Nach nur wenigen Minuten waren wir durchgeschwitzt. Und das war erst der Anfang. Es ging erst noch in Begleitung einer Gruppe Kinder durch ein bewaldetes Stück, dann kam der erste Abschnitt, auf dem alles abgebrannt war, so dass wir schön in der Sonne durch verkohlte Natur gingen. Nicht das letzte Mal. Als wir die ersten Brücken erreichten, wurde uns klar, weshalb es keine gute Idee gewesen wäre, das Auto mitzunehmen. Die Brücken waren in noch viel schlechteren Zustand als die, die wir schon überquert hatten. Vorbei an Reisfeldern ging es immer weiter, die ersten Berge zu unserer Linken und Rechten. Auf einmal war noch ein zweiter guide dabei. Mit einem Gewehr, da es angeblich gefährliche Tiere wie Leoparden geben würde. Ich denke eher, sie wollten jagen gehen.
Nach knapp einer Stunde erreichten wir dann das letzte Dorf vor dem Berg. Wir wurden wieder willkommen geheißen, alle versammelten sich unter dem Baum und erklärten uns, der chief wäre bei einem meeting, wir müssten warten bis er zurück wäre, um mit ihm zu besprechen, ob wir weitergehen dürften. Puh. Dann fing das zweite palaver an. Immerhin hatten wir schon eine Stunde Gespräche und Warten hinter uns. Es war mittlerweile zwei Uhr nachmittags und wir hatten noch eine Strecke zurückzulegen. Wir versuchten zu erklären, dass wir schon bezahlt hatten und das okay vom Section Chief hatten. Es war ganz klar, dass die beiden Dörfer im Konflikt liegen. Irgendwas mit einem Wasserprojekt und der Krankenstation. Wir versuchten klar zu machen, dass wir nichts falsch gemacht hätten, alle Traditionen respektieren würden, aber es schwierig wäre. Wenn sie gerne tourists empfangen möchten und Geld verdienen möchten, dann wäre es gut, wenn es den tourists auch ermöglicht werden würde, den Berg zu besteigen. Nach langem Hin und Her, wurde der section chief telefonisch erreicht. Er war erst nicht mehr erreichbar gewesen. Joseph sprach nochmals mit ihm. Erst hieß es dann, wir müssten nun 5.000NLe zahlen. Wir sollten zurück in das andere Dorf, dort das Geld wieder einsammeln, dann zurückkommen und hier bezahlen… Not so easy.
Irgendwann meinten wir dann, es gibt nur zwei Optionen. Entweder wir kehren um und fahren nach Hause oder sie lassen uns nun gehen. Auf einmal war der Section Chief dann doch am Telefon und gab uns nochmals die Erlaubnis zu gehen. Um drei Uhr konnten wir uns dann endlich wieder auf den Weg machen und begannen endlich mit dem Aufstieg.
Der Aufstieg war zwar super anstrengend – unsere Rucksäcke waren einfach sehr schwer – aber landschaftlich wirklich atemberaubend schön. Wir gingen durch Wälder, über schmale Pfade mit Bergpanorama zu unserer Rechten, über eine Baumstammbrücke, durch vertrocknete und abgebrannte Felder, die leider voller menschenhoher Pflanzen waren, die ihre Pollen (ähnlich Pusteblumen) auf unsere verschwitzen Körper klebten, es ging über Stock und über Stein, so dass unsere Beine schon bald zerkratzt waren. Aber immer wieder gab es traumhafte Blicke auf die Berg.
Ich fühlte mich etwas wie in diesem Kinderspiel „Wir gehen auf Löwenjagd“, da es ständig neue Herausforderungen zu meistern gab.
Eine konstante Herausforderung blieb auch die Kommunikation mit den guides. Selbst für Joseph war es nicht easy Informationen aus ihnen herauszubekommen. Auf die Frage, wie weit wir noch gehen müssten, bis wir unsere camp site für die erste Nacht erreichen würden, hieß es nur „We stop when you are tired.“ Wir versuchten herauszufinden, wie weit wir heute gehen müssten, wenn wir am Folgetag den Gipfel erreichen wollten und dann am Montag aber wieder am späten Vormittag beim Auto sein wollen. Keine Chance. Auch die Frage nach Wasser konnten wir nicht wirklich klären. Wir hatten zwar einige Liter dabei, aber es war klar, dass wir unterwegs Wasser auffüllen müssten. Also einfach weiter bergauf, bergauf, bergab, bergauf.
Gegen halb sechs entschieden wir, dass es langsam Zeit wäre, einen Platz zu suchen, wo wir unsere Zelte aufschlagen könnten. Wir brauchten noch genug Zeit im Sonnenlicht, für die Zelte, Feuerholz suchen, Kochen und Wassersuche. Zwischen großen Felsen fanden wir genug Platz für unsere drei kleinen Zelte, mit traumhaftem Blick. Die beiden Guides zogen los mit den leeren Flaschen, um Wasser zu besorgen. Wir begannen, die Zelte für die Nacht vorzubereiten, Holz zu sammeln und zu kochen. Da die Guides ewig nicht kamen, wussten wir nicht, ob wir neues Wasser bekommen würden und kochten Nudeln mit minimalem Wassereinsatz. Hut ab Hannah, die die Nudeln 1a gekocht hat. Es gab Pasta mit Tomatensoße und vorneweg noch etwas Oliven, Gurken und Karotten. Obwohl unsere Beine zerschunden, unsere Körper verschwitzt und unsere Beine vor allem kohlrabenschwarz waren, da wir viel über trockene verkohlte Erde gelaufen waren, gab es keine Dusche, da kein Wasser…
Als wir schon mit Essen fertig waren, sahen wir das Licht der guides den Hang herunterkommen. Sie hatten tatsächlich Wasser gefunden. Gut, nicht kristallklar und mit Waldgeschmack, aber Wasser. Mit Hannahs Tabletten würde das Wasser sich hoffentlich innerhalb von zwei Stunden in Trinkwasser verwandeln. Zum Glück war nicht Neumond, so dass vom Nachthimmel genug Licht kam, um sich ein bisschen zu orientieren. Müde, aber glücklich schlüpften wir in unsere Zelte und lauschten den Geräuschen der Nacht.
Tag 3 – Aufstieg Teil 2: We define our own peak!
Der Morgen wurde von den Vögeln eingeläutet. Das Feuer wurde nochmal angefacht, so dass wir nicht ohne Kaffee losgehen mussten. Wir haben noch diskutiert, ob wir unser camp auch für die zweite Nacht an derselben Stelle behalten sollten. Das hätte bedeutet, dass wir direkt mit leichtem Gepäck hätten loslaufen können. Hannah hatte aber online gelesen, dass es auch eine Zeltmöglichkeit direkt mit Wasserzugang geben würde und mehr ebenen Flächen für die Zelte. Also entschieden wir, nur die Sachen, die wir in den nächsten 24 Stunden nicht benötigen würden, hierzulassen (Müll, die restliche Pasta und unser Überzelt. Wir hofften auf eine weitere regenfreie Nacht.). Mit dezent leichteren Rucksäcken – vor allem, da die meisten Wasserflaschen leer waren – ging es zum ersten Aufstieg des Tages. Und der hatte es in sich. Es ging eine halbe Stunde lang steile Felsen hoch. Gut, der Ausblick war mal wieder traumhaft und die Landschaft, durch die wir uns nach oben arbeiteten, wirklich schön, mit Felsbrocken, die „herumlagen“, aber auf jeden Fall eine Cardioeinheit am Morgen, die die Waden aufwärmte.
Wir hatten entschieden, wir würden eine Stunde mit Gepäck laufen. Wenn wir innerhalb einer Stunde keinen Zeltplatz finden würden, würden wir das Gepäck zurücklassen und mit leichtem Gepäck weiter Richtung Gipfel. Wir hätten dann am Rückweg alles wieder eingesammelt und wären zurück zu unserer alten Camp site. Aber zum Glück haben wir einen super Platz gefunden. Dort, wo die guides am Vorabend das Wasser geholt hatten. Wir machten kurz Pause, besprachen uns nochmals kurz und versuchten herauszufinden, wie weit es noch bis zum Gipfel des Sankanbiriwa ist. Leider wieder einmal ohne Erfolg. Erst hieß es drei Stunden – hin und zurück. Als ich meinte, das hört sich etwas unrealistisch an, meinten sie, es sind fünf Stunden… Wir nahmen also lieber mal ausreichend Wasser mit für eine unbestimmte Zeit. Mit den leichteren Rucksäcken war das Wandern beinahe schon ein Leichtes 😊
Es ging noch einmal eine kurze Strecke bergauf und dann endlich eröffnete sich der Blick auf unser Ziel, den Sankanbiriwa. Er erhob sich majestätisch in der Ferne, so dass ich schon kurz zweifelte, ob wir ihn überhaupt noch erreichen würden. Es ging ein bisschen bergab über sanfte Hügel in ein Tal, es ging wieder unter Lianen, vorbei an Dornen, über Gehölz, mit einem Sprung über einen Bach und einen Kohlestaubhügel hinauf.
Und dann waren wir direkt am Fuße unseres Zieles. Unsere guides konnten auf einmal nicht mehr weiter. Sie könnten nicht auf den Berg, weil ihnen schwindelig werden würde, oder irgendwas mit dem Berg oder was auch immer. Wieder einmal verstanden wir nicht genau, was eigentlich los war. Es war nur klar, die letzte Etappe hatten wir keine guides mehr. Nach einem weiteren sehr steilen Abschnitt machten wir Pause. Über uns lag ein steiler Hang, den es anscheinend zu überwinden galt. Danach sah es nicht mehr so schwer aus. Es sah so aus, als müsste man nach dem letzten steilen Stück nur noch auf dem Kamm entlang zum Gipfel. Da wir teilweise schon sehr müde Beine hatten und nicht einschätzen konnten, was auf uns wartete, entschieden wir, uns aufzuteilen. Ein Teil der Gruppe entschied sich, nicht weiterzugehen. Der Aufstieg war nicht unser Bedenken. Wir machten uns eher Sorgen, wie wir den Abstieg über den steilen Felsen meistern würden.
Jede Person definiert ihren eigenen Gipfel, war unsere Devise.
Ich finde, dieser Satz ist auch ein schöner Lebensbegleiter.
Hannah und Max entschieden weiterzugehen. Wir anderen vier wollten etwas weiter hinunterklettern und dort im Schatten auf sie warten, als auf einmal eine Gruppe Paviane unseren Weg kreuzte. Ich habe ja immer sehr großen Respekt vor Affen und ihren Hauern. Zum Glücken war der Gipfel ihr Ziel. Innerhalb von Sekunden waren sie oben auf dem höchsten Punkt des Berges. Offensichtlich haben wir während der Evolution dann doch ein paar skills verloren.
Anna, Laura, Joseph und ich entspannten im Schatten der Felsen und genossen unser Lunch während wir die Paviane oben am Berg beobachteten, den Vögeln beim Zwitschern lauschten und immer wieder nach Hannah und Max Ausschau hielten. Doch anstatt am Gipfel, entdeckten wir sie beim Abstieg. Sie hatten es auch nicht ganz hoch geschafft. Für den Aufstieg hatten sie die schwierige steile Stelle genutzt, nur um dann beim Abstieg festzustellen, dass es einen einfachen Zugang zum Kamm gab. Hätten unsere guides uns mal genauere Angaben gemacht, darüber, wie lange wir brauchen würden und hätten sie uns den einfachen Weg gezeigt, hätte ich euch ein Gipfelfoto präsentieren können. Aber so, waren wir eben nur fast am Gipfel des Sankanbiriwa. Unseren persönlichen Gipfel haben wir aber erreicht.
Um noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück bei unserem Lagerplatz zu sein, machten wir uns direkt auf den Rückweg. Den Sankanbiriwa im Rücken. Die bergige Landschaft lädt wirklich dazu ein, hier eine Wanderwoche zu verbringen. Wäre nur die Wasserversorgung etwas besser und einfacher…
Unser Platz für die zweite Nacht war hervorragend gewählt. Die Felsen, auf denen wir die Zelte aufschlugen, strahlten noch die Hitze vom Tag ab, es gab eine super Feuerstelle und das beste: eine Luxus-Waschstelle, abgeschirmt mit Elefantengras. Stellt euch einfach ein antikes Bild mit dem Titel „Die Badenden“ vor. Genau so sah es aus, als wir vier Frauen uns gemeinsam an der Badestelle den Kohlestaub und den Schweiß vom Körper wuschen. (Auf dem einen Foto seht ihr nur die Fußwaschpfütze, nicht die Waschstelle!!!) Nachdem die Schnapsbar geleert war und die Füße und die Körper gereinigt, gab es leckeren Reis mit Kokosdaal und Sangaria aus dem Tetrapack. Das waldige Wasser wurde mit Ahoi-Brause etwas schmackhafter gemacht und dann legten wir uns alle auf die hotstone Fläche und genossen den Blick in den Nachthimmel.
Tag 4 – Abstieg mit müden Beinen: bye-bye Tingi Hills, hopefully see you soon Kono
Da eine weite Reise auf uns wartete, besonders auf mich und Joseph, die bis zurück nach Freetown mussten, wollten wir mit der Sonne aufstehen, und früh unseren Abstieg starten. Max stand noch in der letzten Dunkelheit der Nacht auf, um den Kaffeetopf sauber zu kratzen und unser Frühstück zu bereiten. Es war genug Zeit für Porridge à la Max, Käffchen und eine schnelle Dusche. Die Rucksäcke wurden ein letztes Mal gepackt. Dieses Mal mit minimalem Wasserload. Ein schönes Gefühl. Als erste Etappe des Tages wartete der steile Abschnitt auf uns, den wir am Vortag als Cardioeinheit hoch sind. Jetzt ging es vorsichtig im Schneckentempo hinunter. Wir wussten schon, was noch auf uns warten würde, da wir den gleichen Weg zurückgingen. Wie bei der Löwenjagd, galt es wieder die gleichen Herausforderungen zu meistern, unter uns mittlerweile bekannte umgestürzte Bäume, über verkohlte Felder und durch pollenreiches Gesträuch. Über Lianen und durch Regenwald, durch den Bananenwald und schließlich über den Fluss mit dem wunderbar klaren und kühlen Wasser. Fast geschafft.
Meine Füße und Beine schmerzten wie lange nicht mehr, als wir – dieses Mal das Bergpanorama zu unserer Linken – endlich das letzte Dorf erreichten. Vorab hatten wir schon besprochen, dass wir uns nicht aufhalten würden, sondern zügig durchgehen würden. Unser guide hatte sich vor dem Dorf in die Büsche geschlagen, um die Konfrontation mit dem Dorf und dem Section Chief zu umgehen und traf erst wieder auf der anderen Seite des Dorfes auf uns. Wir wurden begrüßt und eingeladen, uns auszuruhen, aber wir lehnten dankend ab. Wir wollten zum Auto, wo (durchsichtiges, farbloses) Wasser auf uns wartete und wir endlich sitzen konnten. Die Vorfreude auf das Gefühl, wenn ich endlich die Wanderschuhe ausziehen könnte, beflügelte mich nochmal kurz. Glücklich, müde, dreckig und verschwitzt kamen wir beim Auto an.
Nun nur noch zwei Stunden zurück über rough road – das hatte nichts mehr mit dirt road zu tun 😉 Bei Hans-Jochen in Koidu durften wir noch einmal kurz unter die Dusche springen, bevor wir uns wieder auf die zwei Autos aufteilten und uns nach einem kleinen Essensstop auf den Weg zurück nach Bo, Makeni und Freetown machten. Nach weiteren sechs Stunden Fahrt war dann auch ich um neun Uhr abends als letzte fast zuhause und habe mich noch mit einer Pizza takeaway und einem Mützig belohnt.
Kono ist landschaftlich wirklich wunderschön. Die Reise hat sich trotz aller Strapazen gelohnt. Der Weg zwischen Makeni und Koidu führt kurvenreich durch bewaldete grüne Hügel und kleine Ortschaften. Man merkt, dass man ganz weit weg von der Hauptstadt ist. Aber auch wenn die Blasen an den Füßen noch schmerzen, würde ich einen Trip nach Kono und in die Tingi Hills auf jeden Fall empfehlen 😊
Ein großes Dank an die Reisegruppe. Es waren anspruchsvolle aber tolle Tage! Jeder Zeit wieder mit euch.
Einige der Fotos sind von Anna, Hannah, Laura und Max.
Neueste Kommentare