Als ich vor ein paar Wochen in der Nähe von Kabala die illegalen Mining Sites besucht habe, wusste ich, dass ich unbedingt davon berichten möchte. Nun bin ich schon wieder vier Wochen zurück und komme heute hoffentlich endlich dazu, einen Beitrag zu verfassen. Es ist nicht so einfach. Das Thema ist sehr vielschichtig und komplex und alle Zusammenhänge verstehe ich auch nicht. Aber auch ohne 100% Wissen über das Ausmaß der ganzen Geschichte, ist es dennoch erschreckend wie bis zum heutigen Tage Länder wie Sierra Leone ausgebeutet werden und ihre Bevölkerung nicht davon profitiert.
Lake Sonfon – ein ganz besonderes Naturparadies wieder bedroht
Über Lake Sonfon und unsere Arbeit dort habe ich schon vor zwei Jahren berichtet, als ich das erste Mal dort war. Dieses Mal hatte ich das große Glück, eine ganze Woche in Kabala bleiben zu können (Kabala kennt ihr ja auch schon aus verschiedenen Beiträgen) und nochmal zum Lake Sonfon zu fahren. Der Anlass war leider nicht schön. Nachdem wir es geschafft hatten, dass 2021 die mining sites geschlossen worden waren, sind einige seit knapp einem Jahr wieder in Betrieb. Wie kam es dazu? Und: wieso wollen wir Lake Sonfon eigentlich schützen?
Lake Sonfon hat ein ganz besonders Ökosystem. Auch wenn man nicht wirklich Ahnung von Pflanzen und Tieren hat, merkt man, dass es echt ein besonderer Ort ist. Der See liegt in einem sanften Tal in mitten von grünen Hügeln. Außenherum gibt es nicht wirklich dichten Wald, sondern diese wunderschönen Grasbüschel, blühende Gräser, kleine Blümchen, die mich immer an Enzian erinnern von ihrer Blütenform – sind aber weiß, dazwischen einzelne Bäume und dieser ganz spezielle Geruch, den es nur am Lake Sonfon gibt. Ich habe versucht einen Pflanzenmix mitzunehmen für meinen Balkon, aber es sieht nicht so aus, als würden die Pflanzen überleben. Der weiße Enzian blüht, der Strauch ist erst eingegangen, kommt aber wieder, aber die Farne… Keine Chance. Die werden es leider nicht schaffen. Durch das zarte fast weißliche grün des Grases sieht alles irgendwie „leise“ aus und die Landschaft wirkt sehr sanft. Es ist ganz schwer zu beschreiben. Natürlich gibt es auch besondere Tiere dort. Zum Beispiel den Emerald Starling, der als endemische Art in Westafrika gilt. Endemisch bedeutet, etwas kommt nur in einem bestimmten Gebiet vor. Lake Sonfon ist aber auch wichtig als Raststation und Aufenthaltsort für Zugvögel aus Europa. So kommen einige Störche im europäischen Winter zu uns an den See.
Der See hat mehrere kleine Zuflüsse und einen Abfluss, den Pampana River. Sowohl im See als auch im Pampana River gibt es Krokodile. Ich bin keine Reptilienexpertin, aber ich habe Videos von den Krokodilen gesehen und würde mal vermuten, dass es vielleicht sogar Nilkrokodile sind? Auf dem Video war zwar ein kleines Krokodil und Nilkrokodile sind ja eigentlich groß… das muss ich nochmal nachrecherchieren. Meine ganzen Biodiversity-Kollegen sind allerdings gerade nicht verfügbar. Wer hätte gedacht, dass Krokodil identifizieren schwieriger ist als Vogelarten bestimmen…
Der Fluch der Bodenschätze
Sierra Leone ist nicht das einzige Land auf der Welt, das verflucht ist mit wunderbaren Bodenschätzen, wie Gold, Diamanten, Rutile, Eisenerz und Seltenen Erden. Meist bringen Bodenschätze für die Länder keinen Segen, sondern eher Konflikte, Krieg und Destabilisation. Mosambik zum Beispiel hatte sich ganz gut und friedlich entwickelt, bis Gasvorkommen im Norden entdeckt wurden. Die demokratische Republik Kongo kommt seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe, weil es für alle, die mit den Bodenschätzen Geld verdienen, natürlich viel dienlicher ist, wenn das Land schlecht zugänglich, unkontrollierbar und intransparent bleibt. So können sich Konzerne, Politiker und Investoren am besten bereichern. Kaum ein Land auf dem afrikanischen Kontinent hat es geschafft, aus seinem Reichtum wirklich Reichtum zu schaffen. Botswana ist da eine Ausnahme. Sierra Leone ist bekannt durch den Film Blood Diamond. Aber wir haben wie oben schon geschrieben noch einiges mehr in unserer Erde verborgen. Niemand weiß so genau, was und wieviel das Land schon verlassen hat. Teilweise haben ausländische Mining companies Lizenzen für einen Rohstoff, aber was genau in den Containern dann verschifft wird, das wird nicht kontrolliert.
Die großen Diamantenminen befinden sich in Kono, im Osten des Landes. Dort war ich noch nie. Ich hoffe, dass sich das noch ändert. Ich kenne bisher hauptsächlich stone mining sites hier direkt im Naturschutzgebiet bei Freetown, von wo chinesische Firmen Steine extrahieren. Natürlich habe ich schon öfter artisanial goldmining in den Flüssen gesehen. Vielleicht habe ich das auch beschrieben in einem Beitrag über Tiwai? Und nun endlich ging es mal zum Lake Sonfon zu den Goldminen.
Capacity building mit den colleagues – soweit möglich
Meinen Trip nach Kabala und zum See habe ich direkt mit ein paar kleinen Trainings für das Team in Kabala verbunden. So haben wir am ersten Tag ein paar kleine Trainingseinheiten gemacht, zur Nutzung von googledrive und zur Arbeit mit PDFs. Follow-up trainings werden wohl noch folgen müssen, aber ein Grundstein ist gelegt. Es ist auch ein bisschen herausfordernd. Trainings für Computer Skills, wenn nicht alle einen Laptop haben bzw. die Laptops mal wieder nicht gehen, das Internet zu schwach ist, um die offline-Software herunterzuladen und dann auch noch der Strom so lange weg ist, dass alle Laptop-Akkus leer sind, noch bevor alles fertig besprochen ist. Erleichtert die Arbeit nicht gerade. Macht es auch schwer, Informationen, Fotos und Updates aus den communities zu bekommen. Mittlerweile bin ich an die Umstände gewöhnt, aber es ist trotzdem schwierig. Eigentlich würden wir unsere Arbeit gerne gut machen, aber wie ist die Frage, wenn die einfachsten Arbeitsmittel nicht zur Verfügung stehen?
Das hört nicht im Büro auf, sondern zieht sich so durch. Wenn das Motorrad kaputt ist und kein Geld für Reparatur oder Benzin, dann kann auch niemand in die communities fahren. Dabei sind regelmäßige Besuche für die Beziehungsarbeit sehr wichtig. Auch damit die Menschen merken, wir meinen es ernst, kommen vorbei und sehen, wenn sie sich nicht an Vereinbarungen halten. Umso wichtiger also, dass wir nun zwei Tage hintereinander an den Lake fahren, die communities besuchen, mit dem Paramount Chief sprechen und dokumentieren können, wie die aktuelle Situation vor Ort ist.
Auf zum Lake Sonfon
Wie immer hieß es, wir müssen „früh“ los, weil wir 2-3 Stunden Matschstraße fahren müssen bis zum Lake Sonfon – und auch wieder zurückmüssen, weil vor Ort übernachten keine Option ist. Weshalb, dazu vielleicht wann anders mehr. Das würde jetzt nochmal ein ganz neues Fass aufmachen. Also „früh“ los. Mittlerweile weiß ich schon, dass früh alles heißen kann zwischen 6:30 und 10. Also lieber nachgefragt. Ja, also „very early“ war dann am Ende Treffpunkt um 9h im Büro und dann aber direkt Abfahrt. Die Realität war dann, gegen neun im Büro, die Kollegin, die das Mittagsessen für uns vorbereitet hat, wurde dann abgeholt und dann wurde erstmal die Hälfte des Essens gegessen und gegen 10h war denn langsam Abfahrt. Zuerst bin ich gefahren, aber ich bin natürlich zu langsam gefahren. Deshalb habe ich das Steuer meinem Kollegen überlassen. Zum Glück muss ich sagen. Er ist dreimal fast steckengeblieben. Ich hätte das auf keinen Fall geschafft. Leider kommt das auf Foto und Video immer nicht so cras raus.
Hier trotzdem mal ein paar Eindrücke vom Weg zum Lake Sonfon, mit kurzem Zwischenstopp beim Paramount Chief. Über diese Strukturen muss ich auch mal noch schreiben. Der Paramount Chief auf jeden Fall war auch länger in den USA und wusste, dass Deutschland ganz weit vorne mitspielt, was Technik und Erfindungen angeht, aber auch „ein bisschen rassistisch“ ist. Davon hatte ich ja schon mal geschrieben. Der Paramount Chief hat mitten in einem Dorf, direkt neben dem Cotton Tree im Ort, ein riesiges zweistöckiges Gebäude mit riesiger Empfangshalle und Sofalandschaft. Immer etwas skurril. Der Paramount Chief ist gegen das Mining im Lake und in der Bufferzone. Aber jetzt wo die ausländischen Firmen innerhalb des Gebietes minen, meint er, er kann offiziell nichts dazu sagen und wir dürfen ihn auch nicht zitieren, das ist jetzt politisch. Da kann er nichts machen.
Mining – ein schmutziges Geschäft.
Mining ist ein dreckiges und gefährliches Gewerbe. Kennen wir ja aus Deutschland aus dem Bergbau. Und Rohstoffabbau geht meines Wissens auch nicht ohne großen Impact auf die Umwelt. Wir versuchen deshalb das Mining direkt am Lake Sonfon und auch in einer Bufferzone um den See zu stoppen, damit das Wasser nicht verschmutzt wird und somit der Lebensraum der Tiere und auch die einzige Wasserquelle für Menschen sauber erhalten bleiben.
Mining ist aber auch so ein schmutziges Geschäft. Es geht nicht nur um die dreckigen Hände und Füße der Miner, nicht nur um die Umweltverschmutzung und Zerstörung von Dorfstrukturen, zunehmender Kriminalität und Prostitution, überall dort, wo größere Mining Sites eröffnen – es geht auch um das dreckige Geschäft im Hintergrund. Aber dazu kommen wir dann später nochmal. Klar ist auf jeden Fall, dass auf nationaler Ebene Gelder in bestimmte Taschen fließen, die offizielle Lizenzen in Gebieten ermöglichen, die eigentlich geschützt sind, Gelder wiederum nicht zu denjenigen fließen, die für die Kontrolle der Einhaltung von Vorgaben zuständig sind, so dass es oft halblegale Tätigkeiten sind und zugleich ein Rechtsfreier Raum entsteht. Wo kein Richter, da kein Henker. Oder auch wo kein Kläger, da kein Recht.
Zwei Wochen später….
Irgendwie schaffe ich einfach nicht, diesen Artikel fertig zu schreiben. Ich habe den Artikel vor zwei Wochen angefangen und einfach noch nicht fertigbekommen. Mittlerweile bin ich schon wieder sechs Wochen zurück in Freetown. Es wird also Zeit! Deshalb tippe ich hier jetzt einfach alles runter, sonst wird das nie etwas. Es ist zwar trotzdem fast der längste Artikel ever, aber zugleich wäre ich gerne viel mehr ins Detail gegangen. Mehr Infos also auf Nachfragen von eurer Seite 🙂
Ich wollte euch eigentlich beschreiben, wie die mining communities leben. Ich habe hier noch nie so ärmliche Unterkünfte gesehen. Außer in den Slums in Freetown und auf Plantain Island. Es sieht alles sehr notdürftig aus, die Kinder gehen entweder nicht zur Schule und werden zu Verwandten geschickt, wo sie auf die Schule gehen können. Ich bekomme leider immer so unklare Antworten auf meine Fragen. Wenn ich Frage: Haben die Menschen hier schon immer gelebt oder kamen die wegen des mining? Dann heißt es: die leben hier schon immer. Okay. Wenn ich dann frage, ob es Schulen gibt, heißt es: Nein. Die Leute ziehen ja immer weiter, wenn hier nichts mehr aus der Erde zu holen ist. Also leben sie doch noch nicht immer hier. Aber vielleicht schon irgendwie. Einerseits sind es Leute von hier, aber sie kommen meist von woanders???? Alles sehr verwirrend.
Auf jeden Fall ist klar, dass die Dörfer, bevor man die mining area erreicht, wie ganz normale Dörfer aussehen. Die Dörfer bei den mining sites sind alle sehr zusammengeschusterte Unterkünfte. Keine Perspektiven, keine Infrastruktur, sieht nicht schön aus. Muss ich einfach so sagen. Ich würde jederzeit mein Zelt am See aufstellen. Aber ich möchte nicht in einem dieser Dörfer leben müssen. Die Leute aber mal wieder alle sehr, sehr freundlich. Ich muss euch nicht extra sagen, welches die mining Dörfer sind. Ihr werdet es selbst sehen…
Mit der einen Gruppe Miner haben wir uns unterhalten. Ich habe mit dem einen jungen Mann am Foto gesprochen. Er konnte sehr gut Englisch. Also offensichtlich hat er irgendeine Art von Bildung genossen und war auch schon mal aus seinem Dorf weg. Als ich meinte, „Ihr wisst, dass wir das nicht so gut finden, was ihr macht? Es verschmutzt das Wasser und zerstört die Umwelt“, meinte er mit einem verzweifelten Schulterzucken „Wir haben keine Wahl. Wie sollen wir sonst Geld verdienen?“ Der Besuch bei den mining sites ist mir echt nachgegangen. Krasse Lebensumstände, krasse Perspektivlosigkeit, echt keine dummen Leute… Ganz große ungerechte Scheiße.
Teilweise versuchen die communities in den riesen Kratern, die die Mining companies mit ihren großen Maschinen hinterlassen haben, noch Reste zu finden. Ich verstehe es ja immer noch nicht ganz. Anscheinend wird oben die Erde in die Maschine geschaufelt, dann wird sie mit Wasser gereinigt und geschüttelt. Der Schlamm fließt wieder raus und der Goldstaub/ Goldsand wird separiert und aufgefangen. Dann braucht es aber meines Wissens noch Chemikalien, um das Gold wirklich herauszutrennen. So genau konnte das dann doch niemand erklären. Wie immer.
Das Wasser auf den Bildern ist die einzige Wasserquelle für die Menschen, zum Kochen, Trinken, Waschen. Just think about it…
Neben den kleinen Community mining sites, gibt es natürlich auch noch die großen internationalen mining companies. In Kono suchen sie eher nach Diamanten und selten Erden (da spielte auch Blood Diamond), in Lunsar gibt es Eisenerze, im Süden gibt es Rutile und hier in Kabala gibt es Gold.
Unser Lake Sonfon ist ein designiertes Naturschutzgebiet. Es gibt eine Bufferzone und sowohl im Schutzgebiet selbst als auch in der Bufferzone ist kein mining erlaubt. Es gibt nun zwei internationale Unternehmen, die haben schön Lizenzen für außerhalb der Bufferzone, aber sie minen direkt am See. Das ist zwar nicht erlaubt, aber sie haben Militär bei ihrer Site. Wir waren dort und es kam auch direkt eine Soldatin und wollte wissen, was wir machen. Wir waren ja nur da um Daten zu erheben und um zu schauen, was so los ist. Normalerweise kann man immer nett mit den Leuten reden, lächeln, ein paar Fragen stellen, Scherzchen und alles ist gut. Direkt an der Stelle, an der die eine Company mint gibt es sehr viele Krokodile im See. Die wurden umquartiert. Es gibt ziemlich viele Vögel, leider kaum mehr Fische. Das Wasser ist einfach zu dreckig…
Hier wird zum Beispiel der ganze Fluss umgeleitet und das Flussbecken trocken gelegt, um Gold abzubauen. Das chinesiche Unternehmen geht da schon mit gewissem Einsatz rein, deshalb wird wohl auch etwas zu holen sein. Sonst macht das ja keinen Sinn…
Wir hatten vor zwei Jahren alle mining activities gestoppt. Das war ein ziemlich großer Erfolg damals. Leider wurden fast alle sites wieder eröffnet. Nachdem die zwei ausländischen Firmen kamen, haben die communities gesagt, wenn die das dürfen, dürfen wir aber auch. So gibt es jetzt mehr mining als noch 2021 als ich das erste Mal am See war. Jetzt müssen wir wieder von vorne anfangen. Nicht ganz, aber es wird wieder ganz schon viel Einsatz, Gespräche und Diskussionen kosten, um das mining wieder zu stoppen.
Und weil wir ja auch immer mal was essen müssen, hier mal ein paar Eindrücke vom Mittagessen… Schön Blick auf die Mining Site am anderen Ufer des Sees. Da war es 2021 komplett grün. Die Mining Site war damals inaktiv. Das zweite Mittagessen war in dem einen mining Dorf.
Und der Internationale Handel?
Und jetzt wird es spannend: Ich hatte mir natürlich noch nie wirklich Gedanken über den internationalen Gold- oder Diamantenhandel aus Ländern wie Sierra Leone, Burkina Faso oder Niger gemacht. Aber nun habe ich einiges dazugelernt. Hoch interessant, einerseits schockierend, aber auch nicht überraschend.
Wenn ich in Kabala bin, logiere ich ja immer im Hill View Guesthouse. Noemi ist eine wundervolle Gastgeberin, das Essen ist mega, die Hunde und Katzen sind ganz zuckersüß und alle Mitarbeitenden einfach supernett. Und der Blick – natürlich ist da noch dieser Blick in die Wara-Wara Mountains.
Ich hatte mich gefreut auf eine Woche Ruhe. Schön abends alleine auf der Terrasse sitzen, mein Buch lesen, mein Bierchen genießen. Und dann kam alles wieder ganz anders. Als ich ankam, kommen direkt zwei weiße Personen die Treppen herunter. Natürlich haben sich die Marion und Lars ausgerechnet dieses Wochenende ausgesucht, um endlich einmal nach Kabala zu fahren. Die beiden sind Deutsche und ziehen seit ein paar Jahren im Norden ein Restorationprojekt hoch, mit dem sie carbon credits erzeugen und verkaufen wollen (greenlimba.com). So viel zum Thema Ruhe und alleine. Aber war sehr nett, die beiden wieder einmal zu sehen.
Dann war da noch eine Italienerin, die für ein paar Wochen in Kabala ist für ihre Doktorarbeit. Und dann noch ein Herr aus The Gambia. Er war erst in Kono und jetzt ist er hier, was er macht, hat er nicht so wirklich gesagt. Aber gut, wer erst in Kono ist und dann in Kabala, hat irgendwas mit Mining zu tun. Klare Sache.
Als die anderen dann doch mal irgendwann alle abgereist waren, haben ich den mining Freund gefragt, ob ich mal Fragen zu seiner Arbeit stellen kann. Mich interessiert es wirklich, wie das läuft. Es ist hochinteressant.
Er selbst ist aus the Gambia, arbeitet aber für eine Firma, die – Überraschung – ihren Hauptsitz in Dubai hat, wo es quasi keine Steuern gibt. Er war schon in einigen Ländern unterwegs, Burkina Faso, Niger, DRC, Gambia, Guinea… In manchen Ländern ist er mit bewaffneter Eskorte unterwegs, das ist hier alles nicht nötig. Er hatte natürlich auch schon mal den Lauf einer Waffe an der Stirn, ist aber bisher immer wieder rausgekommen. Der Typ war eigentlich ganz nett. Ganz ruhig und angenehm. Also kein Angeber oder so. War ein sehr angenehmes interessantes Gespräch.
So wie ich das verstanden habe, macht er das Geschäft vor Ort. Er selbst sagt, er hat nichts mit mining zu tun. Er geht in die communities, wenn sie Unterstützung möchten, dann bekommen sie sie von ihm. Er besorgt die Maschinen, das Benzin, all das. Sie bekommen Vorschuss für ihre Arbeit. Wenn sie etwas finden, dann gehört es ihm. Sie bekommen einen kleinen Prozentteil. Wieviel wollte er mir nicht verraten. Finden sie nichts, war es angeblich sein Risiko. Dann holt er sich die Maschinen wieder.
Nachdem ich die communities am Lake Sonfon gesehen habe, denke ich, genauso läuft das mit denen. Da kommt jemand, sagt, hier habt ihr ein bisschen Geld, fuel, Maschinen, jetzt könnt ihr anfangen. Wenn sie was finden, wissen sie, in welches Büro in der nächsten Stadt, in Makeni, sie gehen müssen. Dort liefern sie das Gold ab und werden dafür bezahlt. Das Geld hat der Goldhändler zuvor schon von meinem Freund aus Gambia bekommen. Das Gold gehört quasi ihm. Aber, er nimmt es hier noch nicht an sich. Ein Mitarbeiter des Goldhändlers fliegt mit dem Gold und meinem Freund nach Gambia. Erst dort wird das Gold übergeben inklusive Herkunftszertifikate. Somit hat mein Freund aus Gambia nichts mit Goldhandel, Zoll, Transfer oder sonstigem zu tun. Er ist die ganze Zeit über in nichts offiziell involviert. Das mining machen die communities – die brauchen keine Lizenz vom Ministerium, sondern nur eine Erlaubnis vom Paramount Chief –, dann übernimmt der Goldhändler, der kümmert sich um Zertifikat, Ausfuhr usw.
Bis das Gold in Dubai verkauft wird, ist es um ein Vielfaches teurer geworden. Die Leute, die sich hier die Hände schmutzig machen und ihre Gesundheit riskieren, verdienen so gut wie nichts daran. Ähnlich läuft es mit den Diamanten.
Mein gambischer Freund arbeitet für einen internationalen Konzern. Sie haben Minen in Südafrika, DRC, Angola und anderen Ländern. Sierra Leone ist da nur ein kleiner Fisch. Mining ist hier nicht wirklich kosteneffektiv. Infrastruktur und Geräte sind nicht gut genug. Er sagt, Gold aus Mali oder Burkina Faso ist leichter verdientes Geld. Aber auch gefährlicher. Mega spannendes Thema. Ich muss mich da auch nochmal mehr mit befassen.
Und sahen dann meine Abende und Morgende im Hill View aus:
Buchempfehlung: Ismael Beah – Radiance of Tomorrow
Das letzte Mal habe ich ja geschrieben, dass ich das letzte Buch von Ismael Beah direkt lesen werde. Das habe ich dann auch gemacht und für mich ist es das Beste. Allen, die sich dafür interessieren, wie Gesellschaften nach einem Bürgerkrieg und schrecklichen Erlebnissen wieder versuchen können, ganz zart und vorsichtig, Gemeinschaft zu leben, denen empfehle ich wirklich das Buch zu lesen. Leider geht der größere Teil des Buches eher darum, wie diese zarte Pflanze der Gemeinschaft auch sehr schnell wieder zerstört werden kann. Und da kommt dann auch direkt die Verbindung zum heutigen Thema. Ja, soviel sei verraten: auch im Buch geht es um mining und den negativen Einfluss auf die Gesellschat. Mir hat das Buch die Augen geöffnet für vieles, was für mich bisher unverständlich hier war. Wieso begehren die Leute nicht auf, wieso wird so vieles hingenommen wie es ist, wieso so wenig Reflexion über das, was war? Ich verstehe die Menschen um mich herum jetzt besser und sehe noch klarer, welch unglaublich große Schäden Ausbeutung, Kapitalismus, Geldgier und Machtmissbrauch gerade in fragilen Gesellschaften anrichten können. Ein großes Dankeschön an den Autor für dieses Buch.
Aus der Not eine Tugend machen…
In Lunsar und am Highway vor Lunsar gibt es riesige offizielle Mining sites. Die eine haben wir mit dem Fahrrad besucht, während unseres letzten Peer-Coachings in Lunsar. Wir konnten zwar nicht aufs Gelände, aber immerhin waren wir am Tor gestanden. Die Mine wird aktuell von einem britischen Unternehmen geführt. Es gibt auf dem Gelände ein Krankenhaus für Mitarbeitende, Busshuttle in die Stadt, Pizzeria für Angestellte und und und. Das gesellschaftliche Problem mit dem Mining ist allerdings, dass es hauptsächlich Jobs für Männer gibt. Dass heißt, viele Männer kommen alleine in ein neues Gebiet und das bedeutet leider immer auch steigende Prostitution und damit eingehende Krankheiten und Teenage-Schwangerschaften.
Sehr beeindruckend fand ich deshalb das Social Enterprise einer Sierra Leonerin in Lunsar. Afrilosophy. Bei ihr haben wir auch während unseres Peer-Coachings übernachtet. Auf dem Gelände gibt es drei Rundhütten, wirklich wunderschönes Innendesign, ein Palaverplace draußen, wir konnten einen Töpferkurs machen, haben leckeres vegetarisches Essen bekommen. Es wird eigener Honig, Tee, Kaffee und vor allem natürliche Kosmetikprodukte und Reinigungsmittel hergestellt. Die Gründerin hatte die Idee, Frauen in der Gegend auch Jobmöglichkeiten zu geben. Sie sagt, die Mine ist da, dagegen können wir nichts machen. Aber wir können versuchen, das Beste daraus zu machen. So haben sie jetzt einen Deal mit der Mine abgeschlossen, dass sie Seifen, Desinfektionsmittel und co von ihnen beziehen. So verdienen auch die Frauen in der Gegend Geld mit der Mine und werden unabhängiger.
Noch was ganz anderes:
Das Internet bildet ja auch und ich habe tatsächlich etwas Schönes gelernt. Vielleicht kann das noch jemand mit mehr Fachwissen verifizieren oder falsifizieren: Angeblich stimmt es gar nicht, dass das schnellste und stärkste Spermium die Eizelle befruchtet. Anscheinend entscheidet die Eizelle, welches Spermium am besten zu ihr passt und sendet entsprechend chemische Botenstoffe aus, um diejenigen abzubremsen, die ihr nicht gefallen und die anzulocken und zu motivieren, die ihr gefallen. Das heißt ja einerseits, dass wir doch nicht so zufällig entstehen, sondern wirklich alle ein best-match sind und sich die Eizelle ihr Spermium aussucht und nicht einfach von dem Spermium befruchtet wird, das eben am schnellsten ist. Wenn ich so an ein paar Gespräche aus den letzten Tagen zu toxischer Männlichkeit in Sierra Leone nachdenke, wünschte ich mir, dass würde auch nach der Befruchtung noch besser so funktionieren. Wie wunderbar wäre es doch, könnten sich Frauen unerwünschte Männer durch ein paar Botenstoffe vom Leibe halten. On top kommt ja noch, dass Eizellen in Laborversuchen, sich nicht immer für die Spermien des Partners der Frau entscheiden, wenn sie denn die Wahl haben. Die Eizelle weiß es also besser, also ihre Trägerin…
Ach Gott, jetzt hätte ich ja fast die Vögel vergessen. Aber den vulture count hebe ich mir noch auf. Für euch nur diese schönen weaver Vögel und wenn ihr das nächste Mal euren Goldschmuck anlegt, könnt ihr ja entweder an die Leute denken, die das Gold für euch aus der Erde geholt haben oder dieses Foto, auf dem ich meinen Kollegen dabei fotografiere wie er gerade den anderen Kollegen dabei fotografiert, die mining site zu fotografieren 😉 Your decision.
Und wen es interessiert, hier noch der Artikel zum Thema auf der CSSL website:




























































































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