Monat: Oktober 2022

Life-balance und Midterm Blues

Mein letzter Eintrag liegt schon eine ganze Weile zurück. Wie immer ein Zeichen, dass ich entweder sehr busy bin oder dass es mir nicht so gut geht. Dieses Mal traf beides zu. Wie immer in den letzten Monaten des Jahres heißt es in der Arbeit, dass noch möglichst viele Projekte umgesetzt werden müssen. Dann musste ich meinen Plan fürs kommende Jahr machen, meinen Halbzeitbericht schreiben und dann gibt es ja auch noch Leben neben der Arbeit. Ich habe ein paar schöne Wanderungen gemacht und war gestern endlich, endlich auch mal wieder im Meer schwimmen.

Midterm Blues oder doch ernste Zweifel?

Nach England hatte ich das Gefühl, ich komme hier gar nicht mehr rein. Irgendwie habe ich meinen Platz nicht mehr gefunden und war gar nicht mehr bei mir. Weil es so lange gedauert hat, bis dieses unangenehme Gefühl weg war, hatte ich viel Zeit zum Reflektieren, was es wohl sein könnte, das mich innerlich so unruhig macht. Das Ergebnis vieler Gespräche und Gedankenwälzungen: es sind wohl viele Gründe und nicht nur einer. Vielleicht spielt es eine Rolle, dass ich jetzt quasi die Hälfte meines Vertrages hinter mir habe und ich mich frage, was ich eigentlich bisher hier gemacht und erreicht habe. Schaffe ich es, meine Aufgaben zu erfüllen, für die ich gekommen bin? Dieses Jahr schaffe ich wahrscheinlich 50% von dem, was ich mir letztes Jahr vorgenommen habe. Da war ich noch ein bisschen blauäugig. Mittlerweile weiß ich schon besser einzuschätzen, wie lange alles dauert und wie viele Unwägbarkeiten ich mit einberechnen muss. Aber nächstes Jahr ist dann eh wieder alles anders. Im Juni sind Wahlen. Deshalb ist das komplette erste Halbjahr unklar, was und wie wir arbeiten können. Also Fokus eher auf Advocacyarbeit vor den Wahlen, mit dem Versuch, die Parteien dazu zu bringen echte Versprechen abzugeben, wie sie Umweltschutz in der nächsten Legislaturperiode umsetzen wollen. Außerdem soll ich noch eine longterm Strategie für Kommunikation und eine für Ökotourismus erstellen. Und dann ist das Jahr wahrscheinlich auch schon wieder vorbei. Es stimmt wirklich, was alle immer sagen: im ersten halben Jahr schaust du nur zu, versuchst anzukommen und machst ein paar kleine Projekte, dann fängst du ein bisschen an zu arbeiten. Nach einem Jahr verstehst du einigermaßen, wie die Dinge laufen und funktionieren. Und dann bist du aber mit dem Kopf bald schon wieder am Ende deines Einsatzes, weil du dann immer schon auf das Ende hin planst.

Wo bin ich zuhause?

Dann ist da das ewig und immerwährend Thema der unglaublichen Ungerechtigkeiten und Privilegien. Und dieses Gefühl, nirgends ganz zuhause zu sein. Ich merke, das hier ist nicht meine Welt. Ich gehöre hier nicht wirklich dazu und werde das auch nie tun. Aber ich kann mir gerade auch nicht vorstellen, morgen in den Flieger zu steigen und wieder in Schoppershof zu wohnen. Irgendwie ist das gerade auch nicht meine Welt. Wo ist also meine Welt gerade? Wahrscheinlich mache ich mir auch zuviele Gedanken und sollte einfach mehr im Hier und Jetzt sein. Den Strand genießen, durch den Regenwald stapfen und mich abends über meinen frisch gegrillten Fisch oder African Dish freuen. Und genau das mache ich auch ab und zu. Und es tut jedes Mal sehr, sehr gut.

In der Arbeit läuft es gerade auch ganz gut. Ich komme mit meinem Team gut klar. Wir hatten sehr gute offene Gespräche und ich habe wirklich das Gefühl, meine Arbeit hier bringt Veränderung. Das ist ja ein Ziel meines ganzen Aufenthaltes. Wie ihr euch denken könnt, bin ich sozial auch sehr gut eingebunden und merke immer wieder, dass ich hier mittlerweile so viele Menschen kenne, bei denen ich mich ehrlich freue, wenn ich sie sehe. Also gab es eigentlich keine äußeren Gründe für meine innere Unausgeglichenheit. Ich versuche mit einer Mischung aus mich zurückziehen, Wohnung verschönern und Party-on meine innere Balance wieder zu finden. Manchmal klappt es besser, manchmal nicht so gut. Das endgültige Rezept scheine ich dieses Mal nicht so einfach zu finden.

Wann platzt der Knoten endlich?

Ich habe mich schon gefühlt wie ein Kleinkind, das vor einer neuen Entwicklungsstufe steht und deshalb erst einmal mit sich und seiner Umwelt kämpfen muss und sich selbst nicht mehr findet, bis es endlich die nächste Stufe erreicht hat und der Knoten geplatzt ist. Vielleicht ist nach eineinhalb Jahren wieder einmal so ein Knoten dran. Man weiß es nicht. Ich merke nur, dass ich anfangs gedacht habe, es wird irgendwann leichter, hier zu sein, weit weg von zuhause, in dieser oft herausfordernden Umgebung – und ich merke, es wird irgendwie nicht leichter. Vieles ist Routine, vieles Alltag, aber das heißt irgendwie nicht, dass es leichter wird. Wie auch. Für meine Kolleginnen und Kollegen ist das Leben hier ja auch nicht leicht.

Zugleich gibt es nach wie vor ganz viele kleinere und größere Highlights. Zum Beispiel unsere Wanderung in Kabala, wo ich übers lange Wochenende mit Hannah, Max und einem Besucher aus Deutschland war; oder Carbonara Night mit den Italians, Mittwochabend Salsa Night mit Margharitas und Tanzen unter der Woche, Field Trip mit den Kolleginnen und Kollegen zum Wasserfall oder wie gestern einmal wieder von den Wellen des Ozeans tragen lassen mit Blick auf die Mangroven und die bewaldeten Hügel der Peninsula. Der Wechsel aber, zwischen all diesen Welten, zwischen Deutschland und Sierra Leone, zwischen Expat-Leben und Büro, ist auch nach eineinhalb Jahren noch anstrengend für mich und wird es wohl auch bleiben. Der Kopf und das Herz kommen nie so wirklich zur Ruhe.

Ich habe ja das große Glück, dass ich hier wirklich gute Freunde gefunden habe. Zwei von ihnen sind leider letzte Woche ausgereist. Ramith ist zurück nach Indien und mein einer John ist nach Äthiopien. Das hatte bestimmt auch ein bisschen Auswirkungen auf meine Stimmung. John haben wir mit einem gebührenden Abendessen und einem spontanen Pool-Besuch im Anschluss verabschiedet. Wieder einmal die verrückt reiche Seite des Landes. Wäre John noch hier, würde ich jetzt allerdings keinen Artikel für euch schreiben, sondern mit ihm den Sonntagnachmittag verbringen. So hat alles seine guten und seine schlechten Seiten 😉

Jetzt muss ich mich mal losreißen. Ich sitze gerade an meinem Eßtisch, die Wohnungstüre ist offen, so dass immer ein frisches Lüftchen hereinweht, vor mir meine Balkonpflanzen und hinter ihnen das Meer. Aber das soll es heute nicht gewesen sein. Ich werde mich jetzt dann mal fertig machen und noch rausgehen. An den Strand, ans Meer, oder zur Lifemusik heute Abend in die Strandbar. Auf der Suche nach meiner Life-balance.

Ich hoffe, ich schaffe es bald noch von all den anderen Dingen berichten, die ich in den letzten Wochen erlebt habe. Zum Beispiel den ersten Teil des Wanderführers Salone, die Climate Action Conference, Teamausflug zum Mambo Waterfall und natürlich was sonst noch so tagein, tagaus passiert.

Euch einen guten Sonntag und eine gesunde Balance in eurem Alltag 🙂

Und manchmal hilft einfach auch der tiefe Blick ins Glas, damit die Welt ein bisschen bunter aussieht 😉

The Power of Many – will it be enough?

Ich habe sie gespürt, diese Power of Many beim BirdLife International Congress, der Mitte September in Cambridge stattfand. BirdLife International ist das größte globale Netzwerk von Umweltschutzorganisationen. Insgesamt gibt es 118 Partner weltweit. Meine Organisation in Sierra Leone ist der nationale Partner. Wie der Name schon sagt, war der Fokus ursprünglich auf Vögel gerichtet, aber da Vögel wichtige Indikatoren für die Gesundheit von Ökosystemen sind, und Vogelschutz immer auch Umweltschutz ist, sind nicht nur Vogelschutz-Organisationen im Netzwerk, sondern auch klassische Umweltschutzorganisationen. Der deutsche Partner zum Beispiel ist der NaBu.

Cambridge, wir kommen

Ein bisschen zum Hintergrund für euch: BirdLife International und der Partner aus UK, die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), sind unsere größten Geldgeber und wichtigsten Partner. Sie unterstützen uns bei unserer Arbeit im Gola Rainforest und bieten sehr viel Capacity Building und Unterstützung bei der Organisationsentwicklung für Partnerorganisationen an. Für uns war es deshalb sehr wichtig persönlich bei der Tagung dabei zu sein, um zu netzwerken, bestehende Beziehungen zu vertiefen und neue Partnerschaften zu knüpfen.

Da ich noch nie in England war, war ich natürlich etwas aufgeregt. Ich war sehr gespannt, wie Cambridge und London wohl so sind. Für meine Kollegin Mariama war es noch aufregender. Sie war noch nie in Europa gewesen, beziehungsweise war sie noch nie außerhalb Westafrikas. Da wir erst im Juli erfahren hatten, dass wir das Budget haben, um an der Tagung teilzunehmen, konnten wir erst im Juli mit der Visa-Beantragung starten. Ich habe auch sicherheitshalber nochmal nachgeschaut, ob ich vielleicht mittlerweile auch ein Visum für England brauche – aber nein. Trotz Brexit können EU-Passport-Holder weiterhin ohne Visum einreisen. Für meine Kollegin war es etwas nervenaufreibender. Am Donnerstag bekam sie ihr Visum, am Freitagnachmittag mussten wir auf der Fähre sein, um zum Flughafen zu fahren. Also mal wieder super kurzfristig.

Einige andere Partner, die zur Tagung kommen wollten, hatten nicht so viel Glück. Sie haben einfach gar kein Visum bekommen und konnten nur digital teilnehmen. Einmal mehr ein Zeichen der globalen Ungerechtigkeit in Hinblick auf Reisefreiheit.

Es geht ja nicht nur um die Reise an sich als Vergnügung. Reisen bildet und verbindet. Ich konnte zum Beispiel meiner Kollegin zeigen, aus welcher Welt ich komme. Natürlich ist England nicht Deutschland, aber es ist um einiges näher an Deutschland als an Sierra Leone. Ich konnte ihr zeigen, welches Obst und Gemüse es bei uns gibt, was ich eigentlich Brot nenne und wie bei uns Verkehr funktioniert. Sie war total geflasht von der Ordnung und der Sauberkeit und der guten Organisation und Pünktlichkeit von allem.  Sie war auch überrascht von den vielen verschiedenen Salat- und Tomatensorten. Und dann war da natürlich auch Vergnügen mit dabei: Ich habe es sehr genossen durch die kleinen Gassen in Cambridge zu schlendern und die unglaublich vielen beeindruckend Gebäude zu bestaunen.

Die größte Herausforderung: das Essen

Schon vor der Reise wurde offen über die größte Herausforderung für die Kollegin und meinen Chef diskutiert: das Essen. Dazu muss man wissen, Sierra Leonians essen am liebsten nur ihr eigenes Essen. Was Bauer nicht kennt, frisst er nicht, passt hier eins zu eins. Hier stießen Welten aufeinander. Während ich überglücklich war, über die große Essensauswahl und die internationalen Gerichte, verzweifelte der Rest meiner Reisegruppe täglich am Buffet. Und dabei gab es wirklich sehr gutes Essen. Aber keinen Reis mit Casava Leave. Sehr schwierig also. Ich habe versucht, mir die gute Laune nicht zerstören zu lassen und habe das Essensangebot ausgekostet. Mariama und Sheku waren erst glücklich, als wir einmal zum Essen eingeladen wurden und sie Fisch mit Pommes essen konnten. Nicht Fish and Chips, sondern normalen Fisch. Selbst Hamburger und Wraps waren schwierig, da sie im Geschmack natürlich etwas anders waren, als die bekannten Gerichte aus Salone.

Vogelfreaks aus aller Welt

Cambridge ist ja eine Kleinstadt. Und für ein paar Tage war sie übervölkert von Vogelfreaks. Man konnte keine 5 Meter gehen, ohne wieder eine Kongressteilnehmerin oder einen Kollegen aus einem anderen Land zu treffen. Erkennen konnte man uns an unseren BirdLife Taschen und den Kongress-Namensschildern. Ich fand die Atmosphäre unglaublich toll. Es war super spannend und gut mit so vielen Menschen zusammen zu sein, die alle ähnliche Ziele verfolgen und sich für die gleiche Sache einsetzen: Umweltschutz und climate change mitigation. Und natürlich war es super interessant, an einem Tisch zu sitzen mit Leuten aus Palau, den Cook Islands, Bulgarien, Kanada und Kolumbien und gemeinsam über die Herausforderungen in den einzelnen Ländern zu sprechen. Ich habe jetzt auf jeden Fall Kontakte in sehr viele Länder geknüpft, die ich irgendwann einmal besuchen möchte. Ich möchte auf jeden Fall unbedingt eine Balkantour machen, um meine Geierfreunde zu besuchen und natürlich auch in Lateinamerika die Partner bei ihrer Arbeit im Regenwald einmal begleiten. Außerdem habe ich versucht, mit den kleinen Inselstaaten in Kontakt zu kommen.

Hier also einfach mal ein paar Eindrücke (die ganzen guten Fotos sind offizielle Kongressfotos vom professionellen Fotografen, die schlechteren sind von mir 😉 ) . Das Motto der Tagung: BirdLife 100, It’s time bezieht sich auf das 100-jährige Bestehen, das wir in Cambridge gefeiert haben. Bei dem KBA Projekt sind wir auch dabei. Da geht es darum Key Biodiversity Areas zu identifizieren und sie dann unter globalen Schutz zu stellen. Wir hatten dazu im März den ersten Workshop hier mit Vertreterinnen und Vertretern von anderen NGOs und Regierungsbehörden und haben im August das Nationale Komittee gebildet. Nun geht es darum, Daten zu erfassen für mögliche KBAs und diese dann offiziell als solche anzuerkennen, damit der Schutz der Areas gewährleistet werden kann. Das ist ein Beispiel für die globale Zusammenarbeit nach dem lokal-global-Ansatz.

An dem einen Tag gab es einen Markt der Partnerorganisationen. Alle Partner konnten sich und ihre Arbeit an kleinen Ständen vorstellen. Irgendwie ist es echt witzig, wie schön dabei kulturelle Gepflogenheiten zu Tage kommen: Am Stand der Partner aus Bolivien gabe es einen Matebecher mit Mate-Tee, am Stand von NaBu eine Stofftasche und einen Flaschenöffner, bei den indonesischen Partnern eine Vorlage für einen Papierflieger, am Stand von Montenegro gab es Schnaps und bei Cook Islands Produkte aus Ocean Plastic.

Ancient Oaks im Sherwood Forest

Es wäre kein BirdLife Kongress, wenn es kein Bird-Watching geben würde. Am ersten Tag vor dem Kongress und am Tag nach dem Kongress wurden deshalb Exkursionen angeboten. Ich bin natürlich in den Shwerwood Forest, um auf den Spuren Robin Hoods zu wandeln. Und dann bin ich noch einmal in ein Vogelschutzgebiet am Meer. Vom Sherwood selbst war ich etwas enttäuscht, muss ich zugeben. Der Wald ist relativ klein und mutet eher wie ein Park und Ausflugsziel an mit breiten Wegen, Eiswagen und riesigem Besucherzentrum. Aber  was RSPB dort macht, ist ziemlich irre und spannend. Der Sherwood ist bekannt für seine Ancient Oaks. Diese Eichen sind sehr alt und haben eine spezielle Rinde und sind durch Wetter und Umwelteinflüsse ganz mystisch verformt. Diese Eichen sind super wichtig, für die Biodiversität im Wald. Nur auf ihnen gibt es spezielle Insekten, die wiederum wichtig sind für die gesamte Nahrungskette. Es gibt aber immer weniger dieser alten Eichen. RSPB versucht nun, die Lücke zu schließen, zwischen den jungen Bäumen und den ganz alten. Damit das Ökosystem erhalten bleibt, bevor die alten Eichen alle sterben. Es ist wirklich ziemlich verrückt. Zum Beispiel imitieren sie Blitzeinschläge an jungen Bäumen, oder verletzten die Bäumen, wie es Tiere machen würden. An diesen verletzten Stellen sammeln sich Insekten und Bakterien, die es auf den anderen Bäumen nicht gibt oder nur in geringerer Anzahl. So soll der Lebensraum, den die alten Eichen bieten, von jüngeren Eichen imitiert werden. Es ist ziemlich viel Aufwand, um die Biodiversität zu erhalten. Aber auch spannend zu sehen, was möglich ist.

Noch ein verrückter Fact: Auf dem ersten Foto seht ihr die Mayor Oak. In der hat angeblich Robin Hood gelebt. Außerdem haben einmal vier feine Herren im inneren (der Stamm ist hohl) ein Bankett gefeiert. Aber am crassesten: Diese Eiche ist schon seit Zeiten von Queen Victoria und vorher ein beliebtes Ausflugsziel. Es gibt viele alte Fotos und Postkarten. Die Menschen kamen in Massen, um unter den Zweigen zu Picknicken. Der Boden um die Eiche herum ist deshalb so verdichtet, dass er fest wie Beton ist und kein Regenwasser mehr durchlässt. Die Eiche ist deshalb umzäunt, damit der Boden sich erhohlen und wieder lockerer werden kann, damit die Wurzeln der Eiche wieder mit Regenwasser versorgt sind. Vollkommen verrückt, wie ich finde.

Vögel als Indikatoren für die Klimakrise

Auf dem Kongress gab es viel Austausch, best practices und Planung von gemeinsamen Projekten. Vogelschutz bedeutet vor allem, Habitate zu schützen. Und davon profitieren natürlich alle Tiere. Die Partner in Lateinamerika haben ein großes Projekt mit Farmern, um die Graslands zu schützen. Auf den Cape Verden geht es um den Schutz der Strände für Meeresschildkröten und Meeresvögel. Die Partner in Bulgarien und Ägypten arbeiten gemeinsam, zum Schutz von Geiern und Zugvögeln. Die Organisationen in der Sahel sind Teil des Green Belt Projektes. Partnerorganisation sind weltweit in zentralen Projekten zum Klimawandel aktiv.

BirdLife International war mir vorher nicht bekannt, aber wie das immer so ist, kaum komme ich vom Kongress zurück, sehe ich Berichte über die Arbeit von BirdLife von der Süddeutschen, bei GMX und in vielen weiteren Online-Medien. Auf dem Kongress wurde der aktuelle Bericht zu „State of the World´s Birds“ vorgestellt. Alleine das Coverbild ist es schon Wert, sich den Bericht mal anzuschauen! Dieser Bericht ist eines der Dokumente, auf deren Basis im Dezember in Montreal auf dem COP 15 der Vereinten Nationen ein neues internationales Framework zum Schutz der Biodiversität weltweit verabschiedet werden soll. Wow, dachte ich mir. Offensichtlich hat unsere Arbeit tatsächlich Auswirkungen auf weltweite Abkommen zum Artenschutz. Warum ist ein Bericht über Vögel so wichtig für ein globales Artenschutzabkommen? Vögel sind wichtige Indikatoren für die Gesundheit von Ökosystemen. In Deutschland wird jedes Jahr die Bevölkerung aufgerufen, die Vögel im Garten zu zählen und zu dokumentieren. Daten dieser Art werden weltweit gesammelt und über die Jahre verglichen. Am kommenden Wochenende ist zum Beispiel Global Birding Weekend. Menschen weltweit sind dazu aufgerufen, Vögel zu zählen und die Sichtungen digital zu erfassen. Es gibt dafür Apps (birdlaser oder ebird), die Daten werden zentral gespeichert und für Reports zur Entwicklung von Vogelbeständen verwendet. Wenn Vogelarten verschwinden oder Bestände stark abnehmen, ist das ein Zeichen für ein gestörtes Ökosystem. Verschwinden Vögel, verschwinden in der Folge normalerweise auch andere Tiere. Vögel bieten sehr viele sogenannte Services für Ökosysteme an. Sie verteilen Samen und befruchten Pflanzen, sie halten Schädlinge in Zaum, Aasfresser sind eine natürliche Müllabfuhr und sie sind Beute für andere Tiere. Wie das so ist bei Ökosystemen: alles hängt miteinander zusammen. Alle Teile der Kette sind wichtig und nötig, damit das ganze System funktioniert.

Das sechste globale Massensterben ist in vollem Gange

Die Ergebnisse des aktuellen Reports bestätigen die erschreckende Realität: jede achte Vogelart ist vom Aussterben bedroht. Die Vogelzahl weltweit hat in den letzten Jahrzehnten extrem abgenommen.

Die wissenschaftlichen Daten zeigen, dass wir uns – nicht nur in Bezug auf Vögel, sondern in Bezug auf Arten allgemein – mitten im sechsten Massenaussterben auf unserem Planten befinden. Das berühmteste Massensterben ist das, der Dinosaurier. Doch es gab noch vier weitere, die durch sich verändernde Temperaturen hervorgerufen wurden. Wir wissen, dass ein Großteil der Lebewesen auf der Erde sich nicht schnellgenug an die steigenden Temperaturen anpassen kann. Landtiere haben die Möglichkeit, in Regionen zu wandern, deren Klima gut für sie ist. Aber Tiere und Pflanzen leben in Symbiose. Wenn die Pflanzen nicht schnell genug „mitwandern“, dann haben auch die Tiere keine Chance. Ganz zu schweigen von allen Lebewesen, die im Wasser leben. Wenn die Meerestemperatur steigt, wo sollen sie hin? Korallen zum Beispiel sind sehr Temperatur-sensibel. Zugleich sind sie sehr wichtig für viele Fische. Sterben die Korallen, sterben auch die Fische, was wiederum andere Lebewesen beeinflusst. Das System gerät aus dem Gleichgewicht.

Globales Artenschutzabkommen – mehr als nur heiße Luft?

Im Dezember treffen sich Vertreter und Vertreterinnen von Staaten aus der ganzen Welt zum zweiten Teil des COP 15, der UN Biodiversity Conference, um hoffentlich das neue Framework zum Artenschutz anzunehmen. Einige Ziele des Artenschutzabkommen sind der Schutz von mindesten 30% der weltweiten Land- und Seefläche, Wiederherstellung von mindestens 20% von zerstörten Ökosystemen, 50% Reduktion von invasiven Arten. Wie immer bei globalen Abkommen ist die Frage, wie ernst nehmen die unterzeichnenden Staaten die Umsetzung und wer finanziert das Ganze. Durch die Energiekrise in Europa, den Krieg in der Ukraine und weitere Krisenherde weltweit scheint der Erhalt der Biodiversität wieder einmal in den Hintergrund zu geraten. Ich frage mich wirklich ab und an, wann die Staaten verstehen, dass es nicht darum geht, künftige Generationen zu schützen, es ist keine Zukunftsmusik mehr. Der Klimawandel ist da und das Artensterben hat schon längst begonnen. Wir können nur versuchen es noch aufzuhalten, um den Planeten möglichst lange gut bewohnbar für uns Menschen zu erhalten. Wie sagte der eine Vortragende so schön: Nature doesn´t need us. But we need nature.

Ich weiß, heute ist es ziemlich lange geworden mit vielen Infos und dabei hätte ich noch so viel zu berichten, von tollen Begegnungen, von so vielen Sachen, die ich gelernt habe, von so viel Enthusiasmus und Motivation. Ich wollte noch berichten vom Schlange stehen in London und historischer Spurensuche in Cambridge. Und auch all die Infos zum Klimawandel kommen immer viel zu kurz. Aber ich schließe für heute und rate allen, die ein bisschen Englisch können, einmal in den Bericht zu schauen. Er ist nicht nur für wissenschaftliches Publikum, er ist super aufbereitet für Menschen wie euch und mich, die nicht wirklich viel Ahnung von den Sachen haben. Es gibt viele Bilder und Grafiken und wirklich gut und leicht verständlich formulierte Erklärungen.

Hier noch zwei schlaue Sprüche zum Ende.

Und wenn ihr am Wochenende nicht wisst, was ihr machen sollt: Global Birding Weekend 😉

Ach ja, und dann wollte ich ja noch ein bisschen eure Aufmerksamkeit auf den deutschen BirdLife Partner lenken: den NaBu. Ich hatte den Eindruck, die machen echt gute Sachen und vor allem, was neu für mich war: der NaBu arbeitet nicht nur in Deutschland, sondern ist auch in internationalen Umweltschutzprojekten aktiv. Durchaus unterstützenswert, wie ich finde: https://www.nabu.de

By the way: Ich habe nun auch den Beweis, dass mein Handy offensichtlich Ohren hat: seit neuestem werden mir immer Vogel-Witze und Vogel-Videos bei Insta vorgeschlagen. Das ist wirklich beängstigend. Also Obacht, worüber ihr so sprecht…

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