Monat: November 2022

Rassismusgespräch am Pool

Heute geht es nicht um meine Lebensrealität in Sierra Leone, sondern um die Lebensrealität in Deutschland. Letzten Sonntag bin ich, nachdem ich den Blogartikel gepostet habe, noch zu Freunden von Maria an den Pool. Ganz unverhofft bin ich dann in ein Gespräch über Rassismus in Deutschland geraten.

Es gibt keine menschlichen Rassen

Bevor ich weiter in meinen Sonntagabend einsteige, möchte ich noch einen kleinen Exkurs in den Sprachgebrauch des Begriffs „Rasse“ machen. Der Begriff ist wissenschaftlich nicht auf die menschliche Gattung anwendbar. Ursprünglich wurden Menschen entsprechend ihres Phänotypus (ihres äußeren Erscheinungsbildes) in verschiedene „Rassen“ eingeteilt. Es gibt aber keine klaren Trennlinien. Außerdem gibt es keine genetischen Belege für unterschiedliche menschliche Rassen. Die durchschnittlichen genetischen Unterschiede zwischen den Menschen verschiedener Phänotypischer Gruppen sind geringer als die zwischen den Individuen innerhalb der einzelnen Phänotypischen Gruppen. Und dann wissen wir alle, dass es keine klar abgrenzbaren phänotypischen Gruppen gibt. Ich möchte deshalb sehr klar betonen, dass ich hier nicht von „Rassen“ spreche, sondern von Rassismus.

Im englischen Sprachgebrauch wird der Begriff „race“ dennoch verwendet. Hier hat er aber auch inhaltliche Bedeutung.

Rassismus verletzt

Rassismus ist eine Ideologie oder eine Denkweise, die Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale und negativer Fremdzuschreibungen, z.B. auf Grund von Herkunft, Aussehen und weiteren Attributen, diskriminiert. Rassismus erleben meist Menschen, die anders aussehen, als die Mehrheitsgesellschaft oder als die Gesellschaftsgruppe, die die meiste Macht hat. Menschen werden einer Gruppe zugeordnet, der negative Eigenschaften zugeschrieben werden.

Rassismus verletzt. Er verletzt nicht nur durch körperliche Gewalt, sondern auch durch Worte, Blicke und die Andersbehandlung von Menschen. Und damit kommen wir zurück zu meinem Gespräch letzte Woche.

„Ich bin froh, dass ich nicht in Deutschland aufgewachsen bin.“

Nachdem ich letzte Woche meinen Blogbeitrag fertig hatte, bin ich mit dem Keke zu Omar, einem Freund von Maria. Wir waren dort mit Judy, seiner Schwägerin und noch einer Nachbarin im Pool. Ganz entspannter Sonntagabend also. Später kamen noch zwei weitere Gäste. Mir wurde schon ein deutscher Gast angekündigt.

Sie kam dann auch, aber war anscheinend etwas genervt, dass Judy ständig meinte, wir sollen doch Deutsch reden, wir sollen doch Deutsch reden… Ihre Mutter ist Deutsche, der Vater aus Sierra Leone. Später am Abend haben wir uns dann noch etwas eingehender unterhalten, wobei ich irgendwann eigentlich das Gefühl hatte, sie wollte einfach einmal loswerden, wie rassistisch sie in Deutschland behandelt wird und wie unwohl sie sich immer fühlt, wenn sie ihre Mutter besucht.

Amina (ich habe den Namen geändert, weil ich finde ihre Erlebnisse sind sehr persönlich) ist 46 Jahre. Sie ist nicht in Deutschland aufgewachsen, hat dort aber ihre Ausbildung gemacht und fliegt jedes Jahr zweimal nach Deutschland zu ihrer Mutter. Amina erzählte von ihrer Großmutter, die allen Enkelkindern immer etwas Geld gegeben hat, ihr und ihren Geschwistern aber nicht. „Das sind doch afrikanische Kinder“, hat sie wohl gesagt. Wenn das mal nicht sehr tief innen drin verletzt. Natürlich reflektiert man das nicht als Kind, aber ich frage mich:

Weshalb sind die Kinder „afrikanisch“, nur weil ein Elternteil aus Afrika stammt. Weshalb sind sie nicht „europäisch“, weil ja auch ein Elternteil aus Europa kommt? Und weshalb ist das sofort negativ konnotiert?

Amina gehört hier ganz klar zur reichen Bevölkerungsschicht. Sie hat in Hamburg im Kempinski geheiratet. Ich kenne nicht so viele Leute, die sich das leisten können. Trotzdem sagt sie, wird sie bei allen Deutschlandbesuchen immer skeptisch beäugt. Menschen aus Afrika haben arm zu sein. Sie sind nicht reich! Und wenn sie doch reich erscheinen, dann stimmt da etwas nicht. Woher haben sie das Geld und wie können sie sich das leisten? Diese ständige Konfrontation mit negativen Zuschreibungen und Stereotypen, ist nicht nur super unangenehm, sondern auch wieder verletzend und anstrengend.

Während Ebola hat Amina ihre ältere Tochter auf einer Schule in Deutschland eingeschrieben. Auch das war nicht einfach. Die Tochter war so froh, als das Schuljahr vorbei war und sie wieder zurück nach Sierra Leone konnten. Ständig die andere zu sein, die exotische, und dann noch blöde Sprüche hören zu müssen – egal ob sie als Scherz gemeint sind oder nicht. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass es echt Menschen gibt, die Sachen sagen wie „Iss doch mal mehr weiße Schokolade, dann wir deine Haut heller.“ Erstens ist das natürlich absoluter Quatsch und zweitens, wieso sollte die Haut denn heller werden?

Ich finde es ganz furchtbar, dass Menschen solchen Situationen ausgesetzt sind. In meinem Land. In dem Land, in dem ich mich immer sicher fühle. Und dann höre ich immer wieder von Menschen, dass es Gegenden gibt, in die sie lieber nicht gehen. Dass sie sich super unwohl fühlen in Deutschland. Und oftmals ist es auch ihr Land, das Land in dem sie geboren und aufgewachsen sind.

Wir haben uns dann auch noch darüber unterhalten, dass die Situation für Amina und ihre Tochter noch eine ganz andere ist, als die für junge Männer. Einer gutgekleideten, gutaussehenden Frau mit zwei Töchtern wird nochmal anders begegnet als einem Vater mit zwei Söhnen. Zu schnell werden manche Menschen auf Grund ihres Aussehens kriminalisiert und ungerecht behandelt. Ich kenne die Erlebnisse des Sohnes einer Freundin, der öfter mal in Polizeikontrollen gerät. Hätten er und seine Freunde blonde Haare, wären ihre Abende wahrscheinlich entspannter. Eine andere Freundin, die in Deutschland geboren ist, wird manchmal für ihr gutes Deutsch gelobt. Mir ist das noch nie passiert.

Ich weiß, was es heißt, anderes auszusehen und anders behandelt zu werden. Mir passiert das hier auch jeden Tag. Aber ich werde meist nicht mit negativ-Zuschreibungen konfrontiert. Und trotzdem nervt es mich oft, dass ich nicht als Person wahrgenommen werde, sondern nur über meine Hautfarbe und dass ich gleichgesetzt werde, mit allen anderen, die ähnlich aussehen wie ich. Aber wie gesagt, der große Unterschied ist: mir wird nicht mit Abwehr, Misstrauen und Hass begegnet.

Es ist wohl naiv und utopisch von einer Gesellschaft zu träumen, in der Menschen nicht nach ihrem äußeren Erscheinungsbild bewertet werden, aber vielleicht ist es möglich, dass wir uns nicht gegenseitig abwerten. Es ist menschlich, unsere Gegenüber über Aussehen und Auftreten einzuordnen. Aber vielleicht schaffen wir es, uns mehr auf das Lächeln im Gesicht des anderen zu konzentrieren und weniger auf die Hautfarbe und das phänotypische Erscheinungsbild. Stereotype helfen uns im Alltag, Situation einzuschätzen und uns schneller zu orientieren. Aber wir sollten uns ihrer bewusst sein und wir sollten uns bewusst sein, dass es nur Stereotypen sind und keine Wahrheiten.

Ich für mich weiß in Situationen wie letzten Sonntag nie, wie ich am besten reagieren soll. Ich weiß, dass es diesen Alltagsrassismus in Deutschland gibt. Ich kenne viele Geschichten dazu. Es tut mir total leid, dass Menschen täglich Rassismus erleben. Aber was den Betroffenen wirklich helfen würde, kann ich alleine ihnen nicht geben. Dafür braucht es uns alle.

In diesem Sinne: lasst uns mit offenen Augen und offenem Herzen durch die Welt wandern, verschenkt euer Lächeln an so viele Menschen wie ihr könnt und versucht die Stereotypen in euren Köpfen zu finden und konstant zu hinterfragen.

Ich muss hier jetzt abbrechen und in die Arbeit. Aber das wollte ich noch loswerden, bevor wieder so viel los ist, dass ich keine Zeit mehr dafür finde.

Climate Action, Klappe die Erste und Liberia

Das ist nun schon der dritte oder vierte Versuch, mal wieder einen Beitrag zu posten. Es war viel zu lange still hier und ich habe eigentlich so viel zu berichten. Drei angefangene Artikel liegen auf meinem Desktop, aber ich habe es nicht geschafft, sie fertig zu schreiben und online zu stellen. Ich bin in letzter Zeit super viel unterwegs und das wird bis Weihnachten noch so weitergehen.

Meinen midterm blues habe ich überwunden. Offensichtlich war es wirklich wie schon von mir vermutet. Ein weiterer Schritt in Sachen „Ankommen“ lag vor mir. Nach 1,5 Jahren ist es geschafft. Ich vermisse das deutsche Essen nicht mehr wirklich und wenn Leute fragen, was sie mir mitbringen sollen, sag ich eigentlich, dass ich alles habe, was ich brauche. Das gab´s ja auch noch nie. Es ist doch immer wieder überraschend, wie lange ich so brauche, bis ich mich an neue Sachen gewöhnt habe.

Immer schön flexibel bleiben

Ich war in den letzten Wochen trotzdem ziemlich am Limit. Einfach, weil echt sehr viel zu tun ist in der Arbeit und dann auch noch in der Wohnung wieder einmal ein paar Sachen dazugekommen sind, aber: ich war einfach nur super gestresst und nicht frustriert. Das freut mich sehr für mich! Oft hilft es ja auch, zu verstehen, was gerade so schwierig ist. Wenn ich das Problem erkannt habe, kann ich oft viel besser damit umgehen.

Eine gute Freundin, Antje in Liberia, hat mir bei einem Gespräch letzte Woche da noch einen wichtigen Hinweis gegeben und das sehr schön in Worte gefasst. Wenn alles immer im Fluss ist und nichts verlässlich ist, dann ist es manchmal schwierig, sich selbst zu verorten. Ich glaube, genau das war mein Gefühl. In den letzten Wochen wurden alle Pläne mal wieder kurzfristig verschoben, Dinge mussten angepasst werden, Besprochenes wurde dann doch wieder geändert, Dinge, die aus meiner Sicht klar kommuniziert waren, waren es offensichtlich nicht für alle und so weiter. Ich muss bei allem mitdenken, nachfassen, nochmal follow-up… Es hilft mir ein bisschen, dass ich bis zur Weihnachtspause nur noch wenige Projekte auf meinem Tisch habe. Ich hoffe, die kann ich noch umsetzen, dann habe ich einen guten Jahresabschluss mit vielen Ideen für 2023 😊

Bevor ich aber in die Zukunft schweife, hier ein kurzer Überblick, über meine letzten Wochen. Weil es zu viel zu berichten gäbe, konzentriere ich mich heute auf den Arbeitskontext und damit auf die globale Klimakrise und wie das mit uns in Sierra Leone und CSSL verknüpft ist.

High Level Climate Action Dialog

Mitte Oktober fand in Freetown der High Level Climate Action Dialog statt. Bevor ich in die Inhalte gehe, aber noch kurz ein Ausblick ins Alltagsleben hier und wie wichtig Beziehungen hier sind. Ich war zum High-Level Climate Action Dialog eingeladen, der von EU, UN und British High Commission in Zusammenarbeit mit der Regierung veranstaltet wurde. Wie kam ich zu dieser Einladung? Ganz einfach, dank meiner Nationalität.

In der ersten Oktoberwoche war ich mal wieder beim monatlichen deutsch-sprachigen Stammtisch. Eigentlich gehe ich da nicht hin. Aber beim Botschaftsempfang am dritten Oktober im Radisson Blue habe ich mit Kolleginnen von der GIZ ausgemacht, dass wir uns beim Stammtisch treffen, der im teuren italienischen Restaurant am Strand stattfindet. Ihr merkt schon, Botschaftsempfang, Radisson Blue, teurer Italiener… Ist ja alles High-Level bei mir hier. Auf jeden Fall saß neben mir Gerald, Head of Cooperation der Europäischen Union in Sierra Leone. Irgendwie habe ich belauscht, dass die EU eine Climate Action Conference veranstaltet und da habe ich gebeten, mich doch bitte einzuladen. Schließlich arbeite ich bei der Conservation Society of Sierra Leone. So einfach ist das, wenn man den richtigen Pass hat und zufällig neben den richtigen Leuten sitzt. Gerald kenne ich aber eh schon aus der Kletterhalle.

Dann war also der High-Level Climate Action Dialog. Veranstaltungsort war das Sierra Palms Hotel, natürlich auch eine sehr gute Adresse an der Beach Road. Leider war ich mal wieder dumm genug, mich sommerlich zu kleiden, wobei mir eigentlich hätte klar sein müssen, dass der Raum bei einem High-Level Dialog auf unter 20° heruntergekühlt wird. Aber was ziemlich witzig war, dass auf einmal lauter bekannte Gesichter aus der expat-community auftauchten. Natürlich Emma von der Irish High Commission und Christina, die Deutsche ist, aber für die British High Commission arbeitet und dann noch dieser eine James, der „kleine Luke“, der immer ganz wichtig auf allen Partys erscheint, aber immer alleine unterwegs ist, Irish Matthew und, und, und. Und natürlich ich. Wer von uns wäre denn bitte im eigenen Land, in Europa, bei einem High Level Climate Dialog eingeladen und wäre am Ende auch noch auf dem Podium? Nicht so viele von uns. Und wieso sind die europäisch-stämmigen auf dem Podium und stellen die Projekte vor und nicht die Sierra Leonischen Partner, die die Implementierung machen? Unser REDD+ Projekt im Gola Rainforest wurde nicht von meinem Chef vorgestellt, der anwesend war, sondern von Richard, der für den britischen Partner RSPB arbeitet und das Projekt von deren Seite unterstützt. Das geplante Baumpflanzprojekt von British High Comission, einer britischen Firma und Tacugama Chimpanzee Sanctuary, wurde nicht vom Gründer und Direktor von Tacugama vorgestellt (der neben mir saß und also auch da war), sondern von Christina von der British High Comission und James. Das geplante Projekt von Save the Children, wurde vom kleinen Luke vorgestellt. Alles muss ich nicht verstehen, aber wieso da nicht die lokalen Leute auf dem Podium sitzen, das verstehe ich wirklich nicht.

Inhaltlich ging es bei der Veranstaltung darum, die Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte, die dem Klimawandel entgegenwirken, vorzustellen und bekannter zu machen. Selbstverständlich waren auch die Minister für Umweltschutz und Land Planning mit dabei und haben auch ihre Statements abgegeben. Wenn man denen so zuhört, könnten wir uns eigentlich entspannt zurücklehnen. Hört sich so an, als würden die alles Menschenmögliche tun, um die Umwelt zu schützen und den Klimawandel zu stoppen. Schade, dass ich vorletzte Woche wieder offensichtliche Beweise für das Gegenteil erlebt habe. Der sound der Kettensägen, der durch die protected area schallt, die deforestation in den Kambui Hills, die Verschiebung der Grenze von Naturschutzgebieten und so weiter.

Datenwahn und Hilflosigkeit

Generell war die Veranstaltung ganz gut. Ich finde auch die Idee sehr gut, Organisationen und Institutionen zu erklären, welche Fördertöpfe es gibt und wie man an die Gelder rankommt. Allerdings war eigentlich bei allen Fördertöpfen klar, dass sie für Organisationen und Institutionen aus Ländern wie Sierra Leone kaum erreichbar sind. Weltbank und Co verlangen so viele Daten, mit denen belegt werden muss, welche Klimaschäden aufgehalten werden, die Daten gibt es hier einfach nicht. Es gibt eine Wetterstation am Flughafen. Es gibt aber keine offiziellen Daten zum Niederschlag in den vergangenen Jahrzehnten im ganzen Land, zu Temperaturentwicklungen, Boden- und Wasserqualität und ähnlichem. Da viele dieser Daten aber nötig sind, scheitern einige Ländern schon an den Voraussetzungen in der Bewerbung, von bürokratischen Hindernissen ganz zu schweigen.

Da muss ich direkt wieder an meinen Chef denken, der im Dezember nach Montreal zum COP 15 zum Thema Biodiversität eingeladen ist. Angefangen hat es damit, dass er auf seinem Laptop nicht die entsprechend neue Version des Adobe Reader hat und die Formulare für den Visaantrag deshalb gar nicht auf seinem Laptop öffnen und speichern konnte. Deshalb hat er meinen benutzt. (Weshalb ich aber fast zwei Tage lang meinen Laptop nicht wirklich hatte und nicht an meinen eigenen Sachen weiterarbeiten konnte.) Dann musste er nicht nur Geburtsdaten seiner Eltern, sondern auch deren Todestage angeben. Er musste raten. Wie schon im Visumantrag für Großbritannien. Er hat also den Visumantrag von GB herausgesucht, um zu schauen, welche Daten er dort angegeben hat, damit die wenigstens einheitlich sind, wenn er schon die echten Daten nicht kennt. Woher soll er die haben? Viele Menschen – insbesondere im ländlichen Raum – wissen nicht, wann sie genau geboren wurden. All diese Anträge gehen von Gesellschaften aus, in denen alles schriftlich dokumentiert ist, bis ins kleinste Detail. Das ist aber nicht weltweit die Realität. Ist das dann jetzt eine Lüge? Vielleicht stimmen die Daten ja, die er geraten hat…

Während mein Chef also noch mit dem Visaantrag für Kanada kämpft, ist unser Programm-Manager schon unterwegs nach Scharm El-Sheikh zum COP 27. Edward ist Teil der Sierra Leonischen Delegation und ist mit den Regierungsmitgliedern angereist. Sie hatten bei uns angefragt und um Teilnahme von uns gebeten. Ich nehme an, zum COP 27 in Ägypten muss ich jetzt nicht viel erklären, da er bestimmt auch in Deutschland in den Medien ausgiebig besprochen ist.

Diese Infos nur für euch, damit ihr ein bisschen versteht, wie herausfordernd eine Teilnahme an diesen wichtigen Internationalen Treffen für Leute aus vielen Ländern der Welt ist. Für die Konferenz in England im August haben ja auch nicht alle Kolleginnen und Kollegen ihre Visa bekommen. Ganz normaler Alltag. Dabei ist es super wichtig, dass die Positionen aller Ländern vertreten sind, damit das globale Ungleichgewicht nicht noch verstärkt wird und weiterhin nur ein kleiner Prozentteil der Regierungen über globale Abkommen entscheidet, die die größten Auswirkungen für Menschen im globalen Süden haben.

Und was mache ich währendessen…

Während die Welt in Ägypten über ein neues Abkommen debattiert, das Ideen und Pläne der letzten COPs seit dem Paris-Abkommen in Aktion übersetzen soll und über die Entschädigung der ärmeren Länder diskutiert wird, die am meisten unter dem Klimawandel leiden, aber kaum einen Beitrag dazu leisten, bin ich durch den Regenwald gestiefelt.

Was kann ich auch besseres Tun, als zu versuchen, die wertvollen Wälder zu schützen und Menschen über deren Bedeutung, deren unglaubliche Schönheit und deren Fragilität aufzuklären. Yes. Und schon sind wir mittendrin in meinem Projekt für die letzten Wochen des Jahres. Ich musste mein Vorhaben natürlich mehrfach anpassen und ändern, aber ich bin guter Hoffnung, dass am Ende etwas herauskommt! Ursprünglich war eine Idee, mehrere Filme zu drehen über die verschiedenen Ökosysteme des Landes, wodurch sie bedroht sind und was wir als CSSL machen, um sie zu schützen. Aus diesen Einzelfilmen sollte dann noch eine große Dokumentation entstehen. Wir mussten jetzt aus Zeitgründen alles etwas abspecken, deshalb drehen wir jetzt dieses Jahr nur an drei Orten und ich hoffe, wir machen den Rest dann nächstes Jahr. Ein Film wird über die Natur und unsere Arbeit im Greater Gola Landscape gehen. Dafür war ich mit meiner Kollegin, meinem Kollegen und zwei Filmemachern für eine Woche im Gola und in den Kambui Hills unterwegs. Ich habe wieder einmal gemerkt, dass es mir unglaublich gut tut, durch den Wald zu stapfen und die Natur zu genießen. Die Zusammenarbeit mit den Filmemachern war echt gut und hat Spaß gemacht und ich bin jetzt schon gespannt, auf das fertige Ergebnis. Ich hoffe, die Filme werden gut!

Ich dachte, ich lass einfach mal die Bilder sprechen. Und weil ein Kamerateam dabei war, gibt es auch mal Fotos auf denen ich zu sehen bin. Die sind dann natürlich nicht von mir 😉 Und den Rest erfahrt ihr dann hoffentlich bald in unserem Filmchen.

Auf den Bildern seht ihr uns bei den Aufnahmen, die wunderschöne Natur und aber auch die Abholzung. Es war jedes Mal wieder spannend, wenn unsere Drohne gestartet ist und alle in den Himmel starrten. Am meisten Spaß hatten wir mit der Drohne in Lalehun, wo dreißig Kinder der Drohne durchs Dorf hinterherrannten und wir die Drohne und damit die Kinderscharr mehrfach durchs Dorf gejagt haben.

Heute also eine Bilderflut ohne viel Erklärungen, was wir da gefilmt haben. Ihr sollt ja noch ein bisschen neugierig sein, auf unsere Filme. Und ist ja eh sehr viel Text heute 🙂 Ich kämpfe schon den ganzen Tag mit Strom und Internet. Ich bin sehr froh, dass die Bilder nun hochgeladen sind, dafür sind die Bildbeschreibungen etwas lieblos. Ich hoffe, ihr verzeiht!

Am letzten Abend in Kenema, bevor es wieder zurück nach Freetown ging, kam auch die EU-ROM Delegation im Hotel an. Unser eines Projekt im Gola ist ja EU-finanziert und ist Teil des REDD+ Programmes, wodurch carbon credits verkauft und gekauft werden können. So schließt sich dann auch wieder der Kreis zwischen unserer lokalen Arbeit hier, den Regenwald zu schützen, den Programmen, die zum Klimaschutz auf internationalen Konferenzen wie den COPs entwickelt werden und der Veranstaltung in Freetown zur Finanzierung von climate action.

Next Stop Liberia – for peaceful elections

Nach einer Woche im Greater Gola Landscape kamen wir letzten Samstag wieder in Freetown an und am Montag ging es direkt wieder los. Dieses Mal nach Liberia zur jährlichen CPS Mano River Conference, das ist ein Treffen der Brot-für-die-Welt-Partnerorganisationen, die im Zivilen Friedensdienst Netzwerk (Civil Peace Service – CPS) sind. Letztes Jahr hat das Treffen in Sierra Leone stattgefunden, dieses Jahr wieder in Liberia. Wir wechseln uns da immer ab. Ich hatte erst geplant, noch etwas in Liberia zu bleiben, um mir das Land noch etwas anzuschauen, aber das hat leider aus Zeitgründen nicht geklappt. Ich hoffe, das schaffe ich im nächsten Jahr. Jetzt habe ich nur den Weg zwischen Grenze und Hotel gesehen, immerhin drei bis vier Stunden Fahrt inklusive kleine Einblicke ins Stadtgeschehen von Monrovia, der Hauptstadt Liberias. Auf dem Weg ging es hauptsächlich entlang an Gummiplantagen und Palmölplantagen. Viel mehr war da nicht rechts und links der Straße, außer ab und an ein paar Häuser.

Und natürlich bin ich auch in Liberia zum Bird Watching gegangen 🙂 Ich habe sogar meine Kenntnisse erweitert und kann jetzt noch drei weitere Vögel identifizieren. Leider will es einfach die Fotos von der Konferenz nicht hochladen. Ich gebe das jetzt auf…

Liberia und Sierra Leone bezeichnen sich als Schwesternstaaten, da sie in jüngerer Geschichte vieles gemeinsam erlebt und erlitten hatten. Zuerst die Bürgerkriege in beiden Ländern, dann Ebola und nun im kommenden Jahr die Wahlen. Als bei uns im August die Ausschreitungen waren, hat sich auch direkt Antje bei mir aus Liberia gemeldet. Zu schnell kann die Stimmung über die Grenze rüberschwappen. So war es im Bürgerkrieg und so wird es auch für die Wahlen im kommenden Jahr befürchtet. Deshalb wird Liberia unsere Wahlen im Juni und die Stimmung im Land in den Monaten davor und danach sehr genau beobachten, bei ihnen sind erst im Oktober Wahlen.

Zugleich ist Liberia aber auch ganz anders. In Liberia wurden befreite Sklaven und Sklavinnen aus Amerika angesiedelt, unabhängig von ihrer ursprünglichen Herkunft. Natürlich lebten auch schon zuvor Menschen in dem Gebiet des heutigen Liberia. Das wird aber kaum thematisiert in der Öffentlichkeit. Liberianisches Englisch hat – für mich witzigerweise – einen starken amerikanischen Klang. Man merkt auch, dass viele Leute Verwandtschaft in den USA haben, die Flagge ist der der USA sehr ähnlich und der US-Dollar ist normales Zahlungsmittel, neben dem liberianischen Dollar. In Liberia ist alles viel teurer als bei uns in Sierra Leone. Wenn wir für ein Bier normalerweise umgerechnet 1-2 US-Dollar zahlen, kostet ein Bier in Liberia eher zwischen 3 und 5 US-Dollar. Nur als ein Beispiel. Trotzdem sind die Herausforderungen sehr ähnlich, insbesondere in Hinblick auf die Wahlen im kommenden Jahr. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit, Drogen, Machtmissbrauch, extrem gestiegen Preise für Lebensmittel und Benzin, fehlendes Vertrauen ins System, Korruption und Vetternwirtschaft, all diese gravierenden Probleme gibt es in beiden Ländern und beschäftigen die Menschen in Liberia und Sierra Leone.

Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Preissteigerungen

Die Inflation und die Preisentwicklungen der letzten Monate sind wirklich ein supergroßes Problem hier. Der Benzinpreis wurde erst vorgestern wieder erhöht. Er ist jetzt doppelt so hoch, wie bei meiner Ankunft für 1,5 Jahren. Durch den steigenden Benzinpreis sind auch Grundlebensmittel teurer. Ich kaufe selten Reis und Casava leave, deshalb kann ich dazu nicht so genau etwas sagen, aber ich weiß von Diskussionen im Büro, dass einfach alles so teuer ist. Ich merke es, wenn ich meine Standardprodukte kaufe. Ein Liter Milch kostet jetzt mindesten 40 NLe (vor einem Jahr 20), ein Stück Butter 60 NLe (vor einem Jahr 35), Toastbrot auch 60-70 NLe (vor einem Jahr 35). Ein Ei kostet jetzt 3,5 NLe(vor einem Jahr 2 NLe), ein Liter Diesel kostet jetzt 21 NLe (vor einem Jahr 10). Als ich im Mai 2021 angekommen bin, war der Wechselkurs 1€ / 11.000 Leones. Jetzt gibt es für einen Euro 18 New Leones (drei Nullen wurden ja im Juli gestrichen).

Diese Preisentwicklungen und die Inflation in Kombination mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit auch für junge Menschen mit Ausbildung macht junge Erwachsene sehr empfänglich für Manipulation, Dorgenkonsum und Ausnutzung durch politische Parteien. Mit dem Versprechen, ihnen Jobs zu geben, wenn die Wahlen gewonnen werden, dem Verteilen von Drogen, Essen, kleinen Geldbeträgen, werden Jugendliche instrumentatlisiert und aufgewigelt.

Das Netzwerktreffen stand unter dem Thema „Peaceful Elections. My Elections, My Peace, My Nation.” Ziel war es, im Austausch und mit verschiedenen Inputs und Methoden, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszustellen und eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, wie wir im kommenden Jahr in beiden Ländern als CPS-Netzwerk dazu beitragen können, dass die Wahlen, die Zeit vor den Wahlen und die Zeit nach den Wahlen friedlich werden. Wir haben viele Ideen gesammelt, einige action points notiert. Nun ist die Frage, was weiter mit dem Erarbeiteten passiert und ob das Netzwerk es schafft, die Ideen auch wirklich umzusetzen und aktiv zu friedlichen Wahlen beizutragen.

Meine kleinen und großen Freuden in Mitten all der Anstrengungen

Für mich war es spannend, endlich eines der Nachbarländer kennenzulernen und ich fand es auch super die Leute aus den Partnerorganisationen mal wieder länger zusehen und sich austauschen zu können. Besonders habe ich mich auf Antje gefreut, die ich schon aus der Vorbereitung in Deutschland kenne, die witzigerweise auch aus Nürnberg kommt und in Liberia beim YMCA arbeitet. Wir tauschen uns sonst über Sprachnachrichten und Telefonate aus, so war es super, dass wir uns jetzt nach einem Jahr wieder mal mit einer Falsche Wein an einen Tisch setzen konnten und richtig miteinander reden konnten.

Gestern ging es dann in einer 12-stündigen Fahrt zurück nach Freetown. Die Fahrt war lang, aber ich fand sie echt super. Ich war super gestresst in den letzten Wochen, weil so super viel zu organisieren und zu planen war und alles immer so flexibel ist. Ich merke, dass mit jeder Reise Anspannung von mir abfällt und ich mehr und mehr runterkommen. Ich habe nun endlich herausgefunden, auf welche Musik meine colleagues stehen 😊 Nachdem ich auf den Fahrten durch den Gola eine Einführung in deutschen HipHop gegeben habe, gibt es jetzt mindestens einen neuen Fan der Beginner in Sierra Leone und das ganze Auto singt jetzt immer lauthals mit bei „Solala, solala“. Auf der Fahrt nach Liberia kam nun heraus, dass meine Kollegen Abdul und Sinneh, auf 80er/90er Jahre Trash Disco stehen. Nichts leichter als das. Bei Sinneh habe ich das schon vermutet. Wir singen ja beide auch immer fleißig mit, wenn wir unsere einzige CD mit den besten Hits der 50er hören. Als dann aber Abdul auf einmal von der Rücksitzbank mit eingestimmt hat, habe ich mich sehr gefreut. Jetzt gibt es – solange es Internet gibt – immer beste Musik und damit auch beste Stimmung bei uns im Auto.

Wie gesagt, gestern Abend bin ich nach 12 Stunden Fahrt endlich wieder zuhause angekommen. Dann ging es natürlich nach einer Dusche erstmal zum Sundowner Bier an den Strand. Ich habe mich dann doch langsam sehr daran gewöhnt, direkt am Meer zu leben… Und am Mittwoch starten wir den nächsten field trip. Dieses Mal in die Yawri Bay, wo wir für drei bis vier Tage mit dem Boot durch die Mangroven und die Bucht schippern, um die communities dort für unseren nächsten Film zu besuchen. Ich bin gespannt, wo und wie wir dort übernachten. Ich nehme sicherheitshalber mal mein Zelt mit 😉

Achso, und damit ihr jetzt nicht denkt, das Leben hier wäre auf einmal ganz einfach: seit sechs Wochen versuche ich, den Hausverwalter dazu zu bewegen, meine hintere Türe zu reparieren. Die lässt sich nämlich seit ein paar Wochen nicht mehr öffnen und ich wollte dahinten meinen Gemüsegarten anlegen, außerdem wäre es einfach ganz gut, an die Sachen zu kommen, die da hinter der Türe sind. Meine Ambitionen, ein Sofa zu kaufen, habe ich nun ins neue Jahr verlegt, nachdem ich seit Mitte August mit dem Typen in Kontakt war, der das Sofa machen soll/will. Ich habe einfach keine Energie mehr dafür. Das Sofa muss nun warten. Dann ist gerade meine komplette Wäsche in der Waschmaschine, leider ist der Strom jetzt seit vier Stunden weg, so dass meine Wäsche nass in der Maschine feststeckt und schön nachmüffelt. Ich hoffe, der Strom kommt heute noch zurück, so dass ich die Wäsche fertig waschen kann, sonst habe ich morgen keine frische Unterhose. Vielleicht ist dann auch mein Magen wieder okay. Der meldet sich nämlich seit ich in Liberia ankam wiederholt bei mir und will mir irgendetwas mitteilen. Ich weiß noch nicht so genau was und hoffe, dass ich das in den Griff bekomme, bevor es am Mittwoch in die fishing communities geht. Dort gibt es wahrscheinlich ganz andere Toilettenoptionen als hier zuhause 😉

Wie dem auch sei: Euch wünsche ich einen wunderschönen Winterstart. Ich bin etwas neidisch und versuche Sonne, Meer und Regenwald umso mehr zu genießen.

Drei Stunden später, hat die Waschmaschine endlich geschleudert und die Fotos wurden teilweise hochgeladen. Nun habe ich meinen ganzen Sonntag damit verbracht, hier etwas zu posten. Vielleicht schaffe ich es jetzt noch raus, bevor die Sonne untergeht. Für euch in den Winter hier noch ein bisschen Sonnenschein, für die, die jetzt schon Sehnsucht nach dem Sommer haben:

I made it! Ich springe jetzt gleich in diesen Pool!

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