Monat: September 2021

Happy 35th Birthday CSSL

Nachdem ich die letzten zwei Tage mit Erkältung und Schnupfen zuhause war, habe ich mich heute aufgerafft und bin ins Büro gefahren. Ich will mir die Feierlichkeiten zum 35. Geburtstag von CSSL nicht entgehen lassen!

35 Jahre ist eine stolze Zahl und ein stolzes Alter für eine Organisation hier. Natürlich wäre es ein super Anlass gewesen kommunikationstechnisch richtig auf den Putz zu hauen mit vielen Aktionen und großem Tamtam. Wie so oft hier, scheiterte dieses Vorhaben aber an kurzfristiger Planung und zu viel auf dem Tisch. Ich hatte Anfang August ein Konzept vorgelegt, was wir alles machen könnten, leider ist das irgendwie untergegangen, so dass wir dann erst vor zwei Wochen wieder in die Planung eingestiegen sind. Zwischenzeitlich war nicht klar, ob es überhaupt eine Veranstaltung geben wird, wegen der Covid-Restriktionen. Jetzt ist es etwas schade. Wenn klar gewesen wäre, dass wir eine Pressekonferenz mit Fernsehsender abhalten, dann hätten wir etwas mehr Gas gegeben und unsere neuen Roll-Ups und unsere Business-Cards wären vielleicht schon fertig. Aber so ist es eben, wie es ist. No wahala.

Radio, Presse und neue Website

Trotz kurzer Planungszeit haben wir jetzt eine ganz gute mediale Abdeckung. Gestern gab es eine Radiodiskussion auf Radio Democracy. Das ist ein Radiosender, der landesweit ausstrahlt und ziemlich bekannt und beliebt ist. In der Radiodiskussion haben unser Vorstandsvorsitzender, unser Programm Manager und ein weiteres Board Mitglied über die geschichtliche Entwicklung von CSSL berichtet, über aktuelle Herausforderungen und Erfolge. Eine Botschaft für die Radiodiskussion war: become a member. Wir suchen natürlich immer neue Mitglieder. (Ich arbeite noch daran, dass auch ihr alle ganz einfach Mitglied werden könnt und euren Jahresbeitrag ganz easy online überweisen könnt. Das ist leider nicht so leicht, wie ich am Anfang gedacht habe.) Und unsere neue Website wurde beworben.

Jetzt startet gleich die Pressekonferenz. Ich bin schon sehr gespannt, wie das so wird. Ich werde dann im Anschluss direkt hier berichten.

Pressekonferenz mit kritischen Journalisten

Ich mag es wirklich, wie die Leute uns immer wieder daran erinnern, dass wir eigentlich viel mehr machen sollten. Nach den Statements von Programm Manager, Executive Director und President of the Board gab es Zeit für Fragen aus dem Publikum. Die Statements handelten von der Geschichte CSSLs, von unseren aktuellen Projekten und insbesondere unser Executive Director hat die Presseleute dazu aufgerufen, Conservation eine Stimme zu geben und unsere Anliegen einem breiten Publikum zu erklären und unsere Botschaft zu verbreiten. Die Journalisten sind alle für Conservation und unterstützen unsere Anliegen. Aber es kamen doch sehr kritische Fragen, insbesondere für den Bereich Advocacy und Öffentlichkeitsarbeit. Sie finden wohl, dass wir nicht sichtbar genug sind. In Bezug auf den Geburtstag und auch die Wildlife Week weiß ich natürlich sehr genau woran das liegt. Mein Ziel ist es jetzt, dass die Presseleute bei der Pressekonferenz nächstes Jahr, vor allem inhaltliche Fragen stellen und sich unsere mediale Sichtbarkeit bis dahin stark verändert hat. Ideen sind da, jetzt müssen wir nur noch schauen, ob wir es auch schaffen, diese umzusetzen.

Hier ein paar Fotos von der Pressekonferenz:

Mein persönliches Highlight heute: die neue Website

Mein persönliches Highlight ist natürlich, dass die neue website nun offiziell beworben wird. Eines meiner ersten Projekte, die ich umgesetzt habe. Website ist natürlich ein Projekt, dass nie ganz abgeschlossen ist und ein paar Kleinigkeiten sind noch nicht so, wie ich sie gerne hätte, aber im Großen und Ganzen finde ich, dass die Seite gut aussieht. Vor allem, wenn man noch die alte Seite kennt. Auch die Anwesenheitsliste heute war im neuen Design. Ich glaube, langsam, langsam wird sichtbar, woran ich seit Juni arbeite. Somit feiere ich heute nicht nur 35 Jahre CSSL, sondern auch meine kleinen und großen sichtbaren Erfolge.

Und diejenigen, die nun neugierig sind, können einfach mal auf cs-sl.org klicken und unsere neue Seite anschauen. Da alles noch neu ist, freuen wir uns natürlich über Rückmeldungen, entdeckte Fehler und Kommentare.

Ich nehme mir jetzt die Worte der Journalisten zu Herzen und setze mich direkt wieder an meine Jahresplanung für 2022. Die muss ich nämlich bis morgen abgeben…

Participatory Videos sind online

Wie versprochen kommt hier die Info, dass die participartory videos zum International Peace Day jetzt online zur Verfügung stehen. Leider kann ich sie nicht einbinden.

Ich habe sie im Beitrag zum International Peace Day verlinkt. Einfach den Link klicken und runterscrollen.

Die Videos geben euch gute Einblicke in den Alltag hier und ihr seht, wie es in einer Fischercommunity so aussieht.

Link zum Beitrag International Peace Day

International Peace Day

Jedes Jahr am 21. September wird der Weltfriedenstag der Vereinten Nationen gefeiert- auf Englisch International Peace Day (IPD). Den IPD gibt es seit 1981. Da ich als Fachkraft des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) in Sierra Leone bin, hat dieser Tag auch für mich, meine Organisation und unser ZFD-Netzwerk hier eine große Bedeutung. Jedes Jahr um den 21. September herum, organisieren wir gemeinsam Aktionen zum Thema Frieden in der Gesellschaft. Dieses Jahr ist unser Motto:

„Action for Peace in Times of Covid-19“

Während der Meetings des ZFD-Netzwerkes zur Themenfindung und auch in den folgenden Workshops habe ich mir immer wieder gedacht, dass das Thema auch in Deutschland dieses Jahr sehr passend gewesen wäre. Die Pandemie und vor allem die Maßnahmen, die zu ihrer Eindämmung ergriffen wurden, haben in vielen Gesellschaften Konflikte hervorgerufen. In Deutschland mag es die Diskussion um Freiheitsrechte sein, hier ging es etwas substantieller zur Sache – hier ging es um das tägliche Einkommen und Auskommen der Menschen. So oder so trifft die Pandemie die Menschen weltweit und bringt in vielen Gesellschaften Konflikte oder Schieflagen zu Tage, die schon zuvor da waren. Die Pandemie zeigt auf, wie ernsthaft die Situation wirklich ist.

Mit Blick auf Deutschland rede ich jetzt nicht mehr von den Freiheitsrechten. In Deutschland geht es zum Beispiel eher um die Betreuung und Begleitung von Kindern, Kranken und Menschen in Notlagen oder die Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

In Sierra Leone hat ein scharfer Lockdown letztes Jahr die Leute drei Tage in ihre Häuser verbannt. Niemand durfte arbeiten gehen. Das wird zu einem sehr ernsthaften Problem, wenn man von der Hand in den Mund lebt und die Tageseinnahmen dringend benötigt, um das Abendessen für die Familie zu Hause zu kaufen. Kaum jemand hier hat Ersparnisse oder eine volle Speisekammer, auf die man zurückgreifen kann, wenn man mal ein paar Tage keine Einnahmen hat, geschweige denn irgendwelche Unterstützung von staatlicher Seite. Aber nun erst einmal wieder zurück zum International Peace Day.

Actions for Peace durch die Kameralinse

Im ZFD-Netzwerk vereinen sich die unterschiedlichsten Organisationen. Es gibt Organisationen, die sich wie wir für Umweltschutz und Conservation einsetzen, welche, die sich für die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen stark machen, Partner, die ihren Hauptfokus auf die Ernährungssituation der Menschen haben, Jugendorganisationen und so weiter und so fort. Das bedeutet für den International Peace Day, dass wir viele verschiedene Inputs und Kapazitäten bündeln können für ein buntes Ergebnis.

Zum diesjährigen IPD sind Aktionen in zwei-drei Communities in Freetown geplant. Es wird ein kleines Theaterstück der Freetong Players International geben, in den Tagen vorab starteten schon Radiobeiträge hauptsächlich organisiert von Culture Radio und dann wird es bei den Hauptaktionen am 21. und am 23. auch noch eine Videopräsentation geben. Gemeinsam mit Mitgliedern aus verschiedenen Stadtteilen gab es vor zwei Wochen schon einen Workshop, um Participatory Videos zu drehen. Die Videos die dann daraus letzte Woche entstanden sind, werden nun gezeigt.

Hier erst einmal ein paar Eindrücke von den Community Engagements und den Radioauftritten und natürlich die tollen Sticker. Mal wieder beste Whatsapp-Qualität, aber immerhin…

Participartory Videos for Peace

Eines der Projekte für den Weltfriedenstag sind die Participartory Videos zum Thema. Da ich etwas neugierig war, wie das Ganze hier umgesetzt wird, haben Mariama und ich Ende August an dem dreitägigen Workshop teilgenommen. Außer uns haben Mitglieder aus verschiedenen Stadtteilen bzw. Gegenden in und um Freetown teilgenommen. Innerhalb der drei Tage haben wir uns zunächst mit den Themen Konflikt und Frieden beschäftigt. Was bedeutet Konflikt für uns in unserer direkten Umgebung? Was bedeutet Frieden? Welche Konflikte entstanden oder kamen zum Vorschein durch die Pandemie und wie waren die Lösungen?

Die Idee der Participartory Videos ist, dass nicht ein professionelles Filmteam das Script verfasst, sich die Dialoge ausdenkt und dann den Film dreht und schneidet. Die Idee ist, dass der komplette Film von den Menschen, um die es geht, selbst entworfen, gedreht und geschnitten wird. Einerseits gibt man so Menschen eine Stimme und zugleich werden noch Wissen und Fähigkeiten vermittelt.

Nachdem wir uns also mit Konflikt- und Friedensdefinitionen und deren Realitäten auseinandergesetzt hatten, ging es darum, die Kameras kennenzulernen. Worauf ist zu achten, wenn man Fotos macht, wenn man einen Film dreht. Welche verschiedenen Blickwinkel gibt es, Kameraeinstellungen, was hat das Licht mit dem Ergebnis zu tun… Der Workshop war sehr gut und vor allem war er perfekt auf die Zielgruppe zugeschnitten. Ich muss wirklich sagen, ich habe hier schon an ein paar sehr guten Workshops teilgenommen. Das war definitiv einer davon. Die Arbeit in den Kleingruppen anschließend, um die Stories zu entwickeln war auch sehr interessant und es herrschte die ganze Zeit ein sehr gute Atmosphäre. Für mich waren die Tage etwas anstrengend, da alle die ganze Zeit Krio gesprochen haben. Ich habe zwar verstanden, worum es so ging, aber ich war sehr froh, dass ich Englisch reden konnte, wenn ich mal einen Input gegeben habe.

Am letzten Tag ging es dann mit den Kameras auf die Straße zum Testlauf. In kleinen Gruppen von fünf, sechs Leuten sind wir los und haben Leute auf der Straße interviewt. Es ging erst einmal darum, zu lernen, wie spreche ich jemanden an, wo muss die Kamera stehen, damit man den besten Winkel hat und die Person auch gut erkennen kann und ähnliches. Wir waren eine kleine Filmcrew mit Kameramann, Director (der immer laut „Action“ und „Cut“ rief 🙂 ) und weiteren Crewmitgliedern.

Interviewt wurden der Besitzer des Matratzenladens, ein Okada-Fahrer, eine Schuhverkäuferin, zwei Frauen auf der Straße, der Besitzer eines Werkzeugladens und der Besitzer eines Handy-repair-shops. Somit bekommt ihr nicht nur Eindrücke von unserem Workshop, sondern auch gleich noch ein bisschen von den verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten hier.

Documentary: Fakenews provozieren Chaos in Tombo

Leider konnte ich bei den Flmaufnahmen in Tombo und Freetown nicht dabeisein. Deshalb bin ich umso mehr gespannt auf das Ergebnis. Aber zumindest habe ich schon eine Ahnung davon, worum es geht. Letztes Jahr wurde ein dreitägiger Lockdown ausgerufen. Das hieß auch, dass zum Beispiel die Fischer aus Tombo drei Tage lang nicht aufs Meer fahren durften, um zu Fischen. Nach den drei Tagen gab es Gerüchte, dass am ersten Tag nur 10 von den über 100 Booten aufs Meer fahren dürfen. Da die Fischer und die Fischverkäuferinnen schon drei Tage ohne Einkommen waren, führte diese Information oder diese Fakenachricht zu einem riesen Chaos mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Fischern und den Sicherheitskräften vor Ort. Auch das Krankenhaus war betroffen und Einrichtung wurde zerstört, so dass das medizinische Personal nicht einmal in der Lage war, die Verletzten zu versorgen.

Unser Storyboard sollte eine Art Dokumentation über diese Tage und Auseinandersetzungen werden. Wir wollen Fischer, Fischverkäuferinnen, den Hafenmeister und Sicherheitskräfte interviewen, wie sie die Situation wahrgenommen haben, was aus ihrer Sicht zum Chaos führte und was man in Zukunft in ähnlichen Situationen anders machen sollte, um den Frieden zu wahren. Unsere Botschaft war: don´t believe in fakenews! Und vor allem sollten dann bei Diskussionen und in Gesprächen mit den Leuten aufgeklärt werden, woran man Fakenews erkennt und welche Quellen zuverlässige Quellen sind.

Wie gesagt, ich war selbst beim Dreh nicht dabei, aber auf der Facebook-Seite des West African Youth Networks gibt es ein paar Bilder aus Tombo vom Videodreh und zwei kurze Videos (beides auf der Facebook-Seite des WAYN).

Social Media als Nachrichtenquelle

Das Problem hier ist, dass viele Menschen – ich übrigens auch – alle wichtigen Informationen zu Benzinpreisen, Covid-Regeln, neuen Gesetzen und so weiter normalerweise über whatsapp erhalten. Erst letzte Woche kam eine Nachricht in unsere CSSL-Arbeits-Whatsapp-Gruppe mit einem ganz klar manipulierten und bearbeiteten Bild zu neuen Benzinpreisen. Der Kollege, der es gepostet hat, dachte anscheinend, es ist echt. Zum Glück hat ziemlich schnell jemand anderes darauf hingewiesen, dass es Fake ist. Aber Leute, die nicht so genau hinschauen, nehmen das ernst und dann kann Chaos ausbrechen. Ich denke, insbesondere Benzinpreise und Lockdowns haben hier eine riesen Sprengkraft. Steigen die Benzinpreise, steigen die Kosten für den Transport und gleichzeitig auch alle Lebensmittelpreise, da diese ja auch transportiert werden müssen.

In unserem Trainingsworkshop für die Participartory Videos haben wir auch ein Beispiel Video angeschaut, dass genau das Thema Fakenews und Covid behandelt hatte. Es ist echt irre, dass durch dieses Internet, weltweit die gleichen Verschwörungstheorien zu finden sind und auch diejenigen, die Corona leugnen, die gleichen unsinnigen Argumente zusammentragen – vielleicht mit einer leichten lokalen Anpassung. Wie so oft komme ich also zu dem Schluß: überall die gleichen Idioten unterwegs, überall ähnliche Freuden und Probleme 🙂 Vielleicht sind wir Menschen doch alle ein bisschen ähnlicher, als es manchmal den Anschein macht…

Hier sind jetzt tatsächlich die Videos zu sehen

Hinweis: Ich habe den Artikel schon am 21. September geschrieben und gehofft, dass die Videos bald online zur Verfügung stehen. Sie sind aber leider noch nirgends hochgeladen. Ich veröffentliche also den Artikel heute schon einmal ohne Videos. Wenn die Videos dann irgendwann einmal verfügbar sein sollten, verlinke ich sie und gebe euch Bescheid.

–> Zwei Tage später sind die Videos zwar online, aber ich kann sie leider nicht einbinden, so dass ihr auf die Links klicken müsst, um die Videos anzuschauen. Ihr gelangt nach Facebook. Dort sind die Videos hochgeladen. Viel Spaß beim Anschauen 🙂

–> nochmal einen Tag später… wenn man die richtigen Leute kennt, bekommt man eben auch den Youtube-Link und kann die Videos richtig schön einbinden 🙂

Das erste Video hat eher einen dokumentarischen Charakter, das zweite zeigt eine Geschichte. Die jungen Leute, die am Workshop teilgenommen haben, sind die Actors im Video.

Das schöne bei den Videos ist, dass sie euch ganz gute Einblicke in das normale Alltagsgeschehen hier auf der Straße geben. Und ihr könnt ein bisschen Krio lernen. Die Audioline ist meist Krio, aber es gibt englische Untertitel.

Frieden – eine Aufgabe für uns alle

Was bringt nun so ein Weltfriedenstag eigentlich? Ich denke, es ist einfach immer wieder gut, sich Gedanken zu machen, wo die Konfliktlinien in Gesellschaften verborgen sind oder offen daliegen und wie der Frieden immer wieder aufs Neue bewahrt und beschützt werden kann. In Sierra Leone sind viele Menschen noch geprägt vom Krieg in den 90ern. Auch diejenigen, die ihn nicht miterlebt haben, wissen, wie schnell aus Frieden Krieg werden kann und wie schrecklich dieser Krieg war. Frieden wahren, ist deshalb ein sehr hohes Gut hier. Auch wenn es manchmal Sachen erschwert, da damit auch Kritik und fruchtbare Konflikte nicht ausgetragen werden – aber besser, als wieder Krieg, so die Meinung der meisten hier.

Ich denke heute auch an alle, die gerade keinen Frieden mit uns feiern können. Konflikte gibt es leider noch viel zu viele auf der Welt, deshalb sollten wir – die wir in Frieden leben – diesen auch wertschätzen, wahren und genießen! Vielleicht ist es auch in Europa gut, sich ab und an Gedanken über Krieg und Frieden zu machen. Und zwar nicht nur mit Blick in die Vergangenheit, sondern auch mit einem Blick in die Zukunft.

Euch allen wünsche ich auf jeden Fall inneren und äußeren Frieden und einen happy International Peace Day.

Nichts für zarte Seelen

Heute muss ich euch auf einen Exkurs in die Geschichte mitnehmen. Einen Teil der Geschichte, der sich ins kollektive Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt hat und ihre Gefühle und Wahrnehmungen teilweise bis heute berührt. Am Wochenende war ich auf Bunce Island, dem ehemaligen Handelsstützpunkt der Briten für Sklaven.

Der transatlantische Sklavenhandel – ein oberflächlicher, geschichtlicher Abriss

Ich bin keine Expertin auf dem Gebiet des transatlantischen Sklavenhandels, deshalb möchte ich hier nicht mit zu vielen geschichtlichen Fakten aufwarten. Viele Menschen in Europa denken irgendwie, dass Kolonialismus und Sklavenhandel eins sind. Das stimmt nicht. Der Sklavenhandel begann sehr viel früher als der Kolonialismus. Der transatlantische Sklavenhandel begann relativ zeitgleich mit der Ankunft der Europäer an den afrikanischen Küsten und der Besiedlung der Amerikas durch die Europäer.

Für alle, die sich noch nicht so oft mit dem Thema beschäftigt haben, hier nur ganz kurz und oberflächlich: europäische Handelsmächte kauften Menschen an den afrikanischen Küsten (hauptsächlich an der Westküste) und verschifften ihre menschliche Ware in die Karibik und in die Südstaaten der heutigen USA.  Es tut mir etwas weh, so etwas wie „menschliche Ware“ zu schreiben. Die Sklavenhändler hätten sogar noch das menschliche weggelassen. Für sie waren diese Männer, Frauen und Kinder nur Waren, mit denen sie möglichst viel Profit machen wollten. Wir wissen, dass viele dieser Menschen während der Überfahrt wegen Wassermangel, Nahrungsmangel und Krankheiten, die sich wegen der nicht möglichen Hygiene ausbreiteten, starben und über Bord geworfen wurden. In den Amerikas mussten die Sklaven hauptsächlich in der Landwirtschaft arbeiten. Die landwirtschaftlichen Produkte wurden dann wiederum nach Europa geschifft, dort gegen europäische Waren getauscht, diese wurden dann in Afrika wieder gegen Sklaven getauscht. Das ist das sogenannte Modell des Dreieckshandels.

Als erstes europäisches Land Verbot Dänemark im Jahr 1792 den Sklavenhandel (das Verbot trat aber dann erst im Jahr 1803 in Kraft). Erst im Jahr 1807 wurde der Sklavenhandel von Großbritannien offiziell verboten. Ab diesem Zeitpunkt bekämpfte Großbritannien den Sklavenhandel auch in internationalen Gewässern.

Die Abschaffung des Sklavenhandels hieß nicht zugleich die Abschaffung der Sklaverei. Aber so viel Platz habe ich hier leider nicht, um zu sehr in die Tiefe zu gehen. Ich bin sicher, wenn ihr Sklavenhandel in eure Suchmaschine eingebt, bekommt ihr schön aufbereitete Infos dazu.

Und hier noch ein kleiner Funfact: Während ich diesen Text schreibe, läuft meine Playlist und nun ratet mal, welches Lied gerade läuft: Keine Macht für niemand 😊 Wie passend.

Zutiefst berührt auf Bunce Island

Natürlich habe ich am Wochenende nicht das erste Mal vom Sklavenhandel gehört. Natürlich weiß ich, dass die „Black lives matter“ Bewegung nicht im luftleeren Raum entstanden ist. Natürlich weiß ich, dass die Folgen des transatlantischen Sklavenhandels bis heute Auswirkungen in den Gesellschaften haben, denen alle gesunden Männer und Frauen gestohlen wurden, in denen das handwerkliche Wissen von Generationen verloren ging, in denen ganze Generationen entwurzelt wurden und schreckliches Leid erleben mussten – dennoch: der Besuch auf Bunce Island hat mich ganz tief Innen berührt.

Vielleicht kennt ihr das Gefühl, das einen überkommt, wenn man ein KZ besucht. Wir wissen theoretisch alle, was in den KZs vorgegangen ist. Aber wenn man dort ist, spürt man auf einmal die Angst, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und zugleich bin ich immer ganz leer und taub von dem Wissen, dass es Menschen waren, die anderen Menschen all dieses Leid angetan haben.

Can you imagine – for 140 years these things happen

Ein großes Lob sei hier nochmals unserem Guide ausgesprochen. Er hat es hervorragend geschafft, sachliches Wissen zu vermitteln ebenso wie uns sehr deutlich auf die Monstrositäten hinzuweisen, die auf dieser Insel geschehen sind. Zunächst benutzen die Portugiesen Tasso Island als Handelsstützpunkt. Die Portugiesen betrieben zu dieser Zeit noch keinen transatlantischen Sklavenhandel, sondern handelten mit „normalen“ Waren. Als die Briten die Küste Sierra Leones in ihre Gewalt gebracht hatten, startete der Sklavenhandel zunächst auch auf Tasso Island. Tasso ist jedoch etwas größer, es gibt dort drei Dörfer, die Insel ist sehr bewaldet, so dass es für die Sklaven vergleichweise einfach war, abzuhauen und sich in den Wäldern zu verstecken. Das war aus ökonomischer Sicht für die Briten natürlich gar nicht gut. Sie entschieden sich deshalb, ihren Stützpunkt nach Bunce Island zu verlagern. Das ist eine sehr kleine Insel. Die ganze Insel wurde entwaldet und das Fort darauf errichtet. Die beiden „Räume“ für die Sklaven – einer für die männlichen, einer für die weiblichen – waren ohne Dach. „If it rains or if it suns, they always were outside. Can you imagine?” Wir reden hier nicht von einem kleinen Sommerregen und einer angenehm wärmenden Sonne auf der Haut. Wir reden hier von tropischen Regenstürmen und unglaublich intensiver Sonne. „The women all half naked. Only wearing the tapa. Can you imagine? The slave traders just choose and took them to abuse them. Can you imagine. For 140 years…” Auf der Insel gibt es auch einen Friedhof. Sehr viele Europäer haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Und die Mende, Timne, Limba und anderen? Die wurden ins Meer geworfen, wenn sie auf der Insel verstarben. Keine Beerdigung. Kein „Ruhe in Frieden“. Kein Ort, an dem die Ahnen besucht werden können. Einfach mal kein Respekt vor den Toten.

Wissenschaftliche Untersuchungen aus den letzten Jahrzehnten gehen von insgesamt über 11 Millionen Menschen aus, die von Afrika nach Amerika als Sklaven verschifft wurden. Nicht mitgezählt sind hier all diejenigen, die schon zuvor an den unglaublich schlimmen Bedingungen verstorben sind.

Noch eine kurze Geschichte, die auf den Magen schlägt, und dann überlasse ich euch euren Gedanken. Unser Guide, Fortune, hat erzählt, dass ab und an auch Frauen mit Babies gefangen wurden. Diese Babies – ich schaffe es kaum, das wirklich zu schreiben – die Babies wurden an den Strand gelegt, mit dem Ziel sie an die Krokodile zu verfüttern. Die so angelockten Krokodile waren leichte Beute für die Sklavenhändler. Krokodilhaut war neben Elfenbein, Gold und Diamanten ein wertvolles Gut aus Afrika.

Nie wieder! – ein Ausruf, der leider viel zu oft nötig ist

Vielleicht versteht ihr nun, weshalb mir der Besuch auf den Magen geschlagen hat und ich auch euch nicht vor diesem Wissen verschonen möchte. Wie hieß so schön eine Aufsatzaufgabe in der Schule „Zukunft braucht Vergangenheit“. Ich kann nur hoffen, dass mit dem Wissen darüber, wie grausam wir in der Vergangenheit zueinander waren, die Zukunft rosiger und freundlicher aussieht. Das liegt in der Hand jedes und jeder einzelnen von uns.

Vor zwei Jahren habe ich in Ghana schon die Forts der Sklavenhändler an der Goldküste besichtigt. Wir haben uns auf dieser Reise schon etwas mehr mit dem Thema Sklavenhandel beschäftigt. Deshalb war noch etwas Wissen im Hinterkopf. Eindrücklicher war aber wahrscheinlich, was ich aus Büchern über das Leben und das Leid der verschleppten Menschen in Amerika weiß. Wer sich etwas mit dem Thema beschäftigen möchte, kann ja mal in „The Underground Railroad“ reinlesen.

Zum seelischen Ausgleich…

Um euch nicht vollkommen deprimiert zu verlassen ob der unglaublichen Unmenschlichkeiten, zu denen nur Menschen in der Lage sind, gibt es für den seelischen Ausgleich noch ein paar Fotos der Hoffnung von Bunce Island: das eine Foto zeigt mich mit Sarah und Hannah an der Wurzel eines Baumes. Da die Insel während des Sklavenhandels vollständig entwaldet war, ist klar, dieser Baum kann frühestens nach 1807 gewachsen sein. In „nur“ 200 Jahren ist er sehr weit gewachsen. Das macht uns Hoffnung für die Natur, wenn der Mensch nicht mehr da ist.

Das zweite Hoffnungsbild ist das mit dem Baum, dessen Wurzeln die Mauer stützen. Fortune sieht es als Bild dafür, wie die afrikanischen Nationen zusammenhalten sollten. Dann könnten sie sich gemeinsam stark gegen Amerika, China, Indien und Europa behaupten und würden endlich die Zeit der Unterdrückung hinter sich lassen. So Fortune.

… und noch ein paar „Urlaubsfotos“ von Tasso. Die 2,5 Tage auf Tasso haben sehr gut getan, um runterzukommen und Kraft zu tanken für den Endspurt bis Oktober.

Die Fotos wurden teilweise von Sarah oder Hannah aufgenommen bzw. Das eine von Fortune. All Photo Credits to them for their Photos!

Der Tanz mit dem Teufel

Vor zwei/drei Wochen war ich spontan für eine Woche in den Dörfern im Greater Gola Landscape unterwegs auf einer sogenannten Roadshow. Die Roadshows haben ihren Namen zurecht. Es ist eine Kombination aus Zeit auf der Straße und Showeinlagen. Wir nutzen diese Roadshows in verschiedenen Projekten zur Aufklärungsarbeit und Beziehungsarbeit mit den Menschen in den Dörfern rund um den Nationalpark.

Unterwegs mit Flatscreen, Verstärker und zwei goldenen Mikros

Gemeinsam mit meiner Kollegin Mariama und unserem Fahrer Sinneh sind wir zunächst am Sonntag nach Kenema gefahren. Ihr erinnert euch vielleicht – Kenema ist im Süden und ist die größte Stadt in der Nähe des Gola Rainforest Nationalparks. CSSL ist nicht direkt im Gola Nationalpark tätig, sondern in den umliegenden Kambui Hills. Die Kambui Hills waren ehemals dicht bewaldet, doch der Wald ist bedroht, da er immer weiter abgeholzt wird.

Um die Menschen in den forest edged communities über die Bedeutung des Waldes und die Folgen von Deforestation aufzuklären, sind wir eine Woche über die Dörfer getourt. Mit zwei Landcruisern, einem Team von insgesamt acht Personen und einem Flatscreen, Verstärker und zwei goldenen Mikrophonen ging es los.

Straßen, Bäche und entlegene Dörfer

In sechs Tagen haben wir sechs Dörfer besucht. Teilweise haben wir in den Dörfern übernachtet, wenn der Weg zurück in die Stadt zu weit gewesen wäre. Mal wieder hat sich bestätigt, dass es mehr als sinnig ist, mit Landcruisern unterwegs zu sein. Nicht nur, dass der Regen die „Straßen“ teilweise in Bäche verwandelt hatte, hinzu kam noch, dass die Straßen an manchen Stellen aus so tiefen Furchen bestanden, dass selbst wir manchmal stecken blieben. Da viel zu schwere LKWs die vom Regen verschlammten Straßen benutzen, ist das Vorankommen echt eine Herausforderung und ich war sehr froh, dass ich dieses Mal nicht selbst gefahren bin. Einige Dörfer erreichten wir erst nach mehreren Stunden Fahrt, am Ende führte manchmal nur noch ein schmaler Weg dorthin, der eher für Motorräder als für Autos gedacht ist. Wir fuhren also mit zwei Rädern auf dem Weg und mit den anderen beiden Rädern im Gebüsch. Auf dem letzten Bild ist natürlich keine Straße zu sehen, sondern ein Fluß, den wir überquer haben 😉

Von der teuflischen Begrüßung bis zur Naturdoku

Unser Programm war spätestens nach dem zweiten Dorf sehr eingespielt. In jedem Dorf gibt es einen „Palava-Ort“. Das ist eine überdachte Fläche für Dorfversammlungen. Nach unserer Ankunft im Dorf haben die Kollegen immer direkt angefangen aufzubauen: Verstärker raus und Musik an, damit alle mitbekommen, dass etwas geboten ist. Dann den Generator aufbauen, unser Plakat aufhängen und eine kleine Runde durchs Dorf drehen.

Meist ertönten dann schon die ersten Trommeln und Rasseln, die den Teufel ankündigen. In den meisten Dörfern haben uns Frauen aus der örtlichen Geheimgesellschaft mit Musik und Tanz begrüßt, unter ihnen immer eine als Teufel verkleidete Frau. In manchen Dörfern wurden wir zum Mittanzen aufgefordert. Der Teufel wurde von uns mit ein paar kleinen Geldscheinen bezahlt, um ihn zu besänftigen und damit wir dann irgendwann mit unserem Programm starten konnten.

In einem Dorf kamen zwei Teufel der Geheimgesellschaft der Männer. Der eine war wirklich furchteinflößend. Das war der „echte“ Teufel. Er wurde von vier Männern begleitet, die anscheinend dafür da waren, ihn etwas in Zaum zu halten. Kinder und Frauen sind geflüchtet und haben sich versteckt und meine eine Kollegin hat sich in den Wagen gerettet. Normalerweise kommt er nur für besondere Anlässe und dann verstecken sich alle, die nicht Teil der Geheimgesellschaft sind. Es war wirklich komisch, aber die Stimmung hatte sich auf einmal verändert und ich hatte auch ein mulmiges Gefühl. Mir wurde gesagt, ich soll auf nichts reagieren was sie sagen und machen und einfach stillsitzen bleiben. Der eine Kollege hat immer versucht sich wie eine schützende Mauer zwischen mich und diesen Teufel zu stellen. Ich habe mich auch nicht getraut ein Foto oder ein Video zu machen.

Während der Tanzsessions haben sich normalerweise immer mehr Bänke eingefunden, teilweise auf fleißigen Köpfen aus der lokalen Schule herbeigetragen oder aus verschiedenen Haushalten herbeigebracht. Klein und Groß, Jung und Alt haben sich nach und nach eingefunden, so dass mit der Begrüßung und der Vorstellung der wichtigsten Personen aus dem Dorf begonnen werden konnte. Nach diesem wichtigen Punkt, begannen unsere Reden. Ich habe nicht alles verstanden, da die Menschen in der Gegend Mende sprechen und ich außer ein paar Begrüßungsfloskeln nichts verstehe. Aber ich weiß natürlich, dass meine Kolleginnen und Kollegen in ihren Reden über die Bedeutung des Waldes gesprochen haben, über die benefits, die der Wald bietet, über die fünf Dinge, die man nicht im Naturschutzgebiet machen darf. Es wurde erklärt, welche Art von Fischerei möglich ist, wie die Pflanzen genutzt werden dürfen und was die Folgen vom Waldrückgang sein werden.

Auf dem einen Bild seht ihr die Anwesenheitsliste. Da viele Erwachsende nicht schreiben können, gilt der Daumenabdruck als Unterschrift.

Die Menschen dürfen auch im Schutzgebiet weiter mit ihren traditionellen Fischfallen arbeiten (auf den Fotos seht ihr eine frisch fertiggestellte Fischfalle). Die kleinen Fische können wieder herausschwimmen und nur die großen bleiben gefangen. Viele fischen aber auch mit Moskitonetzen und fangen damit auch ganz kleine Fische. Das ist verboten. Genauso wie das „Fischen“ mit Chemikalien.

Auch ich hatte eine feste Rolle in unserem Programm. Ich habe immer ein bisschen vom globalen Klimawandel berichtet. Hier in Sierra Leone kam der Regen viel zu spät dieses Jahr und vor allem bis jetzt auch zu wenig. In Deutschland hingegen gab es zu viel Regen mit Flut und Todesopfern. Die Menschen fanden es sehr spannend etwas aus Deutschland zu erfahren. Vor allem hätten sie nicht gedacht, dass auch wir Probleme mit dem Klimawandel haben. Nach meiner kleinen Ansprache, gab es meist noch Zeit für Fragen. Die Leute waren sehr interessiert daran, wie bei uns der Wald aussieht, welche Tiere wir haben und ob man im Wald jagen darf. Es ist gar nicht so leicht, diese Fragen so zu beantworten, dass die Antworten verstanden werden, wenn die Menschen nur ihre eigene Umgebung kennen und keine Idee davon haben, wie in Deutschland Bäume, Tiere und Nutzpflanzen aussehen. Die Leute waren auch immer sehr überrascht, wenn ich gesagt habe, bei uns wachsen weder Bananen noch Mangos noch Papaya noch Ananas. Wahrscheinlich bemitleiden sie uns jetzt sehr.

Spell Cup for me: C-U-P, Cup

Im Anschluss an die Informationsvermittlung gab es in jedem Dorf ein Quiz. Erst für die Schulkinder, die mit richtigen Antworten Hefte und Stifte gewinnen konnten. Und hier wurde dann doch sehr deutlich, wie groß die Bildungsunterschiede sind zwischen den Kindern, die in den Dörfern leben, die eine Schule in der Nähe haben und Kinder aus Dörfern, deren Schule weiter weg ist. Allgemein erkennt man an den Kindern am ehesten, wie reich oder arm ein Dorf ist. In den Dörfern, die eine bessere Straßenanbindung haben, haben eigentlich alle Kinder Klamotten in der richtigen Größe, Schuhe, die ihnen passen und haben auch saubere Sachen an. In den Dörfern, die sehr entlegen sind, hatten zwar auch die meisten Kindern Schuhe, aber viele hatten Klamotten an, die schmutzig waren oder viel zu groß. Und in diesen Dörfern war oft auch das Bildungsniveau sehr niedrig.

In einem Dorf war schon seit über einem Jahr kein Lehrer mehr. Ein Mann aus dem Dorf unterrichtet die Kinder ehrenamtlich. Selbst die Kinder in der fünften Klasse hatten Schwierigkeiten ihre Namen und die einfachsten Wörter zu buchstabieren. Es stimmt mich dann doch traurig, zu sehen, dass diese Kinder nur wenige Chancen haben, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Vor allem, wenn ich überlege, wie Kinder in Deutschland aufwachsen. Wie viel Wissen Vierjährige in Deutschland über die Welt haben. Das ist unglaublich im internationalen Vergleich. Und hier zeigt sich wirklich, dass Wissen Macht ist. Und vor allem sehr vieles ermöglicht.

Trotz allem waren die Quizze immer ein großer Erfolg und ein großer Spaß für alle. Besonders in dem einen Dorf, in dem die Kinder sich gegenseitig Wörter zum Buchstabieren vorgegeben haben. Und dann kamen Sachen wie „Spell for me: hippopotamus“ oder „Spell for me: Environment“. Nicht ganz easy, wie ich finde. Anderen Ortes hingegen, haben wir jedes Kind CUP buchstabieren lassen, damit jede und jeder ein Heft und einen Stift abbekommen konnte. Ich war etwas neidisch auf die coolen MARVEL Hefte. Ich muss mal schauen, ob ich die hier in Freetown irgendwo finde…

Nach den Kindern gab es noch ein Quiz für die Erwachsenen. Für die gab es als Preise natürlich keine Hefte und Stifte, sondern Zahncreme, Seifen und Sandalen. Teilweise ging es sehr emotional und engagiert zur Sache. Die Erwachsenen sollten das Wissen wiederholen, dass wir zuvor vermittelt hatten. Eine große Unterhaltungsshow für das ganze Dorf. Nach dem Quiz wurde der Fernseher angemacht und Naturdokumentationen und Dokumentationen zu den Themen Biodiversität und Conservation gezeigt. Das kam natürlich immer super an. Vor allem, da es in den meisten Dörfern keinen Fernseher gibt. Besonders die Reportage aus Freetown über den Landslide vor ein paar Jahren stieß immer auf großes Interesse und große emotionale Teilhabe. In der Nähe von Freetown gab es vor ein paar Jahren einen Erdrutsch an einem Hügel, an dem der Wald abgeholzt worden war und Menschen ihre Häuser gebaut haben. Viele kamen ums Leben. Einerseits haben einige wahrscheinlich das erste Mal Bilder ihrer eigenen Hauptstadt gesehen und dann ist es natürlich immer berührender, wenn ein Unglück in der direkten Umgebung passiert. Kennen wir ja alle.

Und weil wir nicht von Luft und Regenwasser leben, gab es in jedem Dorf auch etwas zu Essen. Es wurde für alle gekocht. Und zu unserer großen Freude in jedem Dorf das gleiche. Das heißt, für uns gab es eine Woche lang Reis mit Casava leave. Muss man auch mögen… Meine Kollegin hatte nach drei Tagen schon genug und hat immer versucht, Essensalternativen mitzunehmen, wenn wir zwischendrin mal in der Stadt waren 😊

Der Tanz mit dem Teufel geht weiter

Wir wurden immer mit dem Tanz des Teufels begrüßt, doch auf einer der langen Autofahrten ist mir eingefallen, wofür wir den Ausdruck „du tanzt mit dem Teufel“ noch benutzen. Für die Dorfbewohnerinnen und -bewohner ist der Schutz des Waldes genauso ein Tanz mit dem Teufel wie die Abholzung. Die Menschen leben vom Holz. In fast jedem Dorf haben sie uns gefragt, wovon sollen wir leben, wenn wir den Wald nicht weiter als Holzquelle nutzen dürfen? Wie sollen wir Geld verdienen, das wir brauchen, um Essen zu kaufen, das wir nicht selbst anbauen können; um Baumaterialien für unsere Häuser zu kaufen; um Kleidung und Schulmaterialien zu kaufen?

Die Menschen machen aus dem Holz Holzkohle, die sie verkaufen. Das ist meist die einzige Einnahmequelle. Wenn sie also kein Holz mehr schlagen, verlieren sie ihre Einnahmequelle. Zugleich wissen sie, dass – wenn der Wald schwindet – auch ihre Lebensgrundlage schwindet. Je mehr Wald, umso mehr Wasservorräte, umso mehr Pflanzen, umso bessere Böden. Sie wissen das. Aber was tun, wenn man auch irgendwie überleben muss? So oder so – eine Situation mit wenigen Perspektiven.

Abhängigkeit von internationalen Geldern

Für uns ist das etwas schwierig. Unsere Arbeit ist sehr stark von Geldern internationaler Organisationen abhängig. Im Endeffekt können wir nur das machen, was die Geldgeber uns erlauben. Wenn wir in Projektanträge sogenannten Livlihood Komponenten aufnehmen – also Elemente mit denen in den Dörfern alternative Einkommensmöglichkeiten eingeführt werden – und die Geberorganisationen diese Komponenten streichen und nicht fördern, können wir kaum etwas in dieser Richtung unternehmen. Was bringt all die Awarnessbildung und Aufklärung, wenn die Menschen zwar verstehen, dass sie den Wald schützen sollen und auch verstehen, weshalb das auch für sie gut ist, wenn sie zugleich ihr tägliches Überleben sichern müssen…

Nach einer Woche Roadshow habe ich wieder viele neue Eindrücke, war um einiges entspannter als zuvor und habe mich trotzdem sehr gefreut, als ich wieder zurück in Freetown in meiner Wohnung war.

Hier nun noch ein paar Eindrücke aus den Dörfern, mit meinem Lieblingsbild als Start, dem schönsten Moskitonetz ever und Fotos unserer einen Unterkunft sowie der Schulküche. Die Lehrkräfte waren nicht da, weil gerade Ferien sind, so dass wir in den Häusern der Lehrer übernachteten. Achso, und einen Hahn hab ich natürlich auch geschenkt bekommen, genauso wie einen superschönen Hut…

Und wer sich schon die ganze Zeit fragt, weshalb das so verdammt lange dauert, bis ich endlich mal wieder einen Post veröffentliche, denen sei gesagt: Life no easy na Salone. Ist gerade alles etwas anstrengend hier, deshalb bleibt einfach zu wenig Energie für Artikel und zu wenig Geduld mit dem langsamen Internet zum Bilderhochladen.

Aber nachdem gestern meine Wohnung vom tropischen Sturm geflutet wurde und ich die Schwierigkeiten beim Waschmaschinen- und Herdkauf sowie Anschluss der selbigen nun hinter mir habe, hoffe ich, dass sich auch die Zusammenarbeit mit meinen Counterparts bald einspielt und die anstrengende Phase bald einer entspannteren weicht. In diesem Sinne hoffe ich auf einen weiteren Post in Kürze 🙂

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