Eine Freundin von mir ist seit Oktober 2020 in Liberia, ebenfalls als Fachkraft von Brot für die Welt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich es anfangs nicht immer nachvollziehen konnte, wenn sie von der konstanten Anstrengung und dem ständigen Erschöpfsein gesprochen hat. Selbst als ich selbst schon in Sierra Leone war. Aber jetzt muss ich einsehen, sie war mir einfach sechs Monate voraus. 😉
Ich erinnere mich auch, dass ein Freund von mir hier immer sagt, das Wichtigste ist, dass du immer Strom und Wasser zuhause hast. Das entlastet enorm. Ich muss mittlerweile auch ihm Recht geben. Es ist zermürbend, sich um die immer gleichen Dinge zu kümmern und keine Lösung zu finden. So hatte ich in den letzten drei Wochen eine einzige normale Dusche bei mir zuhause, sonst immer Eimerdusche. Eimerdusche bedeutet, dass kein Wasser aus der Leitung kommt, sondern das Wasser im Eimer oder Kanister wartet. Das mag beim Duschen etwas nervig sein, wenn es aber darum geht, den täglichen Abwasch zu machen oder noch wichtiger: die Klospülung zu betätigen, merke ich schnell, dass Wasser aus der Leitung ein unglaubliches hohes Gut ist, auf das ich eigentlich nicht ständig verzichten möchte. Vor allem, da ich nie weiß, wann kommt denn nun wieder Wasser aus der Leitung?
Water no dae
Theoretisch kommt bei uns dienstags, donnerstags und Samstagnacht Wasser von der Guma Valley Company, die Freetown mit Wasser versorgt. Seit ein paar Wochen schon klappt die Versorgung nicht wirklich, da nicht genug Wasser im Staudamm ist und somit der Wasserdruck nicht ausreicht, um das Wasser in die Stadt zu befördern. Falls doch Wasser zu uns kommt, muss es erst noch von einer Pumpe in den Tank auf dem Dach gepumpt werden, damit es von dort in Richtung meiner Wasserhähne fließen kann. Ist nun gerade kein Strom da, wenn das Wasser kommt, dann geht die Pumpe nicht und der Tank bleibt leer. Für diesen Fall gibt es noch den Generator. Ist aber kein Benzin da, dann hilft auch der Generator nicht. Und wenn dann noch jemand das Kabel verräumt, mit dem die Pumpe an den Generator angeschlossen wird, dann hilft es auch nichts, wenn ausreichend Benzin da ist. Ihr seht also, es ist nicht so einfach, das Wasser in den Wassertank zu bekommen. Deshalb lebe ich seit ein paar Wochen aus Eimern.
Wenn der Tank leer ist, warte ich also erst, ob am Dienstag, Donnerstag oder Samstag Wasser kommt. Wenn nicht, informiere ich den Landlord und den Hausverwalter. Theoretisch müssen sie sich dann darum kümmern, dass ein Wassertanker kommt und unseren Tank auffüllt. Zweimal kam auch schon der Löschwagen der Feuerwehr, um unseren Tank aufzufüllen. Da aber nicht nur wir Wasserprobleme haben, ist es nicht so leicht, jemanden zu finden, der Wasser liefert. Manchmal dauert es 2-3 Tage, bis der Tank gefüllt wird. Manchmal auch noch länger.
Da es in letzter Zeit öfter zu Wasserknappheit gekommen ist, bin ich mittlerweile ganz gut vorbereitet. Als ich mit Hummel in der Shoppingstraße in der Innenstadt war, haben wir einen 100l Behälter gekauft, der die perfekte Größe hat, um ihn im Keke nach Hause zu transportieren, außerdem habe ich zwei von diesen gelben Kanistern, die auch jeweils so 20 Liter fassen und noch ein paar Eimer, die auch alle 5-20 Liter Fassungsvermögen haben. Jedes Mal, wenn Wasser kommt (oftmals mit geringem Druck, so dass es eher ein Tröpfeln als ein Fließen ist), fülle ich also meine Eimer und Wasserbehältnisse, damit ich dann Wasser habe, wenn der Druck nachlässt oder der Tank leerer wird. Oder eben auch einfach, weil der Druck nicht ausreicht, um zu Duschen oder Abzuspülen. Natürlich teile ich mein Wasser gerne, mit allen bedürftigen Lebewesen. Aber ich muss zugeben, dass meine Pflanzen gerade weniger Wasser bekommen als sonst. Ich hoffe, sie überstehen diese Dürreperiode mit mir zusammen. Einige von ihnen stecken es gut weg.
Ich könnte ganz gut mit dieser Situation leben, wenn ich wüsste, dass es einfach gerade kein Wasser gibt. Aber mein Nachbar, der unter mir wohnt und der den gleichen Tank benutzt wie ich, bekommt die ganze Zeit Wasser aus seiner Leitung. Ergo: da stimmt etwas mit den Leitungen nicht, die in meine Wohnung führen. Es hat eine Weile gedauert, dieses Problem entsprechend zu kommunizieren. Zuerst dachten wir, ich hätte ein Air-Lock in meiner Leitung. Das kann man aber nur beheben, wenn ausreichend Wasser im Tank ist, was ja die ganze Zeit nicht der Fall war. Nun habe ich festgestellt, es kann kein Air-Lock sein. Es muss etwas anderes sein. Das nervige ist, dass ich das selbst überlegen und feststellen muss. Das Problem ist, dass ich mich nicht sportlich genug fühle, um selbst zum Tank hochzuklettern und mir das Ganze mal anzuschauen. Es ist anstrengend, für alles selbst Lösungen finden zu müssen, um dann den Handwerkern zu erklären, was ich denke, was das Problem ist und wie es wohl behoben werden könnte. Ich lobe es mir, einfach einen Handwerker zu rufen, der macht die Fehleranalyse und kommt mit einem Lösungsvorschlag, der sinnvoll ist und das Problem wirklich behebt. Das wäre ein Traum, wenn das klappen würde.
Heute Nachmittag kommt der Klempner nochmal. Ich hoffe, dann bekommen wir das endgültig hin und ich habe bald wieder Wasser aus der Leitung!
Das ewige Lied vom Strom
Dass es in der Trockenzeit schwierig wird mit Wasser und Strom, wurde mir schon angekündigt. Und es stimmt leider. Von Neujahr bis Anfang Februar hatten wir fast 24 hours Strom. Das hat uns etwas verwöhnt. Nun sind wir seit Februar wieder eingeschränkter in der Stromversorgung. Ich wollte mir deshalb endlich Solarzellen aufs Dach setzen. Ich habe schon den Kostenvoranschlag. Der Solar-Typ war da. Leider, leider, habe ich mir auch das einfacher vorgestellt, als es ist. Mein Landlord erklärte mir, das Dach ist von so schlechter Qualität, dass wir keine Solarzellen darauf befestigen können. Er meinte, er müsse erst das Dach erneuern. Na gut, denke ich mir. Dann kaufe ich eben nur die Batterien und lade sie mit Nicht-Öko-Strom auf und nutze sie wie große Powerbanks, so dass mein Kühlschrank auch läuft, wenn kein Strom da ist und mir die Milch nicht schlecht wird. Das war Mitte/Ende April. Ich wollte mir Geld von Deutschland hierherschicken, damit ich mir die Batterien kaufen kann. Aber wieder einmal hieß es: not so easy! Die online-Überweisung funktionierte nicht. Nach einigem Hin- und Her habe ich mir nun Geld auf das Konto von einem Bekannten überwiesen. Das Geld ist auch tatsächlich auf seinem Konto angekommen. Es ist also schon im Land. Ein riesiger Fortschritt! Leider war der Bekannte letzte Woche up-country, so dass ich nochmal eine Woche warten musste, bevor ich mein Geld haben würde und mir die Batterien kaufen könnte. Gestern wollten wir das Geld dann von der Bank holen, aber leider hatte die Bank schon um 15h zu gemacht. Also wieder nichts. Das nächste Bank-Date haben wir am Freitag. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass wieder irgendetwas sein wird, weshalb ich mein Geld nicht bekomme. Vielleicht nicht ausreichend Scheine da oder so etwas. Mal schauen. Es bleibt also spannend, ob ich es noch dieses Jahr schaffen werde, meine Stromversorgungssituation zu verbessern.
I am not the pushing type of person
Wer mich gut kennt, weiß, dass ich eigentlich vom Typ her nicht die Person bin, die andere mit voller Energie ansteckt und immer die treibende Kraft ist. Nun finde ich mich hier in einer Situation wieder, in der ich genau diese Rolle übernehmen muss. Das ist eigentlich gegen meine Natur. Mein natürliches Ich wartet gerne ab, bis sich Probleme von selbst lösen oder mir jemand einen Tritt verpasst, um mich in Bewegung zu bringen. Es gibt hier aber niemanden, der mir diese „motivierenden Tritte“ verpasst. Ich muss sie mir selbst geben. Und dazu noch allen anderen.
In der Arbeit habe ich gerade mehrere Projekte am Laufen, die alle in einem ähnlichen Stadium sind: im Planungs- und Organisationsstadium. Leider ist das nicht die Stärke der Kolleginnen und Kollegen. Ich merke, dass es sehr frustrierend für mich ist. Ich brauche endlich mal wieder einen Umsetzungserfolg. Endlich mal wieder ein Ergebnis. Die Planung hier ist nicht, wie ich Planung machen würde. Es wäre so viel vorzubereiten und zu organisieren, damit unsere nächsten Events und Aktivitäten gut werden, aber ich kann immer nur einen Teil der Arbeit alleine machen und muss dann wieder auf Rückmeldung und Feedback warten. Deshalb habe ich gerade auch so viel Zeit, euch mein ganzes Leid zu klagen. Weil ich hier im Büro sitze und darauf warte, dass meine Kolleginnen und Kollegen, Rückmeldung geben, zu Sachen, die ich vor drei Wochen das erste Mal an alle geschickt habe. Das Problem ist – es klang ja schon in meinem letzten Beitrag an – ich finde, unser Ruf ist nicht der beste. Es ist mir hoch unangenehm, wenn wir nun groß verlauten, dass wir eine Kampagne starten wollen und dann sind wir diejenigen, die am schlechtesten dafür vorbereitet sind. Hinzu kommt, dass ich wahrscheinlich auch frustriert bin, weil ich so vieles immer noch nicht checke. Und wenn es nur darum geht, welche Logos auf ein Workshop-Zertifikat müssen. Eigentlich müsste ich es aus dem BAMF ja gewohnt sein, dass immer, wenn ich denke, jetzt ist alles fertig und dieses Mal habe ich wirklich an alles gedacht, dass dann doch jedes Mal wieder etwas aufkommt, was ich eben nicht bedacht habe und ich alles nochmal anpassen muss. So bin ich zwar gut darin, meine Listen zu erstellen, aber irgendwie klappt es nicht so gut, mit dem Streichen von Dingen auf der To-Do-Liste. Es kommen immer neue Sachen dazu, ohne das die alten abgearbeitet sind. Und dann verzögert sich immer wieder vieles, weil Kolleginnen oder Kollegen nicht da sind, die entscheidend sind für das Vorankommen. Jemand ist krank, andere Sachen sind zu tun, dann wird wieder etwas vergessen. Vieles könnte gelöst werden mit besserer Arbeitsplanung auf individueller Ebene und auf Organisationsebene. Ich weiß aber noch nicht, ob ich diese riesen Baustelle angehen möchte und dafür genug Energie habe.
Plastik – überall Plastik
Ich merke außerdem, dass mich aktuell die Plastikverschmutzung stark belastet. Sie ist überall sichtbar. Mehr als sichtbar. Ich sehe schon fast das Meer vor lauter Plastik nicht. Das sei hier aber nur als Randnotiz erwähnt. Ich denke, dieses Thema ist zu wichtig, um es zwischen Stromknappheit, Wassermangel und Arbeitsstress zu platzieren. Ich möchte es aber auch nicht unerwähnt lassen, wenn ich nun schon am Aufzählen bin, was mich gerade so anstrengt. Der Plastikmüll überall gehört auf jeden Fall dazu. Sobald das mit dem Wald angestoßen ist, möchte ich mich umgehend um das ganze Plastik kümmern. Ich habe schon ein paar Ideen und habe schon mit ein paar innovativen Start-Ups Kontakt aufgenommen. Jetzt muss nur noch ein Schuh daraus werden. Und dann ziehe ich mir das nächste unlösbare Projekt an Land 🙂
Resilienz und Erholungsinseln
In der Vorbereitung ging es auch um Resilienz und darum zu überlegen, wo meine Inseln im Alltag sind, auf denen ich Kraft schöpfen kann. Meine wichtigsten Inseln sind natürlich meine Familie und meine Freundschaften zuhause. Die sind leider etwas weit weg. Meine anderen Inseln sind Sport. Aber ich bin oft so erschöpft abends, dass ich mich nicht immer aufraffen kann. Aber ich schaffe es dann doch immer ganz gut, am Morgen wieder mit neuem Elan aufzustehen und auf ein Neues zu versuchen, mit Energie an die Arbeit zugehen.
Ziemlich am Anfang meiner Zeit hier ist mir ein Spruch begegnet. Er begleitet mich immer noch und ist gerade mein Mantra:
Mögen deine Entscheidungen deine Hoffnungen widerspiegeln,
Nelson Mandela
nicht deine Ängste.
Ängste ersetze ich ab und an gerne mit „pessimistischen Erwartungen“ oder auch mit „Erfahrungen aus der Vergangenheit“. 😉
[Noch eine kleine Anmerkung: Der Spruch begleitet mich wirklich schon, seitdem ich hier bin. Ich glaube, Karina hat ihn mir geschickt? Danke nochmals dafür. Gerade habe ich nachgeschaut, von wem der Spruch eigentlich stammt und habe mich fast totgelacht, dass ich hier so Klassiker bediene wie Nelson Mandela. Vielleicht kommt demnächst noch der Dalai Lama und Sophie Scholl dazu 😉 ]
Ich weiß auch, dass es ein bisschen unklug war, mehrere Projekte gleichzeitig anzustoßen, so dass ich in allen im gleichen Stadium stecke und in keinem Erfolge oder Ergebnisse habe. Das Gute ist: eines meiner kleinen Projekte wird diese Woche noch abgeschlossen und umgesetzt (unser Photo-Workshop, den wir seit November machen wollen). Darauf freue ich mich schon jetzt sehr. Das kann ich dann abhaken 😊 Ein weiteres Teilprojekt wird kommende Woche realisiert (unser erstes Round-Table-Meeting für die Kampagne) und ein drittes wird in der ersten Juniwoche umgesetzt (unsere Tree Planting Aktion zum World Environment Day). Es ist also sehr absehbar, dass diese anstrengende Phase bald überstanden ist. Bestimmt warten dann neue Anstrengungen und Herausforderungen, aber denen werde ich dann auch hoffnungsvoll begegnen. Mal entspannter, mal gestresster, wie es eben so ist im Leben. Einige dieser neuen Projekte stehen schon in der Pipeline: die Weiterentwicklung der Ökolodge in Big Water, die Videos, die ich machen will, und weitere Aktionen für die Kampagne für den Wald.
Bis dahin vertreibe ich mir die Zeit aber nicht einsam zuhause, wie ihr euch denken könnt. Auch wenn meine wichtigsten Erholungsinseln in Deutschland sind, habe ich hier auch schon ein paar kleine Inselchen, die mir helfen wieder Kraft zu tanken. Da war zum Beispiel die Reggae Night anlässlich des Todestages von Bob Marley letzte Woche, auf der das Salone Reggae Movement bestehend aus 16 Künstlerinnen und Künstlern den ersten Salone Reggae Riddim vorgestellt hat. Dann war ich noch auf einer Bootstour Richtung Norden an der Küste entlang (leider auch begleitet von sehr viel Plastikmüll in den Wellen um uns herum) und am Sonntagabend war die sierra-leonische Premiere des Films „Sing, Freetown“, bei der sogar der Präsident höchstpersönlich anwesend war.
Ich schwanke immer wieder zwischen Ball flacher halten und nicht so viele Projekte anstoßen und wildem Aktionismus, weil ich denke, es gibt so viel zu tun und ich habe so viele Ideen, die ich umsetzen möchte. Vielleicht lerne ich es irgendwann noch, eine gesunde Balance zu finden. Bis dahin müsst ihr damit leben, dass ich immer mal wieder von Anstrengung und Erschöpfung schreibe, während ich zugleich abends den Sonnenuntergang über dem Meer genießen kann.
Ich wünsche euch auf jeden Fall, dass eure Entscheidungen eure Hoffnungen und nicht eure Ängste widerspiegeln und ihr alle eure Erholungsinseln kennt und sie immer in erreichbarer Nähe für euch sind.










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