Monat: April 2022

Die Wara-Wara Mountains und die Limba in Kabala

Die Ereignisse und Erlebnisse überschlagen sich gerade schon wieder und ich komme kaum dazu, euch davon zu berichten. Einerseits sind die Wochenenden gerade voll mit Ausflügen und Kurztrips, gleichzeitig ist die Woche wirklich sehr voll mit Arbeit. Was es mit der Arbeit auf sich hat, berichte ein anderes Mal. Nur so viel sei heute verraten: Ich habe einen Stein ins Rollen gebracht, der vielleicht zu groß ist für mich und meine Kolleginnen und Kollegen. Jetzt müssen wir schauen, wie wir unsere großspurig herausposaunten Versprechen auch in die Realität umsetzen und uns selbst gerecht werden.

Um Euch auch musikalisch einzustimmen, könnt ihr bevor ihr weiterlest, einfach auf Play klicken und die Limba Musik im Hintergrund laufen lassen. Kabala ist nämlich das Homeland der Limba und um die geht es heute auch ein bisschen 🙂

Ostern in Kabala

Die Limba sind eine Sprachgruppe im Norden Sierra Leones, in der Gegend von Kabala. Dort habe ich das lange Osterwochenende verbracht. Ich war einmal letztes Jahr im Juni oder Juli in Kabala, um die Kollegen und die Kollegin dort kennenzulernen. Wir haben in Kabala ein kleines Büro mit einem Team von fünf Personen und haben dort das Projekt am Lake Sonfon. Mit Sicherheit erinnert ihr euch sehr gut daran. Damals schon fand ich Kabala und den Weg dorthin wunderschön. Hügelig, Berge und der Blick auf die Wara-Wara Mountains. Tina und ich wollten eigentlich über Sylvester nach Kabala, aber dann hat uns Covid einen Strich durch die Rechnung gemacht, deshalb ging es jetzt mit etwas Verspätung eben übers lange Osterwochenende nach Kabala.

Ruhe und Entspannung? Wohl eher Spaß und Action

Wir hatten große Sehnsucht nach einem ruhigen Wochenende, nur herumsitzen, in die Ferne schauen, lesen, vielleicht ein bisschen Wandern, aber Hauptsache nicht so viele Menschen. Das war natürlich etwas naiv von uns. Es war ja klar, dass alle Menschen, die es sich leisten können, an einem langen Wochenende entweder an den Strand fahren, in einen der National Parks oder eben nach Kabala. So kam es dann auch, dass wir angefragt wurden, ob bei uns im Auto noch Platz für zwei Leutchen wäre. Selbstverständlich! Was uns zuerst nicht so sehr erfreut hatte, stellte sich ziemlich schnell als perfektes Match heraus. Ditte und Peter sind uns in kürzester Zeit ans Herz gewachsen und leider mussten wir ihnen gestern schon wieder zum Abschied winken, weil sie zurück nach Dänemark sind.

Am Karfreitag haben wir uns also zu fünft mit dem Auto auf den Weg nach Norden gemacht. Tina, John, Ditte, Peter und ich. Begleitet hat uns Jasi`s „Vibes around the world“-Playlist. (Danke nochmal für die Playlist 😊 )  Mein Handy habe ich in den Flugmodus versetzt. In der Arbeit ist es gerade ziemlich anstrengend und in der Woche vor Ostern haben mich so viele Leute angeschrieben, ob ich helfen kann, Trips nach Outamba, in den Gola, nach Tasso usw. zu organisieren. Hinzu kamen noch all die Leute, die auch nach Kabala sind. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf ständig Nachrichten und wollte mal ein Wochenende Handy-Detox machen. Es war wundervoll!!!!

Nach fünfeinhalbstündiger Fahrt und einer „kurzen“ Mittagspause in Makeni sind wir am späten Nachmittag im Hill View Guesthouse angekommen. Unserer Unterkunft. Es ist sehr schön hergerichtet, mit fantastischem Blick auf die Wara-Wara Mountains. Wir haben uns sofort wohl gefühlt.

Der Besitzer oder Gründer des Hill View ist deutscher und offensichtlich auch Fußball-Fan 😉

Die Beisteigung der Wara-Wara Mountains

In den nächsten Tagen haben wir zwei Ausflüge auf die Wara-Wara Mountains gemacht. Wobei wir bei dem ersten am Karsamstag, ziemlich viel über Stock-und-Stein den Berg hinaufgeklettert sind, weil irgendwo der Weg auf einmal nicht mehr sichtbar war. Ich mag solche Abenteuer ja. Am Ende wurden wir belohnt von einem unglaublichen Ausblick vom obersten Felsen, um den die Vögel ihre Kreise zogen, mit einem Weitblick über Kabala und die umliegenden Hügelketten. Ich wusste fast schon gar nicht mehr, wie sehr es mir guttut einen Berg zu besteigen, und sei er auch noch so klein. Begleitet wurden wir von Toast und Butter – zwei Hunde aus dem Hill View Guesthouse. Butter hat uns noch vor dem Gipfel verlassen. Er ist mit einer anderen Wandergruppe, die wir unterwegs getroffen hatten, den Berg hinab. Aber Toast hat uns treu bis ganz nach oben begleitet. Da haben wir natürlich Wasser und Kekse mit ihm geteilt. Versteht sich ja von selbst.

Look my happy face after reaching the top 🙂 und die wundervolle Aussicht!

Am Ostersonntag sind wir auf die andere Seite des Wara-Wara, das war nicht ganz so aufregend. Dieses Mal hatten wir einen guide dabei und sind somit nicht vom Weg abgekommen. Der erste Ausflug war auf jeden Fall spannender und auch schöner. Aber auch der Besuch des Hochplateaus war gut. Hierher kommen die Leute an Sylvester mit ihren Drinks, Bierkästen und Boom-Boxen, um das alte Jahr zu verabschieden. Auf dem einen Foto seht ihr das Plateau vor uns, das unser Ziel war.

Die kleinen Wanderausflüge tagsüber waren das eine, was das lange Wochenende in Kabala unvergesslich gemacht haben. Einen großen Beitrag dazu, haben aber vor allem die Menschen geleistet, die wir kennengelernt haben.

Ditte und Peter habe ich ja schon erwähnt. Ditte wohnt nur zwei Häuser weiter und ich hatte sie schon ab und an gesehen und sogar schon einmal bei einem kleinen Abendessen kennengelernt, aber damals war das ganze Setting strange. Leider, leider haben wir uns dann nicht mehr wirklich gesehen. Wir waren alle vier sehr traurig, dass wir nur so eine kurze Zeit gemeinsam verbringen konnten. Wir hatten den lustigsten Abend seit Langem mit den beiden. Es ist nicht wiederzugeben, aber es wurde nicht nur viel getrunken, sondern auch sehr viel gelacht.

Dann ist da Naomi, die das Hill View managed. Eine super angenehme Person, so wie alle, die dort arbeiten. Ich freue mich jetzt schon, wenn ich wieder nach Kabala „muss“.

Ein weiteres Highlight war die Bekanntschaft von Nik, einem Sprachwissenschaftler, der in Berlin arbeitet, ursprünglich aus den USA ist und in Kabala für vier Wochen die Sprache der Limba dokumentiert. Da ging Tina und mir das Herz auf. Jemanden zu treffen, der am Tisch sitzt und das phonetische Alphabet in seinen Notizen verwendet. Wir hatten im Studium auch das phonetische Alphabet gelernt, deshalb war es echt spannend nun mit einem „echten“ Sprachforscher zu sprechen.

Wie gesagt, ist Nik für vier Wochen in Kabala. Er hat für diese Zeit eine Kontaktperson, Kondeh, der Limba ist. Sowohl die Gruppe als auch die Sprache heißen Limba. Nik und Kondeh sind also für vier Wochen gemeinsam unterwegs, um möglichst viele Wörter in Limba zu verschriftlichen. Dafür treffen sie meist ältere Menschen, Marktfrauen, Schneider, Handwerker, Farmer. Menschen mit unterschiedlichen Berufen und unterschiedlichem Wissen, um einen möglichst breiten Wortschatz abdecken zu können. Auf seinem Laptop hat er mehrere Ordner, sortiert nach Pflanzen, Säugetieren, Vögeln, Insekten, und und und mit Bildern. Diese geht er mit den Leuten durch, um die Namen zu dokumentieren. Es ist natürlich nicht möglich, den Wortschatz einer ganzen Sprache in vier Wochen abzudecken, aber ein Anfang kann unternommen werden und ein paar Quellen gibt es auch. Die beste Quelle für Sprachen sind meist Missionare oder eben Kirchenarchive. So ist das auch im Falle der Limba. Aber alles ist nicht abgedeckt und auf Limba gibt es auch in Kirchenarchiven nicht viel.

Limba – drittgrößte Sprache in Salone mit circa 500.000 Sprechenden

Es gibt keine verlässlichen Zahlen zu Limba-sprechenden Menschen. Schätzungen gehen von bis zu 500.000 Sprecherinnen und Sprechern aus. Dazu muss man wissen, dass von den Sprachen weltweit, die meisten von weniger als 500.000 Menschen gesprochen werden. 100.000 Sprecherinnen und Sprecher sind schon ganz gut für eine Sprache im globalen Vergleich. Das ist für uns natürlich etwas verrückt. Alleine Nürnberg oder Leipzig wäre schon eine ziemlich große Sprachgruppe.

Das Spannende an den Limba ist, abgesehen davon, dass sie mit diesen 500.000 Personen die drittgrößte Sprachgruppe in Sierra Leone sind, gelten die Limba als die ersten und ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner des heutigen Sierra Leone. Kabala ist ihre base. Limba steht ziemlich alleine da. Es ist kaum verwandt mit den anderen Sprachen der Region. Für die Sprachwissenschaft ist so etwas super interessant. Am Wortschatz kann man ableiten, welche Beziehungen es mit anderen Sprachgruppen gab. Zum Beispiel gibt es im Deutschen ein Wort für Elefant, obwohl es in Deutschland keine Elefanten gibt. Das Wort gab es wahrscheinlich im Deutschen auch schon, bevor der erste Elefant nach Deutschland kam. Das Wort hat seinen Weg in unsere Sprache gefunden, über Austausch mit anderen Sprachgruppen. An der afrikanischen Ostküste gibt es sehr viele Wörter mit arabischem Ursprung, weil es schon sehr lange Handelsbeziehungen mit dem arabisch-sprechenden Raum gab. Das Limba hingegen, hat viele Wörter nicht im Wortschatz, die es in anderen Sprachen in Sierra Leone gibt. Das zeigt, dass die Limba wahrscheinlich keinen Kontakt mit anderen Sprachgruppen hatten und auch nicht aus anderen Regionen immigriert sind, sonst hätten sie Begriffe und Wörter übernommen oder entlehnt bzw. würde man sonst Wörter in der Sprache finden, die es auch in anderen Regionen gibt. Sehr spannend also für Forscher wie Nik.

Während der Kolonialzeit und während der Hochzeit des Sklavenhandels, wurden viele Limba als Sklaven gefangen genommen und auf Bunce Island nach Amerika verkauft. Viele haben versucht, diesem Schicksal zu entgehen, dadurch, dass sie nach Freetown gezogen sind. Deshalb gibt es auch in der Gegend von Freetown viele Menschen, die sich als Limba identifizieren. Viele von ihnen sprechen heute aber kein Limba mehr.

Die Limba sind bekannt als Philosophen, gute Politiker (der erste Präsident Sierra Leones war ein Limba) und vor allem sagen sie über sich selbst, dass sie sehr friedliebend sind. Das spirituelle Zuhause der Limba ist das Kakoya Village. Dieses Mal habe ich es nicht dorthin geschafft. Das nehme ich mir für meinen nächsten Besuch in Kabala vor. Wie ihr aber seht, benutzen die Limba immer die gleiche Vorsilbe für Ortsangaben: ka- (Kabala, Kakoya…). Daran kann man auch gut die Sprachgrenze erkennen. Wenn die Ortschaften keine Namen mehr mit Ka-… haben, hat man das Gebiet der Limba auf jeden Fall verlassen.

Limba of Sierra Leone – Video Dokumentationen einer Kultur

Jetzt seid ihr bestimmt schon ganz gespannt, wie sich Limba anhört. Kondeh hat einen youtube-Kanal „The Limba of Sierra Leone”. Da erfahrt ihr zum Beispiel, warum die Spinne schmal um die Taille ist, wie eine Hochzeitszeremonie abläuft und noch vieles mehr. Viel Spaß dabei!

Kabala hat unglaublich zu meiner Entspannung beigetragen. Ich freue mich jetzt schon auf meinen nächsten Besuch dort und vor allem freue ich mich jetzt schon darauf, Ditte, Peter und Nik im Sommer in Berlin zu treffen. Das ist nämlich ziemlich fix ausgemacht 😊

Euch eine wundervolle und entspannte Woche. Bei uns stehen einige Feiertage an mit Independence Day am 27. April, 1. Mai (Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, werden am Montag darauf nachgeholt) und dann ist nächste Woche auch das Ende des Ramadan. Viele Gründe zum Feiern und zum Freihaben also. In diesem Sinne: Gehabt euch wohl and stay peaceful!

Die Fotos des heutigen Beitrages stammen auch von Tina, John und Signe. Merci euch für die Fotos.

Urlaubsrezension Vivien und Jasi – Mädelsurlaub in Salone

Anmerkung von thekaddl: Hier folgt der Urlaubsrückblick von Vivien und Jasi. Text und Fotos stammen von den beiden. Sie waren im März zu Besuch.


Wir wissen gar nicht wie wir dir danken sollen, liebste Kaddl! Erfüllt von den vielen tollen Erlebnissen und Eindrücken aus Sierra Leone sitzen wir nach 11 wundervollen Tagen am Flughafen Freetown!

Angekommen in Freetown wurden wir nach der nächtlichen Fährfahrt von unserer Kaddl und Tina in Empfang genommen! Die Reise wurde von Kaddl im übrigen bestens vororganisiert. Wir haben alle wichtigen Infos auf einen Blick vorab bekommen, was uns die Planung unheimlich erleichtert hat!

Und dann stehen wir auch schon auf dem schönen, stimmungsvollen und liebevoll dekorierten Balkon von Kaddls Wohnung! Ein Traum!
Wie bekommen unser eigenes Zimmer mit ensuit Bad!

Am nächsten Tag widmen wir uns ganz entspannt der Urlaubsplanung für die kommenden Tage. Die ersten 2 Tage verbringen wir in Freetown und Umgebung: erst einmal am wunderschönen menschenleeren Strand mit Wasser mit Badewannen-Temperatur und tollen Wellen, shoppen am Big Market und Stadttour mit dem lokalen Transportmittel Keke.

Und dann geht es schon los mit Kaddls coolem Jeep Richtung Tiwai Island! Wir haben Schimpansen in freier Wildbahn entdeckt und eine wundervolle Flusstour gemacht! Ein bisher vom Tourismus noch unberührter magischer Ort!

Bei unserem anschließendem Community Walk besuchten wir insgesamt 4 unterschiedliche Communities rund um Tiwai und waren berührt von der Herzlichkeit der Menschen und den Einblicken in ihr Leben.

Und danach ab zum Beach! Hier treffen wir die Reisegruppe Berlin/Leipzig und verbringen entspannte Tage in unsere Location direkt am Meer! Highlight: unsere erste Surfstunde mit Mohammed.

Zurück in Freetown genießen wir auch noch Einblicke ins expat-Party -Nachtleben: Johns 40er Geburtstag am Strand und Irish Party in Aberdeen! Kaddl auch hier das Partylicht unter dem freien Himmel von Freetown 😉

Zu guter Letzt noch Besichtigung der Chimpanzee Sanctury Tacugama!
Und nicht zu vergessen der schönste 39igste Geburtstag von Jasi! Alles perfekt!

Wir sind glücklich! Plenty tenky und bis nächstes Jahr!


Meine Lieben, wie habe ich mich gefreut, dass ihr mich besucht habt. Vielen Dank für die wundervolle gemeinsame Zeit in Salone. Ich bin super froh, dass es euch hier so gut gefallen hat, dass ihr wiederkommen wollt. Und vielleicht macht es ja auch noch weiteren Menschen Lust auf einen Urlaub in Sweet Salone 🙂 Ich freue mich auf euch!

Wer nochmal meine Version der gemeinsamen Zeit nachlesen will: Welch ein Segen – Urlaubsbesuch

Preissteigerung und Existenzängste

Was hören wir da für Schreckensnachrichten aus Deutschland? Dieses Mal ist das Sonnenblumenöl knapp und alles wird teurer. Nun ja, was soll ich sagen. Hier war schon alles sehr teuer und nun wird alles noch teurer.

Gestern war ich im Supermarkt. Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten gekauft, aber schnell waren umgerechnet 15€ weg:

1kg Vollkornmehl für 50,000 LE (3,65€)*
1 Flasche Sonnenblumenöl für 75,000 LE (5,47€)
1 Packung Vollkorntoast für 45,000 LE (3,28€)
1 Liter Tetrapak Milch für 30,000 LE (2,19€)

*Ich nutze die Umrechnungsrate, zu der ich als letztes getauscht habe: 1€ für 13,700€.

Es ist wirklich irre, dass ich für Mehl, Sonnenblumenöl, Toast und Milch 15€ ausgebe. Die Milch hat vor einem Jahr noch 20,000 – 22,000 LE gekostet. Vor ein paar Wochen waren es dann 24,000LE und seit letzter Woche sind es 30,000LE.

Das Sonnenblumenöl hat vor ein paar Wochen noch 45,000LE gekostet, jetzt kostet das günstigste 75,000LE. Vom Olivenöl wollen wir mal gar nicht reden.

Naja, denkt ihr jetzt. Was geht sie auch im Supermarkt so exquisite Ware einkaufen. Soll sie doch auf der Straße ihre Sachen kaufen, wie jeder normale Mensch. Ich kann euch verraten: da ist es nicht besser: Gestern: 3 Karotten für 10,000LE, 6 kleine Charlotten für 10,000LE, ein großes Bündel Minze – ihr könnt es euch schon denken: 10,000LE. Nur die Bananen stabil: 10 Stück für 10,000LE.

Und die Eier! Der Eierpreis war stabil, seit ich hier angekommen bin. 1 Ei kostete 2,000LE. Vollkommen egal, ob auf der Straße, am Markt oder im Supermarkt. Seit drei Wochen kostet ein Ei auf einmal 2,500LE. Die Brotpreise sind ja schon Anfang des Jahres kurz etwas gestiegen, waren dann aber wieder normal. Es gibt Brote in unterschiedlichen Größen für unterschiedliche Preise. Das kleinste kostet 1,000LE und dann geht es hoch bis 5,000LE. Die Preise sind noch die gleichen, aber die Brote sind auf einmal viel kleiner. Mit dem Brot für 2,000LE wird man nicht mehr satt.

Und mein Mittags-Schwarma. Das hätte ich ja fast vergessen. Der Preis war immer bei 20,000LE. Seit ein paar Wochen kostet es auf einmal 25,000LE.

Ihr seht also: Preissteigerung, wohin man auch schaut. Ich weiß, auch euch in Deutschland trifft die Preissteigerung. Hier bedeuten höhere Preise allerdings oftmals, dass die Existenz in Gefahr ist. Die meisten Menschen haben es bisher schon gerade so geschafft, über die Runden zu kommen und ausreichend Essen zu finden für sich und ihre Familien. Da alles teurer wird, ist das nun kaum mehr möglich.

Wovon das Geld für Essen nehmen?

Ich merke es, weil die Menschen auf einmal verzweifelter und teilweise aggressiver werden. Wenn sonst die Snack-Frau am Strand ihre Ware freundlich und bestimmt angeboten hat, kommt sie jetzt und bittet um Hilfe. „Support me. Buy my snacks. Support me. Everything is expensive.” Oder die Männer, die vor dem einem Restaurant am Strand immer beim Ausparken helfen und dafür ein bisschen Geld bekommen. Das letzte Mal haben sich zwei fast gegenseitig weggeschubst. Und sie bekommen fürs Helfen wirklich nur sehr kleine Beträge. Ich merke im Alltag, dass die Situation für viele Menschen „tense“ ist. Ich ärgere mich natürlich, dass das Sonnenblumenöl und die Milch jetzt noch teurer sind, aber ich kann es mir immer noch gut leisten.

Auch Mohamed, einer der Beach-Cleaner am Strand, hat mich gestern sehr nachdrücklich angesprochen. Es ist Ramadan und er hat nichts, um das Fasten zu brechen am Abend. Er hat mir erzählt, wie schwierig es gerade ist und am Ende habe ich ihm dann auch etwas gegeben. Normalerweise gebe ich ihm nichts. Aber normalerweise erzählt er auch nicht so lange und nachdrücklich, wie schwierig gerade alles ist. Dass auf einmal so viele Menschen um Support bitten, zeigt, wie angespannt ihre Lage ist.

Niemand bettelt gerne, wenn er oder sie nicht muss!

Das sich die Situation hier so verschärft liegt an zwei Dingen: 1. Wird alles importiert. Durch den Krieg in der Ukraine sind alle Waren teurer auf dem Weltmarkt. Einige Länder, die uns normalerweise beliefern, exportieren aktuell gar nichts. So müssen wir einerseits mehr bezahlen und zugleich gibt es weniger Angebot.

Das zweite sehr große Problem ist der Mangel an Benzin und Diesel. Wir sind sehr stark von importierten Rohstoffen abhängig für unseren Strom und für den Transport. Seit vier Wochen haben wir so gut wie nie Strom. Der Strom für Freetown wird ja größtenteils mit einem Stromschiff hergestellt, das aus Benzin Strom erzeugt. Wenn das Benzin teuer wird oder eben knapp wird – gibt es einfach weniger Strom für uns.

Kein Benzin, kein Strom, kein Ende in Sicht

Außerdem sind die Benzinpreise sehr cras gestiegen. Vor einem Jahr hat der Liter 9,000LE gekostet, als ich im Mai gekommen bin, wurde er schon auf 10,000LE erhöht, im Frühjahr dann auf einmal auf 12,000LE und jetzt auf 15,000LE pro Liter. Das schlägt sich in allen Preisen nieder, in den Transportkosten für Waren aber auch für Auto, Keke und Okada. Hinzukommt, dass seit 3-4 Wochen nicht genug Benzin im Land ist. Die einen sagen, es gibt Vorräte, die anderen sagen, es gibt keine Vorräte. Auf jeden Fall beschuldigen alle die Regierung wegen Missmanagement der Fuel-Krise. (Der Benzinpreis wird hier von der Regierung festgelegt.) Oftmals gibt es Benzin jetzt nicht an der Tankstelle, sondern am „Schwarzmarkt“. Dann kann man einen Kanister für 300,000LE kaufen. Je nachdem, wie knapp das Benzin gerade ist, kostet ein Liter auch mal bis zu 20,000LE.

Das geht nun schon seit ein paar Wochen so. Zwischenzeitlich hatten die großen Hotels auch echte Probleme, da sie sehr viel Fuel brauchen, für ihre Generatoren. Einige haben ihre Gäste gebeten, wo anders unterzukommen, da sie schlicht und ergreifend, kein Benzin hatten, um den Hotelbetrieb aufrechtzuhalten. Gerade ist es etwas entspannter, aber ganz durchgestanden ist die Krise noch lange nicht. Es ist immer noch nicht genug Benzin zur Verfügung.

Als ich vor ein paar Wochen mit Vivien und Jasi nach Tiwai fahren wollte, war ja kurzzeitig nicht klar, ob wir fahren können, weil alle Tankstellen leer waren. Bis jetzt hat sich die Situation nur teilweise entspannt. Mein Chef meinte gestern, ich sollte vielleicht lieber im Homeoffice arbeiten, weil meine Tankfüllung sich langsam gen Ende neigt.

Letzten Montag haben die Okada- und Poda-Poda-Fahrer gestreikt. Die Regierung legt nicht nur den Benzinpreis fest, sondern auch die Preise für den öffentlichen Verkehr. Eigentlich für die offiziellen Busse, aber irgendwie hängt das alles zusammen. Wie genau, verstehe ich nicht so genau. Natürlich sind aber auch die Preise für Keke und Okada nun gestiegen, die Leute können es aber nicht wirklich bezahlen. Was die Fahrer mit dem Streik bezwecken wollten, ist nicht so ganz klar. Aber er ist ein sehr klares Zeichen dafür, dass es Konflikte gibt und Menschen nicht wissen, wie sie sich sonst bemerkbar machen sollen.

Das einzig Positive an der Fuel-Krise ist, dass den Leuten das Benzin zu teuer ist. Selbst wenn wir keinen Strom haben, bleiben deshalb mittlerweile die Generatoren aus und die Nächte sind ruhig und dunkel.

Oberflächlich ruhig, aber wie sieht es unter der Oberfläche aus?

Mein Besuch aus Deutschland kam wohl genau zur richtigen Zeit. Alles war noch entspannt. In den letzten Wochen scheint es an der Oberfläche immer noch einigermaßen ruhig zu sein, nur die Wellen kräuseln sich ab und an etwas. Aber an der Art, wie die Menschen reden, worüber sie reden, wie sie sich teilweise verhalten, merke ich, dass es unter der Oberfläche brodelt. Wer weiß, was es braucht, damit die Situation explodiert?

Vor ein / zwei Wochen war die Atmosphäre ein bisschen angespannter. Mittlerweile habe ich das Gefühl, die Menschen haben die neue Situation akzeptiert. Wenn die Situation nun bleibt, wie sie ist, dann beruhigen sich die Gemüter vielleicht wieder. Wenn ein neuer Einschnitt kommt, weitere Preiserhöhungen oder Lebensmittelknappheit, dann kann es vielleicht auch ziemlich schnell gehen, dass die Leute auf die Straße gehen.

Inflation und Wertverlust

Ich bin bekanntermaßen keine Wirtschaftswissenschaftlerin und habe nur rudimentäre Kenntnisse zu wirtschaftlichen Zusammenhängen, ganz zu schweigen von der richtigen Verwendung von Begrifflichkeiten. Aber ich habe dennoch das Gefühl, dass ich Zeugin einer schnellen Inflation bin. Hinzukommt, dass der Leone gerade superschnell an Wert verliert im Vergleich zum Euro. Als ich gekommen bin war der Wechselkurs ungefähr bei 1€ zu 12,000LE. Anfang des Jahres war der Wechselkurs bei 12,400LE für 1€. Vor zwei Wochen habe ich Geld getauscht: 1€ – 13,000LE und vor zwei Tagen waren es dann 1€ – 13,700LE. Einerseits ärgerlich, dass ich nun Geld getauscht habe. Hätte ich mal lieber gewartet, bis der Wechselkurs sich noch weiter zu meinen Gunsten entwickelt hat. Aber eigentlich bin ich eher betroffen, weil ich quasi täglich sehe, wie der Leone an Wert verliert, was die Inflation im Land noch weiter vorantreiben wird, da wir ja alles importieren.

Es bleibt also im negativen Sinne spannend gerade, wie sich die Situation hier weiterentwickeln wird. Zugleich ist es cras zu sehen, welche Auswirkungen ein Krieg im fernen Europa auf die Wirtschaft und das tägliche Überleben hier in Sierra Leone hat.

At least: one „good“ news

Eine gute Nachricht habe ich aber: Die Weinpreise sind stabil! Unser Hauswein – der günstigste im Regal – kostet nach wie vor 75,000LE! So können wir uns wenigstens die Sorgen wegtrinken und auf ein besseres Morgen anstoßen. In diesem Sinne: Cheers!

NACHTRAG:
Ich habe gerade die erste Reaktion auf meinen Beitrag bekommen. Ich fühle mich absolut sicher hier und mir geht es gut. Keine Sorge also.

© 2025 thekaddl.com

Theme von Anders NorénHoch ↑