Die Ereignisse und Erlebnisse überschlagen sich gerade schon wieder und ich komme kaum dazu, euch davon zu berichten. Einerseits sind die Wochenenden gerade voll mit Ausflügen und Kurztrips, gleichzeitig ist die Woche wirklich sehr voll mit Arbeit. Was es mit der Arbeit auf sich hat, berichte ein anderes Mal. Nur so viel sei heute verraten: Ich habe einen Stein ins Rollen gebracht, der vielleicht zu groß ist für mich und meine Kolleginnen und Kollegen. Jetzt müssen wir schauen, wie wir unsere großspurig herausposaunten Versprechen auch in die Realität umsetzen und uns selbst gerecht werden.
Um Euch auch musikalisch einzustimmen, könnt ihr bevor ihr weiterlest, einfach auf Play klicken und die Limba Musik im Hintergrund laufen lassen. Kabala ist nämlich das Homeland der Limba und um die geht es heute auch ein bisschen 🙂
Ostern in Kabala
Die Limba sind eine Sprachgruppe im Norden Sierra Leones, in der Gegend von Kabala. Dort habe ich das lange Osterwochenende verbracht. Ich war einmal letztes Jahr im Juni oder Juli in Kabala, um die Kollegen und die Kollegin dort kennenzulernen. Wir haben in Kabala ein kleines Büro mit einem Team von fünf Personen und haben dort das Projekt am Lake Sonfon. Mit Sicherheit erinnert ihr euch sehr gut daran. Damals schon fand ich Kabala und den Weg dorthin wunderschön. Hügelig, Berge und der Blick auf die Wara-Wara Mountains. Tina und ich wollten eigentlich über Sylvester nach Kabala, aber dann hat uns Covid einen Strich durch die Rechnung gemacht, deshalb ging es jetzt mit etwas Verspätung eben übers lange Osterwochenende nach Kabala.
Ruhe und Entspannung? Wohl eher Spaß und Action
Wir hatten große Sehnsucht nach einem ruhigen Wochenende, nur herumsitzen, in die Ferne schauen, lesen, vielleicht ein bisschen Wandern, aber Hauptsache nicht so viele Menschen. Das war natürlich etwas naiv von uns. Es war ja klar, dass alle Menschen, die es sich leisten können, an einem langen Wochenende entweder an den Strand fahren, in einen der National Parks oder eben nach Kabala. So kam es dann auch, dass wir angefragt wurden, ob bei uns im Auto noch Platz für zwei Leutchen wäre. Selbstverständlich! Was uns zuerst nicht so sehr erfreut hatte, stellte sich ziemlich schnell als perfektes Match heraus. Ditte und Peter sind uns in kürzester Zeit ans Herz gewachsen und leider mussten wir ihnen gestern schon wieder zum Abschied winken, weil sie zurück nach Dänemark sind.
Am Karfreitag haben wir uns also zu fünft mit dem Auto auf den Weg nach Norden gemacht. Tina, John, Ditte, Peter und ich. Begleitet hat uns Jasi`s „Vibes around the world“-Playlist. (Danke nochmal für die Playlist 😊 ) Mein Handy habe ich in den Flugmodus versetzt. In der Arbeit ist es gerade ziemlich anstrengend und in der Woche vor Ostern haben mich so viele Leute angeschrieben, ob ich helfen kann, Trips nach Outamba, in den Gola, nach Tasso usw. zu organisieren. Hinzu kamen noch all die Leute, die auch nach Kabala sind. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf ständig Nachrichten und wollte mal ein Wochenende Handy-Detox machen. Es war wundervoll!!!!
Nach fünfeinhalbstündiger Fahrt und einer „kurzen“ Mittagspause in Makeni sind wir am späten Nachmittag im Hill View Guesthouse angekommen. Unserer Unterkunft. Es ist sehr schön hergerichtet, mit fantastischem Blick auf die Wara-Wara Mountains. Wir haben uns sofort wohl gefühlt.
Der Besitzer oder Gründer des Hill View ist deutscher und offensichtlich auch Fußball-Fan 😉
Die Beisteigung der Wara-Wara Mountains
In den nächsten Tagen haben wir zwei Ausflüge auf die Wara-Wara Mountains gemacht. Wobei wir bei dem ersten am Karsamstag, ziemlich viel über Stock-und-Stein den Berg hinaufgeklettert sind, weil irgendwo der Weg auf einmal nicht mehr sichtbar war. Ich mag solche Abenteuer ja. Am Ende wurden wir belohnt von einem unglaublichen Ausblick vom obersten Felsen, um den die Vögel ihre Kreise zogen, mit einem Weitblick über Kabala und die umliegenden Hügelketten. Ich wusste fast schon gar nicht mehr, wie sehr es mir guttut einen Berg zu besteigen, und sei er auch noch so klein. Begleitet wurden wir von Toast und Butter – zwei Hunde aus dem Hill View Guesthouse. Butter hat uns noch vor dem Gipfel verlassen. Er ist mit einer anderen Wandergruppe, die wir unterwegs getroffen hatten, den Berg hinab. Aber Toast hat uns treu bis ganz nach oben begleitet. Da haben wir natürlich Wasser und Kekse mit ihm geteilt. Versteht sich ja von selbst.
Look my happy face after reaching the top 🙂 und die wundervolle Aussicht!
Am Ostersonntag sind wir auf die andere Seite des Wara-Wara, das war nicht ganz so aufregend. Dieses Mal hatten wir einen guide dabei und sind somit nicht vom Weg abgekommen. Der erste Ausflug war auf jeden Fall spannender und auch schöner. Aber auch der Besuch des Hochplateaus war gut. Hierher kommen die Leute an Sylvester mit ihren Drinks, Bierkästen und Boom-Boxen, um das alte Jahr zu verabschieden. Auf dem einen Foto seht ihr das Plateau vor uns, das unser Ziel war.
Die kleinen Wanderausflüge tagsüber waren das eine, was das lange Wochenende in Kabala unvergesslich gemacht haben. Einen großen Beitrag dazu, haben aber vor allem die Menschen geleistet, die wir kennengelernt haben.
Ditte und Peter habe ich ja schon erwähnt. Ditte wohnt nur zwei Häuser weiter und ich hatte sie schon ab und an gesehen und sogar schon einmal bei einem kleinen Abendessen kennengelernt, aber damals war das ganze Setting strange. Leider, leider haben wir uns dann nicht mehr wirklich gesehen. Wir waren alle vier sehr traurig, dass wir nur so eine kurze Zeit gemeinsam verbringen konnten. Wir hatten den lustigsten Abend seit Langem mit den beiden. Es ist nicht wiederzugeben, aber es wurde nicht nur viel getrunken, sondern auch sehr viel gelacht.
Dann ist da Naomi, die das Hill View managed. Eine super angenehme Person, so wie alle, die dort arbeiten. Ich freue mich jetzt schon, wenn ich wieder nach Kabala „muss“.
Ein weiteres Highlight war die Bekanntschaft von Nik, einem Sprachwissenschaftler, der in Berlin arbeitet, ursprünglich aus den USA ist und in Kabala für vier Wochen die Sprache der Limba dokumentiert. Da ging Tina und mir das Herz auf. Jemanden zu treffen, der am Tisch sitzt und das phonetische Alphabet in seinen Notizen verwendet. Wir hatten im Studium auch das phonetische Alphabet gelernt, deshalb war es echt spannend nun mit einem „echten“ Sprachforscher zu sprechen.
Wie gesagt, ist Nik für vier Wochen in Kabala. Er hat für diese Zeit eine Kontaktperson, Kondeh, der Limba ist. Sowohl die Gruppe als auch die Sprache heißen Limba. Nik und Kondeh sind also für vier Wochen gemeinsam unterwegs, um möglichst viele Wörter in Limba zu verschriftlichen. Dafür treffen sie meist ältere Menschen, Marktfrauen, Schneider, Handwerker, Farmer. Menschen mit unterschiedlichen Berufen und unterschiedlichem Wissen, um einen möglichst breiten Wortschatz abdecken zu können. Auf seinem Laptop hat er mehrere Ordner, sortiert nach Pflanzen, Säugetieren, Vögeln, Insekten, und und und mit Bildern. Diese geht er mit den Leuten durch, um die Namen zu dokumentieren. Es ist natürlich nicht möglich, den Wortschatz einer ganzen Sprache in vier Wochen abzudecken, aber ein Anfang kann unternommen werden und ein paar Quellen gibt es auch. Die beste Quelle für Sprachen sind meist Missionare oder eben Kirchenarchive. So ist das auch im Falle der Limba. Aber alles ist nicht abgedeckt und auf Limba gibt es auch in Kirchenarchiven nicht viel.
Limba – drittgrößte Sprache in Salone mit circa 500.000 Sprechenden
Es gibt keine verlässlichen Zahlen zu Limba-sprechenden Menschen. Schätzungen gehen von bis zu 500.000 Sprecherinnen und Sprechern aus. Dazu muss man wissen, dass von den Sprachen weltweit, die meisten von weniger als 500.000 Menschen gesprochen werden. 100.000 Sprecherinnen und Sprecher sind schon ganz gut für eine Sprache im globalen Vergleich. Das ist für uns natürlich etwas verrückt. Alleine Nürnberg oder Leipzig wäre schon eine ziemlich große Sprachgruppe.
Das Spannende an den Limba ist, abgesehen davon, dass sie mit diesen 500.000 Personen die drittgrößte Sprachgruppe in Sierra Leone sind, gelten die Limba als die ersten und ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner des heutigen Sierra Leone. Kabala ist ihre base. Limba steht ziemlich alleine da. Es ist kaum verwandt mit den anderen Sprachen der Region. Für die Sprachwissenschaft ist so etwas super interessant. Am Wortschatz kann man ableiten, welche Beziehungen es mit anderen Sprachgruppen gab. Zum Beispiel gibt es im Deutschen ein Wort für Elefant, obwohl es in Deutschland keine Elefanten gibt. Das Wort gab es wahrscheinlich im Deutschen auch schon, bevor der erste Elefant nach Deutschland kam. Das Wort hat seinen Weg in unsere Sprache gefunden, über Austausch mit anderen Sprachgruppen. An der afrikanischen Ostküste gibt es sehr viele Wörter mit arabischem Ursprung, weil es schon sehr lange Handelsbeziehungen mit dem arabisch-sprechenden Raum gab. Das Limba hingegen, hat viele Wörter nicht im Wortschatz, die es in anderen Sprachen in Sierra Leone gibt. Das zeigt, dass die Limba wahrscheinlich keinen Kontakt mit anderen Sprachgruppen hatten und auch nicht aus anderen Regionen immigriert sind, sonst hätten sie Begriffe und Wörter übernommen oder entlehnt bzw. würde man sonst Wörter in der Sprache finden, die es auch in anderen Regionen gibt. Sehr spannend also für Forscher wie Nik.
Während der Kolonialzeit und während der Hochzeit des Sklavenhandels, wurden viele Limba als Sklaven gefangen genommen und auf Bunce Island nach Amerika verkauft. Viele haben versucht, diesem Schicksal zu entgehen, dadurch, dass sie nach Freetown gezogen sind. Deshalb gibt es auch in der Gegend von Freetown viele Menschen, die sich als Limba identifizieren. Viele von ihnen sprechen heute aber kein Limba mehr.
Die Limba sind bekannt als Philosophen, gute Politiker (der erste Präsident Sierra Leones war ein Limba) und vor allem sagen sie über sich selbst, dass sie sehr friedliebend sind. Das spirituelle Zuhause der Limba ist das Kakoya Village. Dieses Mal habe ich es nicht dorthin geschafft. Das nehme ich mir für meinen nächsten Besuch in Kabala vor. Wie ihr aber seht, benutzen die Limba immer die gleiche Vorsilbe für Ortsangaben: ka- (Kabala, Kakoya…). Daran kann man auch gut die Sprachgrenze erkennen. Wenn die Ortschaften keine Namen mehr mit Ka-… haben, hat man das Gebiet der Limba auf jeden Fall verlassen.
Limba of Sierra Leone – Video Dokumentationen einer Kultur
Jetzt seid ihr bestimmt schon ganz gespannt, wie sich Limba anhört. Kondeh hat einen youtube-Kanal „The Limba of Sierra Leone”. Da erfahrt ihr zum Beispiel, warum die Spinne schmal um die Taille ist, wie eine Hochzeitszeremonie abläuft und noch vieles mehr. Viel Spaß dabei!
Kabala hat unglaublich zu meiner Entspannung beigetragen. Ich freue mich jetzt schon auf meinen nächsten Besuch dort und vor allem freue ich mich jetzt schon darauf, Ditte, Peter und Nik im Sommer in Berlin zu treffen. Das ist nämlich ziemlich fix ausgemacht 😊
Euch eine wundervolle und entspannte Woche. Bei uns stehen einige Feiertage an mit Independence Day am 27. April, 1. Mai (Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, werden am Montag darauf nachgeholt) und dann ist nächste Woche auch das Ende des Ramadan. Viele Gründe zum Feiern und zum Freihaben also. In diesem Sinne: Gehabt euch wohl and stay peaceful!
Die Fotos des heutigen Beitrages stammen auch von Tina, John und Signe. Merci euch für die Fotos.

































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