Was hören wir da für Schreckensnachrichten aus Deutschland? Dieses Mal ist das Sonnenblumenöl knapp und alles wird teurer. Nun ja, was soll ich sagen. Hier war schon alles sehr teuer und nun wird alles noch teurer.

Gestern war ich im Supermarkt. Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten gekauft, aber schnell waren umgerechnet 15€ weg:

1kg Vollkornmehl für 50,000 LE (3,65€)*
1 Flasche Sonnenblumenöl für 75,000 LE (5,47€)
1 Packung Vollkorntoast für 45,000 LE (3,28€)
1 Liter Tetrapak Milch für 30,000 LE (2,19€)

*Ich nutze die Umrechnungsrate, zu der ich als letztes getauscht habe: 1€ für 13,700€.

Es ist wirklich irre, dass ich für Mehl, Sonnenblumenöl, Toast und Milch 15€ ausgebe. Die Milch hat vor einem Jahr noch 20,000 – 22,000 LE gekostet. Vor ein paar Wochen waren es dann 24,000LE und seit letzter Woche sind es 30,000LE.

Das Sonnenblumenöl hat vor ein paar Wochen noch 45,000LE gekostet, jetzt kostet das günstigste 75,000LE. Vom Olivenöl wollen wir mal gar nicht reden.

Naja, denkt ihr jetzt. Was geht sie auch im Supermarkt so exquisite Ware einkaufen. Soll sie doch auf der Straße ihre Sachen kaufen, wie jeder normale Mensch. Ich kann euch verraten: da ist es nicht besser: Gestern: 3 Karotten für 10,000LE, 6 kleine Charlotten für 10,000LE, ein großes Bündel Minze – ihr könnt es euch schon denken: 10,000LE. Nur die Bananen stabil: 10 Stück für 10,000LE.

Und die Eier! Der Eierpreis war stabil, seit ich hier angekommen bin. 1 Ei kostete 2,000LE. Vollkommen egal, ob auf der Straße, am Markt oder im Supermarkt. Seit drei Wochen kostet ein Ei auf einmal 2,500LE. Die Brotpreise sind ja schon Anfang des Jahres kurz etwas gestiegen, waren dann aber wieder normal. Es gibt Brote in unterschiedlichen Größen für unterschiedliche Preise. Das kleinste kostet 1,000LE und dann geht es hoch bis 5,000LE. Die Preise sind noch die gleichen, aber die Brote sind auf einmal viel kleiner. Mit dem Brot für 2,000LE wird man nicht mehr satt.

Und mein Mittags-Schwarma. Das hätte ich ja fast vergessen. Der Preis war immer bei 20,000LE. Seit ein paar Wochen kostet es auf einmal 25,000LE.

Ihr seht also: Preissteigerung, wohin man auch schaut. Ich weiß, auch euch in Deutschland trifft die Preissteigerung. Hier bedeuten höhere Preise allerdings oftmals, dass die Existenz in Gefahr ist. Die meisten Menschen haben es bisher schon gerade so geschafft, über die Runden zu kommen und ausreichend Essen zu finden für sich und ihre Familien. Da alles teurer wird, ist das nun kaum mehr möglich.

Wovon das Geld für Essen nehmen?

Ich merke es, weil die Menschen auf einmal verzweifelter und teilweise aggressiver werden. Wenn sonst die Snack-Frau am Strand ihre Ware freundlich und bestimmt angeboten hat, kommt sie jetzt und bittet um Hilfe. „Support me. Buy my snacks. Support me. Everything is expensive.” Oder die Männer, die vor dem einem Restaurant am Strand immer beim Ausparken helfen und dafür ein bisschen Geld bekommen. Das letzte Mal haben sich zwei fast gegenseitig weggeschubst. Und sie bekommen fürs Helfen wirklich nur sehr kleine Beträge. Ich merke im Alltag, dass die Situation für viele Menschen „tense“ ist. Ich ärgere mich natürlich, dass das Sonnenblumenöl und die Milch jetzt noch teurer sind, aber ich kann es mir immer noch gut leisten.

Auch Mohamed, einer der Beach-Cleaner am Strand, hat mich gestern sehr nachdrücklich angesprochen. Es ist Ramadan und er hat nichts, um das Fasten zu brechen am Abend. Er hat mir erzählt, wie schwierig es gerade ist und am Ende habe ich ihm dann auch etwas gegeben. Normalerweise gebe ich ihm nichts. Aber normalerweise erzählt er auch nicht so lange und nachdrücklich, wie schwierig gerade alles ist. Dass auf einmal so viele Menschen um Support bitten, zeigt, wie angespannt ihre Lage ist.

Niemand bettelt gerne, wenn er oder sie nicht muss!

Das sich die Situation hier so verschärft liegt an zwei Dingen: 1. Wird alles importiert. Durch den Krieg in der Ukraine sind alle Waren teurer auf dem Weltmarkt. Einige Länder, die uns normalerweise beliefern, exportieren aktuell gar nichts. So müssen wir einerseits mehr bezahlen und zugleich gibt es weniger Angebot.

Das zweite sehr große Problem ist der Mangel an Benzin und Diesel. Wir sind sehr stark von importierten Rohstoffen abhängig für unseren Strom und für den Transport. Seit vier Wochen haben wir so gut wie nie Strom. Der Strom für Freetown wird ja größtenteils mit einem Stromschiff hergestellt, das aus Benzin Strom erzeugt. Wenn das Benzin teuer wird oder eben knapp wird – gibt es einfach weniger Strom für uns.

Kein Benzin, kein Strom, kein Ende in Sicht

Außerdem sind die Benzinpreise sehr cras gestiegen. Vor einem Jahr hat der Liter 9,000LE gekostet, als ich im Mai gekommen bin, wurde er schon auf 10,000LE erhöht, im Frühjahr dann auf einmal auf 12,000LE und jetzt auf 15,000LE pro Liter. Das schlägt sich in allen Preisen nieder, in den Transportkosten für Waren aber auch für Auto, Keke und Okada. Hinzukommt, dass seit 3-4 Wochen nicht genug Benzin im Land ist. Die einen sagen, es gibt Vorräte, die anderen sagen, es gibt keine Vorräte. Auf jeden Fall beschuldigen alle die Regierung wegen Missmanagement der Fuel-Krise. (Der Benzinpreis wird hier von der Regierung festgelegt.) Oftmals gibt es Benzin jetzt nicht an der Tankstelle, sondern am „Schwarzmarkt“. Dann kann man einen Kanister für 300,000LE kaufen. Je nachdem, wie knapp das Benzin gerade ist, kostet ein Liter auch mal bis zu 20,000LE.

Das geht nun schon seit ein paar Wochen so. Zwischenzeitlich hatten die großen Hotels auch echte Probleme, da sie sehr viel Fuel brauchen, für ihre Generatoren. Einige haben ihre Gäste gebeten, wo anders unterzukommen, da sie schlicht und ergreifend, kein Benzin hatten, um den Hotelbetrieb aufrechtzuhalten. Gerade ist es etwas entspannter, aber ganz durchgestanden ist die Krise noch lange nicht. Es ist immer noch nicht genug Benzin zur Verfügung.

Als ich vor ein paar Wochen mit Vivien und Jasi nach Tiwai fahren wollte, war ja kurzzeitig nicht klar, ob wir fahren können, weil alle Tankstellen leer waren. Bis jetzt hat sich die Situation nur teilweise entspannt. Mein Chef meinte gestern, ich sollte vielleicht lieber im Homeoffice arbeiten, weil meine Tankfüllung sich langsam gen Ende neigt.

Letzten Montag haben die Okada- und Poda-Poda-Fahrer gestreikt. Die Regierung legt nicht nur den Benzinpreis fest, sondern auch die Preise für den öffentlichen Verkehr. Eigentlich für die offiziellen Busse, aber irgendwie hängt das alles zusammen. Wie genau, verstehe ich nicht so genau. Natürlich sind aber auch die Preise für Keke und Okada nun gestiegen, die Leute können es aber nicht wirklich bezahlen. Was die Fahrer mit dem Streik bezwecken wollten, ist nicht so ganz klar. Aber er ist ein sehr klares Zeichen dafür, dass es Konflikte gibt und Menschen nicht wissen, wie sie sich sonst bemerkbar machen sollen.

Das einzig Positive an der Fuel-Krise ist, dass den Leuten das Benzin zu teuer ist. Selbst wenn wir keinen Strom haben, bleiben deshalb mittlerweile die Generatoren aus und die Nächte sind ruhig und dunkel.

Oberflächlich ruhig, aber wie sieht es unter der Oberfläche aus?

Mein Besuch aus Deutschland kam wohl genau zur richtigen Zeit. Alles war noch entspannt. In den letzten Wochen scheint es an der Oberfläche immer noch einigermaßen ruhig zu sein, nur die Wellen kräuseln sich ab und an etwas. Aber an der Art, wie die Menschen reden, worüber sie reden, wie sie sich teilweise verhalten, merke ich, dass es unter der Oberfläche brodelt. Wer weiß, was es braucht, damit die Situation explodiert?

Vor ein / zwei Wochen war die Atmosphäre ein bisschen angespannter. Mittlerweile habe ich das Gefühl, die Menschen haben die neue Situation akzeptiert. Wenn die Situation nun bleibt, wie sie ist, dann beruhigen sich die Gemüter vielleicht wieder. Wenn ein neuer Einschnitt kommt, weitere Preiserhöhungen oder Lebensmittelknappheit, dann kann es vielleicht auch ziemlich schnell gehen, dass die Leute auf die Straße gehen.

Inflation und Wertverlust

Ich bin bekanntermaßen keine Wirtschaftswissenschaftlerin und habe nur rudimentäre Kenntnisse zu wirtschaftlichen Zusammenhängen, ganz zu schweigen von der richtigen Verwendung von Begrifflichkeiten. Aber ich habe dennoch das Gefühl, dass ich Zeugin einer schnellen Inflation bin. Hinzukommt, dass der Leone gerade superschnell an Wert verliert im Vergleich zum Euro. Als ich gekommen bin war der Wechselkurs ungefähr bei 1€ zu 12,000LE. Anfang des Jahres war der Wechselkurs bei 12,400LE für 1€. Vor zwei Wochen habe ich Geld getauscht: 1€ – 13,000LE und vor zwei Tagen waren es dann 1€ – 13,700LE. Einerseits ärgerlich, dass ich nun Geld getauscht habe. Hätte ich mal lieber gewartet, bis der Wechselkurs sich noch weiter zu meinen Gunsten entwickelt hat. Aber eigentlich bin ich eher betroffen, weil ich quasi täglich sehe, wie der Leone an Wert verliert, was die Inflation im Land noch weiter vorantreiben wird, da wir ja alles importieren.

Es bleibt also im negativen Sinne spannend gerade, wie sich die Situation hier weiterentwickeln wird. Zugleich ist es cras zu sehen, welche Auswirkungen ein Krieg im fernen Europa auf die Wirtschaft und das tägliche Überleben hier in Sierra Leone hat.

At least: one „good“ news

Eine gute Nachricht habe ich aber: Die Weinpreise sind stabil! Unser Hauswein – der günstigste im Regal – kostet nach wie vor 75,000LE! So können wir uns wenigstens die Sorgen wegtrinken und auf ein besseres Morgen anstoßen. In diesem Sinne: Cheers!

NACHTRAG:
Ich habe gerade die erste Reaktion auf meinen Beitrag bekommen. Ich fühle mich absolut sicher hier und mir geht es gut. Keine Sorge also.