Monat: September 2023

Deutschland – was ist da los bei dir?

Ich sitze im schönen Hill View in Kabala, blicke in die Wara-Wara Mountains und finde endlich Zeit, mir von der Seele zu schreiben, was mich schon seit einiger Zeit beschäftigt. Selten habe ich mich so für meine Heimat geschämt wie in den letzten Wochen. Wenn ich Nachrichten aus Deutschland lese, möchte ich sofort das Phone aus der Hand legen und hoffen, dass das alles nicht so schlimm ist, wie es sich für mich liest. Was ist da nur los? Haben wir nichts gelernt aus unserer Geschichte?

Deutschland ist berühmt für Fleiß, BMW, Bayern München und Hitler. Bisher konnte ich das immer mit sehr viel Fassung tragen. Ja, die Deutschen haben zwei Weltkriege begonnen, furchtbare Gräueltaten vollbracht, mit deutscher Disziplin und Effizienz, aber das war alles früher. Das war nie meine Generation. Das war die Generation unserer Großeltern. Wir haben im Geschichtsunterricht gelernt, wie es dazukommen konnte, dass die NSDAP die Weimarer Republik aushöhlte und die Demokratie außer Kraft setzte. Wir haben gelernt, wie es möglich war, dass die breite Masse der Ideologie folgte. Aber wir haben doch auch gelernt, dass all das möglich war, weil die Mehrheit schwieg. Weil niemand auf die Straße ging, weil sich niemand vorstellen konnte, dass die Nazis wirklich machen würden, was sie angekündigt hatten. Und jetzt verschließen wir wieder Augen und Ohren vor dem was kommen wird? Ich bin fassungslos dieser Tage, wenn ich nach Deutschland blicke.

Wie kann es sein, dass „Klimakleber“, die fordern, dass die Regierung ihre eigenen Gesetze und ihre eigenen Zugeständnisse umsetzt, in Präventivhaft genommen werden, während Politikerinnen und Politiker Naziplattitüden über Twitter verbreiten, eindeutige Symbolik und verbotene Phrasen verwenden und nicht etwa abgestraft werden, sondern auch noch steigenden Zuspruch erleben? Wie kann es sein, dass Parteimitglieder, einer „demokratischen“ Partei, auf Twitter öffentlich davon reden, dass sie es machen werden die NSDAP, das System nutzen, um die Demokratie abzuschaffen, und die Leute sind wieder so dumm, sie zu wählen? Wieso geht da kein Aufschrei durch die Republik? Oder bekommen das wirklich so viele nicht mit? Oder ist es ihnen einfach egal? Es geht schlimmerweise ja nicht nur um die AFD. Der Vorsitzende der CDU verbreitet fake news über Menschen mit Mitgrationsgeschichte – und das nicht zum ersten Mal. Aiwanger hat sich ja auch sehr klar positioniert in den letzten Wochen. Und die CSU mit Söder, gehen sie auf Distanz? Zeigen sie klare Kante gegen rechts und rechte Propaganda? Nein. Was ist da los? Wissen es die Politiker selbst nicht besser? Falls die Führungspersonen von CSU und CDU wirklich denken es entspricht der Realität, was sie da von sich geben, sind sie nicht die richtigen für ihre Positionen, weil es schlicht und ergreifend nicht stimmt, was sie sagen. Hier geht es nicht um politische Meinungen, sondern um Fakten. Und falls sie wissen, dass sie Unwahrheiten verbreiten, dann sollten sie erst recht nicht in diesen Positionen sein. Anstatt gesellschaftsverbindend zu wirken und verschiedene Meinungen zusammenzuführen, was meines Erachtens die Aufgabe einer „Volkspartei“ wäre, spalten sie die Gesellschaft weiter und entscheiden sich dafür gegen die Grünen zu hetzen. Die Grünen, die versuchen, zu retten, was in den vorangegangenen Legislaturperioden vernachlässigt wurde. Nämlich Antworten auf die Klimakrise zu finden.

Wir sehen Überflutungen, Stürme, Dürre, Waldsterben, das größte Artensterben seit den Dinosauriern und und und. Und was machen wir? Die Grenzen dicht und den Ausbau erneuerbarer Energien bremsen. Das ist genau das, was es gerade braucht. Ganz große Klasse! Wenn wir weitermachen wie bisher, steigt der Meeresspiegel in den nächsten Jahrzehnten weiter. Oft verstehen wir nicht, was das bedeutet, aber: steigt der Meeresspiegel um einen halben Meter, stehen Teile Niedersachsens und Schleswig-Holsteins unter Wasser. Der durchschnittliche Temperaturunterschied zwischen heute und der letzten Eiszeit (als die Hälfte des Planeten nicht bewohnbar war), liegt nur bei 6°. Da kann man sich ja ausmalen, was passiert, wenn die Temperatur „nur“ um 2° steigt. Ziemlich viel nämlich… Aber heute soll es ja nicht ums Klima an sich gehen, sondern ums politische Klima in Deutschland.

Wann ging es Deutschland wohl am besten in den vergangenen Jahrzehnten? In der Zeit, in der wir dachten, wir machen besser alles alleine und schotten uns ab, oder in der Zeit, in der Europa wuchs und wir starke Partnerschaften aufbauten? Was wäre denn geworden aus dem Wirtschaftswunder ohne italienische Arbeitskräfte und später Menschen aus der Türkei, die unsere Wirtschaft mit aufgebaut haben? Nichts wäre geworden aus unserem wirtschaftlichen Aufstieg. Und jetzt denken wir, es wäre schlau, diese Menschen nicht hier zu haben? Glauben wir wirklich, dass der beste Weg nach vorne Abschottung ist?

Bisher konnte ich immer vor mir selbst rechtfertigen, dass sind nicht wir, das ist nicht meine Generation. Aber jetzt? Das was jetzt passiert, das sind wir. Wir sind diejenigen, die in wichtigen Positionen in Firmen sind, wir sind diejenigen, die Kinder großziehen und die Weichen für die Zukunft legen. Wir können uns jetzt nicht mehr herausreden. Und offensichtlich verkacken wir es auf sehr vielen Ebenen. Rassismus und Ausländerhass nehmen zu, Lösungen für die Klimakrise sind noch nicht in greifbarer Nähe und wir diskutieren über Grenzkontrollen, Gendersprache und nicht abgeschobene Geflüchtete. Hat sich jemand mal die offiziellen Zahlen angeschaut? Die Anzahl derjenigen, die wirklich abgeschoben werden können und die Abschiebung nicht durchgesetzt wird, ist so schwindend gering, dass es für mich schon fraglich ist, ob sich der finanzielle Aufwand und die Medienaufmerksamkeit überhaupt lohnen. Ich will hier nichts schön malen. Klar, Integration ist schwierig, Integration braucht Zeit und kostet Geld, aber ohne Integration wird es nicht gehen und ohne Migration von Menschen aus anderen Ländern auch nicht. Wieso werde ich hier als Expat gefeiert und wenn Menschen aus Afrika zum Arbeiten nach Deutschland gehen, sind es Arbeitsmigraten und – migratinnen? Was bin ich denn anderes? Was ist das für eine verschobene Wahrnehmung der Realität?

Die Welt war noch nie so vernetzt wie heute. Noch nie war es so leicht in Kontakt zu kommen und zu bleiben, Informationen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und über weite Distanzen zusammenzuarbeiten. Warum schaffen wir es nicht, das Positive daraus stärker auszuschöpfen und einen guten gemeinsamen Weg zu finden? Wir denken, wir leben jetzt in schwierigen Zeiten? Die schwierigen Zeiten liegen noch vor uns. Der Meeresspiegel steigt, das Klima ändert sich schneller als gedacht, die Ressourcenverteilung wird noch kritischer werden. Das alles wird nur funktionieren, wenn Länder sich zusammenschließen und gemeinsam agieren. Die Entwicklung in Deutschland und Europa, die ich von hier mitbekomme, ist aber eine vollkommen andere.

Vielleicht sieht das für mich auch extremer aus, aus der Distanz, als für euch. Aber wenn ich gerade auf Deutschland blicke, frage ich mich wirklich, ist das ein Land, in das ich zurückkehren möchte? Ich habe wirklich Bauchschmerzen, wenn ich an die Wahl in Bayern denke und würde am liebsten einfach Augen und Ohren davor verschließen. Ich finde es ganz tragisch, dass Populisten und Populistinnen mit ihrem Quatsch durchkommen und auch noch so viele Stimmen für ihren Nonsense bekommen. Ich würde so gerne hier berichten können, dass Deutschland aus seiner Geschichte gelernt hat und wir nicht die gleichen Fehler ein zweites Mal begehen. Dass wir ein aufgeklärtes Land sind und smarte Entscheidungen treffen. Aber ich fürchte, das Gegenteil wird der Fall sein.

Erst vorgestern war ich bei einem Paramount Chief, eine Stunde schlimmste dirtroad von Kabala entfernt, Kabala ist fünf Stunden von der Hauptstadt entfernt. In dem Ort, in dem der Paramount Chief lebt, gibt es keinen Strom, kein fließend Wasser, keinen Luxus dieser Art, aber er hält eine Rede über die technische Überlegenheit Deutschlands im weltweiten Vergleich und sagt am Ende „Unfortunatelly, they are a bit racist.“ Er wollte mich nicht angreifen und beleidigen, sagte er dann gleich, aber was konnte ich erwidern? Ich habe ihm geantwortet, I am not offended. He is speaking the truth. What can I say?

Und weil ich tatsächlich während meiner Meditation vor einigen Tagen meine Gedanken nicht von der politischen Entwicklung in Deutschland lösen konnte, und vermehrt Diskussionen über das Thema mit unterschiedlichen Leuten hatte, musste ich das hier jetzt endlich thematisieren. Ich mache mir Sorgen.

Wie der ganzen Frustration begegnen?

Ich habe über die Zeit hier viele coping mechanisms entwickelt, um mit Frustration umzugehen und meinen Kopf frei zu bekommen. Einer ist wandern in der Natur. Letztes Wochenende hatte ich das große Glück, mal wieder mit Hannah und Max unterwegs zu sein. Wir wollten den Camel Mountain in der Nähe von Makeni besteigen. Also haben wir auf Googlemaps geschaut, welches Dorf in der Nähe liegt, sind dorthin gefahren und haben gefragt, ob uns jemand den Weg hoch zeigen kann. Also sind wir mit ein paar Jungs und Machete bewaffnet los. Es ging durch Palmöl-Plantagen, über Reisfelder, durch eine Chashewfarm, durch unglaublich hohes Elefantengras und eine Felsspalte. Am Ende mussten wir dennoch umkehren, bevor wir den Gipfel erreicht hatten, da zu viele Dornengewächse unseren Weg versperrten. Die Regenzeit ist eben keine Wanderzeit 😉 Es war trotzdem schön.

Für euch nun ein paar Eindrücke von unserer Wanderung. Auf das wir das Schöne nicht vergessen, all dem Frust zum Trotz, durch den wir gehen müssen.

Erst alles ruhig und dann die erste schlimme Meldung

Nachdem ihr lange nichts von mir gehört habt, nun direkt die geballte Ladung. Ich bin heute im Homeoffice, weil landesweite Proteste gegen die erhöhten Lebenshaltungskosten angekündigt waren und nicht klar war, wie sich diese entwickeln werden. Eigentlich hatte ich gehofft, es bleibt ruhig und ich kann mich dem Thema Klimakrise widmen, aber jetzt kam eben die Meldung rein, dass es den ersten Toten gab.

Die gleiche Person, die letztes Jahr zu den Aufständen am 10. August aufgerufen hatte, hat wieder zu Unruhen aufgerufen. Seit letzter Woche gab es Diskussionen, wie es dieses Mal ausgehen würde. Im August dieses Jahres ist niemand dem Aufruf zu Protesten gefolgt und es blieb ruhig. Wir hatten gehofft, es bleibt auch heute ruhig.

Militärpräsenz in der ganzen Stadt

Seit zwei, drei Tagen ist schon vermehrt Militärpräsenz in der Stadt und den Zufahrstraßen gewesen. Als Hannah (meine Freundin aus Bo) gestern Abend gegen 22h zu mir gefahren ist, wurde sie – wie alle anderen Autos auch – von Militär kontrolliert, musste alle Taschen aufmachen und das ganze Auto wurde durchsucht. Normalerweise gibt es diese Checkpoints immer, aber gerade unsere NGO-Autos werden normalerweise durchgewunken, private Wagen werden manchmal angehalten, dann quatscht man kurz, gibt vielleicht etwas Geld und dann geht es weiter. Eine richtige Kontrolle habe ich noch nie erlebt.

Und auf einmal wird doch scharf geschossen

Vorsichtshalber sind wir heute alle im Homeoffice. Läden, Banken und Geschäfte haben zu, weil niemand einschätzen konnte, wie sich die Stimmung entwickelt. Heute Morgen kamen über die sozialen Medien in verschiedenen Gruppen Informationen, dass es eigentlich in allen Vierteln ruhig war. Wir dachten schon, alles ist gut. Aber dann gegen Mittag kamen auf einmal die ersten Berichte von Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Zivilbevölkerung. Es wurde gewarnt, dass Polizei und Militär scharfe Munition haben (keine Gummigeschosse) und sie vorbereitet sind, jede Person, die an illegalen Protesten teilnimmt zur Verantwortung zu ziehen. Der Ton vorab war schon sehr hart. Dann kamen erste Meldungen, dass in manchen Viertel Tränengas zum Einsatz kam, bei dem Auto einer Organisation wurde die Scheibe eingeschlagen, als sie durch eine Barrikade von Protestierenden fahren wollten, und eben kam die Meldung, dass es einen bestätigten Toten gibt. In der Meldung hieß es, ein Geschäftsmann, der zu seinem Laden wollte und der von einer Kugel getroffen wurde.

Eben wurde noch ein Video geschickt auf dem die Schüsse zu hören sind und man an einigen Stellen zwischen Häusern Rauch und Tränengas sieht. Ich spüre richtige Beklemmung in der Brust, wissend, dass den Menschen nicht die Möglichkeit für Proteste gegeben wird, aber auch, weil viele friedliche Proteste nicht kennen. Proteste sind hier meist gewalttätig. Vor allem nun, wo die Verzweiflung der Menschen wächst und das tägliche Überleben schwerer ist als noch vor wenigen Jahren.

Wenn eine Zwiebel 44€ kostet

Es gibt einige Gründe für die Menschen, zu demonstrieren. Viele sind wütend über die geklaute Wahl. Aber das alleine hätte wahrscheinlich niemanden auf die Straße gebracht. Die Regierung hat ziemlich viele Schulden nach der Wahl, sie konnten mal wieder das türkische Stromschiff nicht bezahlen (weshalb wir kaum Strom haben zurzeit), Lehrkräfte, Angestellte im öffentlichen Dienst u.ä. haben schon länger kein Gehalt mehr bekommen. Marktfrauen werden von den Straßen vertrieben und festgesetzt, bis sie sich freikaufen – sie verdienen allerdings das kleine aber wichtige Einkommen für ihre Familien. Gleichzeitig wurde der Benzinpreis in den letzten Wochen extrem schnell erhöht. Im Juni kostet ein Liter noch 21,5 Leones, dann nach den Wahlen wurde der Preis auf 25 erhöht und vor Kurzem auf 30. Es gibt Gerüchte, dass der Preis auf 36 oder 38 Leones pro Liter erhöht werden soll. Über die Benzinpreise will die Regierung angeblich Geld einnehmen, um Schulden zu begleichen. Durch die hohen Benzinpreise ist alles teurer und man muss jetzt noch öfter „extra“ Geld bezahlen, wenn man Standarddienstleistungen haben möchte. Es gibt auch mehr Menschen auf der Straße, die betteln.

Vor ein paar Wochen wurden die Zwiebeln auf einmal so teuer, dass es über memes gab, New Salone Diamant und ein Foto einer Gartenzwiebel. Teilweise hat eine Zwiebel dann 20 Leones gekostet. Meine Kollegin hat überlegt, wie und was sie ohne Zwiebel kochen kann. Das ist ziemlich problematisch. Ich bin keine Ernährungswissenschaftlerin, aber aus meiner Sicht ist die Ernährung hier eh oft schon sehr einseitig: Reis, Casava leave, dried fish (wenn man Glück hat). Jedes Nahrungsmittel weniger heißt auch weniger Nährstoffe, weniger Abwechslung in der Kost, höhere Gefahr von Mangelernährung.

Um es besser einschätzen zu können: der Mindestlohn liegt meines Wissens aktuell bei 600 oder 700 Leones. Nehmen wir mal den höheren Betrag von 700 NLe. Ich hoffe, ich habe richtig Prozentgerechnet, aber falls ich richtig liege, wäre es in Relation zum Mindestlohn in Deutschland (ich habe auf die Schnelle eine Zahl von 2020 gefunden 😉: 1584€) zum Beispiel so, als würde in Deutschland ein Liter Benzin rund 68€ kosten. Ein Liter Benzin ist äquivalent zu 4% des Monatseinkommens. Und eine Zwiebel 44€. Absoluter Irrsinn! Gerne kann das bitte jemand mit besseren Matheskills nachrechnen und korrigieren.

Hoffentlich nur eine Ein-Tages-Aktion

Das ist nur ein Teil der krassen Nachrichten, die es auch gibt, neben allen kleinen Erfolgen. Ich möchte euch aber nicht zu sehr mit den Defiziten hier überschwemmen heute. Die Ausschreitungen, die Verletzten und der hoffentlich einzige Tote, sind genug, denke ich. Nicht zu vergessen, dass alle, die heute ihre Verkaufsstände nicht geöffnet haben, heute auch nichts verdient haben. Ich hoffe, dass nicht zu viele Menschen heute den Tag ohne Essen verbringen müssen und hoffentlich ist es morgen wieder vorbei. Es gab Meldungen über 1-tägige, 2-tägige und 3-tägige Proteste. Let´s hope ist over today!

Ich persönlich sitze mal wieder hier in meinem Elfenbeinturm. Die Schüsse und das Tränengas kamen bisher ziemlich weit weg am anderen Ende der Stadt zum Einsatz. Angeblich gab es zwar auch vorne auf der Aberdeen Road (das ist in meinem Viertel, mein Viertel heißt Aberdeen), einen kurzen Zwischenfall, der aber anscheinend sofort von Sicherheitspersonal gestoppt wurde. Was auch immer das heißt? Hannah und Max sind seit gestern wieder bei mir zu Besuch, sie sind gerade unterwegs, Besorgungen wegen Arbeit machen. Ich bin gespannt, was sie berichten, wenn sie zurück sind.

Ein Balkon im Wandel oder Katzeklo, Katzeklo…

Wenn ich schon nicht über Klimakrise und African Climate Summit berichtet habe heute, so will ich euch wenigstens die Fotos von meinem Balkon nicht vorenthalten. Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich Anfang des Jahres ganz freudig berichtet habe, nun endlich meinen kleinen Garten am Hinterausgang zu starten. Ich habe mir eine neue Pflanzbox besorgt, neue Erde beschafft und Salat, Rucola und Karotten angepflanzt. Ganz glücklich war ich, als nach Kurzem schon die ersten zarten Pflänzchen aus der Erde kamen. Leider war die Freude nur von kurzer Dauer. Auf einmal hat irgendjemand immer Erde über meine Pflänzchen gehäuft. Ich war wirklich irritiert und verwundert. Wer würde so etwas machen? Bis ich die Nachbarskatze ab und an sah. Da ging mir ein Licht auf. Ich habe ihr ein Premium Katzenklo mit 1A view hingestellt. Also hieß es, das ganze wieder Retour und nun steht der Pflanzkasten wieder am Küchenbalkon. Die Katze musste sich leider eine neue Toilette suchen. Anfang Mai habe ich die Kiste wieder bepflanzt – also kurz vor der Regenzeit, und nun seht ihr, was die Regenzeit mit Lemongras macht. Sie verwandelt meinen Balkon jedes Jahr in einen kleinen Dschungel 😊

Eben, als ich schon veröffentlich hatte, kam diese Nachricht über eine meine Gruppen: „Life bullets, tear gas, 2 men confirmed dead by Gun shots at pwd 5 in Moyiba – saw this reported“ – Auch wenn ich euch keine negative Stimmung bescheren möchte, leider geht der Tag für uns hier traurig und wahrscheinlich mit einem weiteren Trauma zu Ende.

Nachtrag, 15.9.2023:

Kleiner Nachtrag, da einige nachfragen, wie die Situation jetzt ist. Seit Dienstag ist alles oberflächlich wieder ruhig, Läden und Büros sind wieder geöffnet und alles scheint seinen normalen Gang zu gehen.

Heute mal: Erfolge über Erfolge

Heute mal weniger Gejammer und mehr Erfolge! Tut ja auch mal gut.

Mein erster Erfolg wäre, wenn dieser Artikel tatsächlich fertig und publiziert werden würde. Schon wieder gibt es einige Artikel-Bruchstücke auf meinem Desktop, die es nie ins worldwideweb schaffen werden. Acht Wochen bin ich nun wieder in Salone und hier herrschte Schweigen. Ich versuche nun ganz schnell zu tippen, um sicherzustellen, dass es dieses Mal klappt und ihr wirklich mal wieder von mir lesen könnt.

Wie gesagt, heute will ich einmal ein bisschen Fokus auf kleine und größere Erfolge richten. Zu oft sehen wir nur, was gerade schwierig ist, dabei läuft eigentlich sehr viel gerade ganz gut. Okay, die Regierung hat mal wieder das türkische Stromschiff nicht bezahlt, weshalb wir mal wieder kaum Storm haben, aber hey, gestern war lange genug Strom da, um endlich mal wieder die Waschmaschine laufen zu lassen! Perfect!

Kein Home für Kakerlaken

Meine größte Erleichterung, seitdem ich zurückgekommen bin, ist allerdings eine andere: ich habe den Kampf gegen die Kakerlaken gewonnen! Wochenlang hatten kleine Schaben meine Wohnung ihr Eigen genannt und haben sich hier ausgetobt und vergnügt. Leider musste ich dem Ganzen ein Ende setzen. Seit sieben Wochen ist meine Wohnung wieder Kakerlaken-frei. Es ist ganz und gar wundervoll. Wer noch nie eine Kakerlaken-Plage zuhause hatte, kann sich gar nicht vorstellen, wie schön es ist, niemanden anzutreffen, wenn man die Küche betritt 😉

„We for Nature. Nature for Us.” – Documentaries sind endlich online

Lange, lange hat es gedauert, aber jetzt sind tatsächlich alle vier Filmchen fertig, die ich letztes Jahr mit einem Filmteam gedreht habe. Wie alles hier, hat es einige Monate länger gedauert, als zuerst geplant. Nun sind die Filme endlich fertig – auch wenn nicht alles so ist, wie ich es haben wollte, egal. Hauptsache fertig.

Die Hauptsprache ist Krio, aber es gibt englische Untertitel. Die Filme zeigen vier der KBAs (Key Biodiversity Areas), in denen wir arbeiten, was wir dort machen und welche challenges es gibt. Wer sich also für die Arbeit meiner Organisation interessiert, bekommt hier einen ganz guten Eindruck. Und um es euch ganz einfach zu machen, hier direkt die Videos 🙂

Es ist auch ganz cool, wenn ihr die Videos anschaut, weil dann seht ihr direkt, wo und wie ich so unterwegs bin, wenn ich hier von den verschieden Orten berichte. Zwei weitere Videos sind gerade noch in der Mache. Während ich im Juni/Juli in Europa war, hat mein Kollege zwei weitere KBAs mit einem Kamerateam besucht.

Birdie K – on her way

Es gibt auch wieder spannende Geschichten aus der Vogelwelt zu berichten 😉 So hatte ich zum Beispiel meinen ersten großen internationalen Auftritt auf der African Bird Fair, die im Juli in Südafrika stattfand. Leider, leider war es kein Präsenzauftritt, sondern nur eine Präsentation während eines Webinars. Ich bin also nicht nach Südafrika gereist. Seit März bin ich Teil der fünfköpfigen Advocacy-Task-Force von BirdLife International Africa. Wir haben als Gruppe die Möglichkeit bekommen, unsere Arbeit im Rahmen eines Webinars vorzustellen. Es haben mehrere hundert Leute weltweit zugeschaut und es gab auch einige super Kommentare. Witzigerweise haben sie mich nicht nach einem Foto gefragt, sondern das von meinem LinkedIn Profil genommen. Ich konnte meine Organisation vorstellen, die challenges, die wir hier haben und auch ein paar Erfolge aufzeigen.

Aber nicht genug! Auf einmal wird mein Name bekannter im kleinen Sierra Leone – Universe. So habe ich bei einem dreitätigen Workshop zur Entwicklung einer Climate-Advocacy-Strategy, den eine andere lokale NGO organisiert hat (Green Scenery), teilgenommen und habe festgestellt, dass ich mittlerweile auf ziemliches Fachwissen zurückgreifen kann und sehr gute Beiträge leisten kann. Das hört sich jetzt zwar etwas nach Eigenlob ab, aber mich hat es wirklich glücklich gemacht, zu merken, dass ich in der Lage bin, konstruktive Beiträge zu leisten und die Situation vor Ort mittlerweile teilweise besser kenne, als einige andere, die schon länger im Land sind, einfach weil ich relativ viel herumkomme. So wurde ich nun direkt wieder für einen Workshop angefragt. Gestern habe ich eine Whatsapp bekommen, mit der Einladung zum „Sand and Sustainability Workshop“ in zwei Wochen. Es hat zwar zwei Jahre gedauert, aber nun werde ich tatsächlich als Knowledge source eingeladen. Mega.

Noch mehr Vögel: Mit etwas Glück, starte ich Ende September zu meiner nächsten Vögel-Zahl-Aktion. Dieses Mal werden Geier gezählt. Ich freue mich schon riesig. Ich habe mich für das Team in Kabala gemeldet, im Norden. Da muss ich eh hin, weil ich mit den Kollegen etwas erarbeiten möchte und wenn es gut läuft, kann ich nebenbei noch Geier zählen. Letzten Samstag war ja erst „International Vulture Awareness Day“. Da passt das thematisch hervorragend. Und hier gleich mal für euch, mein Geierposter:

Capacity Building – next chapter

Puh! Eine meiner Aufgaben hier ist es, Wissen weiterzugeben, so dass einige der Dinge, die ich starte und einführe auch fortgeführt werden. Ich schwanke immer zwischen super motiviert und absolut resigniert, was den knowledge transfer angeht. Aber nun bin ich gerade dabei, wieder mit neuer Energie einen neuen Versuch zu starten. Mal schauen, ob es dieses Mal klappt. Ich habe irgendwo gelesen, dass Veränderung und neue Gewohnheiten normalerweise 8-10 Wochen brauchen, bis sie verinnerlicht sind. Ich habe also bisher einfach immer nicht lange genug durchgehalten. Jetzt versuche ich es mit diesen 8 Wochen im Hinterkopf. Mal schauen, was ich dann im November berichten kann 😉

Es geht auch nicht um crasse Sachen. Ich versuche einfach nochmal ein „Shared Filed System“ einzuführen – das hört sich jetzt crasser an, als es ist. Es geht einfach nur um google-drive. Außerdem will ich nächste Woche einen kleinen Input zum Erstellen und Bearbeiten von PDFs geben, und meinen Kommunikationskollegen (soweit wir denn endlich mal zusammen im Büro sind) nochmal ein paar Website und Layout Schulungen geben. Natürlich alles immer mit ganz viel Follow-up 😉 Ich habe gerade zumindest das Gefühl, dass die Kolleginnen und Kollegen Interesse haben und die neugelernten Fähigkeiten auch nutzen möchten. Das ist für mich schon ein Grund zur Freude.

Ihr merkt, langsam hört es sich wieder nach Stress an. Deshalb komme ich auch nicht wirklich dazu, euch mit Blogartikeln zu versorgen. Wenn ihr jetzt noch wüsstet, was neben der Arbeit alles los ist… Time no dae! Time no dae!

Nur Erfolge?

Zwei der drei Projekte, die ich eigentlich bis Anfang Juni abgeschlossen haben wollte, sind immer noch unverändert bei ihren 90%. Also nach wie vor, fast fertig, aber die letzten 10% sind einfach die anstrengendsten und nach wie vor bleiben Sachen einfach hängen, wenn meine Kollegen keine Zeit finden, für Feedback und für den letzten finalen Schritt. Ich habe zum Beispiel aus dem Mangrove Reforestation Report von meinem einen Kollegen eine schöne Case-Study gelayoutet, die seit dreieinhalb Wochen auf das finale go wartet, damit ich sie endlich publizieren kann.

Geduld, Geduld, Follow-Up und Atemübungen sind das Gebot der Stunden. Und siehe da: ich bleibe tatsächlich ruhig. Ich ärgere mich nicht, weder über mich noch über meine Kollegen. Wenn das mal kein Erfolg ist, obwohl kein Projektabschluss vorzuweisen ist. Vielleicht setzt nach über zwei Jahren doch mal ein Lernprozess ein. Auch das werde ich weiter beobachten.

Für heute schließe ich hier nun ab. Mein nächstes Zoom-Meeting steht schon an. Euch wünsche ich wunderschöne Spätsommertage.

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