Monat: Juni 2021

Visit to the Gola Rainforest

Mein kurzer Trip in den Gola Rainforest scheint schon wieder in so weiter Ferne, dabei war es erst vor einer Woche. Irgendwie passiert hier immer so viel, so dass ich gar kein Zeitgefühl mehr habe… 

Umso schöner ist es, dass ich mich jetzt nochmal in Gedanken auf die Reise begeben kann, um euch von meinem Ausflug in den Regenwald zu berichten.

Forest Edged Communities

Zunächst vielleicht erst noch einmal kurz zur Erklärung, weshalb ich arbeitstechnisch im Regenwald unterwegs bin und das nicht alleinig mein privater Spaß ist. Der erste Grund ist, dass der Gola Rainforest so etwas wie unser Vorzeigeprojekt ist. Es ist CSSL mit vielen nationalen und internationalen Mitstreitern gelungen, den Regenwald offiziell als Nationalpark erklären zu lassen, so dass der Wald offiziell geschützt ist und dieser Schutz einen sehr hohen Status hat. Als Kommunikationsfrau ist es deshalb natürlich wichtig, dass ich den Gola zumindest einmal gesehen habe.

In einigen vorangegangenen Beiträgen ist außerdem schon angeklungen, dass wir versuchen den Regenwald und auch andere noch bestehende Wälder in Sierra Leone zu schützen und zu bewahren. Einerseits aus Gründen der Biodiversität und um den Lebensraum vieler Tiere zu schützen, aber auch, weil mit der Zerstörung der Natur auch die Lebensgrundlage der Menschen zerstört wird. Eine Dorfgemeinschaft erzählte zum Beispiel, sie haben den Wald in der Nähe ihres Dorfes vor ein paar Jahren abgeholzt. Im Jahr darauf hatten sie sehr große Wasserprobleme. Seitdem sie den Wald wieder aufgefortest haben und ihn bewahren, haben sie keine Wasserprobleme mehr.

Um den Wald zu schützen, arbeiten wir deshalb auch sehr eng mit den sogenannten Forest Edged Communities (FECs – den Gemeinden, die an den Rändern der geschützten Waldregionen leben). Die Gemeindemitglieder werden aufgeklärt über die Bedeutung des Umweltschutzes für ihren Alltag. Gemeinsam werden Strategien entwickelt, wie es gelingen kann, den Wald zu schützen. Es gibt zum Beispiel “Community Forests”, die von den Gemeinden bewirtschaftet werden. Wir unterstützen die Gemeinden, diese Waldstücke nachhaltig zu nutzen, so dass es nicht nötig ist, neuen Wald zu erschließen. Dazu kann ich aber nochmal Genaueres berichten, wenn ich das nächste Mal in Kenema war.

Eine weitere Strategie, die Gemeinden mit zu beteiligen, sind Tourismusprojekte. Gemeindemitglieder werden als Tour Guides ausgebildet, in den kleinen Ökotourismus-Unterkünften im Gola werden Menschen aus dem nächstgelegenen Dorf beschäftigt und ähnliches. Die Gäste der Eco-Lodges gehen normalerweise eine Runde ins Dorf, um die Menschen zu begrüßen und sich einmal kurz zu zeigen. Ich denke, es geht hierbei auch darum, zu zeigen, dass die Schönheit der Natur und die Tierwelt etwas ganz besonders sind, so dass Menschen von weit weg kommen, um sie sich anzuschauen. 

Die Sierra Leoneans lieben Fremde, das ist das, was sie selbst von sich sagen und das ist auch genau das, was man spürt, wenn man im Land unterwegs ist. Insbesondere in den beiden Dörfern, in denen ich nun im Gola war, habe ich ein sehr großes Maß an Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Offenheit erlebt. Ich konnte mich vor geschenkten Ananas kaum retten. Ich habe schon überlegt, zum National Tourist Board zu gehen und ihnen zu raten, ihren Werbeslogan zu ändern. Aktuell heißt er “Sierraously surprising”, aber aus meiner Sicht ist das absolute Alleinstellungsmerkmal Sierra Leones, das Lächeln und das Lachen der Menschen. Ich denke, sie sollten lieber mit “Smile Salone” oder so etwas in der Art werben. Aber das kläre ich dann mit dem Tourist Board direkt…

Lalehun – Dorf mit Presidential Suite und Lehmbau

Unser erstes Ziel im Gola war Lalehun. Das liegt am nordwestlichen Rand. Es ist ein größeres Dorf knapp außerhalb des Regenwaldes und ein paar Unterkünfte innerhalb des Waldes. Die Unterkünfte werden meist von Forschenden und von den Forest Guards genutzt. Die Unterkünfte können auch von Touristinnen und Touristen gebucht werden, aber insbesondere im letzten Jahr, war die Auslastung wegen Covid natürlich nicht so gut. 

Gemeinsam mit Lomeh, meinem Tourguide, und den beiden Guides aus dem Dorf (Mustafa und Francis) sind wir nach unserer Ankunft ins Dorf gelaufen. Es ist ein relativ großes Dorf, da die Regierung hier Holzarbeiter angesiedelt hatte mit ihren Familien, die neben dem eigentlichen Dorf, das es schon länger gab, ihre Unterkünfte errichteten. Das Abholzen wurde mittlerweile beendet. Aber die Menschen haben teilweise ihre community forests am Rande des Regenwaldes und dürfen Totholz und Früchte aus dem Wald nehmen. Es gibt auch immer noch eine Schreinerei im Dorf. Natürlich alles fast openair. 

Einige von euch wissen ja, dass ich letztes Jahr in Ghana war, unter anderem im Rahmen eines Lehmbau-Workshops. Deshalb bin ich nach wie vor sehr interessiert an den lokalen Hausbautechniken. In der Gola-Region werden für die Häuser zunächst die Gerüste aus dünnen Bäumen gebaut, die dann mit Lehm verkleidet werden. Wie ich letztes Jahr gelernt habe, ist Lehm ein super Baustoff, da natürlich zu 100% biologisch abbaubar und er isoliert auch gut vor Wärme. Die Häuser haben kaum Fenster und meist gibt es einen überdachten Außenbereich zum Kochen und als Regenschutz. Macht natürlich Sinn bei ein paar Monaten Regenzeit im Jahr. Die Dächer werden traditionell mit Palmzweigen gedeckt, moderne mit Wellblech. Wobei das Wellblech eigentlich nicht schlau ist für das Klima hier. Erstens heizt es sich in der Sonne super auf und zweitens ist es mega laut, wenn der Regen drauf prasselt.

Auf den Fotos seht ihr ein paar Bilder von der Lehmbau-Technik, die drei Damen wollten unbedingt ein Foto, in der Hand des einen Mannes seht ihr eine Frucht vom breadnut-tree, ich weiß nicht, wie wir ihn nennen, und dann natürlich ein Foto der Schreinerei.

Am Dorfrand beim Eingang zum Nationalpark befindet sich die Präsidentensuite. Hier haben die beiden Präsidenten von Sierra Leone und Liberia genächtigt, als sie den transboundary Nationalpark offiziell eingeweiht haben. Der größere Teil des Gola ist nämlich in Liberia. Die Präsidentensuite ist allerdings einfach nur ein kleines Haus. Aber die Leute hier sind sehr stolz, dass die Präsidenten da waren.

Forest walks, monkeys und beeindruckende Ameisenstraßen

Der Gola ist ein Regenwald. Hier gibt es ein hohes Maß an Biodiversität an Pflanzen und Tieren. Auch einige bedrohte Arten leben hier. Dazu gehören die Picathartes, das sind besondere Vögel, die ich aber erst beim nächsten Mal besuchen werde. Auch die Zwergnilpferde gibt es hier. Die sieht man aber kaum. Wer erwartet, hier herzukommen und dann laufen direkt die ganzen Tiere vor die Kamera, der hat sich getäuscht. Wie hat es mein Kollege Patrick so schön formuliert: “We are not a zoo.” Aber das heißt natürlich nicht, dass sich gar keine Tiere sehen lassen. Ich habe verschiedene Affen gesehen, teilweise haben sie sich direkt bei unserem Camp durch die Baumkronen geschwungen, wunderschöne Vögel kamen vorbei, das erste Mal seit Jahren habe ich endlich mal wieder Glühwürmchen gesehen und vor allem haben sehr beeindruckende Ameisen meine Wege gekreuzt. 

Quer über unseren Weg zog sich an mehreren Stellen eine Ameisenstraße. Aber nicht so, wie wir sie in Deutschland kennen. Nein. Diese Ameisen bauen mit ihren Körpern einen Tunnel. Durch diesen Tunnel transportieren dann andere Ameisen die Eier und alles wertvolle Hab und Gut zu ihrem neuen Zuhause. Ich fand das sehr beeindruckend. Leider greifen die Ameisen sofort an, so dass ich kaum Zeit hatte, Fotos bzw. ein Video zu machen. 

Es gibt auch beeindruckende Bäume (einige sehen aus wie die Ents aus Herr der Ringe), Lianen, Pflanzen in den unterschiedlichsten Grüntönen. Leider schafft es die Kamera nicht, diese grüne Vielfalt wirklich einzufangen, so dass alle Fotos nur ein blasses Abbild der Wirklichkeit sind. Was soll ich sagen – müsst ihr einfach selbst gesehen, gerochen und vor allem gehört haben. Es ist ein Dauergesang von Vögeln, Insekten, Wind, Regen und Säugetieren zu hören, der niemals verstummt. Er ändert sich im Laufe des Tages und der Nacht, aber es ist wird nie ganz still.

Von Lalehun aus bin ich morgens mit den beiden Guides und Lomeh zum Viewpoint aufgebrochen. Es geht eine dreiviertel Stunde durch den Wald zu einem Ausblickpunkt von dem aus ich Richtung Liberia über den Regenwald blicken konnte. In den Bäumen am Hang gegenüber wohnen Schimpansen. Ich habe sie nicht gesehen, aber das kenne ich ja schon von den Walen. Wenn man lange genug ins Wasser schaut, in dem mit Sicherheit Wale sind, gilt das quasi so, als hätte man tatsächlich einen Wal gesehen. Ich denke, ähnliches gilt auch für Schimpansen im Regenwald.

Leider waren wir erst so gegen acht am Viewpoint, der meiste Nebel hatte sich schon verzogen, nur ein paar Wolken hingen noch in den Hügeln. Trotzdem war der Blick wunderschön.

Nach einer kleinen Pause ging es zurück, wo das Frühstücksbuffet auf uns wartete. Dann ging es mit dem Auto weiter nach Sileti. Sileti ist im Süden. Eigentlich gibt es einen direkten Weg durch den Wald dorthin. Leider ist die Brücke eingestürzt, so dass wir die Straße außenherum nehmen mussten und somit knappe fünf Stunden unterwegs waren anstatt von nur einer oder 1,5 Stunden.

Auf dem Weg nach Sileti kamen wir an der einzigen bekannten Palme auf dem afrikanischen Kontinent vorbei, die mehr als einem Kopf/Hals/Stamm- ich weiß nicht, wie man es nennen soll – hat. Wir haben extra angehalten und alle haben fleißig Fotos gemacht.

Sileti oder bin ich hier in der Schweiz?

An einer anderen Stelle haben wir angehalten, um noch ein paar Früchte zu kaufen und auf einmal kommt Patrick mit einem kleinen Affen an einer Leine zurück. Die Leute an dem Ort hatten ihn als “Haustier” gehalten. Das ist erstens sehr gemein und zweitens auch verboten. Wir haben ihn deshalb mit nach Sileti genommen. Der Arme war ganz verängstigt. In Sileti im Camp leben gerade auch zwei andere Affen, die befreit wurden. Der Kleine konnte leider nicht sofort von seiner Leine befreit werden. Erst, wenn er sich ans Lager gewöhnt hat und nicht mehr abhaut. Wenn er einfach in den Wald geht und dort auf andere Affen trifft, kann es sein, dass sie ihn töten, da er nicht zu ihrer Familie gehört. Die anderen beiden Affen waren zutraulicher und haben sich sehr über Bananen gefreut.

In der Nähe von Sileti ist das Dorf Geneva (Genf). Dort hat eine Schweizerin während des Bürgerkrieges Menschen mit Lebensmitteln und Hilfsgütern versorgt, die sich vor dem Krieg in den Wald geflüchtet hatten. Die Frau ist während des Krieges verstorben. Die Menschen haben sich entschieden, dort zu bleiben und ein neues Dorf zu gründen. In Gedenken an die Schweizerin haben sie es Geneva, nach ihrer Heimatstadt benannt.

Geneva ist bisher mein liebstes Dorf hier. Nach unserer Ankunft in Sileti kam erst einmal ein sehr, sehr starker Regen. Wir konnten deshalb erst mit großer Verspätung ins Dorf aufbrechen, um unseren Antrittsbesuch zu machen. Wir sind los, als es immernoch etwas regnete. Die Straßen waren teilweise unter Wasser und nach kurzer Zeit haben wir die Straße auch verlassen und sind dann noch eine halbe Stunde einem Trampelpfad durch grüne Landschaften gefolgt. Es war sehr schön. Das Dorf ist sehr klein. Nur neun Familien leben hier. Der Dorfälteste hat uns begrüßt und uns wurden Palmfrüchte angeboten. Sowas von lecker!!! Die Palmfrüchte werden einfach gekocht und dann noch in etwas Zucker karamellisiert. Nur den Kern darf man natürlich nicht herunterschlucken. Bei meinem nächsten Besuch in einem Dorf werde ich mich mal auf die Pflanzen, Obst und Gemüse konzentrieren, damit ihr alle wisst, wie eigentlich Papaya, Ananas und Bananen wachsen. Dieses Mal habe ich das leider vergessen.

Am nächsten Morgen haben wir noch einen kleinen Walk durch den Wald gemacht, den Diana Monkey Walk und tatsächlich haben wir ein paar Affen gesehen. Vor die Kamera bekomme ich die leider nicht. Dafür waren sie zu weit weg und zu schnell. 

Palmölplantagen auf dem Weg 

Wie wird eigentlich Palmöl hergestellt? Diese Frage geisterte schon länger in meinem Kopf herum. Vor allem, weil ich ständig Motorräder sah, die vollbeladen mit gelben Kanistern voller Palmöl unterwegs waren. Überall sieht man Palmölplantagen. Auf dem ersten Blick, habe ich gar nicht gesehen, dass es Plantagen sind. Es sind eben Palmen und dazwischen Gras und niedriges Gebüsch. An einer Stelle haben wir angehalten, damit ich mir anschauen kann, wie das Öl extrahiert wird. Zunächst werden die Palmfrüchte natürlich geerntet. Dafür muss jemand hochklettern und sie abschneiden. Dann kommen sie in die große Tonne, wo sie mit etwas Wasser gekocht werden. Anschließend werden sie gepresst. Entweder per Fuß, wie beim Sauerkrautstampfen oder Weinpressen oder aber mit einer manuellen Presse. Unten fließt dann das fast fertige Öl heraus. Es muss noch einem aufgekocht oder abgeschöpft werden, da bin ich mir jetzt gerade nicht mehr so sicher. Palmöl kommt in die meisten lokalen Gerichte. Meist schwimmt eine rötliche Ölschicht oben. Zum Abschluss gab es noch ein Gruppenfoto und dann zurück ins Auto.

Am Sonntagnachmittag kamen wir wieder in Kenema an und von dort aus ging es am nächsten Morgen zurück nach Freetown. Mein Kopf war voll mit neuen Eindrücken, neuen Infos über die Arbeit von CSSL, neuen Ideen, wie und wo ich mich einbringen könnte und so weiter. Das musste erst einmal alles etwas sacken und dann habe ich hoffentlich irgendwann einmal Zeit, mir nochmal vertiefte Gedanken dazu zumachen.

Nach ein paar Tagen grün, frischer Luft und Wald, kam der Lärm und die Abgase der Stadt mit doppelter Wucht, aber irgendwie habe ich mich auch ein bisschen gefreut, wieder in Freetown zu sein. Es war noch nicht ganz das Gefühl des Nach-Hause-Kommens, aber ganz zart ist es schon da.

Der Tag an dem der Wal strandete

Bevor wir gemeinsam durch den Gola Rainforest streifen, muss ich noch berichten, was seit gestern passiert ist. Gestern früh kamen die ersten Fotos in den Whatsapp-Gruppen zu einem kleinen gestrandeten Wal direkt am Lumley Beach, dem Stadtstrand hier. Klein in Anführungszeichen, es ist ein kleiner Buckelwal. Ich habe die Info in der Whatsapp-Gruppe von CSSL geteilt, weil ich dachte, wir wissen wahrscheinlich, wer informiert werden kann/muss, damit der Wal gerettet werden kann und zurück ins Wasser findet.

How to celebrate a birthday?

Zunächst war bei uns aber business as usual. Mit einer kleinen Unterbrechung. Meine Kollegin Mariama hatte am Freitag Geburtstag. Ich habe es erst am Morgen des Geburtstages erfahren und spontan gesagt, ich bringe ihr diese Woche einen Kuchen mit. Hätte ich gewusst, wie viel Überforderung ich damit provoziere, hätte ich das sein lassen. Da ich von anderen Geburtstagsfeiern hier weiß, dachte ich, es wäre normal, Geburtstag mit Kuchen oder Torte zu feiern. Dem ist aber nicht so. Die Generation, die älter als 40/50 ist, kennt normalerweise den eigenen Geburtstag nicht, sondern nur den Tag, an dem die Geburt der Gemeinde gemeldet wurde. Geburtstage sind deshalb für die Leute nicht so wichtig. Es ändert sich gerade. In den Städten werden nun die Geburtstage der Kinder und auch der jüngeren Generation (unter 30) gefeiert.

Bei uns wurde Mittags ein “emergency meeting” einberufen. Einerseits, um mich nun auch einmal offiziell willkommen zu heißen und Mariamas Geburtstag nachträglich zu zelebrieren. Es wurde noch schnell eine Geburtstagskarte mit Windows-Graphis gebastelt und dann mit einiger Unbeholfenheit gratuliert. Das beste ist allerdings, die Tradition hier zum Geburtstag: Das Anschneiden des Kuchens. Erst schneidet das Geburtstagskind den Kuchen an (oder tut so), dann kommen nach und nach einzelne Gäste und schneiden mit dem Geburtstagskind den Kuchen an, wobei tausende Fotos gemacht werden. Am Ende haben wir noch alle zusammen den Kuchen angeschnitten, bevor er verteilt wurde.

Dieses Mal gab es keinen Bananenkuchen, sondern einen italienischen Kuchen – zumindest laut online-Rezept. Er war auch sehr lecker. Wenn ich so weitermache, schaffe ich vielleicht tatsächlich irgendwann einen Käsekuchen. Das wäre ja mein Traum.

Whale watching und dann? 

Nach der ganzen Feierei, sind wir (Mariama, Abdul und ich) dann tatsächlich mal Richtung Strand aufgebrochen, um nach dem Wal zu sehen. Den ganzen Tag über wurden Videos und Fotos gepostet. Je weiter der Tag voranschritt, um so mehr Menschen sammelten sich um den Wal. Mittlerweile war es schon halb vier am Nachmittag. 

Auf den Videos, die online kamen, sah man einerseits Menschen, die versuchten, den Wal feucht zu halten und immer wieder Wasser über ihn kippten, leider gabe es auch Videos, die zeigten, wie junge Männer auf ihn klettern und für Fotos posen. Ein Video, das zeigt, wie versucht wurde, zu helfen, ist auf Youtube zu sehen:

Als wir am Strand ankamen, war dort eine riesige Menschenmenge. Wir hatten nicht wirklich einen Plan, was wir machen würden, wenn wir dort sind. Abdul hat sich vor gekämpft und ein kurzes Video gedreht. Auch von den hinteren Reihen aus konnte man sehen, dass mit schwerem Gerät versucht wurde, den Wal auf eine Plane zu bringen und ihn dann ins Wasser zu befördern. Aber leider war nicht das richtige Gefährt zur Verfügung. Die Reifen blieben im Sand stecken. 

Schon am Morgen war klar, die Flut kommt erst abends gegen 19h. Bis dahin muss der Wal irgendwie überleben, weil er schafft es frühestens mit der Flut zurück ins Wasser. Wir schauten dem Getümmel eine Zeit lang zu. Das traurigste war, dass zu viele Leute, zu laut direkt bei dem kleinen Wal waren. Zwei Soldaten versuchten, die Leute vom Wal fernzuhalten, aber immer wieder schafften es einzelne auf ihn zu steigen – oder besser gesagt auf sie. Die Kleine ist ein 4-Monate altes Kalb.

Da wir nichts ausrichten konnten, haben wir versucht das Tourist Board zu erreichen (die sind anscheinend für Angelegenheiten am Strand zuständig) und danach die Kollegen von der Environment Protection Agency (EPA). Das ist die Umweltschutzbehörde der Regierung. Zwei Kollegen von der EPA waren vor Ort, so dass wir kurz mit ihnen gesprochen hatten. Anscheinend hat am Morgen schon das Fischereiministerium die Führung in der Sache übernommen. Es waren auch mehrere Minister und Stellvertreter da gewesen. Ich weiß allerdings nicht, was die da gemacht haben, außer Präsenz zu zeigen. Ich dachte die ganze Zeit, es kann doch nicht so schwer sein, ein paar Polizisten zu schicken, die aufpassen, dass die Leute Abstand halten und den armen kleinen Wal nicht noch mehr Stress aussetzen. Aber anscheinend ist es nicht so einfach oder es fehlt an Bewusstsein. Wale sind immerhin keine Fische, sondern sehr intelligente und emotionale Säugetiere…

Einer der Männer am Strand und später auch Paul, von der EPA, erzählten, wie der Wal anscheinend an den Strand kam. Der Wal folgten den Fischern und geriet in eines ihrer Netze, wahrscheinlich, weil er sich die Fische schnappen wollte. Die Fischer hätten dann ihr Netz loslassen müssen, um den Wal zu befreien, aber anscheinend hatten sie gehofft, ihn an Land zu bekommen. So ein Wal hat ziemlich viel Fleisch, damit kann man einige Mägen füllen und viel Geld verdienen. Mehr als mit den kleinen Fischchen. Der Wal wehrte sich wohl, so dass eines ihrer Boote unterging (alle haben überlebt, zum Glück konnten alle schwimmen) und auch vom zweiten Boot ging die Seilwinde über Bord. Etwas Schadenfreude ist da auf meiner Seite natürlich dabei… Der Kollege von der EPA meinte, die Fischer müssen nun den ganzen Einsatz bezahlen. Ich bin mir nicht sicher, wie das funktionieren soll. Ich denke nicht, dass sie dafür Geld haben. Aber immerhin wird versucht, abschreckende Maßnahmen zu ergreifen.

Als wir den Strand wieder verlassen haben – es war langsam Zeit für den Feierabend und die Kollegin und der Kollege wollten offensichtlich nach Hause – war der kleine Wal schon fast im Wasser. Die Flut kam. Aber man konnte immer wieder Menschen sehen, die auf den Wal stiegen. Ich war echt frustriert und enttäuscht, dass wir nicht mehr gemacht haben und vor allem, dass wir nicht schon viel früher etwas unternommen hatten. 

Als ich zuhause war, kam die erlösende Nachricht: Der Wal war im Wasser und schwamm los. Ich war immer noch etwas traurig-berührt, wie viele den Wal behandelt haben und das so wenig unternommen wurde, um ihn vor der Menge zu schützen. Aber ich glaube, ich habe zu hohe Ansprüche. Die Wale, die in den letzten Jahren in Sierra Leone gestrandet sind, sind alle im Kochtopf gelandet. Gestern, das war ein großer Erfolg. Der Wal hat überlebt und war am Ende im Meer und nicht im Topf. Vielleicht muss ich es von dieser Seite sehen. Und natürlich darf ich nicht vergessen: die Kinder hier wachsen nicht mit “Wieso? Weshalb? Warum?” auf und kennen keine Dokumentationen über Wale und andere Tiere. Die meisten haben ihr wissen von Facebook, TikTok und Whatsapp. Aber sehr viele von den Leuten, die am Strand waren, wollten dem Wal helfen und haben diejenigen, die vorgeschlagen haben, ihn zu töten und zu essen, beschimpft und versucht, sie zu verjagen.

Fußball-EM im Wellblech-Cinema

Als wir auf dem Weg zurück Richtung Büro waren, kam eine Nachricht von Abdul (nicht dem Kollegen, sondern Abdul aus dem Guesthouse): “James is asking if you would join him to the cinema today?” Ich war kurz irritiert. Cinema? Kino? Ich dachte, wir gehen zusammen das Fußballspiel anschauen? Aber okay – ja, klar komme ich mit ins Cinema. 

Um kurz vor sieben bin ich also mit James los. Von James habe ich noch nicht so viel berichtet. Er arbeitet auch im Guesthouse. Bis vor zwei Tagen dachte ich, dass er sehr ruhig und schüchtern sei. Ich hatte zwar schon so das Gefühl, dass er etwas offener wird und mir jetzt auch manchmal ein paar Fragen stellt, seitdem ich ein paar Brocken Krio spreche, aber ich dachte, er wäre ein ruhiger Typ. Dann haben wir vorgestern gemeinsam einen Film angeschaut (Cook Off – ein simbabwischer Film, der ebenfalls auf Netflix zu sehen ist. @Dorothee: Danke für den Tipp.) Nach dem Film gab es eine sehr laute und hitzige Diskussion. James hat sich vollkommen in Rage gesprochen, weil er anderer Meinung war als Abdul in Bezug auf den einen Mann im Film. Da habe ich gemerkt – okay, James ist weder ruhig noch leise – er redet einfach nicht so gerne Englisch 😉

Ich kam auf die Idee, James zu fragen, ob ich mit ihm das Spiel anschauen kann, weil er selbst Fußball spielt und ich weiß, dass er manchmal zum Fußballschauen ausgeht.  

Wie gesagt, sind wir kurz vor sieben los. Das “Cinema” ist eine Wellblechhütte, zusammengezimmert aus ich weiß nicht wie vielen mehr oder weniger rostigen Teilen, vielleicht 3-4 Meter x 10 Meter, wobei der hintere Teil zugestellt war mit Bänken und anderem Zeug. Es gibt keine Fenster, nur eine Türe vorne links, vorne auf der schmalen Seite sind zwei Bildschirme angebracht, so dass wir beide Spiele parallel schauen konnten. Der Ton war leider beim “wichtigeren” Spiel an – Portugal gegen Frankreich. Im Innenraum waren Stuhlreihen aufgestellt. Als wir ankamen, waren schon fast alle Stühle besetzt. Anfangs war neben mir noch ein Motorrad, das wurde aber während der ersten Halbzeit über die Bänke nach hinten gehoben, um mehr Platz für weitere Stühle und Zuschauer zu schaffen.

Ich muss zugeben, auch wenn die deutsche Mannschaft mich spielerisch nicht überzeugt hat, hat das Fußballschauen dort echt Spaß gemacht. Die Männer reden zwar alle Krio und ich verstehe nur ab und an, worum es geht. Zum Beispiel wurde einmal sehr lange und sehr laut und hitzig über “Kimmitsch” diskutiert. So hitzig, dass James sogar aufstehen musste vor lauter Emotionen. Die meisten in Sierra Leone und anscheinend allgemein in Westafrika unterstützen Frankreich. Erstens, weil Frankreich oft gewinnt (man unterstützt halt gerne die Siegertypen) und weil in Frankreich viele Spieler mit afrikanischen Wurzeln spielen. Zum Glück haben wir Rüdiger! Rüdiger ist ja quasi aus Sierra Leone. Ich war sehr froh, dass ich mich nicht an den Diskussionen beteiligen musste. Sonst wären meine peinlichen Wissenslücken, was die Namen der deutschen Nationalspieler angeht, sofort offensichtlich gewesen. Ein paar kenne ich zum Glück, so dass es nicht wirklich auffiel.

Am Ende war ich sehr froh, dass wir uns qualifiziert haben, einerseits natürlich für Deutschland, aber auch, weil ich mich freue, die nächsten Spiele wieder in einem Cinema anzuschauen…

Der zweite Tag an dem der Wal strandete

Nach dem anstrengenden Tag mit Geburtsfeiern, interkulturellem Austausch, Trauer darüber, wie es dem kleinen Wal erging und Freude über den Ausgang der Fußballspiele genoß ich noch mein wohl verdientes Feierabendbier auf dem Balkon im guesthouse mit den Jungs dort. Im Fußball-Cinema trinkt niemand Bier. Die Frau, die in der Halbzeit da war, verkaufte nur Saft und Softdrinks. Der Ausklang des Tages war auf jeden Fall entspannt und schön. 

Der heutige Morgen war ebenfalls sehr entspannt. Als ich aber im Büro ankam, erreichte mich direkt die traurige Nachricht, dass der kleine Wal wieder gestrandet ist. Es gab nun einen Videoaufruf vom National Tourist Board an alle Organisationen und Unternehmen, zu helfen, den Wal wieder ins Meer zu bringen.

Meine Kollegin meinte, sie hat den Wal heute morgen am Strand gesehen. Die eine Flosse ist verletzt und der Wal ist schon etwas in den Sand eingesackt. Sie versuchen jetzt anscheinend, den Sand wegzuschaufeln. Das Drama scheint noch nicht vorbei. Ich hoffe, es nimmt ein gutes Ende.

Gerade kam mein Kollege. Wir fahren wohl nochmal zum Strand. Ich werde berichten.

Fünf Stunden später – zurück vom Strand

Seit einer halben Stunde sind wir wieder im Büro. Gemeinsam mit Mariama, Edward (Programm Manager) und zwei weiteren Kollegen sind wir heute Mittag an den Strand gefahren. Dort lag der Wal noch. Es waren viel weniger Leute da als gestern, so dass ich es in die erste Reihe geschafft habe. Es war nicht klar, ob er noch lebt oder nicht. Aber die Leute haben weiter versucht ihn naß zu halten. Auf den Fotos seht ihr den „kleinen“ Wal, außerdem die Menschenmenge und dann das Fischerboot des Verbrechens. Es ist eines der Fischerboote, die den Wal an den Strand geschleppt haben. Auf dem letzten Foto seht ihr im Hintergrund ein großes Schiff kommen. Das wird später noch eine wichtige Rolle spielen.

Wir konnten in der Menge keine offizielle Person ausmachen. Also sind wir zum National Tourist Board gelaufen. Das Büro ist gleich in Strandnähe. Nach einer kurzen Wartezeit konnten wir mit der General Managerin sprechen. Gestern hatte ich schon den Eindruck, dass verschiedene Stellen den Wal retten wollen, aber es weiß niemand so genau, was zu tun ist und wer genau die Führungsrolle übernehmen kann/soll. Auf jeden Fall war auch klar, dass von uns als Conservation Society mehr Unterstützung erwartet wird.

Meine Kollegen sind anschließend zum Büro des Ministery for Fishery and Marine Ressources gefahren. Mariama und ich entschlossen uns, am Strand zu bleiben. Wir hatten gesehen, dass sich von dem großen Boot aus ein Schlauchboot auf den Weg Richtung Strand gemacht hatte. Also sind wir wieder los Richtung Wal. Als wir ankommen, hat die Action schon gestartet. Sie haben den Schwanz des Wales mit einem starken Seil umwickelt und ihn damit ins Wasser gezogen. Für uns sah er leblos aus, aber einer der jungen Männer am Strand hat versichert, dass er gesehen hat, wie Wasser aus der Fontäne kam, bevor er ins Wasser gezogen wurde.

Mariama erblickte einen Mann mit professioneller Kamera am Strand. Also Media! Wir sind hin und haben gefragt, ob sie wissen, wer hier von offizieller Stelle da sei. Wir dachten, die haben bestimmt alle wichtigen Leute interviewt. Die Journalistin hat uns dann auch tatsächlich zu dem Kollegen vom Fischerei- und Meeresministerium gebracht und uns ihm vorgestellt. Mariama hat ihn interviewt. Auch der Ministeriumsmann, Victor, bestätigte, dass der Wal noch lebte. Ein uns bekannter Doktor war vor Ort und hatte den Wal untersucht. Außerdem erfuhren wir, dass die Walfamilie südlich in der Nähe von Banana Island ist. Deshalb ist der Plan dieses Mal, den Wal nicht einfach ins Wasser zu bringen, wie gestern, sondern sie wollen ihn bis nach Banana Island schleppen. Auf dem Foto unten sieht man nur einen kleinen schwarzen Punkt im Wasser. Das ist der Wal.

Ende gut, alles gut?

Ich bin mir nicht sicher. Wir hoffen, dass es der Wal wirklich schafft. Wir haben Victors Kontakt, so dass wir nachfragen können, ob der kleine Wal mit seiner Familie wiedervereint werden konnte. Und zugleich kam gestern und heute raus, dass wir als Conservation Society schneller in Aktion treten müssen. Es wird von uns erwartet. Auch Victor vom Ministerium meinte, er wäre sehr froh, dass jemand von CSSL da ist und er wünscht, dass wir in Kontakt bleiben, um zu besprechen, wie künftig in solchen Situationen schnell und organisiert reagiert werden kann. Sehr gut. Das betrifft ja auch meinen Aufgabenbereich, genau dafür bin ich ja hier. Nicht unbedingt für die Abwicklung der Rettung, aber dafür Ministerien und Öffentlichkeit aufzurütteln und zur Aktion zu bewegen, wenn es um Umweltthemen geht.

Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen keine Wale mehr stranden und ich dann mal in Ruhe vom Gola Rainforest berichten kann.

Good News: gerade (19:19h) kam die Info an, dass die Kleine lebt und schwimmt. Auf dem einen Video winkt sie mit der Flosse.

Welcome to Kenema

Ich sitze gerade in meinem Hotel in Kenema, der Regen prasselt fröhlich vor sich hin und die Hügel, die ich eigentlich sehen würde, sind in einer Regen-Nebelwolke (einer sogenannten Glocke) verschwunden. Es ist Sonntagabend, die deutsche Fußball Nationalmannschaft der Männer hat gestern gewonnen, wie ich vorhin erfahren habe, und ich habe in den letzten Tagen so viel erlebt und so viele neue Eindrücke erhalten, dass ich gar nicht weiß, wie ich anfangen soll. Vielleicht einfach von vorne.

Immer schön flexibel bleiben

CSSL hat neben dem Büro in Freetown auch jeweils ein Büro in Kabala und eines in Kenema. Es war schon länger geplant, dass ich die Kolleginnen und Kollegen an beiden Standorten noch vor der Regenzeit kennenlerne. Wegen meiner Quarantäne hat sich das nun etwas nach hinten verschoben. Aber letzten Donnerstag ging es dann endlich los nach Kenema. Die Fahrgemeinschaft – bestehend aus meinen Chef, meinem Fahrer und Abdul und Mariama – machte sich also am Donnerstagmorgen auf den Weg. Die Reise dauert 4 bis 5,5 Stunden, je nachdem, ab wann man die Reise starten lässt. Zu dem Zeitpunkt, an dem man losfährt – in meinem Fall 7:30 – oder zu dem Zeitpunkt, an dem man Freetown verlassen hat – in unserem Fall 9 Uhr. So oder so, waren wir gegen eins in Kenema. Die Straße von Freetown nach Kenema ist sehr gut. Wir hatten natürlich unterwegs noch Zeit für zwei kleine Stopps, um Verpflegung zu kaufen. Erst gab es kleine runde Fladen aus Yamsmehl mit scharfer Soße in der Fischteile waren, danach noch einen frisch gegrillten Maiskolben. 

Eigentlich war der Plan, wir kommen gegen 13h an, essen zu Mittag und haben dann von 14h bis 17h Meeting mit den Kolleginnen und Kollegen. Natürlich war dann doch alles ganz anders, da ein wichtiges Zoom-Meeting anstand, so dass wir nur circa 30 Minuten Kennenlernen mit dem Team vor Ort hatten und sich dann alle in alle Winde verstreut hatten. Ich fand mich ab halb drei alleine im Hotel.

Es war nicht so wild, so hatte ich Zeit, mich auszuruhen, libanesischen Kaffee zu genießen und entspannt mit lieben Menschen in Deutschland zu telefonieren.

Auf den Fotos seht ihr unser Meeting, den typischen Hände-Wasch-Eimer, der vor allen Büros, Supermärkten usw. steht, um Covid vorzubeugen und meinen Kaffee inklusive Blick von der Hotelterrasse

Auch der Plan für die kommende Tage änderte sich mehrfach. Da hieß es für mich: einfach machen, was mir angetragen wird.

Projekte in den Kambui Hills und im Gola Rainforest

Am Freitag Vormittag holten wir nach, was eigentlich für Donnerstag geplant war: die Projektverantwortlichen in Kenema stellten mir die Hauptprojekte vor, in denen sie zur Zeit arbeiten. Kenema befindet sich in der Nähe der liberianischen Grenze, direkt an den Kambui Hills und am Tor zum Gola Regenwald. CSSL hat ein Projekt in den Kambui Hills und ein großes, gefördert mit EU-Geldern, an den outskirts des Regenwaldes.

Ganz kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass es in beiden Fällen unser Ziel ist, den Wald zu schützen. Beim Gola läuft das schon sehr gut. Der Gola ist offiziell als Naturpark anerkannt, die Grenzen sind festgelegt und akzeptiert und es gibt schon eine über viele Jahre gewachsene Zusammenarbeit mit den sogenannten Forest Edged Communities (den FECs – den Gemeinden, die am Rande des Waldes leben). Im Falle der Kambui Hills verhält sich die Situation etwas anders. Die Kambui Hills sind zwar protected area (geschützte Gegend), haben aber keinen Nationalpark Status. Außerdem sind die Grenzen nicht offiziell festgehalten. Was sich sowohl “die Regierung” als auch die Forest Edged Communities zu Nutze machen.

In beiden Gegenden bestehen die Projekte aber eigentlich aus ähnlichen Komponenten: Community work, Aufklärung zu Umweltthemen und Bewusstseinsbildung, Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen und sogenannte livelihood Ansätze, das sind Projektkomponenten, in denen den Menschen vor Ort alternative Einkommensmöglichkeiten erschlossen werden, damit sie nicht weiter in den geschützten Wald vordringen. Ein großes Problem der Arbeit von CSSL ist, dass sie vollständig Geber finanziert sind. Das heißt, sie können nur Aktivitäten umsetzen, für die sie Geldgeber haben. Im Falle von PAPFor, dem Projekt am Rande des Gola, gibt es keine Gelder für livelihood Aktivitäten. Ohne diese ist es aber unwahrscheinlich, dass das Gesamtprojekt erfolgreich wird. Deshalb versuchen zwei Kollegen gerade, über eine weitere Stiftung Geld zu beantragen, um die fehlenden Komponenten trotzdem finanzieren zu können. Das hört sich erst einmal alles ganz viel und verwirrend an. Ging mir auch so. Aber ich hatte nun ja schon ein paar Tage Zeit, das Ganze sacken zu lassen.

Groundnutsoup für alle chiefdoms

Ein kleines Beispiel, was es mit den livelihood Projekten auf sich hat. Sierra Leone ist auf kommunaler Ebene in Chiefdoms aufgegliedert. Das sind die traditionellen Gesellschaftsstrukturen, die auch heute noch für die Verwaltung und vor allem, wenn man Neues in einem Dorf starten möchte, berücksichtigt werden müssen. Neben der offiziellen Regierungsstruktur gibt es also nach wie vor die traditionelle.

Für die Arbeit von CSSL und GRC (Gola Rainforest Company) bedeutet dies, dass sie auf Community Ebene nur arbeiten können, wenn auch auf Chiefdom Ebene das Okay gegeben wurde. 

Kurzer Exkurs: GRC ist ein sehr enger Partner von CSSL im Gola Rainforest. Wir arbeiten dort zusammen und unterstützen uns gegenseitig. GRC ist aus CSSL entstanden, nachdem der Gola zum Nationalpark ernannt worden war.

Im Greater Gola Landscape arbeiten wir in sieben Chiefdoms. Nicht alle sind immer gleichermaßen an einer Zusammenarbeit interessiert. In einigen Chiefdoms konnte GRC eine Zusammenarbeit starten und die communities erhielten unter anderem Saatgut für Erdnüsse. Im Folgejahr gab es eine sehr gute Erdnussernte. Eine Queen aus einem anderen Chiefdom, die zunächst nicht mitmachen wollte, hat sich bei GRC gemeldet und sinngemäß gesagt: “Ich habe gesehen, in den anderen Dörfern gibt es jeden Tag groundnut soup. Ich will auch groundnut soup! Ich bin heute hier, um das Memorandum of Understanding zu unterschreiben, so dass wir nächstes Jahr auch jeden Tag groundnut soup essen können.” So konnte die Zusammenarbeit in einem weiteren Chiefdom starten. Das Engagement kommt also anscheinend sehr gut an. Zugleich zeigt das Beispiel, wie wichtig die livelihood Komponente für die erfolgreiche Projektarbeit ist.

Nach der Projektvorstellung hatten wir – Mariama, Abdul und ich – noch 30 Minuten Zeit, um unseren kleinen Input zu machen. Wir wollen in den nächsten Monaten Workshops mit den Kolleginnen und Kollegen in Kabala und Kenema abhalten mit dem Ziel, bessere Fotos und Informationen für unsere Öffentlichkeitsarbeit und Advocacyarbeit zu erhalten. Oftmals bekommen wir nur verschwommene, schlecht belichtete Fotos per Whatsapp zugeschickt (Beispiel: siehe Foto vom Meeting oben). In einem ersten Schritt haben wir jetzt Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche an so einen Workshop abgefragt, mit denen wir (oder wahrscheinlich eher ich) dann in die Planung starten können.

Meeting open air und ab geht`s Richtung Gola

Im Anschluss ging es direkt zum Büro von GRC. Das Bürogebäude ist ebenfalls in Kenema, aber etwas außerhalb. GRC hat einen beträchtlichen Fuhrpark an 4×4 Fahrzeugen und Motorrädern für ihre Arbeit im Park und mit den Communities. Auch bei GRC wurde ich als neues Familienmitglied vorgestellt. Die Besprechung war auf einem großen überdachten Balkon mit Blick in die Baumkronen. Sehr angenehm und passend für eine Besprechung mit den Verantwortlichen für einen Nationalpark. Mein Schedule für die nächsten Tage wurde fix gemacht und Lumeh, mein Tourguide für diese Zeit, hat sich kurz vorgestellt.

Zeig mir, was du isst und ich sag dir, wer du bist

Bevor ich endgültig in die Hände von CSSL-Kenema und GRC übergeben wurde, war ich noch mit den Kollegen und Mariama Mittagessen. Beim Essen zeigt sich dann doch, dass ich noch einen sehr, sehr weiten Weg vor mir habe, bis ich mich eingelebt habe. Nach zwei Tagen Reis mit Krinkrin hatte ich echt mal wieder Lust auf etwas anderes… Den anderen hat`s geschmeckt. Aus sicherer Quelle weiß ich, es wird ihnen auch morgen und after tomorrow wieder schmecken…

Und dann war es soweit, mein Rucksack, mein Wasservorrat und ich saßen im Auto und los ging die Fahrt in Richtung Gola Rainforest. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es schon im neuen Header. Das Strandbild (aus Ghana) wurde nun endlich von einem Foto aus dem Greater Gola Landscape, Sierra Leone abgelöst. Mehr Fotos und Eindrücke folgen…

Was sagt das Herz nach fünf Wochen Salone

Eigentlich wollte ich mir etwas mehr Zeit lassen, bevor ich ein kleines Gefühlsresümee abgebe, aber in den letzten Tagen häufen sich die Fragen nach meiner Gefühlslage. Per E-Mail, per Messengerdienst, am Telefon – immer wieder die Frage “Wie geht es dir denn nach über einem Monat?” Es ist gar nicht so leicht für mich, diese Frage zu beantworten. Wenn ich in mich hineinfühle, kommt keine klare Antwort zustande. Ich schwanke zwischen Dankbarkeit und alles ist gut und Heimweh. Wahrscheinlich bleiben diese Gefühle die nächsten Jahre meine Begleiterinnen.

Ganz generell: Mir geht es gut

Vorneweg gestellt sei, dass es mir gut geht. Eigentlich sogar sehr gut, würde ich sagen. Ich habe ein schönes Zimmer, in dem ich mich wohl fühle, nette Leute um mich und die Arbeit macht auch Spaß. Auch wenn ich manchmal sehnsüchtig an kalte Bergseen denke und mit großer Freude und etwas Wehmut die ganzen Fotos von Biergärten und grünen Landschaften im schönen Franken betrachte, ist es hier nicht ganz schlecht. Ich mag das bunte Treiben auf der Straße, das große Wimmelbild im Hof gegenüber, den Blick in die Palmen und Bananenbäume, die Fahrt mit dem Keke an der Strandpromenande entlang und die Netflix-Abende im Guesthouse. Es hat auch etwas, wenn man am Sonntagabend einfach einen kleinen Spaziergang zum Strand machen kann, sich dann vor dem Regen ins nächstbeste Lokal rettet und zufälligerweise eine Liveband erwischt, die eigentlich Reggae spielt, aber auch einen meiner Lieblings-80er 🙂

Umweltschutz by heart

Je mehr ich über die Arbeit von CSSL lese, umso mehr wächst mein Respekt vor der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen und zugleich freue ich mich immer mehr, dass ich diese Arbeit unterstützen darf. Es tut mir sehr gut, für eine Organisation zu arbeiten, die so viel so sinnvolle Arbeit leistet. Bis jetzt komme ich jeden Morgen mit viel Elan ins Büro, gespannt, was ich Neues erfahre, gepaart mit ersten Ideen für die Umsetzung meiner Aufgaben. Und by the way: Gibt es etwas besseres als eine Dienstreise in den Regenwald? Ich werde es dieses Wochenende herausfinden…

Und wie geht es mir wirklich?

Oberflächlich ist also alles fine. Und in mir drinnen? Das ist der schwierige Part der Antwort. Ich fühle mich hier wohl. Ich will auch gar nicht weg, sondern eigentlich weiter eintauchen in das Leben hier. Aber ich vermisse meine Familie und viele von euch – es wäre mal an der Zeit für einen Weekendtrip nach Hause, um euch mal wiederzusehen und einfach zusammen cool abzuhängen. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier schon so viele Leute kennengelernt habe, mit denen ich etwas unternehmen kann. Keine Sorge also, ich vereinsame hier nicht. Aber Heimweh hat anscheinend nichts mit Einsamkeit zu tun. Ich habe mich tatsächlich schon bei dem Gedanken erwischt, vielleicht doch früher als geplant mal nach Deutschland zu fliegen…

Armut, Privilegien und wie damit umgehen?

Natürlich hört sich das hier immer alles ganz spannend und urlaubsmäßig an. Spaziergang am Strand, Sundowner mit Blick in die Wellen, Wochenende im Ecotourismus-Projekt auf der Insel, lachende Kolleginnen und Kollegen, lecker Bananenbrot und so weiter. Aber es gibt auch noch weitere Seiten des Lebens hier in Sierra Leone. Ich wusste, bevor ich gekommen bin, Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt; es gibt kaum fließend Wasser; Stromausfälle gehören zum Alltag, zumindest für die Menschen, die normalerweise Strom zuhause haben; die Gesundheitsversorgung ist sehr rudimentär und Ebola und Covid haben die wirtschaftliche Situation der Menschen noch verschlimmert.

Ich war auch darauf vorbereitet, dass ich hier mit sehr vielen Privilegien unterwegs bin. Und schon in der Vorbereitung war es eine meiner Hauptfragen: wie werde ich mit meinen Privilegien umgehen? Wie schaffe ich es, dass es mir mit meinen Privilegien auch innerlich gut geht? Das Thema begleitet mich überall hin – ins Büro, an den Strand, auf den Markt, auf die Insel. Es ist einfach immer da. Da es ein ziemlich großes und wichtiges Thema ist, will ich es hier nur kurz anschneiden und komme lieber in einem extra Beitrag ausführlicher darauf zurück. Aber bei der Frage nach meinem Gemütszustand, muss ich es erwähnen.

Alltag, Party-Crew und Freizeitaktivitäten

Ich weiß, es ist viel verlangt, nach fünf Wochen schon ganz angekommen sein zu wollen. Das wird noch lange dauern. Ich hätte allerdings mal wieder Lust, jemand zu treffen, den oder die ich länger als fünf Wochen kenne. Die meisten Gespräche hier sind eher auf einem oberflächlichen Niveau, weil man sich noch nicht so lange kennt. Die meisten Leute haben super interessante Lebensläufe und machen spannende Sachen, aber ich fände es mal wieder schön, einfach einen Abend mit Bier und Gschmarri zu verbringen. Oder auch mal wieder ein Gespräch ohne Kommunikationsprobleme, ohne dass ich nach Worten suchen muss und nicht genau das sagen kann, was ich sagen will. Das mit der Sprache wird sich bestimmt in der nächsten Zeit geben, eine Crew muss ich aber wahrscheinlich aktiv suchen. 

Eine meiner Aufgaben für die nächsten Wochen ist es also, eine neue Partycrew zu finden. Ich weiß noch nicht, wie ich dazu am besten vorgehe. Meine Kolleginnen und Kollegen sind sehr nett, aber scheinen mir jetzt nicht so die Partypeople zu sein. Bei mir im Guesthouse sind zwar andere Gäste, aber die bleiben alle immer nur für ein paar Wochen. Ich glaube, es ist relativ easy in der Expat-Community Leute kennenzulernen, aber darauf wollte ich mich nicht beschränken. Die Jungs, die im Guesthouse arbeiten, sind ganz goldig, aber um einiges jünger und gehen normalerweise nicht aus. Meine neue Partycrew finden – das wird noch eine Challenge werden. Aber ich bin guter Dinge.

Als Königin des Aufschiebens habe ich es bisher außerdem erfolgreich geschafft, mich von allen Sportaktivitäten fernzuhalten. Es gibt ausreichend Angebote: Montag und Mittwoch Yoga, Donnerstags Lauftreff am Strand, Donnerstags ist auch Open-Climbing in der Boulderhalle usw. Wer mich kennt, weiß, ich bin nie um eine Ausrede verlegen, wenn es darum geht, lieber faul in der Hängematte liegen zu bleiben. Aber langsam fehlt mir wirklich die Bewegung. Ich fahre täglich mit dem Auto in die Arbeit und wieder nach Hause. Bewegen tue ich mich eigentlich nur, wenn ich mal die Treppen rauf und runter gehe oder Einkaufen gehe. Deshalb sind wir gestern auch zu Fuß zum Strand gelaufen und am Samstag gab es vor dem Abendessen mit Sonnenuntergang im Meer auch einen Spaziergang am Strand. Mein Problem ist so ein bisschen die Temperatur hier, muss ich zugeben. Ganz viele Leute gehen am Strand joggen. Aber mir ist es echt zu heiß. Ich muss mal schauen, ob ich es irgendwie schaffe, morgens früher aufzustehen und vor der Arbeit zu joggen. Ob ich das tatsächlich jemals schaffen werde, steht in den Sternen, aber ich will es nicht ganz ausschließen. Und vielleicht gehe ich auch mal zu diesen Lauftreff-Geschichten. Immerhin ist das auch eine gute Möglichkeit, um Leute kennenzulernen.

Alles in allem geht es mir also gut. Ich fühle mich hier wohl und freue mich darauf, noch mehr anzukommen in den nächsten Wochen und Monaten. Gleichzeitig kommt seit einer Woche immer wieder mal Heimweh auf und die Lust auf ein Bier oder einen Drink mit alten Freunden und Freundinnen oder gemeinsames Grillen mit der Familie. Bis ich meine neue Crew hier habe, erfreue ich mich deshalb weiter an euren Fotos und stoße in Gedanken mit euch an. Und was meinen inneren Zwiespalt zu meinen Privilegien angeht, dazu kommt demnächst mal mehr.

Au de Woke?

Wenn ich abends nach der Arbeit nach Hause komme, begrüßen mich normalerweise James und Abdul. James ist für das Tor verantwortlich, dass heißt, wenn jemand klopft oder hupt, dann spitzt erstmal James Kopf heraus und er schaut, wer vor dem Tor steht. Da ich während der Quarantäne angefangen habe, etwas Krio zu lernen, werde ich nun immer auf Krio begrüßt. Und nach der Frage nach dem Befinden kommt natürlich die Frage “Au de woke?” – “How is work?” oder auch “Wie läuft´s in der Arbeit?” Die Standardantwort darauf ist “De woke fine”. Aber mit dieser Antwort möchte ich euch heute nicht abspeisen. Da ein paar von euch nachgefragt haben, wie es in der Arbeit so ist, gibt es für euch heute mehr Infos als nur: De woke fine.

Morgenroutine im Büro

Bis jetzt fahre ich noch nicht selbst Auto – ich traue mich noch nicht so ganz in den Verkehr hier. Also werde ich morgens nach wie vor von meinem Fahrer abgeholt. Seit Juni habe ich einen neuen Fahrer, Sinneh. Er hat erst im Juni bei CSSL angefangen. Anfangs war er etwas nervös, aber ich glaube, wir nähern uns langsam an. Hier kann ich es ja sagen: an Musa kommt er nicht ran.

Wenn ich morgens im Büro ankomme, stelle ich erst einmal meine Laptop-Tasche und meinen Stoffbeutel ab, dann öffne ich die Vorhänge, mache das Fenster einmal auf zum Lüften und schalte an der Steckdose den Strom an. Als nächstes wird meine Flybox (mein W-Lan-Router, den ich abends immer mit nach Hause nehme) in die schöne pastellfarbene Steckerleiste eingesteckt und mein Laptop auf dem Schreibtisch positioniert. Der Ventilator wird angeschaltet und dann hole ich mir erst einmal einen Kaffee. D.h. ich löffle etwas Nescafé und Milchpulver in meine Tasse und hole mir im Eingangsbereich am Wasserspender heißes Wasser. Nun kann der Arbeitstag starten 🙂 

Meine Kolleginnen und Kollegen

Während all dieser Aktivitäten begrüße ich natürlich die Kolleginnen und Kollegen, die ich dabei antreffe. Normalerweise ist Christopher da, Fatmata, unsere Sekretärin sitzt normalerweise auch schon an ihrem Tisch, Margaret und manchmal sind noch Project Officer da. Wann die im Büro sind und wann nicht, habe ich noch nicht ganz durchblickt. Zur Zeit sind Andrea und Dauda meist da. Letzte Woche war ihr Büro immer leer.

Oben im ersten Stock sind Abdul und Mariama (mein Kommunikationsteam), manchmal sind Papanie (Biodiversity Manager) oder Aruna (Project Officer aus Kenema) bei ihnen im Büro. Dann gibt es natürlich noch Edward, den Programmmanager, meinen Chef und das Finanzteam bestehend aus Isata, Kadiatu und Michael. Und nicht zu vergessen, die anderen Fahrer Musa und Mustapher und manchmal ist der Fahrer aus Kenema noch da, Samuel.

Soweit ich das bisher verstehe, ist Edward als Programmmanager für die meiste Kommunikation mit internationalen Partnern und Geldgebern verantwortlich. Er hat den Überblick über die Projekte, die wir durchführen. Er hatte auch den Kontakt mit der Agentur, die unsere Internetseite neu macht. Aber die Kommunikation habe ich nun übernommen. Die Project Officer arbeiten in Kenema und Kabala. Das sind diejenigen, die direkt mit den Communities arbeiten und auch die Berichte am Ende verfassen. Wenn ich Auskunft zum aktuellen Stand von Projekten haben will oder mehr darüber erfahren möchte, was wir genau in den Projekten machen, sind das die richtigen Ansprechpersonen. Das Finanzteam macht Buchhaltung, Abrechnungen, ganz klassisch. Dann haben wir ja noch Christopher, der ist so ein bisschen der Junge für alles. Er übernimmt kleine Botengänge, schmeißt den Generator an, wenn der Strom weg ist; besorgt mir Handyguthaben oder druckt Aufkleber aus. Außerdem gibt es noch Fatmata, wie gesagt unsere Sekretärin und Margaret, die für Personalangelegenheiten zuständig ist.

Was für Aufkleber Christopher ausdruckt? Na die Aufkleber eben. Sagt bloß, in eurem Büro sind keine Aufkleber auf Tisch, Stuhl, Drucker, Ventilator und Besucherstühlen??? Ich hoffe, zumindest auf eurem Dienstwagen ist ein Aufkleber?

Und wie sind sie nun die Kolleginnen und Kollegen? Bisher sind alle sehr nett, es wird viel gelacht und dabei auch geschäftig gearbeitet. Für mich also eine perfekte Mischung. Ich habe noch nicht mit allen richtig gesprochen. Besonders auf den Austausch mit den Projektleuten freue ich mich, damit ich verstehe, was wir so machen und vor allem auch wie wir unsere Arbeit machen. Wahrscheinlich ist es ganz sinnvoll, dass ich gerade schon sämtliche Projektanträge und -berichte lese. Dann kann ich später sehr viele Fragen stellen…

Projektabsprachen und meine Rolle im Team

Wie immer, wenn man irgendwo neu zu arbeiten anfängt, dauert es ja ein bisschen, bis man seinen Platz findet und weiß wie es so läuft. Ich befinde mich noch in dieser Orientierungsphase. Da ich noch nicht so viele Präsenztage im Büro hatte, dauert es wahrscheinlich ein bisschen länger. Aber ich komme dem Ganzen schon näher. Hauptsächlich in unserem kleinen Kommunikationsteam taste ich mich langsam an meine Rolle heran. Es ist nicht ganz einfach, herauszufinden, was von mir erwartet, was von mir gewünscht und was auf keinen Fall gewünscht ist. Anfangs hatte ich mich noch etwas zurückgehalten. CSSL ist gerade dabei, die Internetseite neu aufzusetzen. Ich wollte nicht in das laufende Projekt hineingrätschen, weil ich nicht wusste, welche Idee, Absprachen usw. es schon gab. Mittlerweile habe ich das Gefühl, ich darf einfach machen und alle sind dankbar, wenn ich bei diesem Projekt die Führung übernehme. Also versuche ich mein strukturiertes Vorgehen, meine Arbeitspakete, Post-Its, Dokumente und Gedanken möglichst passend einzubringen. Meine eine Wand im Büro färbt sich langsam gelb, weil ich mir meine Aufgaben schön visualisiert habe. Gleichzeitig versuche ich mit den Kolleginnen und Kollegen herauszufinden, wie wir am besten zusammen an Dokumenten arbeiten können, ohne uns alles immer per E-Mail zu schicken. Aber small, small.

Mariama und ich arbeiten eigentlich ziemlich eng zusammen, was die neuen Inhalte der Internetseite angeht. Leider ist Mariama seit zwei Tagen etwas kränklich und heute gar nicht da. Ich bin gerade sehr froh, dass ich so lange in Quarantäne war und es auf keinen Fall ich sein kann, die sie mit irgendetwas angesteckt hat. Mariama hilft mir dabei, zu verstehen, wer wann wie eingebunden werden will, wie ich welche Dinge am besten anfrage und außerdem gehen wir manchmal zusammen in der Mittagspause auf einen der Märkte, damit ich die nach und nach kennenlerne.

Wie schon im letzten Beitrag angeklungen, ist es manchmal mit der Kommunikation hier etwas schwierig für mich. Wir besprechen uns manchmal zu dritt und die anderen beiden scheinen immer zu wissen, was abgemacht wurde. Ich muss immer fünfmal nachfragen, bis ich mir sicher bin, dass es alles klar ist. Vielleicht ist das aber auch ein europäisches Denkproblem, dass immer alles ganz genau definiert sein muss. Vielleicht lässt man hier einfach mehr Freiheiten, weil es oft passiert, dass das eigentlich Geplante nicht umsetzbar ist. Ich bleibe an diesem Thema auf jeden Fall dran. Meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen wissen, wie sehr ich es liebe, wenn Dinge klar angesprochen und Entscheidungen festgehalten werden. Hier muss ich nun schwimmen lernen, in für mich unklaren Vereinbarungen.

Fotospaß im Innenhof

Für die neue Internetseite brauchen wir neue Teamfotos. Auf der aktuellen Seite sind nur Fotos vom Vorstand und auch die sind nicht alle in bester Qualität. Unser Ziel ist es deshalb, einheitliche Fotos vom Team und vom Vorstand zu machen. Damit das Ganze auch eine Verbindung zu unserem Thema hat, haben wir das Fotoshooting im Innenhof vor einem der Bäume gemacht. Die Aktion wurde ein rießen Erfolg und hatte am Ende mehr von einem Teambuilding als von einem Fotoshooting. Da meist nicht nur die Person da war, die gerade fotografiert wurde, sondern immer mehrere aus dem Team herumstanden und Tipps, Ratschläge zur Kleidung und Kommentare zum Gesichtsausdruck parat hatten, haben wir nun sehr viele Fotos, auf denen wir herzhaft lachen – leider haben wir noch nicht von allen ein gutes Foto für die Internetseite. Ich muss zum Beispiel nochmal antreten zum Fotoshooting. Mit euch aber darf ich die Funphotos teilen, damit ihr seht, mit wie vielen freundlichen Gesichtern ich es hier täglich zu tun habe. We really love what we do!

Und jetzt heißt es content, content, content

Unsere neue Internetseite soll möglichst im Juni noch live gehen. Ich zweifle noch etwas an diesem Zeitplan, aber okay. Dann heißt es jetzt eben content, content, content oder Inhalte, Inhalte, Inhalte. Da wir meines Erachtens noch nicht final über die Struktur entschieden haben, können wir noch nicht alle Inhalte generieren. Ich weiß nicht so genau, ob mein Vorschlag für die neue Struktur angenommen wurde oder wir nochmal drüber reden. Das sind so die kleinen Schwierigkeiten für mich, die ich oben schon erwähnt hatte. Ich konzentriere mich deshalb seit gestern auf die Inhalte, die auf jeden Fall kommen und auf die Projekte. Auf der neuen Seite sollen unsere wichtigsten Projekte vorgestellt werden. Ich lese gerade also sehr viel über die Arbeit von CSSL. Es ist sehr spannend, aber auch sehr, sehr viel. Gestern Abend war ich ziemlich erschlagen. Zu viel Input. Ich glaube, ich werde meine zweite weiße Wand bald auch mit Post-Its zutapezieren, diesmal aber, um mir einen Überblick über die Projekte zu verschaffen.

Regen am Morgen, am Vormittag, am Nachmittag – eigentlich den ganzen Tag

Gestern kam ein weiterer Vorgeschmack auf die Regenzeit. Es hatte schon morgens angefangen zu Schütten, bevor ich zur Arbeit los bin und hat fast den ganzen Tag durchgeregnet. Mal mehr, mal weniger stark. Selbst die größeren Straßen waren vollkommen überschwemmt. Als ich abends nach Hause bin, war die Sturzflut schon wieder vorbei. Eigentlich wollte ich hier ein Video hochladen, aber das Internet schwächelt… Vielleicht kommt das Video später irgendwann noch.

Wie ihr seht: de woke fine. Und auch das Wetter ist fine. Regen heißt nämlich, dass es kühler ist. Gestern hatte ich tatsächlich meine Jeans an! Jetzt mache ich mich mal wieder an die Arbeit. Die Infos zum Thema „Mitglied werden“ wollen noch verbessert werden. By the way: es gibt auch internationale Mitgliedschaften für nur 30 US-Dollar pro Jahr. Den Link zu mehr Infos lasse ich euch bei Gelegenheit zukommen. Wenn die Texte für die Mitgliedschaft fertig sind, kann ich mich ab morgen voll und ganz auf die Projekte konzentrieren.

World Environment Day auf Tasso Island

Freitagabend wurde schon gemunkelt, wir würden am Samstag aus der Quarantäne entlassen werden. Ruirui, unsere positiv-getestete Person, war schon auf dem Weg zum Flughafen und nur noch Marije und ich waren in Quarantäne verblieben. Jack informierte uns, dass unsere Soldaten am Samstagvormittag abgezogen werden würden. Wir wagten zu hoffen, waren uns aber nicht 100% sicher.

World Environment Day Celebration

Ich hatte gehofft, wir würden schon am Freitag freigelassen werden. Am Samstag war World Environment Day (Internationaler Tag der Umwelt) mit dem diesjährigen Motto “Ecosystem Restoration” (Wiederherstellung von Ökosystemen). CSSL hat dazu eine Feier mit verschiedenen Aktivitäten veranstaltet. Das Ganze fand in der Big Water Community in der Nähe von Freetown statt. Es wäre mein erstes großes Event gewesen, mit Ansprachen von CSSL und Vertretern der zuständigen Behörde der Regierung. 

Am Tag zuvor gab es schon Fotos in der Whatsapp-Gruppe aus der Arbeit, die zeigten, wie Jugendliche der Big Water Community das Gelände für den World Environment Day vorbereiteten. 

Neben Ansprachen und fröhlichem Beisammensein, war auch eine Baumpflanzaktion geplant – passend zum Motto Ecosystem Restoration. Mein Kollege Papanie hat nicht nur diese Celebration vorbereitet, er arbeitet auch sonst mit der Community. Es geht CSSL darum, dass die Community die Bedeutung der Biodiversität versteht und mithilft, den Wald zu beschützen. Das Problem an vielen Orten ist, dass die Menschen vom Wald leben – vom Holz, von den Tieren und den Früchten. Teilweise wird auch Wald gerodet, um weiteres Ackerland zu erhalten. CSSL versucht immer gemeinsam mit den Communities, die dort wohnen, Wege zu finden, wie einerseits der Wald und damit auch langfristig die Lebensgrundlage der Menschen gesichert werden kann und zugleich die Menschen neue Möglichkeiten kennenlernen, wie sie kurzfristig ihren Lebensunterhalt sichern können. Nicht immer ein leichtes Unterfangen.

Ich wäre sehr gerne bei der Aktion in der Big Water Community dabei gewesen, um mehr Einblicke in diese Arbeit zu bekommen. Leider fuhr der Bus schon morgens um sieben Uhr los, da wusste ich noch nicht sicher, ob ich tatsächlich aus der Quarantäne raus darf oder nicht. Wir wurden leider erst gegen 10:30h in die Freiheit entlassen. Ich zeige euch trotzdem ein paar Bilder inklusive Gruppenfoto und Baumpflanzaktion, auch wenn ich selbst nicht dabei war.

Erste Ecolodge-Analyse

Um das Wochenende in neugewonnener Freiheit nicht ganz untätig zu verbringen, entschloss ich spontan, mich Marije und ein paar Leuten, die sie kennt, anzuschließen und nach Tasso Island zu fahren. Wenn ich schon nicht beim Baumpflanzen dabei sein konnte, so konnte ich wenigstens mit meiner Analyse des Ökotourismus in Sierra Leone starten. Eine meiner Aufgaben bei CSSL wird es sein, eine Strategie für Ökotourismus-Projekte in den Communities zu entwickeln. Wie oben schon beschrieben, ist das Problem, dass viele Menschen vom Wald leben. Es bringt nichts, zu erklären, dass wir die Natur schützen müssen, weil das auch für uns Menschen gut ist. Die Menschen müssen von irgendetwas leben. Eine Idee ist es deshalb, community-based Ökotourismus einzuführen. Es gibt schon ein paar Beispiele dafür im Land. Eines davon ist auf Tasso Island. Vor meiner Abreise nach Sierra Leone hatte ich online einen Kurs zum Thema Ökotourismus gemacht und auch schon ein Gespräch mit der Kollegin von Tourism Watch geführt. Ich hatte also einige wichtige Punkte im Hinterkopf, was bei der Einführung von Ökotourismus zu beachten wäre und wo die Schwierigkeiten liegen könnten. So etwas wie Wasserverbrauch (Touristinnen und Touristen verbrauchen horrend viel Wasser im Vergleich zur lokalen Bevölkerung, nicht nur zum Duschen, auch zum Bettwäsche waschen, putzen, kochen und so weiter), gerechte Verteilung der erwirtschafteten Mittel, beste Einbeziehung der lokalen Bevölkerung, Grenzen des Möglichen.

Aus der Quarantäne ab auf die Insel

Aber zunächst ging es einmal ab auf die Insel. Wie gesagt, es war super spontan. Um halb zehn haben wir erfahren, dass die Soldaten wirklich gehen und wir wieder raus dürfen und eine Stunde später kam das Taxi, um mich abzuholen. Insgesamt waren wir zu fünft – Marije, ihre Kollegin Paula aus Spanien, ihre Kollegin Isa aus Brasilien zusammen mit ihrem Freund Gui, ebenfalls aus Brasilien. Ich bin mit dem Taxi los und habe unterwegs noch Isa und Gui eingesammelt, dann ging es weiter Richtung Kissiy Ferry Terminal. Einmal quer durch die Stadt und mit einer super Verzögerung, weil an einer Stelle, die Straße quasi blockiert war. Auf der Gegenfahrbahn stand ein Auto. Die Motorradtaxis haben deshalb die komplette Fahrbahn eingenommen, weshalb von der Gegenseite niemand mehr weiterfahren konnte, auch an dem Fahrzeug kam niemand mehr vorbei. Da auch die Motorradtaxis von der anderen Seite versuchten, irgendwie durchzukommen, war einfach alles komplett verstopft. Irgendwann kamen wir – wenn auch im Schneckentempo – doch voran und gelangten an die Ablegestelle für die Boote nach Lungi, Kissy und wahrscheinlich weiteren Orten und Inseln. Uns erwartete schon unser Kapitän, Mohammed, der uns durch das Gewusel führte, durch einen engen Durchgang und dann einen schmalen Weg entlang, links das schlakige Wasser der Bucht, rechts ging die Uferbefestigung teilweise steil nach oben. Da gerade Ebbe war, bestand die Bucht aus einem Matsch-Plastikteppich. Mir tut immer das Herz ein bisschen weh, wenn ich so etwas sehe. Besonders am Welt-Umwelt-Tag… Wir wurden dann auf der mal mehr mal weniger steilen Uferbefestigung abgesetzt und sollten warten, bis unser Boot ablegen würde. Das war mal wieder einer der Momente, an denen ich mich frage, welche Besucherinnen und Besucher sich hier wohlfühlen würden. Menschen, die es nicht gewohnt sind, voller Vertrauen, anderen Menschen zu folgen, sich einfach in Mitten der Leute niederzulassen, von allen angestarrt zu werden und zu warten, bis irgendwer kommt und dich auffordert, mitzukommen, die könnten es schwer haben, entspannt nach Tasso Island zu gelangen.

Ich versuche mich in neuen Fotogalerien. Ihr kommt mit den Pfeilen oder mit Klick auf die Punkte zum nächsten Foto.

Wir mussten nur circa 20 Minuten warten, dann rief uns Mohammed und es ging los. Die Ecolodge Tasso Island hat ihr eigenes Boot für Gäste. Es ist etwas teuer und es gibt auch eine viel günstigere Variante, wie ich später erfahren habe. Aber wir wissen ja, alle Erlöse gehen in die communities auf Tasso. Wir waren nur zu zehnt auf unserem Boot, während die anderen Boote, die ablegten, ziemlich überfüllt waren und teilweise Motorräder, Kühlschränke und ich weiß nicht, was noch an Bord hatten. Aber: alle an Bord tragen Rettungswesten.

Die Überfahrt nach Tasso Island dauert circa 1,5 Stunden. Alex, ein Tourguide, war mit an Bord und erzählte uns einiges über die Geschichte Sierra Leones. Er war mit dabei, weil man mit dem Boot auch nach Bunce Island fahren kann. Dort gibt es noch Überreste des Forts in dem die Sklaven eingesperrt waren, bevor sie “verschifft” wurden. Ich bin dieses Mal nicht mit nach Bunce Island gefahren, weil ich dachte, das mache ich dann, wenn jemand von euch mich besucht.

Wie es der Zufall so will, kam ich mit Alex ins Gespräch und siehe da: er ist Mitglied der Conservation Society of Sierra Leone (CSSL – mein Arbeitgeber). Das hat mich natürlich sehr gefreut, dass ich direkt mal ein Mitglied unseres Vereins zufällig treffe und kennenlerne.

Marije und ich sind dann auf Tasso Island von Bord gegangen, die anderen drei sind weitergefahren nach Bunce Island und kamen am späten Nachmittag zu uns auf die Insel.

Tasso Island – ein kleines Paradies in Gefahr

Es ist eine wahre Wohltat, auf Tasso anzukommen. Insbesondere, wenn man frisch aus dem Verkehr und der Luftverschmutzung Freetowns kommt. Nichts als das Geräusch der Wellen, der Palmblätter im Wind und der Vögel im Ohr. Wirklich nichts anderes? Oh – fast habe ich schon vergessen, dass überall Bäume stehen, die ihre kleinen runden Früchte abwerfen. Jedes Mal, wenn eine Frucht auf einem Dach landet, vermutet man, dass ein Loch entstanden sein muss, so laut ist das Geräusch. Aber abgesehen davon – Ruhe, Frieden, frische Luft 🙂

Die Hütten der Tasso Ecolodge stehen direkt am Strand zwischen den Bäumen. Sie wurden von den Dorfbewohnern auf der Insel gebaut. Sie sind schlicht, aber sehr gemütlich und einfach perfekt zum Entspannen. Da es kaum Süßwasser auf der Insel gibt, wartet im Badezimmer eine Wassertonne mit Wasser zum Duschen und Waschen. Fließend Wasser gibt es nicht. Das Licht ist solarbetrieben, AC und Ventilator gibt es auch nicht. Dafür haben die Hütten keine Glasfenster, sondern nur Fliegengitter und Vorhänge. Werden die Vorhänge aufgezogen, kommt eine angenehme Brise in die Hütte. Und der Ausblick von der Veranda: Wellen und am Horizont Freetown in den Hügeln des Festlandes. Alle Mitarbeitenden sind super nett und sehr zuvorkommend. Wir haben uns sofort wohlgefühlt.

Kommunikation und ihre Rätsel

Am Samstag war die Devise ankommen und entspannen. Wir hatten am Vormittag Lunch bestellt, das dann auch quasi schon fast fertig war, als wir ankamen. Brauner Reis mit Fisch oder Hühnchen. Witzig wurde es dann bei der Bestellung des Abendessens. Ibrahim und Lami, zwei von den Mitarbeitern der Ecolodge, fragten so um halb sechs, wann und was wir gerne essen würden. Marije hatte von der Managerin der Ecolodge in Freetown per Whatsapp das Menü zugeschickt bekommen. Ibrahim und Lami berieten uns, erklärten, was sich hinter Tola und dem Tasso Special verbergen würde und so bekamen wir den Eindruck, dass alles, was auf der Karte war, auch verfügbar war. Nach längerem Hin und Her, wer was essen würde, war die Bestellung dann komplett. Ich bin also vor zur Küche und wollte unsere Bestellung aufgeben. Da kam dann die Info aus der Küche – Vegetable? We only have carrots and onion. – Hm. Schade. Eigentlich wollte ich gerade Gurkensalat bestellen… – You want Spaghetti and Chicken? – Äh, eigentlich wollten wir ein paar andere Sachen? – It can be Spaghetti or Spaghetti with Chicken? – Nun gut, dann eben Spaghetti und Spaghetti with Chicken… At what time you want to eat? – So gegen acht? – Oh, that is late. We want to go home – Okay, dann eben früher… 

Wir nahmen es mit Humor. Irgendwie haben wir alle es mit der Kommunikation hier noch nicht so ganz raus. Es ist nicht das erste Mal, dass wir als Nicht-aus-Westafrika-stammende-Personen mit der Kommunikation hier etwas verunsichert waren. Uns ist es allen schon passiert, dass es aus unserer Sicht eine Absprache gab, die aber für die andere Person offensichtlich dann doch nicht fest abgesprochen war. Gleichzeitig passiert es immer, dass für uns gefühlt nichts klar gesagt wurde, aber alle anderen anscheinend ganz genau wissen, wie weiter vorgegangen wird. Mir ist das auch in der Arbeit schon ein paar Mal passiert. So dass ich dann immer nicht wusste, checken jetzt alle, was gemeint war und ich bin die einzige, die es nicht mitbekommen hat? Das mit der Kommunikation muss ich auf jeden Fall noch etwas vertiefen und hoffe, dass ich es irgendwann lerne. Im Falle der Essensbestellung scheint es, dass zunächst uns als Gästen die Wahl gelassen wird, was wir essen wollen, und dann werden wir sanft darauf hin gelenkt, was wir bestellen wollen – mit anderen Worten, was wirklich verfügbar ist: Spaghetti mit Chicken!

Kanutour durch die Mangroven und verdammt viele Kinder

Gui hatte die hervorragende Idee, eine Birdwatching-Tour zu machen. Also sind wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück – leider gabe es gerade kein Brot, nur fried Plantain und Rührei, aber ich glaube, wir wollten gar kein Brot… – also auf jeden Fall nach dem Frühstück sind wir dann los mit zwei Kanus zum Birdwatching aufgebrochen. Birdwatching heißt Vögel beobachten. Die Höflichkeit uns gegenüber oder unsere Unfähigkeit die richtigen Fragen zu stellen und die Antworten richtig zu verstehen, hat leider verhindert, dass wir schon morgens um sieben, wenn der beste Zeitpunkt für den Start gewesen wäre, gestartet sind. Morgens hätten wir mehr Vögel gesehen und vor allem hätten unsere Paddler, die uns durch die Mangroven manövrierten, nicht so schwitzen müssen. Uns hat es trotzdem sehr gut gefallen. Zunächst ging es kurz am Strand entlang und dann rein in die Mangroven.

Da die Ebbe einsetzte, konnten wir nicht direkt bis Tasso Village fahren, sondern haben den letzten Teil des Weges zu Fuß zurückgelegt. Die ganze Zeit an unserer Seite: Ibrahim, einer der Angestellten der Ecolodge und Touristenführer.

Gemeinsam sind wir also auf dem Weg, der rot durch die grünen Pflanzendickichte führte, nach Tasso gelaufen. Manchmal kamen Motorradtaxis vorbei. Auf Tasso gibt es insgesamt vier Dörfer und die Ecolodge. Das Dorf Tasso ist genau am anderen Ende der Insel. In Tasso “besichtigten” wir die Schule und das Gesundheitszentrum. Das Gesundheitszentrum wird durch die Einnahmen der Ökolodge finanziert. Spätestens seitdem wir in die Nähe des Dorfes gekommen waren, sammelte sich eine Traube von Kindern, die uns ab da begleitete und konstant anwuchs. Sie riefen uns immer “Oporto, Oporto” zu. Was Gui anfangs für eine Begrüßung hielt und freudig mit “Oporto, Oporto” zurück grüßte, ist in Wirklichkeit das Temne-Wort für “weißer Mensch”. Es geht auf die Zeit zurück, als die ersten Portugiesen in die Gegend kamen.

Temne? Was ist nun denn wieder Temne? Temne, ist eine weitere Sprache, die in Sierra Leone gesprochen wird. Nur 1,5 Bootsstunden von Freetown entfernt, bringen mir meine geringen Kriokenntnisse gar nichts, wenn ich mit den Kindern reden will. Also mussten wir noch schnell ein bisschen Temne lernen, um zumindest freundlich grüßen und Grüße beantworten zu können. Vor allem, da wir auch dem Chief kurz vorgestellt wurden.

Auf einem Fotos seht ihr einen Zaun, der etwas windschief daherkommt. So sehen meistens die Zäune aus, die die Gemüsegärten schützen. Bei mir in Freetown, am Nachbargrundstück gibt es auch ein paar Stellen, die so abgetrennt sind. Da Kühe, Hühner und Ziegen frei herumlaufen, ist das der einzige Weg, um das Gemüse zu schützen. Die Boote auf den Bildern sind die Fischerboote. Die Inselbewohnerinnen und Bewohner leben größtenteils vom Fischfang. Die Männer fahren raus aufs Wasser und fangen die Fische. Die Frauen trocknen sie und verkaufen sie anschließend in Freetown. Da der Boden auf der Insel sehr sandig ist und schnell austrocknet, wächst nicht so viel Gemüse und Obst auf der Insel. Das meiste muss vom Festland geholt werden. 

Vorgeschmack auf die Regenzeit

Nach der Besichtigung des Dorfes ging es zurück zur Ecolodge – diesmal zu Fuß, einmal quer über die Insel. Wir hatten unsere Hausaufgaben gemacht und schon nach dem Frühstück das Mittagessen bestellt. So gab es dieses Mal tatsächlich das Tasso Special (Fisch und Krabben in einer gelblichen Soße) und Tola (eine rötliche Soße mit zerstampften Samen irgendeiner Pflanze mit Fisch). Zu beidem gab es natürlich Reis, was sonst. Eigentlich wollten wir nach dem langen Marsch durch Sonne und Sand ins Meer tauchen, aber leider war das Wasser weg. Es war Ebbe. Also hieß es warten, bis die Flut kommt. Doch anstelle der Flut kam eine starke Brise – oder in unseren Worten ein Unwetter. Das Meer wurde aufgepeitscht vom Wind während zugleich der Himmel alle Schleusen geöffnet hatte. Und das war viel besser als eine kleine Erfrischung im Meer. Außerdem konnten wir den Regen nutzen und das von uns verbrauchte Duschwasser wieder auffüllen. Eigentlich wollten wir langsam aufbrechen, zurück nach Freetown, aber bei dem Wetter blieb uns nichts anderes übrig, als dazusitzen und auf den Regen und die Wellen zu schauen, bis der Regen nach über einer Stunde nachlassen würde und wir wieder sicher mit dem Boot übersetzen konnten. Zum Glück war Ibrahim gerade am Strand, als der Regen einsetzte. Ich habe ihm bei uns auf der Veranda Unterschlupf angeboten und konnte die Gelegenheit nutzen, nochmal ein paar tiefergehende Fragen zum Ecolodge-Projekt zustellen. Was die Schwierigkeiten am Anfang waren, was unternommen wurde, um die Schwierigkeiten zu überwinden, was gut läuft und was nicht so gut läuft und wie das Geld eingesetzt wird. Somit hat der Regen uns nicht nur Abkühlung gebracht, sondern mir auch noch eine Extraportion Wissen. Auch darüber, wie schwer es für die Menschen auf der Insel ist während der Regenzeit. Immerhin ist ihnen der Weg nach Freetown dann manchmal abgeschnitten und sie können weder ihren Fisch verkaufen, noch Einkäufe tätigen.  

Nach dem Regen gab es noch eine Fotosession mit mehreren Gruppenfotos und am Ende winkten uns Lami, Ibrahim und Osnata zu, bis wir sie nicht mehr sehen konnten.

Zurück in Freetown begrüßte uns der ganze Plastikmüll, der bei unserer Abreise bei Ebbe in der Bucht lag, nun schwimmend auf dem Wasser. Nach unseren zwei Tagen in einem kleinen Paradies, zurück in der Wirklichkeit. Auch auf Tasso waren an manchen Stellen in den Mangroven Plastiktüten in den Ästen gehangen, am Strand lagen Plastikflaschen, alles angeschwemmt vom Festland. Vielleicht starten wir von CSSL mal eine Aktion, die zum diesjährigen Motto des Welt-Umwelt-Tages in Deutschland passt: Nein zu Wegwerf-Plastik – ja zu Mehrweg! Für mich war es trotz des Plastikteppichs und der Abgase in Freetown ein sehr gutes Wochenende. Es war ziemlich spannend, gleichzeitig Gast und Analystin zu sein. Ich freue mich schon, auf meine Analysen der weiteren Ökolodges in Sierra Leone.

WG-Leben in Zeiten von Covid-Quarantäne

Nun ja, was macht man so, wenn man unter Quarantäne gestellt ist? Wohnung schön herrichten, lesen, telefonieren und natürlich kochen. Da gibt es nicht so große Unterschiede zwischen Deutschland und Sierra Leone für mich.

Die Quarantäne hat vielleicht bald ein Ende. Gerade hat Ruirui ihr negatives Testergebnis bekommen und kann hoffentlich morgen in den Flieger in die USA steigen. Mal schauen, was das für uns anderen bedeutet. Eigentlich hieß es gestern auf einmal, wir müssen auf jeden Fall bis nächsten Freitag in Quarantäne bleiben. Die Infos ändern sich gefühlt täglich, so dass wir nun hoffen, sie ändern sich morgen nochmal.

Trotz Quarantäne immer was los – Der Generator

Auch wenn ich unser Grundstück seit einer Woche nicht mehr verlassen habe, ist natürlich trotzdem ein bisschen was geboten hier. Eine spannende Geschichte, die uns nun schon seit letzten Samstag begleitet, ist unser Generator. Er ist seit letztem Wochenende kaputt und irgendwie haben sie es noch nicht geschafft, ihn zu reparieren. Am Wochenende war das erst etwas nervig, weil auch der Strom weg war und irgendwann fast alle Batterien aufgebraucht waren. Ich konnte etwas aushelfen, da ich ja mit Powerbanks und Solarpanel versorgt bin. Aber das hilft nur zur Überbrückung. In den letzten Tagen war immer mal Strom da, also ist es nicht so schlimm für mich, dass der Generator nicht geht. Und sie arbeiten immer mal wieder daran, dass er wieder läuft. Ach ja, unser einer Kühlschrank ist auch schon seit Tagen kaputt…

Gemeinsamer Kinoabend und Essen für alle

Da wir nicht raus gehen dürfen, geht netterweise Abdul für uns Einkaufen, wenn wir etwas brauchen. Auf Wunsch kocht er manchmal auch für uns. Ihr seht ihn unten auf dem einen Bild. Natürlich sitzen wir dann nicht zusammen am Tisch, sondern jeder und jede verzieht sich wieder auf einen Balkon oder in ein Zimmerchen, aber ein bisschen Gemeinschaftsgefühl vermittelt es trotzdem.

Am Montag war dann mein großer Auftritt. Die US-Amerikanerin, die vor mir in meinem Zimmer war, hat einen Videoabend eingeführt und eigentlich ist es meine Aufgabe, diese Tradition fortzuführen. An meinem ersten Montagabend hatte ich es vergessen. Aber diesen Montag haben wir im Hinterhof eine Outdoor-Kinovorstellung gemacht. Danke nochmal an die Kolleginnen und Kollegen vom BAMF, die mir ja einen tollen Mini-Beamer zum Abschied geschenkt hatten. Vor der Vorstellung wurde noch ein Bettlaken an die Mauer gezimmert und die Plastikstühle wurden aufgereiht. So konnten wir schön an der frischen Luft und mit Abstand gemeinsam “Adú” anschauen. Den Film hatte James ausgewählt. Er handelt von einem sechsjährigen Jungen, der sich von Kamerun aus auf die Flucht nach Europa begibt. Den Film gibt es auf Netflix. Die eine Nebenstory ist so lala, aber sonst ist der Film wirklich gut. Nicht unbedingt leichte Kost, aber tagesaktuell, wenn ich an die Berichte über die Menschen denke, die versuchten die spanische Enklave in Marokko zu erreichen. Genau das ist nämlich auch das Ziel von Adú.

Kochen, Kochen und Backen

Ich arbeite zwar auch von hier aus. Habe Zoom-Konferenzen und arbeite mich weiter in unsere Projekte ein. Aber ich brauche irgendeinen Ausgleich und einen Grund, aus meinem Zimmer rauszugehen. Was liegt da näher als die Küche 😉

Schon letztes Wochenende habe ich mich an meinem ersten Bananenkuchen versucht. Die Zutaten hatte ich schon am Mittwoch gekauft, als ich noch nichts von der anstehenden Quarantäne wusste und die Bananen mussten endlich verwertet werden. Beim Erstellen meiner Einkaufsliste hatte ich nicht bedacht, dass ich hier keine Waage habe. Deshalb war noch eine kurze Online-Recherche nötig, um ein Rezept zu finden, zu dem meine Zutaten passen und für das keine Waage benötigt wurde. Und here we go – mein erster Bananenkuchen à la Salone:

Weiter ging es dann Anfang der Woche. Ich hatte vor meiner Abreise auch ein paar exquisite Gewürzmischungen inklusive Rezepten geschenkt bekommen. Was würde da näher liegen, als das Mango-Curry zu testen, wo es hier Mangos in unterschiedlichsten Größen und Reifezuständen gibt. Dafür gab es leider keine Paprika und der Spinat ist eher Mangold. Die größte Herausforderung war die Kokosmilch. Aber nachdem die Kokosnuss geöffnet (mit gezielten Schlägen auf einen harten Boden hauen), das Kokoswasser getrunken und das weiße “Fruchtfleisch” (wie nennt man das denn richtig) geraspelt war, wurde auch diese Hürde genommen. Und am Ende kam ein ganz gutes Curry heraus, von dem alle begeistert kosteten.

Heute dann startete mein Salone Kochkurs. Ich habe Abdul geholfen, das Abendessen für uns zu kochen. Es gab gebraten Fisch mit Erdnusssoße und Reis. Die Fische mussten erst noch entschuppt und ausgenommen werden. Die Erdnüsse kann man zum Glück am Markt schon zu Paste verarbeiten lassen, so dass wir nicht wie bei der Kokosnuss auch noch damit beschäftigt waren. Bis jetzt ist das mein Lieblingsessen hier. Und eigentlich ganz easy zu kochen: Reis kochen. Fische ausnehmen und saubermachen, dann mit weißem und schwarzen Pfeffer sowie einer Gewürzmischung bestreuen, anschließen in ausreichend Öl frittieren. Für die Soße Wasser erhitzen, gehackte Zwiebeln und Chilli dazugeben. Alles eine Zeit lang köcheln lassen. Anschließend von der Erdnusspaste dazugeben. Weiterköcheln lassen. Dann Maggi-Würfel und Tomatenmark dazugeben, umrühren und solange köcheln lassen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Sieht vielleicht nicht so super aus, ist es aber!

Können Rosen töten?

Anscheinend ja. Neben Fisch mit Erdnusssoße kochen, war das mein Learning heute. Abdul hatte gestern im Hof ein rosenähnliches Gewächs mit der Machete bearbeitet, da es von irgendeinem Pilz befallen ist. Heute morgen hatte er dann einen sehr schmerzhaft angeschwollen Finger. Das Internet verriet mir: Gefahr von Tetanus! Unbedingt sofort zum Arzt und Tetanusschutz geben lassen. Meine Nachfrage bei der Medizinerin und dem Mediziner meines Vertrauens bestätigte meine Befürchtung. Zum Glück ließ Abdul sich überzeugen, dass mit der Sache nicht zu spaßen wäre und hat sich impfen lassen. Das geht hier anscheinend direkt in der Apotheke, wo man auch den Impfstoff kauft.
Mir hat es mal wieder gezeigt, wie verletzlich das Leben hier ist. In Deutschland sind wahrscheinlich die meisten Menschen gegen Tetanus geimpft, oder? Hier kann es echt böse ausgehen, wenn einem die umgerechnet 5-6€ fehlen oder man vielleicht auch gar nicht mitbekommt, dass es sich um eine ernsthafte Gefahr handeln kann. Wir hoffen, Abduls Finger erholt sich und es gibt keine schlimmere Infektion.

Nach der Berg-und-Talfahrt der letzten zwei Tage in Bezug auf Infos zu unserer Quarantäne, hoffe ich, dass sich morgen der Nebel lichtet und im besten Falle unsere Quarantäne aufgehoben wird. Ich mag mein Zimmer, meinen Balkon und meine Wohngemeinschaft hier zwar sehr gerne, aber was man so hört, soll es auch Leben jenseits der Mauern geben…

Covid-Response Sierra Leone Style

Seitdem meine Kolleginnen und Kollegen wissen, dass ich in Quarantäne bin, zeigt sich ein großes Ausmaß an Fürsorge und Mitgefühl. Täglich melden sich mindestens drei manchmal auch fünf von ihnen bei mir, um nachzufragen, wie es mir gehe, ob ich was brauche und mit besten Wünschen und Gebeten für mich. Ich bin wirklich sehr gerührt! Gefühlt habe ich seit meiner Quarantäne mit mehr Leuten aus dem Team Kontakt als während meiner kurzen Präsenzzeit im Büro. Ihr seht also, ich bin stets umsorgt und umhegt. Ganz abgesehen davon, dass ich weit davon entfernt bin zu hungern oder zu vereinsamen. Aber nun erst einmal von vorne. Wie kam es denn zu meiner Quarantäne.

Covid-Test im Krankenhaus oder Ist das hier die Geburtenstation?

In meinem letzten Beitrag ist ja schon angeklungen, dass ich mich in Quarantäne befinde, natürlich wegen Covid. Es ist ziemlich ärgerlich und ein riesengroßes Pech, wenn man bedenkt, dass in Sierra Leone zur Zeit null bis zehn neue Fälle pro Tag registriert werden. Einer dieser Fälle wohnt ausgerechnet bei mir im Guesthouse. 

Als ich letzten Mittwoch voller Elan und frohen Mutes nach der Arbeit nach Hause gekommen bin, wartete die schlechte Nachricht auf mich. Ruirui hatte sich am Montag getestet und nun ein positives Covid-Testergebnis erhalten. Ich habe daraufhin direkt Sheku informiert und nachgefragt, wie das Vorgehen bei CSSL in diesem Fall sei. Natürlich gab es so einen Fall noch nicht. Wir waren uns aber schnell einig, dass es besser wäre, wenn ich sicherheitshalber – trotz Impfung – einen PCR-Test machen würde und erst wieder ins Büro komme, wenn das Ergebnis da ist. War natürlich ein bisschen Mist, da ich ja einiges an Besprechungen vorhatte für Donnerstag und Freitag, aber what to do. Das Risiko, dass ich am Ende eine Kollegin oder einen Kollegen anstecken würde, war mir ehrlich gesagt zu hoch. Selbst wenn ich einen milden Verlauf haben würde, dank meiner Impfung, ist ja noch nicht ganz klar, ob Geimpfte das Virus noch übertragen können oder nicht.

Donnerstagvormittag bin ich also mit Marije, der anderen Deutschen aus dem Guesthouse, zum Krankenhaus gefahren, um einen Test zu machen. Über die Arbeit kennt Marije dort jemanden, weshalb wir zwar trotzdem erst zu drei verschiedenen Stellen geführt wurden, bis wir dann getestet wurden, aber es ging ohne große Wartezeit.

Schon vor dem Krankenhaus sind die Covid-Impf-Plakate zu sehen. Zwischen Tor und Krankenhauseingang (das sind vielleicht fünf bis sechs Meter) werden die Impfungen durchgeführt. Man geht durch das Tor, registriert sich rechts an einem Tisch, geht dann nach links und wartet. Wird man aufgerufen, geht man wieder nach rechts hinter den Anmeldetisch und erhält dort die Impfung. Die Impfdosen sind in Kühlboxen gelagert. Nach der Impfung bekommt man von einer Dame mit weißer Haube den blauen Impfausweis (die Frau seht ihr auf dem einen Foto am linken Rand), während zwei Meter weiter gerade eine Lieferung Einmal-Handschuhe und weitere Kisten ausgeladen werden. Hat man den blauen Impfausweis, muss man noch ins Gebäude. Was dann passiert, konnte ich nicht sehen. Aber alle sind mit ihren Ausweisen zur Anmeldung, wo wildes Gedränge herrschte. Vielleicht gibt es dort den offiziellen Stempel? Im Krankenhaus trägt kaum jemand eine Maske, zumindest nicht über Mund und Nase. Das war etwas irritierend für uns. By the way: Wir haben die ganze Zeit brav unsere FFP2-Masken getragen, auch auf der Fahrt im Keke und auch an den Folgetagen immer im Guesthouse, sobald wir unsere Zimmer verlassen haben.

Es war ziemlich viel los im Krankenhaus. Gefühlt war es eine einzige Mutter-Kind-Station, da fast nur Schwangere und Frauen mit wirklich gaaaanz kleinen Babys da waren. Wie wir erfahren haben, liegt das daran, dass Schwangere, “frische” Mütter und Kinder bis zu einem gewissen Alter, kostenfreie Behandlung erhalten. Deshalb kommen viele von ihnen nun ins Krankenhaus zur Geburt, aber auch zur Behandlung von Krankheiten von Kindern. Sierra Leone ist noch weit davon entfernt, die SDGs im Bereich Mütter- und Kindersterblichkeit zu erreichen. Dies ist eine Maßnahme, um den Zielen näher zu kommen. 

[SDG ist die Abkürzung für Sustainable Development Goals (Nachhaltige Entwicklungsziele). Es sind die weltweiten Ziele, auf die sich die UN geeinigt haben und für deren erreichen weltweit fast alle Staaten zusammenarbeiten. Mehr Infos unter: https://sdgs.un.org/goals]

Unser Test wurde in der Isolierstation durchgeführt. Allerdings war gerade niemand dort isoliert – hoffen wir zumindest. Immerhin war ein Loch in der Wand und die Fenster offen. Die Isolier- und Teststation besteht aus mehreren Containern, die wahrscheinlich im Rahmen der Covid-Response auf dem Hof des Krankenhauses aufgestellt wurden. Wir haben im Krankenhaus die Info bekommen: Wenn wir bis Sonntag nichts hören, sind wir negativ. 

Anschließend waren wir noch kurz Obst und Gemüse kaufen und ich habe mir ein MiFi gekauft. Natürlich alles mit FFP2-Maske. Zum Glück habe ich mir das MiFi besorgt, denn am Wochenende waren Strom und Internet weg. Auch jetzt für meine Woche zuhause ist es super, immer Internet zu haben.

Covid Response unter militärischer Bewachung

Ehrlich gesagt, war ich schon etwas genervt von der Tatsache, dass ich Donnerstag und Freitag nicht ins Büro konnte und bis Montag warten sollte, um weiterzuarbeiten. Und dann kam es ja noch schlimmer. Aber alle Kolleginnen und Kollegen und sonstige Leute, die ich in meiner kurzen Zeit hier schon kennengelernt hatte, haben mir sehr viel support gegeben. Alle haben angeboten, mir Sachen zu bringen, wenn ich irgendetwas benötigen würde. Aber dank der nicht ganz verständlichen Quarantäneregeln, bin ich hier nach wie vor gut versorgt.

Am Donnerstag kam ein Mann vom National Covid-Response Center (NaCOVERC), um nach Ruirui zu schauen, unserer positiv-getesteten Person. Er erklärte uns, dass wir alle in Quarantäne bleiben müssten, bis wir alle zwei negative Testergebnisse vorweisen können, wobei die Tests immer im 7-Tage-Abstand gemacht werden. Damit war mein Tag erstmal gelaufen. Ich dachte, es könnte ja ewig dauern, bis Ruirui auch negativ ist… Um sicherzustellen, dass wir das Grundstück nicht verlassen, wurden ab Freitag auch drei Militärs abgestellt, die uns bewachen sollten. Seit Sonntag sind sie weg. Vielleicht passen sie also nur am Wochenende auf? Jeden Morgen wird aber abgefragt, ob wir alle da sind. Da ich meist auf meinem Balkon sitze, bin ich am leichtesten zu finden für unsere Zuständigen von NaCOVERC. Es ist nun mein morgendliches Ritual während ich meinen Kaffee trinke:

Erst höre ich ein leises „Hello, hello“. Dann stehe ich auf und antworte mit: „Good morning“ „Good morning – how are you“ „I am fine. Thank you. How are you“ „Fine fine. Are you Marije?“ „No. I am Kathrin.“ „Where is Marije?“ „She is in her room.“ „Where is Ruirui?“ „She is in her room.“ „Where is Mr Jonathan?“ „He is in his room.“ „Are you Kathrin?“ „Yes, I am.“ „So all are here. Thank you. Stay well.“ Witziger Weise fragt er mich jeden Morgen, ob ich Marije bin. Nur vorhin, als er kam und Mr Jonathan suchte, hat er mich mit Kathrin angesprochen? Ich muss nicht alles verstehen. Ich bin ja erst drei Wochen hier…

Das Interessante ist, dass nur wir vier aus dem ersten Stock in Quarantäne sind. Alle anderen dürfen das Grundstück verlassen, kommen und gehen, wie sie wollen. Zuerst wollte der Mann vom NaCOVERC alle testen und unter Quarantäne stellen. Aber Jack meinte, I have to run this place. I cannot stay under quarantine. Damit war das geklärt. Auch Jenna, unsere französische Journalistin, ist nicht unter Quarantäne. Sie war gestern bei mir in der Arbeit, weil ich ihr einen Interviewtermin bei meinem Chef besorgt habe, zum Black Johnson Beach (Ihr erinnert euch, das war die Story mit dem norwegischen Lachs). Sie hat mir meine Notizen aus dem Büro mitgebracht…

Food supply und andere Kuriositäten

Ruirui hat heute erfahren, dass sie die Auflagen nicht erfüllt hat. Welche Konsequenzen das haben wird, wissen wir nicht. Eigentlich hätte sie sich für die Isolation mit Sauerstoff und anderen Sachen eindecken müssen. Umgerechnet im Wert von 100 US-Dollar. Das hat sie nicht gemacht. Ich muss dazusagen: sie ist mit Johnson-Impfstoff geimpft und ihr geht es sehr gut. Sie hatte nur Samstagvormittag Symptome, seitdem nicht mehr. Es hieß, sie schicken ihr heute einen Krankenwagen vorbei. Wir wissen aber nicht, was die dann machen wollen.

Und dann war auch der NaCOVERC-Mann, er heißt übrigens Cesar, wieder da. Er wollte aber mit Mr Jonathan sprechen. Ich denke, weil Jonathan der einzige Mann im ersten Stock und somit selbstverständlich unser Haushaltsvorstand und “Bestimmer” ist. Wie es hier üblich ist, kam Cesar zunächst um Jonathan anzukündigen, dass er sich später nochmal melden würde, weil er etwas mit ihm besprechen müsste. Um was es geht, hat er nicht verraten. Aber er hat sich die Nummer notiert. Circa fünf bis zehn Minuten später kam er wieder. Offensichtlich wollte er nun reden. Jonathan ist also mit runter. Und siehe da, was es wichtiges zu besprechen gab: Wir haben Essen bekommen. Wir wollen uns nicht beschweren. Klar, wir sind schon seit fünf Tagen in Quarantäne und sowohl der getrocknete Fisch als auch die potatoe leaves (Kartoffelblätter), die hier zum Nationalgericht verarbeitet werden, sehen alles andere als frisch aus und: nicht mal Reis wurde mitgeliefert. Aber ein kleiner Kanister Palmöl und ein paar Dosen Tomatenmark und so Zeug. Zusammen mit James und Abdul, die beide hier arbeiten, haben wir uns mehrfach gewundert, über den Zeitpunkt der Lieferung und vor allem über das Essen selbst. Keine Ahnung, ob das irgendwer hier essen wird. James meinte, er auf jeden Fall nicht… 

Aber wie gesagt, wir wollen uns nicht beschweren. Immerhin schickt uns die Regierung hier was zu Essen in die Quarantäne. Das habe ich aus Deutschland noch nicht gehört. 

Und noch eine schöne Geschichte aus unserer Covid-Erfahrung hier: Gestern waren zwei Sozialarbeiter und eine Frau bei Ruirui, um sie zu besuchen und ihr Witze zu erzählen. Dabei handelt es sich um die psychosoziale Betreuung von Covid-Erkrankten. Wahrscheinlich soll es ihnen die Selbstisolation erleichtern. Auch ein sehr schönes Angebot wie ich finde. Es ist zwar etwas seltsam, eine Person in Selbstisolation zu verbannen und dann alle zwei Tage jemanden vorbeizuschicken, aber gut.

Ich habe es mir in der Zwischenzeit hier ganz nett eingerichtet. Und mit Arbeit, Vogelbeobachtung und Hängematte lässt sich die Quarantäne eigentlich ganz gut aushalten. Das Vogelfoto habe ich leider nicht selbst gemacht, aber der Vogel, ein Village Weaver, saß fast auf meinem Balkon. Das Foto ist von Wikipedia. Gestern habe ich tatsächlich ziemlich viel gearbeitet. Was mich sehr freut. Heute bin ich leider etwas unmotiviert, aber jetzt muss ich dann doch mal ein bisschen was für die Arbeit machen.

Und die beste Nachricht: Wir dürfen jetzt doch schon wieder raus, wenn wir persönlich zweimal negativ getestet sind. Unabhängig von den Testergebnissen der anderen. Marije, Jonathan und ich haben unser erstes Negativ-Ergebnis schon bekommen. Also blicke ich voller Vorfreude aufs Wochenende und auf die nächste Woche. Und bis dahin genieße ich das Leben in unserer internationalen WG. Wie wir uns so die Zeit vertreiben, dazu mehr in den nächsten Tagen.

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