Eigentlich wollte ich mir etwas mehr Zeit lassen, bevor ich ein kleines Gefühlsresümee abgebe, aber in den letzten Tagen häufen sich die Fragen nach meiner Gefühlslage. Per E-Mail, per Messengerdienst, am Telefon – immer wieder die Frage “Wie geht es dir denn nach über einem Monat?” Es ist gar nicht so leicht für mich, diese Frage zu beantworten. Wenn ich in mich hineinfühle, kommt keine klare Antwort zustande. Ich schwanke zwischen Dankbarkeit und alles ist gut und Heimweh. Wahrscheinlich bleiben diese Gefühle die nächsten Jahre meine Begleiterinnen.
Ganz generell: Mir geht es gut
Vorneweg gestellt sei, dass es mir gut geht. Eigentlich sogar sehr gut, würde ich sagen. Ich habe ein schönes Zimmer, in dem ich mich wohl fühle, nette Leute um mich und die Arbeit macht auch Spaß. Auch wenn ich manchmal sehnsüchtig an kalte Bergseen denke und mit großer Freude und etwas Wehmut die ganzen Fotos von Biergärten und grünen Landschaften im schönen Franken betrachte, ist es hier nicht ganz schlecht. Ich mag das bunte Treiben auf der Straße, das große Wimmelbild im Hof gegenüber, den Blick in die Palmen und Bananenbäume, die Fahrt mit dem Keke an der Strandpromenande entlang und die Netflix-Abende im Guesthouse. Es hat auch etwas, wenn man am Sonntagabend einfach einen kleinen Spaziergang zum Strand machen kann, sich dann vor dem Regen ins nächstbeste Lokal rettet und zufälligerweise eine Liveband erwischt, die eigentlich Reggae spielt, aber auch einen meiner Lieblings-80er 🙂
Umweltschutz by heart
Je mehr ich über die Arbeit von CSSL lese, umso mehr wächst mein Respekt vor der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen und zugleich freue ich mich immer mehr, dass ich diese Arbeit unterstützen darf. Es tut mir sehr gut, für eine Organisation zu arbeiten, die so viel so sinnvolle Arbeit leistet. Bis jetzt komme ich jeden Morgen mit viel Elan ins Büro, gespannt, was ich Neues erfahre, gepaart mit ersten Ideen für die Umsetzung meiner Aufgaben. Und by the way: Gibt es etwas besseres als eine Dienstreise in den Regenwald? Ich werde es dieses Wochenende herausfinden…
Und wie geht es mir wirklich?
Oberflächlich ist also alles fine. Und in mir drinnen? Das ist der schwierige Part der Antwort. Ich fühle mich hier wohl. Ich will auch gar nicht weg, sondern eigentlich weiter eintauchen in das Leben hier. Aber ich vermisse meine Familie und viele von euch – es wäre mal an der Zeit für einen Weekendtrip nach Hause, um euch mal wiederzusehen und einfach zusammen cool abzuhängen. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier schon so viele Leute kennengelernt habe, mit denen ich etwas unternehmen kann. Keine Sorge also, ich vereinsame hier nicht. Aber Heimweh hat anscheinend nichts mit Einsamkeit zu tun. Ich habe mich tatsächlich schon bei dem Gedanken erwischt, vielleicht doch früher als geplant mal nach Deutschland zu fliegen…
Armut, Privilegien und wie damit umgehen?
Natürlich hört sich das hier immer alles ganz spannend und urlaubsmäßig an. Spaziergang am Strand, Sundowner mit Blick in die Wellen, Wochenende im Ecotourismus-Projekt auf der Insel, lachende Kolleginnen und Kollegen, lecker Bananenbrot und so weiter. Aber es gibt auch noch weitere Seiten des Lebens hier in Sierra Leone. Ich wusste, bevor ich gekommen bin, Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt; es gibt kaum fließend Wasser; Stromausfälle gehören zum Alltag, zumindest für die Menschen, die normalerweise Strom zuhause haben; die Gesundheitsversorgung ist sehr rudimentär und Ebola und Covid haben die wirtschaftliche Situation der Menschen noch verschlimmert.
Ich war auch darauf vorbereitet, dass ich hier mit sehr vielen Privilegien unterwegs bin. Und schon in der Vorbereitung war es eine meiner Hauptfragen: wie werde ich mit meinen Privilegien umgehen? Wie schaffe ich es, dass es mir mit meinen Privilegien auch innerlich gut geht? Das Thema begleitet mich überall hin – ins Büro, an den Strand, auf den Markt, auf die Insel. Es ist einfach immer da. Da es ein ziemlich großes und wichtiges Thema ist, will ich es hier nur kurz anschneiden und komme lieber in einem extra Beitrag ausführlicher darauf zurück. Aber bei der Frage nach meinem Gemütszustand, muss ich es erwähnen.
Alltag, Party-Crew und Freizeitaktivitäten
Ich weiß, es ist viel verlangt, nach fünf Wochen schon ganz angekommen sein zu wollen. Das wird noch lange dauern. Ich hätte allerdings mal wieder Lust, jemand zu treffen, den oder die ich länger als fünf Wochen kenne. Die meisten Gespräche hier sind eher auf einem oberflächlichen Niveau, weil man sich noch nicht so lange kennt. Die meisten Leute haben super interessante Lebensläufe und machen spannende Sachen, aber ich fände es mal wieder schön, einfach einen Abend mit Bier und Gschmarri zu verbringen. Oder auch mal wieder ein Gespräch ohne Kommunikationsprobleme, ohne dass ich nach Worten suchen muss und nicht genau das sagen kann, was ich sagen will. Das mit der Sprache wird sich bestimmt in der nächsten Zeit geben, eine Crew muss ich aber wahrscheinlich aktiv suchen.
Eine meiner Aufgaben für die nächsten Wochen ist es also, eine neue Partycrew zu finden. Ich weiß noch nicht, wie ich dazu am besten vorgehe. Meine Kolleginnen und Kollegen sind sehr nett, aber scheinen mir jetzt nicht so die Partypeople zu sein. Bei mir im Guesthouse sind zwar andere Gäste, aber die bleiben alle immer nur für ein paar Wochen. Ich glaube, es ist relativ easy in der Expat-Community Leute kennenzulernen, aber darauf wollte ich mich nicht beschränken. Die Jungs, die im Guesthouse arbeiten, sind ganz goldig, aber um einiges jünger und gehen normalerweise nicht aus. Meine neue Partycrew finden – das wird noch eine Challenge werden. Aber ich bin guter Dinge.
Als Königin des Aufschiebens habe ich es bisher außerdem erfolgreich geschafft, mich von allen Sportaktivitäten fernzuhalten. Es gibt ausreichend Angebote: Montag und Mittwoch Yoga, Donnerstags Lauftreff am Strand, Donnerstags ist auch Open-Climbing in der Boulderhalle usw. Wer mich kennt, weiß, ich bin nie um eine Ausrede verlegen, wenn es darum geht, lieber faul in der Hängematte liegen zu bleiben. Aber langsam fehlt mir wirklich die Bewegung. Ich fahre täglich mit dem Auto in die Arbeit und wieder nach Hause. Bewegen tue ich mich eigentlich nur, wenn ich mal die Treppen rauf und runter gehe oder Einkaufen gehe. Deshalb sind wir gestern auch zu Fuß zum Strand gelaufen und am Samstag gab es vor dem Abendessen mit Sonnenuntergang im Meer auch einen Spaziergang am Strand. Mein Problem ist so ein bisschen die Temperatur hier, muss ich zugeben. Ganz viele Leute gehen am Strand joggen. Aber mir ist es echt zu heiß. Ich muss mal schauen, ob ich es irgendwie schaffe, morgens früher aufzustehen und vor der Arbeit zu joggen. Ob ich das tatsächlich jemals schaffen werde, steht in den Sternen, aber ich will es nicht ganz ausschließen. Und vielleicht gehe ich auch mal zu diesen Lauftreff-Geschichten. Immerhin ist das auch eine gute Möglichkeit, um Leute kennenzulernen.
Alles in allem geht es mir also gut. Ich fühle mich hier wohl und freue mich darauf, noch mehr anzukommen in den nächsten Wochen und Monaten. Gleichzeitig kommt seit einer Woche immer wieder mal Heimweh auf und die Lust auf ein Bier oder einen Drink mit alten Freunden und Freundinnen oder gemeinsames Grillen mit der Familie. Bis ich meine neue Crew hier habe, erfreue ich mich deshalb weiter an euren Fotos und stoße in Gedanken mit euch an. Und was meinen inneren Zwiespalt zu meinen Privilegien angeht, dazu kommt demnächst mal mehr.
O ja, da stimme ich dir zu: Heimweh und Einsamkeit sind zwei verschiedene Dinge. Du wirst sehen… irgendwann ist das Heimweh eines Morgens…. einfach weg! Dann denkst an mich und freust dich 🙂
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Test test test… wie geht das hier?! Sers Kaddl… schee, dass (fast) alles passt. 😘
Nilpferschäuferle-Power To The People! ✊🏼✊🏾✊🏻
Die Zwergnilpferdschäufala sind im Ofen…