Welcome to Kenema

Ich sitze gerade in meinem Hotel in Kenema, der Regen prasselt fröhlich vor sich hin und die Hügel, die ich eigentlich sehen würde, sind in einer Regen-Nebelwolke (einer sogenannten Glocke) verschwunden. Es ist Sonntagabend, die deutsche Fußball Nationalmannschaft der Männer hat gestern gewonnen, wie ich vorhin erfahren habe, und ich habe in den letzten Tagen so viel erlebt und so viele neue Eindrücke erhalten, dass ich gar nicht weiß, wie ich anfangen soll. Vielleicht einfach von vorne.

Immer schön flexibel bleiben

CSSL hat neben dem Büro in Freetown auch jeweils ein Büro in Kabala und eines in Kenema. Es war schon länger geplant, dass ich die Kolleginnen und Kollegen an beiden Standorten noch vor der Regenzeit kennenlerne. Wegen meiner Quarantäne hat sich das nun etwas nach hinten verschoben. Aber letzten Donnerstag ging es dann endlich los nach Kenema. Die Fahrgemeinschaft – bestehend aus meinen Chef, meinem Fahrer und Abdul und Mariama – machte sich also am Donnerstagmorgen auf den Weg. Die Reise dauert 4 bis 5,5 Stunden, je nachdem, ab wann man die Reise starten lässt. Zu dem Zeitpunkt, an dem man losfährt – in meinem Fall 7:30 – oder zu dem Zeitpunkt, an dem man Freetown verlassen hat – in unserem Fall 9 Uhr. So oder so, waren wir gegen eins in Kenema. Die Straße von Freetown nach Kenema ist sehr gut. Wir hatten natürlich unterwegs noch Zeit für zwei kleine Stopps, um Verpflegung zu kaufen. Erst gab es kleine runde Fladen aus Yamsmehl mit scharfer Soße in der Fischteile waren, danach noch einen frisch gegrillten Maiskolben. 

Eigentlich war der Plan, wir kommen gegen 13h an, essen zu Mittag und haben dann von 14h bis 17h Meeting mit den Kolleginnen und Kollegen. Natürlich war dann doch alles ganz anders, da ein wichtiges Zoom-Meeting anstand, so dass wir nur circa 30 Minuten Kennenlernen mit dem Team vor Ort hatten und sich dann alle in alle Winde verstreut hatten. Ich fand mich ab halb drei alleine im Hotel.

Es war nicht so wild, so hatte ich Zeit, mich auszuruhen, libanesischen Kaffee zu genießen und entspannt mit lieben Menschen in Deutschland zu telefonieren.

Auf den Fotos seht ihr unser Meeting, den typischen Hände-Wasch-Eimer, der vor allen Büros, Supermärkten usw. steht, um Covid vorzubeugen und meinen Kaffee inklusive Blick von der Hotelterrasse

Auch der Plan für die kommende Tage änderte sich mehrfach. Da hieß es für mich: einfach machen, was mir angetragen wird.

Projekte in den Kambui Hills und im Gola Rainforest

Am Freitag Vormittag holten wir nach, was eigentlich für Donnerstag geplant war: die Projektverantwortlichen in Kenema stellten mir die Hauptprojekte vor, in denen sie zur Zeit arbeiten. Kenema befindet sich in der Nähe der liberianischen Grenze, direkt an den Kambui Hills und am Tor zum Gola Regenwald. CSSL hat ein Projekt in den Kambui Hills und ein großes, gefördert mit EU-Geldern, an den outskirts des Regenwaldes.

Ganz kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass es in beiden Fällen unser Ziel ist, den Wald zu schützen. Beim Gola läuft das schon sehr gut. Der Gola ist offiziell als Naturpark anerkannt, die Grenzen sind festgelegt und akzeptiert und es gibt schon eine über viele Jahre gewachsene Zusammenarbeit mit den sogenannten Forest Edged Communities (den FECs – den Gemeinden, die am Rande des Waldes leben). Im Falle der Kambui Hills verhält sich die Situation etwas anders. Die Kambui Hills sind zwar protected area (geschützte Gegend), haben aber keinen Nationalpark Status. Außerdem sind die Grenzen nicht offiziell festgehalten. Was sich sowohl “die Regierung” als auch die Forest Edged Communities zu Nutze machen.

In beiden Gegenden bestehen die Projekte aber eigentlich aus ähnlichen Komponenten: Community work, Aufklärung zu Umweltthemen und Bewusstseinsbildung, Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen und sogenannte livelihood Ansätze, das sind Projektkomponenten, in denen den Menschen vor Ort alternative Einkommensmöglichkeiten erschlossen werden, damit sie nicht weiter in den geschützten Wald vordringen. Ein großes Problem der Arbeit von CSSL ist, dass sie vollständig Geber finanziert sind. Das heißt, sie können nur Aktivitäten umsetzen, für die sie Geldgeber haben. Im Falle von PAPFor, dem Projekt am Rande des Gola, gibt es keine Gelder für livelihood Aktivitäten. Ohne diese ist es aber unwahrscheinlich, dass das Gesamtprojekt erfolgreich wird. Deshalb versuchen zwei Kollegen gerade, über eine weitere Stiftung Geld zu beantragen, um die fehlenden Komponenten trotzdem finanzieren zu können. Das hört sich erst einmal alles ganz viel und verwirrend an. Ging mir auch so. Aber ich hatte nun ja schon ein paar Tage Zeit, das Ganze sacken zu lassen.

Groundnutsoup für alle chiefdoms

Ein kleines Beispiel, was es mit den livelihood Projekten auf sich hat. Sierra Leone ist auf kommunaler Ebene in Chiefdoms aufgegliedert. Das sind die traditionellen Gesellschaftsstrukturen, die auch heute noch für die Verwaltung und vor allem, wenn man Neues in einem Dorf starten möchte, berücksichtigt werden müssen. Neben der offiziellen Regierungsstruktur gibt es also nach wie vor die traditionelle.

Für die Arbeit von CSSL und GRC (Gola Rainforest Company) bedeutet dies, dass sie auf Community Ebene nur arbeiten können, wenn auch auf Chiefdom Ebene das Okay gegeben wurde. 

Kurzer Exkurs: GRC ist ein sehr enger Partner von CSSL im Gola Rainforest. Wir arbeiten dort zusammen und unterstützen uns gegenseitig. GRC ist aus CSSL entstanden, nachdem der Gola zum Nationalpark ernannt worden war.

Im Greater Gola Landscape arbeiten wir in sieben Chiefdoms. Nicht alle sind immer gleichermaßen an einer Zusammenarbeit interessiert. In einigen Chiefdoms konnte GRC eine Zusammenarbeit starten und die communities erhielten unter anderem Saatgut für Erdnüsse. Im Folgejahr gab es eine sehr gute Erdnussernte. Eine Queen aus einem anderen Chiefdom, die zunächst nicht mitmachen wollte, hat sich bei GRC gemeldet und sinngemäß gesagt: “Ich habe gesehen, in den anderen Dörfern gibt es jeden Tag groundnut soup. Ich will auch groundnut soup! Ich bin heute hier, um das Memorandum of Understanding zu unterschreiben, so dass wir nächstes Jahr auch jeden Tag groundnut soup essen können.” So konnte die Zusammenarbeit in einem weiteren Chiefdom starten. Das Engagement kommt also anscheinend sehr gut an. Zugleich zeigt das Beispiel, wie wichtig die livelihood Komponente für die erfolgreiche Projektarbeit ist.

Nach der Projektvorstellung hatten wir – Mariama, Abdul und ich – noch 30 Minuten Zeit, um unseren kleinen Input zu machen. Wir wollen in den nächsten Monaten Workshops mit den Kolleginnen und Kollegen in Kabala und Kenema abhalten mit dem Ziel, bessere Fotos und Informationen für unsere Öffentlichkeitsarbeit und Advocacyarbeit zu erhalten. Oftmals bekommen wir nur verschwommene, schlecht belichtete Fotos per Whatsapp zugeschickt (Beispiel: siehe Foto vom Meeting oben). In einem ersten Schritt haben wir jetzt Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche an so einen Workshop abgefragt, mit denen wir (oder wahrscheinlich eher ich) dann in die Planung starten können.

Meeting open air und ab geht`s Richtung Gola

Im Anschluss ging es direkt zum Büro von GRC. Das Bürogebäude ist ebenfalls in Kenema, aber etwas außerhalb. GRC hat einen beträchtlichen Fuhrpark an 4×4 Fahrzeugen und Motorrädern für ihre Arbeit im Park und mit den Communities. Auch bei GRC wurde ich als neues Familienmitglied vorgestellt. Die Besprechung war auf einem großen überdachten Balkon mit Blick in die Baumkronen. Sehr angenehm und passend für eine Besprechung mit den Verantwortlichen für einen Nationalpark. Mein Schedule für die nächsten Tage wurde fix gemacht und Lumeh, mein Tourguide für diese Zeit, hat sich kurz vorgestellt.

Zeig mir, was du isst und ich sag dir, wer du bist

Bevor ich endgültig in die Hände von CSSL-Kenema und GRC übergeben wurde, war ich noch mit den Kollegen und Mariama Mittagessen. Beim Essen zeigt sich dann doch, dass ich noch einen sehr, sehr weiten Weg vor mir habe, bis ich mich eingelebt habe. Nach zwei Tagen Reis mit Krinkrin hatte ich echt mal wieder Lust auf etwas anderes… Den anderen hat`s geschmeckt. Aus sicherer Quelle weiß ich, es wird ihnen auch morgen und after tomorrow wieder schmecken…

Und dann war es soweit, mein Rucksack, mein Wasservorrat und ich saßen im Auto und los ging die Fahrt in Richtung Gola Rainforest. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es schon im neuen Header. Das Strandbild (aus Ghana) wurde nun endlich von einem Foto aus dem Greater Gola Landscape, Sierra Leone abgelöst. Mehr Fotos und Eindrücke folgen…

2 Kommentare

  1. BlogBingeingBingoBoi

    Immer wieder schön und spannend von Deinen Erlebnissen zu lesen, liebe TheKaddl! Ich sitze gerade mit einer Kanne Tee — naja, es ist eher ein Teekesselchen — im ebenfalls regnerischen Augsburg und freue mich über all Deine tollen Blogeinträge.

    • TheKaddl

      Wenn dir die Beiträge auf diesem Blog schon gefallen, dann wirst du vollkommen aus dem Häuschen sein, wenn kaddl.net endlich online geht 😉

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