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Welcome to Kenema

Ich sitze gerade in meinem Hotel in Kenema, der Regen prasselt fröhlich vor sich hin und die Hügel, die ich eigentlich sehen würde, sind in einer Regen-Nebelwolke (einer sogenannten Glocke) verschwunden. Es ist Sonntagabend, die deutsche Fußball Nationalmannschaft der Männer hat gestern gewonnen, wie ich vorhin erfahren habe, und ich habe in den letzten Tagen so viel erlebt und so viele neue Eindrücke erhalten, dass ich gar nicht weiß, wie ich anfangen soll. Vielleicht einfach von vorne.

Immer schön flexibel bleiben

CSSL hat neben dem Büro in Freetown auch jeweils ein Büro in Kabala und eines in Kenema. Es war schon länger geplant, dass ich die Kolleginnen und Kollegen an beiden Standorten noch vor der Regenzeit kennenlerne. Wegen meiner Quarantäne hat sich das nun etwas nach hinten verschoben. Aber letzten Donnerstag ging es dann endlich los nach Kenema. Die Fahrgemeinschaft – bestehend aus meinen Chef, meinem Fahrer und Abdul und Mariama – machte sich also am Donnerstagmorgen auf den Weg. Die Reise dauert 4 bis 5,5 Stunden, je nachdem, ab wann man die Reise starten lässt. Zu dem Zeitpunkt, an dem man losfährt – in meinem Fall 7:30 – oder zu dem Zeitpunkt, an dem man Freetown verlassen hat – in unserem Fall 9 Uhr. So oder so, waren wir gegen eins in Kenema. Die Straße von Freetown nach Kenema ist sehr gut. Wir hatten natürlich unterwegs noch Zeit für zwei kleine Stopps, um Verpflegung zu kaufen. Erst gab es kleine runde Fladen aus Yamsmehl mit scharfer Soße in der Fischteile waren, danach noch einen frisch gegrillten Maiskolben. 

Eigentlich war der Plan, wir kommen gegen 13h an, essen zu Mittag und haben dann von 14h bis 17h Meeting mit den Kolleginnen und Kollegen. Natürlich war dann doch alles ganz anders, da ein wichtiges Zoom-Meeting anstand, so dass wir nur circa 30 Minuten Kennenlernen mit dem Team vor Ort hatten und sich dann alle in alle Winde verstreut hatten. Ich fand mich ab halb drei alleine im Hotel.

Es war nicht so wild, so hatte ich Zeit, mich auszuruhen, libanesischen Kaffee zu genießen und entspannt mit lieben Menschen in Deutschland zu telefonieren.

Auf den Fotos seht ihr unser Meeting, den typischen Hände-Wasch-Eimer, der vor allen Büros, Supermärkten usw. steht, um Covid vorzubeugen und meinen Kaffee inklusive Blick von der Hotelterrasse

Auch der Plan für die kommende Tage änderte sich mehrfach. Da hieß es für mich: einfach machen, was mir angetragen wird.

Projekte in den Kambui Hills und im Gola Rainforest

Am Freitag Vormittag holten wir nach, was eigentlich für Donnerstag geplant war: die Projektverantwortlichen in Kenema stellten mir die Hauptprojekte vor, in denen sie zur Zeit arbeiten. Kenema befindet sich in der Nähe der liberianischen Grenze, direkt an den Kambui Hills und am Tor zum Gola Regenwald. CSSL hat ein Projekt in den Kambui Hills und ein großes, gefördert mit EU-Geldern, an den outskirts des Regenwaldes.

Ganz kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass es in beiden Fällen unser Ziel ist, den Wald zu schützen. Beim Gola läuft das schon sehr gut. Der Gola ist offiziell als Naturpark anerkannt, die Grenzen sind festgelegt und akzeptiert und es gibt schon eine über viele Jahre gewachsene Zusammenarbeit mit den sogenannten Forest Edged Communities (den FECs – den Gemeinden, die am Rande des Waldes leben). Im Falle der Kambui Hills verhält sich die Situation etwas anders. Die Kambui Hills sind zwar protected area (geschützte Gegend), haben aber keinen Nationalpark Status. Außerdem sind die Grenzen nicht offiziell festgehalten. Was sich sowohl “die Regierung” als auch die Forest Edged Communities zu Nutze machen.

In beiden Gegenden bestehen die Projekte aber eigentlich aus ähnlichen Komponenten: Community work, Aufklärung zu Umweltthemen und Bewusstseinsbildung, Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen und sogenannte livelihood Ansätze, das sind Projektkomponenten, in denen den Menschen vor Ort alternative Einkommensmöglichkeiten erschlossen werden, damit sie nicht weiter in den geschützten Wald vordringen. Ein großes Problem der Arbeit von CSSL ist, dass sie vollständig Geber finanziert sind. Das heißt, sie können nur Aktivitäten umsetzen, für die sie Geldgeber haben. Im Falle von PAPFor, dem Projekt am Rande des Gola, gibt es keine Gelder für livelihood Aktivitäten. Ohne diese ist es aber unwahrscheinlich, dass das Gesamtprojekt erfolgreich wird. Deshalb versuchen zwei Kollegen gerade, über eine weitere Stiftung Geld zu beantragen, um die fehlenden Komponenten trotzdem finanzieren zu können. Das hört sich erst einmal alles ganz viel und verwirrend an. Ging mir auch so. Aber ich hatte nun ja schon ein paar Tage Zeit, das Ganze sacken zu lassen.

Groundnutsoup für alle chiefdoms

Ein kleines Beispiel, was es mit den livelihood Projekten auf sich hat. Sierra Leone ist auf kommunaler Ebene in Chiefdoms aufgegliedert. Das sind die traditionellen Gesellschaftsstrukturen, die auch heute noch für die Verwaltung und vor allem, wenn man Neues in einem Dorf starten möchte, berücksichtigt werden müssen. Neben der offiziellen Regierungsstruktur gibt es also nach wie vor die traditionelle.

Für die Arbeit von CSSL und GRC (Gola Rainforest Company) bedeutet dies, dass sie auf Community Ebene nur arbeiten können, wenn auch auf Chiefdom Ebene das Okay gegeben wurde. 

Kurzer Exkurs: GRC ist ein sehr enger Partner von CSSL im Gola Rainforest. Wir arbeiten dort zusammen und unterstützen uns gegenseitig. GRC ist aus CSSL entstanden, nachdem der Gola zum Nationalpark ernannt worden war.

Im Greater Gola Landscape arbeiten wir in sieben Chiefdoms. Nicht alle sind immer gleichermaßen an einer Zusammenarbeit interessiert. In einigen Chiefdoms konnte GRC eine Zusammenarbeit starten und die communities erhielten unter anderem Saatgut für Erdnüsse. Im Folgejahr gab es eine sehr gute Erdnussernte. Eine Queen aus einem anderen Chiefdom, die zunächst nicht mitmachen wollte, hat sich bei GRC gemeldet und sinngemäß gesagt: “Ich habe gesehen, in den anderen Dörfern gibt es jeden Tag groundnut soup. Ich will auch groundnut soup! Ich bin heute hier, um das Memorandum of Understanding zu unterschreiben, so dass wir nächstes Jahr auch jeden Tag groundnut soup essen können.” So konnte die Zusammenarbeit in einem weiteren Chiefdom starten. Das Engagement kommt also anscheinend sehr gut an. Zugleich zeigt das Beispiel, wie wichtig die livelihood Komponente für die erfolgreiche Projektarbeit ist.

Nach der Projektvorstellung hatten wir – Mariama, Abdul und ich – noch 30 Minuten Zeit, um unseren kleinen Input zu machen. Wir wollen in den nächsten Monaten Workshops mit den Kolleginnen und Kollegen in Kabala und Kenema abhalten mit dem Ziel, bessere Fotos und Informationen für unsere Öffentlichkeitsarbeit und Advocacyarbeit zu erhalten. Oftmals bekommen wir nur verschwommene, schlecht belichtete Fotos per Whatsapp zugeschickt (Beispiel: siehe Foto vom Meeting oben). In einem ersten Schritt haben wir jetzt Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche an so einen Workshop abgefragt, mit denen wir (oder wahrscheinlich eher ich) dann in die Planung starten können.

Meeting open air und ab geht`s Richtung Gola

Im Anschluss ging es direkt zum Büro von GRC. Das Bürogebäude ist ebenfalls in Kenema, aber etwas außerhalb. GRC hat einen beträchtlichen Fuhrpark an 4×4 Fahrzeugen und Motorrädern für ihre Arbeit im Park und mit den Communities. Auch bei GRC wurde ich als neues Familienmitglied vorgestellt. Die Besprechung war auf einem großen überdachten Balkon mit Blick in die Baumkronen. Sehr angenehm und passend für eine Besprechung mit den Verantwortlichen für einen Nationalpark. Mein Schedule für die nächsten Tage wurde fix gemacht und Lumeh, mein Tourguide für diese Zeit, hat sich kurz vorgestellt.

Zeig mir, was du isst und ich sag dir, wer du bist

Bevor ich endgültig in die Hände von CSSL-Kenema und GRC übergeben wurde, war ich noch mit den Kollegen und Mariama Mittagessen. Beim Essen zeigt sich dann doch, dass ich noch einen sehr, sehr weiten Weg vor mir habe, bis ich mich eingelebt habe. Nach zwei Tagen Reis mit Krinkrin hatte ich echt mal wieder Lust auf etwas anderes… Den anderen hat`s geschmeckt. Aus sicherer Quelle weiß ich, es wird ihnen auch morgen und after tomorrow wieder schmecken…

Und dann war es soweit, mein Rucksack, mein Wasservorrat und ich saßen im Auto und los ging die Fahrt in Richtung Gola Rainforest. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es schon im neuen Header. Das Strandbild (aus Ghana) wurde nun endlich von einem Foto aus dem Greater Gola Landscape, Sierra Leone abgelöst. Mehr Fotos und Eindrücke folgen…

World Environment Day auf Tasso Island

Freitagabend wurde schon gemunkelt, wir würden am Samstag aus der Quarantäne entlassen werden. Ruirui, unsere positiv-getestete Person, war schon auf dem Weg zum Flughafen und nur noch Marije und ich waren in Quarantäne verblieben. Jack informierte uns, dass unsere Soldaten am Samstagvormittag abgezogen werden würden. Wir wagten zu hoffen, waren uns aber nicht 100% sicher.

World Environment Day Celebration

Ich hatte gehofft, wir würden schon am Freitag freigelassen werden. Am Samstag war World Environment Day (Internationaler Tag der Umwelt) mit dem diesjährigen Motto “Ecosystem Restoration” (Wiederherstellung von Ökosystemen). CSSL hat dazu eine Feier mit verschiedenen Aktivitäten veranstaltet. Das Ganze fand in der Big Water Community in der Nähe von Freetown statt. Es wäre mein erstes großes Event gewesen, mit Ansprachen von CSSL und Vertretern der zuständigen Behörde der Regierung. 

Am Tag zuvor gab es schon Fotos in der Whatsapp-Gruppe aus der Arbeit, die zeigten, wie Jugendliche der Big Water Community das Gelände für den World Environment Day vorbereiteten. 

Neben Ansprachen und fröhlichem Beisammensein, war auch eine Baumpflanzaktion geplant – passend zum Motto Ecosystem Restoration. Mein Kollege Papanie hat nicht nur diese Celebration vorbereitet, er arbeitet auch sonst mit der Community. Es geht CSSL darum, dass die Community die Bedeutung der Biodiversität versteht und mithilft, den Wald zu beschützen. Das Problem an vielen Orten ist, dass die Menschen vom Wald leben – vom Holz, von den Tieren und den Früchten. Teilweise wird auch Wald gerodet, um weiteres Ackerland zu erhalten. CSSL versucht immer gemeinsam mit den Communities, die dort wohnen, Wege zu finden, wie einerseits der Wald und damit auch langfristig die Lebensgrundlage der Menschen gesichert werden kann und zugleich die Menschen neue Möglichkeiten kennenlernen, wie sie kurzfristig ihren Lebensunterhalt sichern können. Nicht immer ein leichtes Unterfangen.

Ich wäre sehr gerne bei der Aktion in der Big Water Community dabei gewesen, um mehr Einblicke in diese Arbeit zu bekommen. Leider fuhr der Bus schon morgens um sieben Uhr los, da wusste ich noch nicht sicher, ob ich tatsächlich aus der Quarantäne raus darf oder nicht. Wir wurden leider erst gegen 10:30h in die Freiheit entlassen. Ich zeige euch trotzdem ein paar Bilder inklusive Gruppenfoto und Baumpflanzaktion, auch wenn ich selbst nicht dabei war.

Erste Ecolodge-Analyse

Um das Wochenende in neugewonnener Freiheit nicht ganz untätig zu verbringen, entschloss ich spontan, mich Marije und ein paar Leuten, die sie kennt, anzuschließen und nach Tasso Island zu fahren. Wenn ich schon nicht beim Baumpflanzen dabei sein konnte, so konnte ich wenigstens mit meiner Analyse des Ökotourismus in Sierra Leone starten. Eine meiner Aufgaben bei CSSL wird es sein, eine Strategie für Ökotourismus-Projekte in den Communities zu entwickeln. Wie oben schon beschrieben, ist das Problem, dass viele Menschen vom Wald leben. Es bringt nichts, zu erklären, dass wir die Natur schützen müssen, weil das auch für uns Menschen gut ist. Die Menschen müssen von irgendetwas leben. Eine Idee ist es deshalb, community-based Ökotourismus einzuführen. Es gibt schon ein paar Beispiele dafür im Land. Eines davon ist auf Tasso Island. Vor meiner Abreise nach Sierra Leone hatte ich online einen Kurs zum Thema Ökotourismus gemacht und auch schon ein Gespräch mit der Kollegin von Tourism Watch geführt. Ich hatte also einige wichtige Punkte im Hinterkopf, was bei der Einführung von Ökotourismus zu beachten wäre und wo die Schwierigkeiten liegen könnten. So etwas wie Wasserverbrauch (Touristinnen und Touristen verbrauchen horrend viel Wasser im Vergleich zur lokalen Bevölkerung, nicht nur zum Duschen, auch zum Bettwäsche waschen, putzen, kochen und so weiter), gerechte Verteilung der erwirtschafteten Mittel, beste Einbeziehung der lokalen Bevölkerung, Grenzen des Möglichen.

Aus der Quarantäne ab auf die Insel

Aber zunächst ging es einmal ab auf die Insel. Wie gesagt, es war super spontan. Um halb zehn haben wir erfahren, dass die Soldaten wirklich gehen und wir wieder raus dürfen und eine Stunde später kam das Taxi, um mich abzuholen. Insgesamt waren wir zu fünft – Marije, ihre Kollegin Paula aus Spanien, ihre Kollegin Isa aus Brasilien zusammen mit ihrem Freund Gui, ebenfalls aus Brasilien. Ich bin mit dem Taxi los und habe unterwegs noch Isa und Gui eingesammelt, dann ging es weiter Richtung Kissiy Ferry Terminal. Einmal quer durch die Stadt und mit einer super Verzögerung, weil an einer Stelle, die Straße quasi blockiert war. Auf der Gegenfahrbahn stand ein Auto. Die Motorradtaxis haben deshalb die komplette Fahrbahn eingenommen, weshalb von der Gegenseite niemand mehr weiterfahren konnte, auch an dem Fahrzeug kam niemand mehr vorbei. Da auch die Motorradtaxis von der anderen Seite versuchten, irgendwie durchzukommen, war einfach alles komplett verstopft. Irgendwann kamen wir – wenn auch im Schneckentempo – doch voran und gelangten an die Ablegestelle für die Boote nach Lungi, Kissy und wahrscheinlich weiteren Orten und Inseln. Uns erwartete schon unser Kapitän, Mohammed, der uns durch das Gewusel führte, durch einen engen Durchgang und dann einen schmalen Weg entlang, links das schlakige Wasser der Bucht, rechts ging die Uferbefestigung teilweise steil nach oben. Da gerade Ebbe war, bestand die Bucht aus einem Matsch-Plastikteppich. Mir tut immer das Herz ein bisschen weh, wenn ich so etwas sehe. Besonders am Welt-Umwelt-Tag… Wir wurden dann auf der mal mehr mal weniger steilen Uferbefestigung abgesetzt und sollten warten, bis unser Boot ablegen würde. Das war mal wieder einer der Momente, an denen ich mich frage, welche Besucherinnen und Besucher sich hier wohlfühlen würden. Menschen, die es nicht gewohnt sind, voller Vertrauen, anderen Menschen zu folgen, sich einfach in Mitten der Leute niederzulassen, von allen angestarrt zu werden und zu warten, bis irgendwer kommt und dich auffordert, mitzukommen, die könnten es schwer haben, entspannt nach Tasso Island zu gelangen.

Ich versuche mich in neuen Fotogalerien. Ihr kommt mit den Pfeilen oder mit Klick auf die Punkte zum nächsten Foto.

Wir mussten nur circa 20 Minuten warten, dann rief uns Mohammed und es ging los. Die Ecolodge Tasso Island hat ihr eigenes Boot für Gäste. Es ist etwas teuer und es gibt auch eine viel günstigere Variante, wie ich später erfahren habe. Aber wir wissen ja, alle Erlöse gehen in die communities auf Tasso. Wir waren nur zu zehnt auf unserem Boot, während die anderen Boote, die ablegten, ziemlich überfüllt waren und teilweise Motorräder, Kühlschränke und ich weiß nicht, was noch an Bord hatten. Aber: alle an Bord tragen Rettungswesten.

Die Überfahrt nach Tasso Island dauert circa 1,5 Stunden. Alex, ein Tourguide, war mit an Bord und erzählte uns einiges über die Geschichte Sierra Leones. Er war mit dabei, weil man mit dem Boot auch nach Bunce Island fahren kann. Dort gibt es noch Überreste des Forts in dem die Sklaven eingesperrt waren, bevor sie “verschifft” wurden. Ich bin dieses Mal nicht mit nach Bunce Island gefahren, weil ich dachte, das mache ich dann, wenn jemand von euch mich besucht.

Wie es der Zufall so will, kam ich mit Alex ins Gespräch und siehe da: er ist Mitglied der Conservation Society of Sierra Leone (CSSL – mein Arbeitgeber). Das hat mich natürlich sehr gefreut, dass ich direkt mal ein Mitglied unseres Vereins zufällig treffe und kennenlerne.

Marije und ich sind dann auf Tasso Island von Bord gegangen, die anderen drei sind weitergefahren nach Bunce Island und kamen am späten Nachmittag zu uns auf die Insel.

Tasso Island – ein kleines Paradies in Gefahr

Es ist eine wahre Wohltat, auf Tasso anzukommen. Insbesondere, wenn man frisch aus dem Verkehr und der Luftverschmutzung Freetowns kommt. Nichts als das Geräusch der Wellen, der Palmblätter im Wind und der Vögel im Ohr. Wirklich nichts anderes? Oh – fast habe ich schon vergessen, dass überall Bäume stehen, die ihre kleinen runden Früchte abwerfen. Jedes Mal, wenn eine Frucht auf einem Dach landet, vermutet man, dass ein Loch entstanden sein muss, so laut ist das Geräusch. Aber abgesehen davon – Ruhe, Frieden, frische Luft 🙂

Die Hütten der Tasso Ecolodge stehen direkt am Strand zwischen den Bäumen. Sie wurden von den Dorfbewohnern auf der Insel gebaut. Sie sind schlicht, aber sehr gemütlich und einfach perfekt zum Entspannen. Da es kaum Süßwasser auf der Insel gibt, wartet im Badezimmer eine Wassertonne mit Wasser zum Duschen und Waschen. Fließend Wasser gibt es nicht. Das Licht ist solarbetrieben, AC und Ventilator gibt es auch nicht. Dafür haben die Hütten keine Glasfenster, sondern nur Fliegengitter und Vorhänge. Werden die Vorhänge aufgezogen, kommt eine angenehme Brise in die Hütte. Und der Ausblick von der Veranda: Wellen und am Horizont Freetown in den Hügeln des Festlandes. Alle Mitarbeitenden sind super nett und sehr zuvorkommend. Wir haben uns sofort wohlgefühlt.

Kommunikation und ihre Rätsel

Am Samstag war die Devise ankommen und entspannen. Wir hatten am Vormittag Lunch bestellt, das dann auch quasi schon fast fertig war, als wir ankamen. Brauner Reis mit Fisch oder Hühnchen. Witzig wurde es dann bei der Bestellung des Abendessens. Ibrahim und Lami, zwei von den Mitarbeitern der Ecolodge, fragten so um halb sechs, wann und was wir gerne essen würden. Marije hatte von der Managerin der Ecolodge in Freetown per Whatsapp das Menü zugeschickt bekommen. Ibrahim und Lami berieten uns, erklärten, was sich hinter Tola und dem Tasso Special verbergen würde und so bekamen wir den Eindruck, dass alles, was auf der Karte war, auch verfügbar war. Nach längerem Hin und Her, wer was essen würde, war die Bestellung dann komplett. Ich bin also vor zur Küche und wollte unsere Bestellung aufgeben. Da kam dann die Info aus der Küche – Vegetable? We only have carrots and onion. – Hm. Schade. Eigentlich wollte ich gerade Gurkensalat bestellen… – You want Spaghetti and Chicken? – Äh, eigentlich wollten wir ein paar andere Sachen? – It can be Spaghetti or Spaghetti with Chicken? – Nun gut, dann eben Spaghetti und Spaghetti with Chicken… At what time you want to eat? – So gegen acht? – Oh, that is late. We want to go home – Okay, dann eben früher… 

Wir nahmen es mit Humor. Irgendwie haben wir alle es mit der Kommunikation hier noch nicht so ganz raus. Es ist nicht das erste Mal, dass wir als Nicht-aus-Westafrika-stammende-Personen mit der Kommunikation hier etwas verunsichert waren. Uns ist es allen schon passiert, dass es aus unserer Sicht eine Absprache gab, die aber für die andere Person offensichtlich dann doch nicht fest abgesprochen war. Gleichzeitig passiert es immer, dass für uns gefühlt nichts klar gesagt wurde, aber alle anderen anscheinend ganz genau wissen, wie weiter vorgegangen wird. Mir ist das auch in der Arbeit schon ein paar Mal passiert. So dass ich dann immer nicht wusste, checken jetzt alle, was gemeint war und ich bin die einzige, die es nicht mitbekommen hat? Das mit der Kommunikation muss ich auf jeden Fall noch etwas vertiefen und hoffe, dass ich es irgendwann lerne. Im Falle der Essensbestellung scheint es, dass zunächst uns als Gästen die Wahl gelassen wird, was wir essen wollen, und dann werden wir sanft darauf hin gelenkt, was wir bestellen wollen – mit anderen Worten, was wirklich verfügbar ist: Spaghetti mit Chicken!

Kanutour durch die Mangroven und verdammt viele Kinder

Gui hatte die hervorragende Idee, eine Birdwatching-Tour zu machen. Also sind wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück – leider gabe es gerade kein Brot, nur fried Plantain und Rührei, aber ich glaube, wir wollten gar kein Brot… – also auf jeden Fall nach dem Frühstück sind wir dann los mit zwei Kanus zum Birdwatching aufgebrochen. Birdwatching heißt Vögel beobachten. Die Höflichkeit uns gegenüber oder unsere Unfähigkeit die richtigen Fragen zu stellen und die Antworten richtig zu verstehen, hat leider verhindert, dass wir schon morgens um sieben, wenn der beste Zeitpunkt für den Start gewesen wäre, gestartet sind. Morgens hätten wir mehr Vögel gesehen und vor allem hätten unsere Paddler, die uns durch die Mangroven manövrierten, nicht so schwitzen müssen. Uns hat es trotzdem sehr gut gefallen. Zunächst ging es kurz am Strand entlang und dann rein in die Mangroven.

Da die Ebbe einsetzte, konnten wir nicht direkt bis Tasso Village fahren, sondern haben den letzten Teil des Weges zu Fuß zurückgelegt. Die ganze Zeit an unserer Seite: Ibrahim, einer der Angestellten der Ecolodge und Touristenführer.

Gemeinsam sind wir also auf dem Weg, der rot durch die grünen Pflanzendickichte führte, nach Tasso gelaufen. Manchmal kamen Motorradtaxis vorbei. Auf Tasso gibt es insgesamt vier Dörfer und die Ecolodge. Das Dorf Tasso ist genau am anderen Ende der Insel. In Tasso “besichtigten” wir die Schule und das Gesundheitszentrum. Das Gesundheitszentrum wird durch die Einnahmen der Ökolodge finanziert. Spätestens seitdem wir in die Nähe des Dorfes gekommen waren, sammelte sich eine Traube von Kindern, die uns ab da begleitete und konstant anwuchs. Sie riefen uns immer “Oporto, Oporto” zu. Was Gui anfangs für eine Begrüßung hielt und freudig mit “Oporto, Oporto” zurück grüßte, ist in Wirklichkeit das Temne-Wort für “weißer Mensch”. Es geht auf die Zeit zurück, als die ersten Portugiesen in die Gegend kamen.

Temne? Was ist nun denn wieder Temne? Temne, ist eine weitere Sprache, die in Sierra Leone gesprochen wird. Nur 1,5 Bootsstunden von Freetown entfernt, bringen mir meine geringen Kriokenntnisse gar nichts, wenn ich mit den Kindern reden will. Also mussten wir noch schnell ein bisschen Temne lernen, um zumindest freundlich grüßen und Grüße beantworten zu können. Vor allem, da wir auch dem Chief kurz vorgestellt wurden.

Auf einem Fotos seht ihr einen Zaun, der etwas windschief daherkommt. So sehen meistens die Zäune aus, die die Gemüsegärten schützen. Bei mir in Freetown, am Nachbargrundstück gibt es auch ein paar Stellen, die so abgetrennt sind. Da Kühe, Hühner und Ziegen frei herumlaufen, ist das der einzige Weg, um das Gemüse zu schützen. Die Boote auf den Bildern sind die Fischerboote. Die Inselbewohnerinnen und Bewohner leben größtenteils vom Fischfang. Die Männer fahren raus aufs Wasser und fangen die Fische. Die Frauen trocknen sie und verkaufen sie anschließend in Freetown. Da der Boden auf der Insel sehr sandig ist und schnell austrocknet, wächst nicht so viel Gemüse und Obst auf der Insel. Das meiste muss vom Festland geholt werden. 

Vorgeschmack auf die Regenzeit

Nach der Besichtigung des Dorfes ging es zurück zur Ecolodge – diesmal zu Fuß, einmal quer über die Insel. Wir hatten unsere Hausaufgaben gemacht und schon nach dem Frühstück das Mittagessen bestellt. So gab es dieses Mal tatsächlich das Tasso Special (Fisch und Krabben in einer gelblichen Soße) und Tola (eine rötliche Soße mit zerstampften Samen irgendeiner Pflanze mit Fisch). Zu beidem gab es natürlich Reis, was sonst. Eigentlich wollten wir nach dem langen Marsch durch Sonne und Sand ins Meer tauchen, aber leider war das Wasser weg. Es war Ebbe. Also hieß es warten, bis die Flut kommt. Doch anstelle der Flut kam eine starke Brise – oder in unseren Worten ein Unwetter. Das Meer wurde aufgepeitscht vom Wind während zugleich der Himmel alle Schleusen geöffnet hatte. Und das war viel besser als eine kleine Erfrischung im Meer. Außerdem konnten wir den Regen nutzen und das von uns verbrauchte Duschwasser wieder auffüllen. Eigentlich wollten wir langsam aufbrechen, zurück nach Freetown, aber bei dem Wetter blieb uns nichts anderes übrig, als dazusitzen und auf den Regen und die Wellen zu schauen, bis der Regen nach über einer Stunde nachlassen würde und wir wieder sicher mit dem Boot übersetzen konnten. Zum Glück war Ibrahim gerade am Strand, als der Regen einsetzte. Ich habe ihm bei uns auf der Veranda Unterschlupf angeboten und konnte die Gelegenheit nutzen, nochmal ein paar tiefergehende Fragen zum Ecolodge-Projekt zustellen. Was die Schwierigkeiten am Anfang waren, was unternommen wurde, um die Schwierigkeiten zu überwinden, was gut läuft und was nicht so gut läuft und wie das Geld eingesetzt wird. Somit hat der Regen uns nicht nur Abkühlung gebracht, sondern mir auch noch eine Extraportion Wissen. Auch darüber, wie schwer es für die Menschen auf der Insel ist während der Regenzeit. Immerhin ist ihnen der Weg nach Freetown dann manchmal abgeschnitten und sie können weder ihren Fisch verkaufen, noch Einkäufe tätigen.  

Nach dem Regen gab es noch eine Fotosession mit mehreren Gruppenfotos und am Ende winkten uns Lami, Ibrahim und Osnata zu, bis wir sie nicht mehr sehen konnten.

Zurück in Freetown begrüßte uns der ganze Plastikmüll, der bei unserer Abreise bei Ebbe in der Bucht lag, nun schwimmend auf dem Wasser. Nach unseren zwei Tagen in einem kleinen Paradies, zurück in der Wirklichkeit. Auch auf Tasso waren an manchen Stellen in den Mangroven Plastiktüten in den Ästen gehangen, am Strand lagen Plastikflaschen, alles angeschwemmt vom Festland. Vielleicht starten wir von CSSL mal eine Aktion, die zum diesjährigen Motto des Welt-Umwelt-Tages in Deutschland passt: Nein zu Wegwerf-Plastik – ja zu Mehrweg! Für mich war es trotz des Plastikteppichs und der Abgase in Freetown ein sehr gutes Wochenende. Es war ziemlich spannend, gleichzeitig Gast und Analystin zu sein. Ich freue mich schon, auf meine Analysen der weiteren Ökolodges in Sierra Leone.

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