Schlagwort: Sierra Leone

Welcome to Kenema

Ich sitze gerade in meinem Hotel in Kenema, der Regen prasselt fröhlich vor sich hin und die Hügel, die ich eigentlich sehen würde, sind in einer Regen-Nebelwolke (einer sogenannten Glocke) verschwunden. Es ist Sonntagabend, die deutsche Fußball Nationalmannschaft der Männer hat gestern gewonnen, wie ich vorhin erfahren habe, und ich habe in den letzten Tagen so viel erlebt und so viele neue Eindrücke erhalten, dass ich gar nicht weiß, wie ich anfangen soll. Vielleicht einfach von vorne.

Immer schön flexibel bleiben

CSSL hat neben dem Büro in Freetown auch jeweils ein Büro in Kabala und eines in Kenema. Es war schon länger geplant, dass ich die Kolleginnen und Kollegen an beiden Standorten noch vor der Regenzeit kennenlerne. Wegen meiner Quarantäne hat sich das nun etwas nach hinten verschoben. Aber letzten Donnerstag ging es dann endlich los nach Kenema. Die Fahrgemeinschaft – bestehend aus meinen Chef, meinem Fahrer und Abdul und Mariama – machte sich also am Donnerstagmorgen auf den Weg. Die Reise dauert 4 bis 5,5 Stunden, je nachdem, ab wann man die Reise starten lässt. Zu dem Zeitpunkt, an dem man losfährt – in meinem Fall 7:30 – oder zu dem Zeitpunkt, an dem man Freetown verlassen hat – in unserem Fall 9 Uhr. So oder so, waren wir gegen eins in Kenema. Die Straße von Freetown nach Kenema ist sehr gut. Wir hatten natürlich unterwegs noch Zeit für zwei kleine Stopps, um Verpflegung zu kaufen. Erst gab es kleine runde Fladen aus Yamsmehl mit scharfer Soße in der Fischteile waren, danach noch einen frisch gegrillten Maiskolben. 

Eigentlich war der Plan, wir kommen gegen 13h an, essen zu Mittag und haben dann von 14h bis 17h Meeting mit den Kolleginnen und Kollegen. Natürlich war dann doch alles ganz anders, da ein wichtiges Zoom-Meeting anstand, so dass wir nur circa 30 Minuten Kennenlernen mit dem Team vor Ort hatten und sich dann alle in alle Winde verstreut hatten. Ich fand mich ab halb drei alleine im Hotel.

Es war nicht so wild, so hatte ich Zeit, mich auszuruhen, libanesischen Kaffee zu genießen und entspannt mit lieben Menschen in Deutschland zu telefonieren.

Auf den Fotos seht ihr unser Meeting, den typischen Hände-Wasch-Eimer, der vor allen Büros, Supermärkten usw. steht, um Covid vorzubeugen und meinen Kaffee inklusive Blick von der Hotelterrasse

Auch der Plan für die kommende Tage änderte sich mehrfach. Da hieß es für mich: einfach machen, was mir angetragen wird.

Projekte in den Kambui Hills und im Gola Rainforest

Am Freitag Vormittag holten wir nach, was eigentlich für Donnerstag geplant war: die Projektverantwortlichen in Kenema stellten mir die Hauptprojekte vor, in denen sie zur Zeit arbeiten. Kenema befindet sich in der Nähe der liberianischen Grenze, direkt an den Kambui Hills und am Tor zum Gola Regenwald. CSSL hat ein Projekt in den Kambui Hills und ein großes, gefördert mit EU-Geldern, an den outskirts des Regenwaldes.

Ganz kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass es in beiden Fällen unser Ziel ist, den Wald zu schützen. Beim Gola läuft das schon sehr gut. Der Gola ist offiziell als Naturpark anerkannt, die Grenzen sind festgelegt und akzeptiert und es gibt schon eine über viele Jahre gewachsene Zusammenarbeit mit den sogenannten Forest Edged Communities (den FECs – den Gemeinden, die am Rande des Waldes leben). Im Falle der Kambui Hills verhält sich die Situation etwas anders. Die Kambui Hills sind zwar protected area (geschützte Gegend), haben aber keinen Nationalpark Status. Außerdem sind die Grenzen nicht offiziell festgehalten. Was sich sowohl “die Regierung” als auch die Forest Edged Communities zu Nutze machen.

In beiden Gegenden bestehen die Projekte aber eigentlich aus ähnlichen Komponenten: Community work, Aufklärung zu Umweltthemen und Bewusstseinsbildung, Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen und sogenannte livelihood Ansätze, das sind Projektkomponenten, in denen den Menschen vor Ort alternative Einkommensmöglichkeiten erschlossen werden, damit sie nicht weiter in den geschützten Wald vordringen. Ein großes Problem der Arbeit von CSSL ist, dass sie vollständig Geber finanziert sind. Das heißt, sie können nur Aktivitäten umsetzen, für die sie Geldgeber haben. Im Falle von PAPFor, dem Projekt am Rande des Gola, gibt es keine Gelder für livelihood Aktivitäten. Ohne diese ist es aber unwahrscheinlich, dass das Gesamtprojekt erfolgreich wird. Deshalb versuchen zwei Kollegen gerade, über eine weitere Stiftung Geld zu beantragen, um die fehlenden Komponenten trotzdem finanzieren zu können. Das hört sich erst einmal alles ganz viel und verwirrend an. Ging mir auch so. Aber ich hatte nun ja schon ein paar Tage Zeit, das Ganze sacken zu lassen.

Groundnutsoup für alle chiefdoms

Ein kleines Beispiel, was es mit den livelihood Projekten auf sich hat. Sierra Leone ist auf kommunaler Ebene in Chiefdoms aufgegliedert. Das sind die traditionellen Gesellschaftsstrukturen, die auch heute noch für die Verwaltung und vor allem, wenn man Neues in einem Dorf starten möchte, berücksichtigt werden müssen. Neben der offiziellen Regierungsstruktur gibt es also nach wie vor die traditionelle.

Für die Arbeit von CSSL und GRC (Gola Rainforest Company) bedeutet dies, dass sie auf Community Ebene nur arbeiten können, wenn auch auf Chiefdom Ebene das Okay gegeben wurde. 

Kurzer Exkurs: GRC ist ein sehr enger Partner von CSSL im Gola Rainforest. Wir arbeiten dort zusammen und unterstützen uns gegenseitig. GRC ist aus CSSL entstanden, nachdem der Gola zum Nationalpark ernannt worden war.

Im Greater Gola Landscape arbeiten wir in sieben Chiefdoms. Nicht alle sind immer gleichermaßen an einer Zusammenarbeit interessiert. In einigen Chiefdoms konnte GRC eine Zusammenarbeit starten und die communities erhielten unter anderem Saatgut für Erdnüsse. Im Folgejahr gab es eine sehr gute Erdnussernte. Eine Queen aus einem anderen Chiefdom, die zunächst nicht mitmachen wollte, hat sich bei GRC gemeldet und sinngemäß gesagt: “Ich habe gesehen, in den anderen Dörfern gibt es jeden Tag groundnut soup. Ich will auch groundnut soup! Ich bin heute hier, um das Memorandum of Understanding zu unterschreiben, so dass wir nächstes Jahr auch jeden Tag groundnut soup essen können.” So konnte die Zusammenarbeit in einem weiteren Chiefdom starten. Das Engagement kommt also anscheinend sehr gut an. Zugleich zeigt das Beispiel, wie wichtig die livelihood Komponente für die erfolgreiche Projektarbeit ist.

Nach der Projektvorstellung hatten wir – Mariama, Abdul und ich – noch 30 Minuten Zeit, um unseren kleinen Input zu machen. Wir wollen in den nächsten Monaten Workshops mit den Kolleginnen und Kollegen in Kabala und Kenema abhalten mit dem Ziel, bessere Fotos und Informationen für unsere Öffentlichkeitsarbeit und Advocacyarbeit zu erhalten. Oftmals bekommen wir nur verschwommene, schlecht belichtete Fotos per Whatsapp zugeschickt (Beispiel: siehe Foto vom Meeting oben). In einem ersten Schritt haben wir jetzt Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche an so einen Workshop abgefragt, mit denen wir (oder wahrscheinlich eher ich) dann in die Planung starten können.

Meeting open air und ab geht`s Richtung Gola

Im Anschluss ging es direkt zum Büro von GRC. Das Bürogebäude ist ebenfalls in Kenema, aber etwas außerhalb. GRC hat einen beträchtlichen Fuhrpark an 4×4 Fahrzeugen und Motorrädern für ihre Arbeit im Park und mit den Communities. Auch bei GRC wurde ich als neues Familienmitglied vorgestellt. Die Besprechung war auf einem großen überdachten Balkon mit Blick in die Baumkronen. Sehr angenehm und passend für eine Besprechung mit den Verantwortlichen für einen Nationalpark. Mein Schedule für die nächsten Tage wurde fix gemacht und Lumeh, mein Tourguide für diese Zeit, hat sich kurz vorgestellt.

Zeig mir, was du isst und ich sag dir, wer du bist

Bevor ich endgültig in die Hände von CSSL-Kenema und GRC übergeben wurde, war ich noch mit den Kollegen und Mariama Mittagessen. Beim Essen zeigt sich dann doch, dass ich noch einen sehr, sehr weiten Weg vor mir habe, bis ich mich eingelebt habe. Nach zwei Tagen Reis mit Krinkrin hatte ich echt mal wieder Lust auf etwas anderes… Den anderen hat`s geschmeckt. Aus sicherer Quelle weiß ich, es wird ihnen auch morgen und after tomorrow wieder schmecken…

Und dann war es soweit, mein Rucksack, mein Wasservorrat und ich saßen im Auto und los ging die Fahrt in Richtung Gola Rainforest. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es schon im neuen Header. Das Strandbild (aus Ghana) wurde nun endlich von einem Foto aus dem Greater Gola Landscape, Sierra Leone abgelöst. Mehr Fotos und Eindrücke folgen…

Wieso sind keine Menschen auf den Strandfotos?

An dieser Stelle möchte ich euch zunächst sagen, wie sehr ich mich freue, dass so viele Leute meinen Blog lesen und vielen, vielen Dank auch für die vielen Rückmeldungen. So erhielt ich zum Beispiel von meiner Mutter den Hinweis, dass ich den Beriff Advocacy erklären sollte – habe ich direkt angepasst. Hummel hat mich dankenswerter Weise darauf aufmerksam gemacht, dass das Foto von mir mit den Koffern nur auf Insta zu sehen war, aber nicht auf dem Blog. Auch das habe ich nun ergänzt. Im Artikel Und dann kam die Angst seht ihr mich jetzt mit meinen Koffern und Rucksäcken vor dem Abflug am Flughafen Frankfurt und auch mein erstes Selfie aus Sierra Leone. Mein Neffe stellte die wichtige Frage „Hast du schon eine Giraffe gesehen???“ – Nein, leider nicht. Erstens bin ich ja in der Stadt und zweitens gibt es in Sierra Leone meines Wissens gar keine Giraffen. Wir haben Leoparden, Schimpansen, Nilpferde und Antilopen, aber keine Giraffen. Und dann hat mich vor wenigen Tagen noch eine wichtige Frage per Voicenachricht erreicht:

„Kaddl, darf man im Meer denn baden?“

fragt Luise mich am frühen Donnerstagmorgen. Ihr kam die Frage, weil auf meinen Fotos zwar Strände zu sehen sind, aber nie Menschen im Wasser. Etwas verschlafen und unter mehreren Gähnern habe ich die Antwort zurückgeschickt. Im Nachhinein dachte ich mir aber, vielleicht interessieren sich mehr Leute für die Antwort auf diese Frage, deshalb hier nochmal für alle die Antwort, warum auf meinen Fotos keine Menschen beim Schwimmen zu beobachten sind 😊

Das Recht am eigenen Bild

Liebe Luise, warum sind auf meinen Fotos fast nie Menschen im Wasser zu sehen und auch so selten Menschen auf meinen Fotos. Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass jede Person ein Recht am eigenen Bild hat. Ich versuche dieses Recht möglichst zu akzeptieren, dass heißt, es anzuerkennen und darauf Rücksicht zu nehmen. Vielleicht möchten die Menschen gar nicht, dass ich sie einfach fotografiere und ihre Fotos dann ins Internet stelle, wo man das Foto von der ganzen Welt aus sehen kann. Vielleicht finden die Menschen sich nicht schön auf dem Foto oder ihnen ist die Situation unangenehm, in der ich sie fotografiere. Für mich ist das ein bisschen schwierig, weil ich euch dann nur schwer zeigen kann, wie es hier aussieht, weil die Menschen gehören ja zu meiner neuen Umgebung 😉 In meinem Beitrag Begegnungen zum Beispiel seht ihr Menschen auf den Fotos von meinem Ausflug ins City Center (City Center heißt auf Deutsch Stadtzentrum – City heißt Stadt und Center heißt Zentrum). Aber diese Menschen waren in der Stadt auf der Straße unterwegs. Ich hoffe deshalb, es ist in Ordnung, dass ich sie fotografiert und die Fotos verwendet habe. 

Der Strand ist nicht zum Schwimmen, sondern zum Fußballspielen da

Ein weiterer Grund, weshalb auf meinen Strandfotos kaum Menschen im Wasser sind, ist, dass die Menschen hier nicht unbedingt zum Strand gehen, um zu schwimmen. Der eine Strand, der Lumley Beach (Beach ist das englische Wort für Strand und Lumley ist der Name des Stadtteils), ist ein paar Kilometer lang und wird hauptsächlich an den Wochenenden als Ausflugsziel genutzt. Es ist quasi der Stadtstrand. An der „Strandpromenande“, der Straße, die am Strand entlang führt, gibt es ganz viele Restaurants und Strandbars. An Samstagen und Sonntagen ist der Strand voller Menschen, die dort ihr Picknick machen. Unter der Woche wird der Strand eher zum Sportmachen genutzt. Abends ab fünf gehen die Leute hier Joggen und es wird vor allem Fußball gespielt. Nach dem Fußball kühlen sich die Spieler auch in den Wellen ab. Aber richtig Schwimmen gehen sie nicht.

Der Strand ist manchmal schmutzig

Ich selbst war auch nicht schwimmen direkt an dem Strand bei meinem Hotel, obwohl ich einfach nur über die Straße gehen musste. Aber: das Wasser dort ist nicht wirklich sauber. Am Strand selbst sieht man das, weil einiges an Plastikmüll am Strand liegt. Plastikflaschen, Fetzen von Plastiktüten, Schuhe und noch einiges mehr. Der Müll kommt teilweise aus dem Meer, aber hauptsächlich wird er aus der nahen Bucht herausgeschwemmt. An den Ufern der Bucht, die ihr unten auf dem Foto seht, haben einige Familien sich Häuser gebaut. Es gibt dort aber weder Müllabfuhr, noch Toiletten noch sonst irgendetwas. Der Wasserstand in der Bucht ist sehr unterschiedlich. Je nachdem, ob gerade Flut ist (also viel Wasser in der Bucht ist) oder Ebbe (also wenig Wasser in der Bucht ist). Beim Wechsel zwischen Flut und Ebbe wird der ganze Müll und auch wortwörtlich die Scheiße, aus der Bucht herausgeschwemmt und am nächsten Strand – dem Lumley Beach – wieder an Land gespült. Das Wasser dort ist deshalb nicht so sauber. Es ist kein Dreck, den man sehen kann. Das Wasser sieht sauber aus, aber es kann „unsichtbaren“ Schmutz enthalten, von dem man krank werden kann. Ich bin deshalb dort lieber nicht schwimmen gegangen.

Starke Wellen und Unterwasserströmungen

So viel also zum Lumley Beach, an dem das Wasser nicht so sauber ist und wo die Leute eher Fußball spielen als schwimmen zu gehen. Es gibt aber ja noch ganz viele andere Strände. Zum Beispiel in Lakka. Lakka ist ein Ort etwas südlich von Freetown. Südlich heißt, dass man auf der Landkarte etwas nach unten gehen muss. Dort ist das Wasser sehr sauber und der Strand ist sehr schön. Aber auch hier – keine Menschen auf meinen Fotos. Ich kann jetzt schon verraten: an einem Teil des Strandes sind sehr viele Menschen im Wasser, aber nur an einer Stelle. An den anderen Stellen sind die Wellen und die Strömungen unter Wasser sehr stark. Die Wellen sehen von außen gar nicht so groß aus. Aber man sieht schon, dass unter Wasser sehr viel Bewegung ist und das Wasser dort sehr viel Kraft hat. Wenn man dort ins Wasser geht, kann es sein, dass die Wellen einen unter Wasser ziehen und die Strömung unter Wasser einen vom Strand wegzieht. Das kann gefährlich sein. Hier gibt es keine Bademeister. Und falls ihr einen Globus zur Hand habt (@Chris I.: sorry, dass ich in diese Wunde bohre) seht ihr, dass wenn ich hier in Sierra Leone aufs Meer gezogen werde von der Strömung, sehr lange warten muss, bis wieder Land kommt. Wenn man den Strand nicht kennt, muss man hier deshalb immer jemanden fragen, ob es gefährlich ist, bevor man ins Wasser geht. Die Leute, die direkt am Strand wohnen, wissen das normalerweise.

In der kleinen Bucht: Riesen Gaudi im Wellenbad

An einer Stelle am Strand in Lakka ist allerdings eine riesen Gaudi im Gange – zumindest am Feiertag und am Wochenende. Der Strand endet an einer kleinen Landzunge, so dass hier keine Strömung ist und man ohne Gefahr ins Wasser gehen kann. Als wir vom Auto durch die kleinen Gassen zwischen den Häusern an den Strand gelangen, empfängt uns ein ohrenbetäubender Lärm. Unzählige Kinder sind im Wasser und haben sichtlich Spaß daran, sich von den Wellen hin- und herwerfen zu lassen. Hier sind eindeutig viele (kleine) Menschen im Wasser.

Menschenleere Traumstrände

Natürlich kann ich keinen Beitrag über Strände veröffentlichen, ohne meinen Lieblingsstrand zu nennen: Cockle Point Beach. Ich habe schon davon berichtet in meinem Artikel First day in my live as an expat. Ich war mittlerweile jedes Wochenende mindestens einmal dort und es ist jedes Mal so wunderschön. Sehr ruhig, sehr angenehm – einfach Entspannung pur. Das Strandlokal ist am Ufer eines Flusses, der ins Meer mündet. Hier ist der perfekte Ort für einen Familienausflug. Das Wasser hier ist höchstens Hüfthoch (bei Erwachsenen) und es gibt keine Strömung. [Anmerkung: es gibt doch Strömungen, wenn die Gezeiten sich ändern und wenn die Flut kommt, ist das Wasser auch etwas tiefer.] Hier können also die Kinder super alleine ins Wasser oder an dem kleinen Strand spielen. Watet man rüber zum Meer sieht es etwas anders aus. Traumstrand mit weißem Sand der sich fast endlos zieht und das Meer, das in sanften Wellen anrauscht. Wer gerne badet, wird diesen Strand lieben. Einfach in die Wellen legen und schaukeln lassen, bis die Finger schrumpelig sind 😊 Hier sind aber auch keine Menschen im Wasser auf meinen Fotos. Das hat einen ganz einfachen Grund: Hier sind schlicht und ergreifend kaum andere Menschen. Mein schönster Strand bis jetzt und gleichzeitig der Leerste. Perfekte Mischung.

Liebe Luise, ich hoffe, ich konnte deine Frage einigermaßen beantworten. Wie du siehst, gibt es mehrere Gründe, weshalb kaum Menschen auf meinen Fotos beim Baden zu sehen sind. Falls euch auch Fragen im Kopf herumspuken, immer her damit. Ich versuche dann, sie zu beantworten. Nun muss ich leider los – ich wurde gerade von den anderen Leuten, die hier in meiner neuen Unterkunft wohnen, gefragt, ob ich Lust habe, zum Cockle Point mit zu fahren. Wie könnte ich da nein sagen…

Anmerkung: Den Artikel habe ich am Samstag geschrieben, konnte ihn aber nicht direkt veröffentlichen, weil ich kein Internet hatte. Nicht, dass ihr jetzt denkt, ich fahre einfach am Montagnachmittag an den Strand…

Norwegischer Lachs und westafrikanische Fischer

Langsam kommen wir den Themen, um die es für mich in den kommenden Jahren gehen wird, näher. Wahrscheinlich haben sich noch nicht so viele von euch Gedanken darüber gemacht, was unser Supermarkt-Lachs aus norwegischen Aquakulturen mit der Lebensgrundlage beziehungsweise der Zerstörung der Lebensgrundlage von Fischern an der westafrikanischen Küste zu tun hat. Auch mir war das Ausmaß der Wechselwirkungen bis gestern nicht wirklich bewusst. Und damit auch ihr nicht länger im Dunkeln tappen müsst und beim nächsten Griff ins Supermarktregal wisst, was norwegischer Lachs mit Fischern in Gambia, Senegal und Sierra Leone zu tun hat, hier ein paar Infos zum Thema.

Viele Informationen werden hier über Whatsapp-Gruppen verbreitet. Egal, ob es die Verkündung des Feiertages zum Ende des Ramadan ist, ein Restaurant-Tipp für den besten Burger in Town, der Austausch, welches Krankenhaus gerade am besten ist, Informationen zu verlässlichen Taxifahrern usw. Ich erhalte all diese Informationen über eine Whatsapp-Gruppe in der gute 200 Expats aus unterschiedlichsten Ländern vernetzt sind. Gestern wurden zwei Links zu Zeitungsartikeln eingestellt, die beide ein sehr ähnliches Thema behandeln.

“Catastrophic: Sierra Leone sells rainforest for Chinese fish plant”

lautete die Schlagzeile im Guardian. Anscheinend hat die Regierung ein Gelände direkt am Strand etwas südlich von Freetown an ein chinesisches Unternehmen verkauft, das dort einen Fischereihafen bauen möchte. Der Strand grenzt direkt an ein Naturschutzgebiet, in dem einige gefährdeteTierarten leben, zum Beispiel das Pangolin (das Schuppentier) und viele Fischpopulationen nutzen die Gewässer in Strandnähe zum Laichen. Außerdem sind die Gewässer direkt vor dem Strand die Lebensgrundlage der Bevölkerung vor Ort. Die meisten Familien leben vom Fischfang. Die lokalen Fischer fahren mit ihren kleinen Pirogen aufs Meer und fangen die Fische mit Netzen per Hand. Sie haben keine großen “Trawler” wie die internationalen Fischfangunternehmen und haben somit keine Chance gegen die Konkurrenz. Das Problem ist, dass die großen Fischereiboote weiter draußen am Meer alles wegfischen, so dass keine Fische mehr in Küstennähe zu finden sind. Angeblich will das chinesische Unternehmen “nur” einen Hafen bauen und keine Fischmehlfabrik, was noch um einiges katastrophaler wäre, aber die Leute hier trauen dem nicht wirklich. Und auch der Hafen hätte schlimme Folgen für das Wasser, die Tiere und die Menschen dort. Wer sich für mehr Details interessiert, kann den ganzen Artikel online lesen. Er ist frei verfügbar, allerdings nur auf Englisch: Artikel online lesen auf theguardian.com.

Und nun zu unserem Lachs im Supermarktregal

Schön und gut, mag sich die eine oder der andere nun denken. Was haben wir damit zu tun, dass die Chinesen die Weltmeere leer fischen und deshalb ein paar Fischer in Westafrika ihren Lebensunterhalt verlieren und ein paar Fischpopulationen dezimiert werden? Leider so einiges. 

Die chinesischen Trawler fischen die Weltmeere nicht unbedingt für die Ernährung in China leer, sondern vieles landet – wenn auch über Umwege – auf den Tellern in deutschen Esszimmern. Der Spiegel hat zu diesen Zusammenhängen einen sehr guten Artikel veröffentlicht. Er behandelt das Problem zwar nicht in Bezug auf Sierra Leone, sondern in Hinblick auf Gambia, aber die Situation ist sehr, sehr ähnlich. Und wenn hier am Strand tatsächlich eine weitere Fischmehlfabrik entstehen sollte, hätten Natur und Mensch kaum eine Chance damit klarzukommen. 

Da der Artikel auf Deutsch ist, möchte ich ihn jetzt hier nicht wirklich wiedergeben, lest am besten selbst: “Gambia: Chinas Trawler fischen Afrikas Küsten leer – für unseren Lachs aus Norwegen”. Nur so viel sei kurz angeteasert: die chinesischen Trawler fischen die Gewässer leer, um aus dem Fang Fischmehl zu produzieren. Diese Produktion ist nicht gerade umweltfreundlich, verursacht sehr viel Schmutz, Abfall und Gestank und hinterlässt nicht viel Positives. Das Fischmehl wird verwendet, um zum Beispiel Lachse in norwegischen Aquakulturen zu füttern.

Ein ziemlicher Irrsinn, wenn man es sich genau überlegt. Da werden Fische in Westafrika gefangen und zu Fischmehl verarbeitet, um damit Fische, die in Nordeuropa gezüchtet werden, zu füttern, damit dann in Europa die Menschen mit gutem Gewissen Lachs essen, der nicht etwa aus dem Meer stammt und somit nicht die Lachspopulation im Meer verringert – und zugleich werden ganze Ökosysteme in einem anderen Teil der Welt unwiederbringlich zerstört. Aber wie gesagt, lest den Artikel am besten selbst.

Zurück zu unserem schönen Stück Strand, das bald wahrscheinlich dem globalen Konsum zum Opfer fallen wird. CSSL ist mit einigen Partnern an dem Thema dran. Ich weiß noch nicht genau in welchem Rahmen und mit welchen Aktionen. Ich hoffe, dazu erfahre ich in den nächsten Tagen mehr. Und was den norwegischen Lachs auf euren Tellern angeht, nun, da müsst ihr künftig selbst entscheiden, zu welchem Preis ihr ihn genießen könnt 😉 Ich wünsche uns allen guten Appetit.

First day in my life as an expat

Wer auf Insta meine Fotos von meinem ersten Tag hier gesehen hat, denkt nun ich bin im Urlaubsparadies angekommen. Für die Menschen, die Urlaub machen können, mag das stimmen, für den Großteil der Bevölkerung hier nicht. Schon auf dem Weg von der Fähre zum Hotel sprangen die Anzeichen für die Lebensrealität, die mich in den kommen Jahren umgeben wird, ins Auge: selten habe ich so viele Menschen in einer Hauptstadt mit Wasserkanistern Wasserholen sehen, spielende Kinder im Wasser, bei dem ich lieber nicht nachdenke, was alles drin ist, kleine zusammengezimmerte Häuschen und vieles mehr. 

In meinem Kopf ist angekommen, das wird hier kein Urlaub, aber es ist gut zu wissen, dass es kleine Inseln gibt, auf denen ich Kraft sammeln kann. Die ersten Inseln habe ich direkt an meinem ersten Tag kennengelernt.

Ein Expat – was ist das?

Einige von euch fragen sich bei der Überschrift vielleicht, was ist ein expat? Ich kenne das Wort auch noch nicht so lange, aber als alte Lateinerin konnte ich es mir natürlich sofort erschließen: expat steht für expatriat – also die, die sich außerhalb ihrer Heimat befinden. Das Interessante an dem Konzept der Expats ist, dass es offensichtlich auch damit zusammenhängt, dass man keinen Wohnsitz mehr im Heimatland hat. Ich kenne niemanden, der als Student länger im Ausland war oder die als Freiwillige ein Jahr woanders gelebt hat und sich als “Expats” bezeichnen würden. Expats scheinen nur Leute zu sein, die für internationale Organisationen, Regierungsinstitutionen und ähnliches ins Ausland gehen und sich dort in ihrer Expat-Community zusammenfinden. Dabei ist es vollkommen egal, woher die Expats kommen. Es ist also eine sehr internationale Gemeinschaft.

Das Vorurteil, dass ich zu Expats in meinem Kopf habe, ist, dass sie in ihrer eigenen Blase in einer Art Parallelgesellschaft leben. Eigentlich ist es mein Ziel, die nächsten drei Jahre nicht in der Expat-Community zu verbringen. Es wird sich zeigen, ob ich es schaffe, mir auch außerhalb Freundschaften und Beziehungen aufzubauen. Der Einstieg hier in Sierra Leone war auf jeden ein Expat-Tag par excellence.

Start in den Tag als Expat

Der Tag eines Expats startet im besten Fall in einem klimatisierten Zimmer. Das Badezimmer mit fließend Warmwasser ist nicht weit und zum Frühstück gibt es natürlich Kaffee mit Milch und allerlei anderen guten Sachen. 

Nach dem Frühstück geht es im klimatisierten Geländewagen, den der Expat natürlich auch privat nutzen darf, zu einem Ausflugsziel, das jemand aus der lokalen Bevölkerung niemals besuchen würde. In meinem Fall war es der Guma Valley Dam. Der Guma Valley Dam wurde in den 1960er Jahren gebaut und versorgt Freetown mit Wasser. Abgeholt wurde ich von Jonas, einer anderen Fachkraft von Brot für die Welt, der schon eine Weile hier ist und bald zurückkehrt nach Deutschland. Gemeinsam mit ihm und seiner Freundin, die gerade zu Besuch ist, fuhren wir also zum Damm. Nach einigem Palaver mit dem Mann am Gate – eigentlich muss man in Freetown im Guma Dam Building einen Pass besorgen (wahrscheinlich eine Art Ticket oder Passierschein) – ging es dann auch ohne Pass. Allerdings zu Fuß, die angeblich 1,5 km zum Damm. Da wir über eine Stunde brauchten in Flipflops und in hoher Luftfeuchtigkeit, denke ich, es waren dann doch mehr als 1,5 km. Die kleine Wanderung ging durch wunderschön grünen Wald, mit rießen Schnecken auf dem Weg (wirklich groß, bestimmt 20cm lang), Vogelgezwitscher und sogar ein Affe wurde gesichtet sowie viele bunte Schmetterlinge. Oben am Damm gab es sogar eine Picknickstelle, leider hatten wir nichts dabei… Also genossen wir den Ausblick auf den Stausee und die in den Wolken mystisch wirkenden Hügel ohne Picknick. Jonas holte zwar eine Mango vom Baum, aber die war alles andere als reif.

Traumstrand als Ziel, der nur mit eigenem Auto erreichbar ist

Nach der schweißtreibenden Wanderung hatten wir uns unser nächstes Ziel – einen der Traumstrände in der Nähe von Freetown – redlich verdient. Den Strand findet nur, wer weiß, wo er ist. Sowohl auf dem Weg zum Damm als auch zum Strand sind die Hinweisschilder so platziert, dass sie erst erscheinen, wenn man den Weg eh schon gefunden hat. Also alles Geheimtipps hier 😉 Und natürlich kommt man dort auch nur mit eigenem Auto hin, am besten ein Geländewagen. 

Aus dem Corona-geplagten Deutschland kommend, wo alle seit Wochen auf die Öffnung der Außengastronomie warten, ist ein kühles Bier unter Palmen, neben den Mangroven und mit Blick auf weiße Strände und kristallklares Wasser doppelt so wertvoll und erfrischend. Und es war ja mein erstes Bier in Sierra Leone! Zum Bier gab es lecker Hummus (hier gibt es eine ziemlich große libanesische Community, deshalb gibt es überall Hummus). 

Giftgrüne Schlangen und Hexen

Und dann waren wir ganz lange einfach nur faul und haben nichts gemacht – bis uns eine kleine grüne Schlange aus unserem Nichtstun riess. Plopp – machte es und auf einmal fiel sie vom Himmel (also vom Baum) direkt neben uns in den Sand. Giftgrün, so dick wie ein Finger und vielleicht einen halben Meter lang.

Die Bedienung meinte, sie wäre zwar sehr giftig, aber “normale” Menschen greift sie nicht an. Sie beißt nur Hexen. Also müssten wir uns keine Sorgen machen. Er hat das mit so einer Ruhe gesagt, dass man wirklich das Gefühl bekam, Sorgen sind ganz und gar überflüssig. Leider weiß ich immernoch nicht, ob die Schlange giftig war, aber nur Hexen beißt oder ob sie einfach auch gar nicht giftig war und vor allem – wen definiert die Schlange als Hexe???

Zum Strand selbst ist nicht so viel zu sagen, außer, dass er wirklich sehr schön ist. Wer mehr Fotos sehen will: einfach mal Cockle Point Beach in die Suchmaschine eingeben. Von unserem kleinen Strandlokal, das etwas versteckt im Mangrovenwald war, musste man noch durch hüfttiefes Wasser waten, um an den Meeresstrand zu kommen. Weißer Sand, Sonnenschirme aus Palmblättern und sanft rauschende Wellen – das Wasser ist ganz weich und warm. Die Wellen schaukeln einen ganz angenehm und sanft. Blickt man Richtung Süden sieht man Banana Island, blickt man ins Landesinnere, sieht man die grüne Hügelkette und auf der anderen Seite ist der unendliche Ozean.

Back to reality

Nach so viel Urlaubsfeeling geht es zurück in die Realität. Dafür reicht schon ein Besuch im Supermarkt auf dem Heimweg mit leeren Regalen und wenig einladender Atmosphäre, dem Stromausfall, der in der Wohnung seit dem Morgen schon auf einen wartet und die teure Rechnung des Elektrikers, der das Problem innerhalb von Minuten aber mit sehr viel “Hirnleistung” behebt. 

Für mich war der Tag ziemlich voll gewesen. Neue Umgebung, viele Eindrücke, Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit und noch ganz viel in mir drin zu Verarbeiten. Entsprechend knocked-out war ich dann am Folgetag. Aber zunächst ging es erst einmal ins Bett, an meinem ersten Tag als Expat.


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Ihr findet unten rechts ein Formular-Feld, über das ihr euch für meinen Newsletter anmelden könnt. Mir hat es gestern das Format zerschossen, ich schaue, dass ich das bald wieder hinbekomme, aber vielleicht kommt ihr trotzdem klar. Ihr müsst nur eure E-Mail-Adresse eingeben und auf „jetzt anmelden“ klicken. Dann bekommt ihr immer eine Info per E-Mail, wenn ein neuer Beitrag von mir veröffentlicht wurde und nur dann 😉

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