Covid-Response Sierra Leone Style

Seitdem meine Kolleginnen und Kollegen wissen, dass ich in Quarantäne bin, zeigt sich ein großes Ausmaß an Fürsorge und Mitgefühl. Täglich melden sich mindestens drei manchmal auch fünf von ihnen bei mir, um nachzufragen, wie es mir gehe, ob ich was brauche und mit besten Wünschen und Gebeten für mich. Ich bin wirklich sehr gerührt! Gefühlt habe ich seit meiner Quarantäne mit mehr Leuten aus dem Team Kontakt als während meiner kurzen Präsenzzeit im Büro. Ihr seht also, ich bin stets umsorgt und umhegt. Ganz abgesehen davon, dass ich weit davon entfernt bin zu hungern oder zu vereinsamen. Aber nun erst einmal von vorne. Wie kam es denn zu meiner Quarantäne.

Covid-Test im Krankenhaus oder Ist das hier die Geburtenstation?

In meinem letzten Beitrag ist ja schon angeklungen, dass ich mich in Quarantäne befinde, natürlich wegen Covid. Es ist ziemlich ärgerlich und ein riesengroßes Pech, wenn man bedenkt, dass in Sierra Leone zur Zeit null bis zehn neue Fälle pro Tag registriert werden. Einer dieser Fälle wohnt ausgerechnet bei mir im Guesthouse. 

Als ich letzten Mittwoch voller Elan und frohen Mutes nach der Arbeit nach Hause gekommen bin, wartete die schlechte Nachricht auf mich. Ruirui hatte sich am Montag getestet und nun ein positives Covid-Testergebnis erhalten. Ich habe daraufhin direkt Sheku informiert und nachgefragt, wie das Vorgehen bei CSSL in diesem Fall sei. Natürlich gab es so einen Fall noch nicht. Wir waren uns aber schnell einig, dass es besser wäre, wenn ich sicherheitshalber – trotz Impfung – einen PCR-Test machen würde und erst wieder ins Büro komme, wenn das Ergebnis da ist. War natürlich ein bisschen Mist, da ich ja einiges an Besprechungen vorhatte für Donnerstag und Freitag, aber what to do. Das Risiko, dass ich am Ende eine Kollegin oder einen Kollegen anstecken würde, war mir ehrlich gesagt zu hoch. Selbst wenn ich einen milden Verlauf haben würde, dank meiner Impfung, ist ja noch nicht ganz klar, ob Geimpfte das Virus noch übertragen können oder nicht.

Donnerstagvormittag bin ich also mit Marije, der anderen Deutschen aus dem Guesthouse, zum Krankenhaus gefahren, um einen Test zu machen. Über die Arbeit kennt Marije dort jemanden, weshalb wir zwar trotzdem erst zu drei verschiedenen Stellen geführt wurden, bis wir dann getestet wurden, aber es ging ohne große Wartezeit.

Schon vor dem Krankenhaus sind die Covid-Impf-Plakate zu sehen. Zwischen Tor und Krankenhauseingang (das sind vielleicht fünf bis sechs Meter) werden die Impfungen durchgeführt. Man geht durch das Tor, registriert sich rechts an einem Tisch, geht dann nach links und wartet. Wird man aufgerufen, geht man wieder nach rechts hinter den Anmeldetisch und erhält dort die Impfung. Die Impfdosen sind in Kühlboxen gelagert. Nach der Impfung bekommt man von einer Dame mit weißer Haube den blauen Impfausweis (die Frau seht ihr auf dem einen Foto am linken Rand), während zwei Meter weiter gerade eine Lieferung Einmal-Handschuhe und weitere Kisten ausgeladen werden. Hat man den blauen Impfausweis, muss man noch ins Gebäude. Was dann passiert, konnte ich nicht sehen. Aber alle sind mit ihren Ausweisen zur Anmeldung, wo wildes Gedränge herrschte. Vielleicht gibt es dort den offiziellen Stempel? Im Krankenhaus trägt kaum jemand eine Maske, zumindest nicht über Mund und Nase. Das war etwas irritierend für uns. By the way: Wir haben die ganze Zeit brav unsere FFP2-Masken getragen, auch auf der Fahrt im Keke und auch an den Folgetagen immer im Guesthouse, sobald wir unsere Zimmer verlassen haben.

Es war ziemlich viel los im Krankenhaus. Gefühlt war es eine einzige Mutter-Kind-Station, da fast nur Schwangere und Frauen mit wirklich gaaaanz kleinen Babys da waren. Wie wir erfahren haben, liegt das daran, dass Schwangere, “frische” Mütter und Kinder bis zu einem gewissen Alter, kostenfreie Behandlung erhalten. Deshalb kommen viele von ihnen nun ins Krankenhaus zur Geburt, aber auch zur Behandlung von Krankheiten von Kindern. Sierra Leone ist noch weit davon entfernt, die SDGs im Bereich Mütter- und Kindersterblichkeit zu erreichen. Dies ist eine Maßnahme, um den Zielen näher zu kommen. 

[SDG ist die Abkürzung für Sustainable Development Goals (Nachhaltige Entwicklungsziele). Es sind die weltweiten Ziele, auf die sich die UN geeinigt haben und für deren erreichen weltweit fast alle Staaten zusammenarbeiten. Mehr Infos unter: https://sdgs.un.org/goals]

Unser Test wurde in der Isolierstation durchgeführt. Allerdings war gerade niemand dort isoliert – hoffen wir zumindest. Immerhin war ein Loch in der Wand und die Fenster offen. Die Isolier- und Teststation besteht aus mehreren Containern, die wahrscheinlich im Rahmen der Covid-Response auf dem Hof des Krankenhauses aufgestellt wurden. Wir haben im Krankenhaus die Info bekommen: Wenn wir bis Sonntag nichts hören, sind wir negativ. 

Anschließend waren wir noch kurz Obst und Gemüse kaufen und ich habe mir ein MiFi gekauft. Natürlich alles mit FFP2-Maske. Zum Glück habe ich mir das MiFi besorgt, denn am Wochenende waren Strom und Internet weg. Auch jetzt für meine Woche zuhause ist es super, immer Internet zu haben.

Covid Response unter militärischer Bewachung

Ehrlich gesagt, war ich schon etwas genervt von der Tatsache, dass ich Donnerstag und Freitag nicht ins Büro konnte und bis Montag warten sollte, um weiterzuarbeiten. Und dann kam es ja noch schlimmer. Aber alle Kolleginnen und Kollegen und sonstige Leute, die ich in meiner kurzen Zeit hier schon kennengelernt hatte, haben mir sehr viel support gegeben. Alle haben angeboten, mir Sachen zu bringen, wenn ich irgendetwas benötigen würde. Aber dank der nicht ganz verständlichen Quarantäneregeln, bin ich hier nach wie vor gut versorgt.

Am Donnerstag kam ein Mann vom National Covid-Response Center (NaCOVERC), um nach Ruirui zu schauen, unserer positiv-getesteten Person. Er erklärte uns, dass wir alle in Quarantäne bleiben müssten, bis wir alle zwei negative Testergebnisse vorweisen können, wobei die Tests immer im 7-Tage-Abstand gemacht werden. Damit war mein Tag erstmal gelaufen. Ich dachte, es könnte ja ewig dauern, bis Ruirui auch negativ ist… Um sicherzustellen, dass wir das Grundstück nicht verlassen, wurden ab Freitag auch drei Militärs abgestellt, die uns bewachen sollten. Seit Sonntag sind sie weg. Vielleicht passen sie also nur am Wochenende auf? Jeden Morgen wird aber abgefragt, ob wir alle da sind. Da ich meist auf meinem Balkon sitze, bin ich am leichtesten zu finden für unsere Zuständigen von NaCOVERC. Es ist nun mein morgendliches Ritual während ich meinen Kaffee trinke:

Erst höre ich ein leises „Hello, hello“. Dann stehe ich auf und antworte mit: „Good morning“ „Good morning – how are you“ „I am fine. Thank you. How are you“ „Fine fine. Are you Marije?“ „No. I am Kathrin.“ „Where is Marije?“ „She is in her room.“ „Where is Ruirui?“ „She is in her room.“ „Where is Mr Jonathan?“ „He is in his room.“ „Are you Kathrin?“ „Yes, I am.“ „So all are here. Thank you. Stay well.“ Witziger Weise fragt er mich jeden Morgen, ob ich Marije bin. Nur vorhin, als er kam und Mr Jonathan suchte, hat er mich mit Kathrin angesprochen? Ich muss nicht alles verstehen. Ich bin ja erst drei Wochen hier…

Das Interessante ist, dass nur wir vier aus dem ersten Stock in Quarantäne sind. Alle anderen dürfen das Grundstück verlassen, kommen und gehen, wie sie wollen. Zuerst wollte der Mann vom NaCOVERC alle testen und unter Quarantäne stellen. Aber Jack meinte, I have to run this place. I cannot stay under quarantine. Damit war das geklärt. Auch Jenna, unsere französische Journalistin, ist nicht unter Quarantäne. Sie war gestern bei mir in der Arbeit, weil ich ihr einen Interviewtermin bei meinem Chef besorgt habe, zum Black Johnson Beach (Ihr erinnert euch, das war die Story mit dem norwegischen Lachs). Sie hat mir meine Notizen aus dem Büro mitgebracht…

Food supply und andere Kuriositäten

Ruirui hat heute erfahren, dass sie die Auflagen nicht erfüllt hat. Welche Konsequenzen das haben wird, wissen wir nicht. Eigentlich hätte sie sich für die Isolation mit Sauerstoff und anderen Sachen eindecken müssen. Umgerechnet im Wert von 100 US-Dollar. Das hat sie nicht gemacht. Ich muss dazusagen: sie ist mit Johnson-Impfstoff geimpft und ihr geht es sehr gut. Sie hatte nur Samstagvormittag Symptome, seitdem nicht mehr. Es hieß, sie schicken ihr heute einen Krankenwagen vorbei. Wir wissen aber nicht, was die dann machen wollen.

Und dann war auch der NaCOVERC-Mann, er heißt übrigens Cesar, wieder da. Er wollte aber mit Mr Jonathan sprechen. Ich denke, weil Jonathan der einzige Mann im ersten Stock und somit selbstverständlich unser Haushaltsvorstand und “Bestimmer” ist. Wie es hier üblich ist, kam Cesar zunächst um Jonathan anzukündigen, dass er sich später nochmal melden würde, weil er etwas mit ihm besprechen müsste. Um was es geht, hat er nicht verraten. Aber er hat sich die Nummer notiert. Circa fünf bis zehn Minuten später kam er wieder. Offensichtlich wollte er nun reden. Jonathan ist also mit runter. Und siehe da, was es wichtiges zu besprechen gab: Wir haben Essen bekommen. Wir wollen uns nicht beschweren. Klar, wir sind schon seit fünf Tagen in Quarantäne und sowohl der getrocknete Fisch als auch die potatoe leaves (Kartoffelblätter), die hier zum Nationalgericht verarbeitet werden, sehen alles andere als frisch aus und: nicht mal Reis wurde mitgeliefert. Aber ein kleiner Kanister Palmöl und ein paar Dosen Tomatenmark und so Zeug. Zusammen mit James und Abdul, die beide hier arbeiten, haben wir uns mehrfach gewundert, über den Zeitpunkt der Lieferung und vor allem über das Essen selbst. Keine Ahnung, ob das irgendwer hier essen wird. James meinte, er auf jeden Fall nicht… 

Aber wie gesagt, wir wollen uns nicht beschweren. Immerhin schickt uns die Regierung hier was zu Essen in die Quarantäne. Das habe ich aus Deutschland noch nicht gehört. 

Und noch eine schöne Geschichte aus unserer Covid-Erfahrung hier: Gestern waren zwei Sozialarbeiter und eine Frau bei Ruirui, um sie zu besuchen und ihr Witze zu erzählen. Dabei handelt es sich um die psychosoziale Betreuung von Covid-Erkrankten. Wahrscheinlich soll es ihnen die Selbstisolation erleichtern. Auch ein sehr schönes Angebot wie ich finde. Es ist zwar etwas seltsam, eine Person in Selbstisolation zu verbannen und dann alle zwei Tage jemanden vorbeizuschicken, aber gut.

Ich habe es mir in der Zwischenzeit hier ganz nett eingerichtet. Und mit Arbeit, Vogelbeobachtung und Hängematte lässt sich die Quarantäne eigentlich ganz gut aushalten. Das Vogelfoto habe ich leider nicht selbst gemacht, aber der Vogel, ein Village Weaver, saß fast auf meinem Balkon. Das Foto ist von Wikipedia. Gestern habe ich tatsächlich ziemlich viel gearbeitet. Was mich sehr freut. Heute bin ich leider etwas unmotiviert, aber jetzt muss ich dann doch mal ein bisschen was für die Arbeit machen.

Und die beste Nachricht: Wir dürfen jetzt doch schon wieder raus, wenn wir persönlich zweimal negativ getestet sind. Unabhängig von den Testergebnissen der anderen. Marije, Jonathan und ich haben unser erstes Negativ-Ergebnis schon bekommen. Also blicke ich voller Vorfreude aufs Wochenende und auf die nächste Woche. Und bis dahin genieße ich das Leben in unserer internationalen WG. Wie wir uns so die Zeit vertreiben, dazu mehr in den nächsten Tagen.

1 Kommentar

  1. Lauerin

    Hold through, liebe Kaddl! Essenslieferung, Witzeerzähler und Militärbewachung – einfach wow! Klingt nach allem, nur nicht Langeweile. Ich drücke dir die Daumen für die baldige Freitestung.

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