Mein kurzer Trip in den Gola Rainforest scheint schon wieder in so weiter Ferne, dabei war es erst vor einer Woche. Irgendwie passiert hier immer so viel, so dass ich gar kein Zeitgefühl mehr habe…
Umso schöner ist es, dass ich mich jetzt nochmal in Gedanken auf die Reise begeben kann, um euch von meinem Ausflug in den Regenwald zu berichten.
Forest Edged Communities
Zunächst vielleicht erst noch einmal kurz zur Erklärung, weshalb ich arbeitstechnisch im Regenwald unterwegs bin und das nicht alleinig mein privater Spaß ist. Der erste Grund ist, dass der Gola Rainforest so etwas wie unser Vorzeigeprojekt ist. Es ist CSSL mit vielen nationalen und internationalen Mitstreitern gelungen, den Regenwald offiziell als Nationalpark erklären zu lassen, so dass der Wald offiziell geschützt ist und dieser Schutz einen sehr hohen Status hat. Als Kommunikationsfrau ist es deshalb natürlich wichtig, dass ich den Gola zumindest einmal gesehen habe.
In einigen vorangegangenen Beiträgen ist außerdem schon angeklungen, dass wir versuchen den Regenwald und auch andere noch bestehende Wälder in Sierra Leone zu schützen und zu bewahren. Einerseits aus Gründen der Biodiversität und um den Lebensraum vieler Tiere zu schützen, aber auch, weil mit der Zerstörung der Natur auch die Lebensgrundlage der Menschen zerstört wird. Eine Dorfgemeinschaft erzählte zum Beispiel, sie haben den Wald in der Nähe ihres Dorfes vor ein paar Jahren abgeholzt. Im Jahr darauf hatten sie sehr große Wasserprobleme. Seitdem sie den Wald wieder aufgefortest haben und ihn bewahren, haben sie keine Wasserprobleme mehr.
Um den Wald zu schützen, arbeiten wir deshalb auch sehr eng mit den sogenannten Forest Edged Communities (FECs – den Gemeinden, die an den Rändern der geschützten Waldregionen leben). Die Gemeindemitglieder werden aufgeklärt über die Bedeutung des Umweltschutzes für ihren Alltag. Gemeinsam werden Strategien entwickelt, wie es gelingen kann, den Wald zu schützen. Es gibt zum Beispiel “Community Forests”, die von den Gemeinden bewirtschaftet werden. Wir unterstützen die Gemeinden, diese Waldstücke nachhaltig zu nutzen, so dass es nicht nötig ist, neuen Wald zu erschließen. Dazu kann ich aber nochmal Genaueres berichten, wenn ich das nächste Mal in Kenema war.
Eine weitere Strategie, die Gemeinden mit zu beteiligen, sind Tourismusprojekte. Gemeindemitglieder werden als Tour Guides ausgebildet, in den kleinen Ökotourismus-Unterkünften im Gola werden Menschen aus dem nächstgelegenen Dorf beschäftigt und ähnliches. Die Gäste der Eco-Lodges gehen normalerweise eine Runde ins Dorf, um die Menschen zu begrüßen und sich einmal kurz zu zeigen. Ich denke, es geht hierbei auch darum, zu zeigen, dass die Schönheit der Natur und die Tierwelt etwas ganz besonders sind, so dass Menschen von weit weg kommen, um sie sich anzuschauen.
Die Sierra Leoneans lieben Fremde, das ist das, was sie selbst von sich sagen und das ist auch genau das, was man spürt, wenn man im Land unterwegs ist. Insbesondere in den beiden Dörfern, in denen ich nun im Gola war, habe ich ein sehr großes Maß an Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Offenheit erlebt. Ich konnte mich vor geschenkten Ananas kaum retten. Ich habe schon überlegt, zum National Tourist Board zu gehen und ihnen zu raten, ihren Werbeslogan zu ändern. Aktuell heißt er “Sierraously surprising”, aber aus meiner Sicht ist das absolute Alleinstellungsmerkmal Sierra Leones, das Lächeln und das Lachen der Menschen. Ich denke, sie sollten lieber mit “Smile Salone” oder so etwas in der Art werben. Aber das kläre ich dann mit dem Tourist Board direkt…
Lalehun – Dorf mit Presidential Suite und Lehmbau
Unser erstes Ziel im Gola war Lalehun. Das liegt am nordwestlichen Rand. Es ist ein größeres Dorf knapp außerhalb des Regenwaldes und ein paar Unterkünfte innerhalb des Waldes. Die Unterkünfte werden meist von Forschenden und von den Forest Guards genutzt. Die Unterkünfte können auch von Touristinnen und Touristen gebucht werden, aber insbesondere im letzten Jahr, war die Auslastung wegen Covid natürlich nicht so gut.
Gemeinsam mit Lomeh, meinem Tourguide, und den beiden Guides aus dem Dorf (Mustafa und Francis) sind wir nach unserer Ankunft ins Dorf gelaufen. Es ist ein relativ großes Dorf, da die Regierung hier Holzarbeiter angesiedelt hatte mit ihren Familien, die neben dem eigentlichen Dorf, das es schon länger gab, ihre Unterkünfte errichteten. Das Abholzen wurde mittlerweile beendet. Aber die Menschen haben teilweise ihre community forests am Rande des Regenwaldes und dürfen Totholz und Früchte aus dem Wald nehmen. Es gibt auch immer noch eine Schreinerei im Dorf. Natürlich alles fast openair.
Einige von euch wissen ja, dass ich letztes Jahr in Ghana war, unter anderem im Rahmen eines Lehmbau-Workshops. Deshalb bin ich nach wie vor sehr interessiert an den lokalen Hausbautechniken. In der Gola-Region werden für die Häuser zunächst die Gerüste aus dünnen Bäumen gebaut, die dann mit Lehm verkleidet werden. Wie ich letztes Jahr gelernt habe, ist Lehm ein super Baustoff, da natürlich zu 100% biologisch abbaubar und er isoliert auch gut vor Wärme. Die Häuser haben kaum Fenster und meist gibt es einen überdachten Außenbereich zum Kochen und als Regenschutz. Macht natürlich Sinn bei ein paar Monaten Regenzeit im Jahr. Die Dächer werden traditionell mit Palmzweigen gedeckt, moderne mit Wellblech. Wobei das Wellblech eigentlich nicht schlau ist für das Klima hier. Erstens heizt es sich in der Sonne super auf und zweitens ist es mega laut, wenn der Regen drauf prasselt.
Auf den Fotos seht ihr ein paar Bilder von der Lehmbau-Technik, die drei Damen wollten unbedingt ein Foto, in der Hand des einen Mannes seht ihr eine Frucht vom breadnut-tree, ich weiß nicht, wie wir ihn nennen, und dann natürlich ein Foto der Schreinerei.
Am Dorfrand beim Eingang zum Nationalpark befindet sich die Präsidentensuite. Hier haben die beiden Präsidenten von Sierra Leone und Liberia genächtigt, als sie den transboundary Nationalpark offiziell eingeweiht haben. Der größere Teil des Gola ist nämlich in Liberia. Die Präsidentensuite ist allerdings einfach nur ein kleines Haus. Aber die Leute hier sind sehr stolz, dass die Präsidenten da waren.
Forest walks, monkeys und beeindruckende Ameisenstraßen
Der Gola ist ein Regenwald. Hier gibt es ein hohes Maß an Biodiversität an Pflanzen und Tieren. Auch einige bedrohte Arten leben hier. Dazu gehören die Picathartes, das sind besondere Vögel, die ich aber erst beim nächsten Mal besuchen werde. Auch die Zwergnilpferde gibt es hier. Die sieht man aber kaum. Wer erwartet, hier herzukommen und dann laufen direkt die ganzen Tiere vor die Kamera, der hat sich getäuscht. Wie hat es mein Kollege Patrick so schön formuliert: “We are not a zoo.” Aber das heißt natürlich nicht, dass sich gar keine Tiere sehen lassen. Ich habe verschiedene Affen gesehen, teilweise haben sie sich direkt bei unserem Camp durch die Baumkronen geschwungen, wunderschöne Vögel kamen vorbei, das erste Mal seit Jahren habe ich endlich mal wieder Glühwürmchen gesehen und vor allem haben sehr beeindruckende Ameisen meine Wege gekreuzt.
Quer über unseren Weg zog sich an mehreren Stellen eine Ameisenstraße. Aber nicht so, wie wir sie in Deutschland kennen. Nein. Diese Ameisen bauen mit ihren Körpern einen Tunnel. Durch diesen Tunnel transportieren dann andere Ameisen die Eier und alles wertvolle Hab und Gut zu ihrem neuen Zuhause. Ich fand das sehr beeindruckend. Leider greifen die Ameisen sofort an, so dass ich kaum Zeit hatte, Fotos bzw. ein Video zu machen.
Es gibt auch beeindruckende Bäume (einige sehen aus wie die Ents aus Herr der Ringe), Lianen, Pflanzen in den unterschiedlichsten Grüntönen. Leider schafft es die Kamera nicht, diese grüne Vielfalt wirklich einzufangen, so dass alle Fotos nur ein blasses Abbild der Wirklichkeit sind. Was soll ich sagen – müsst ihr einfach selbst gesehen, gerochen und vor allem gehört haben. Es ist ein Dauergesang von Vögeln, Insekten, Wind, Regen und Säugetieren zu hören, der niemals verstummt. Er ändert sich im Laufe des Tages und der Nacht, aber es ist wird nie ganz still.
Von Lalehun aus bin ich morgens mit den beiden Guides und Lomeh zum Viewpoint aufgebrochen. Es geht eine dreiviertel Stunde durch den Wald zu einem Ausblickpunkt von dem aus ich Richtung Liberia über den Regenwald blicken konnte. In den Bäumen am Hang gegenüber wohnen Schimpansen. Ich habe sie nicht gesehen, aber das kenne ich ja schon von den Walen. Wenn man lange genug ins Wasser schaut, in dem mit Sicherheit Wale sind, gilt das quasi so, als hätte man tatsächlich einen Wal gesehen. Ich denke, ähnliches gilt auch für Schimpansen im Regenwald.
Leider waren wir erst so gegen acht am Viewpoint, der meiste Nebel hatte sich schon verzogen, nur ein paar Wolken hingen noch in den Hügeln. Trotzdem war der Blick wunderschön.
Nach einer kleinen Pause ging es zurück, wo das Frühstücksbuffet auf uns wartete. Dann ging es mit dem Auto weiter nach Sileti. Sileti ist im Süden. Eigentlich gibt es einen direkten Weg durch den Wald dorthin. Leider ist die Brücke eingestürzt, so dass wir die Straße außenherum nehmen mussten und somit knappe fünf Stunden unterwegs waren anstatt von nur einer oder 1,5 Stunden.
Auf dem Weg nach Sileti kamen wir an der einzigen bekannten Palme auf dem afrikanischen Kontinent vorbei, die mehr als einem Kopf/Hals/Stamm- ich weiß nicht, wie man es nennen soll – hat. Wir haben extra angehalten und alle haben fleißig Fotos gemacht.
Sileti oder bin ich hier in der Schweiz?
An einer anderen Stelle haben wir angehalten, um noch ein paar Früchte zu kaufen und auf einmal kommt Patrick mit einem kleinen Affen an einer Leine zurück. Die Leute an dem Ort hatten ihn als “Haustier” gehalten. Das ist erstens sehr gemein und zweitens auch verboten. Wir haben ihn deshalb mit nach Sileti genommen. Der Arme war ganz verängstigt. In Sileti im Camp leben gerade auch zwei andere Affen, die befreit wurden. Der Kleine konnte leider nicht sofort von seiner Leine befreit werden. Erst, wenn er sich ans Lager gewöhnt hat und nicht mehr abhaut. Wenn er einfach in den Wald geht und dort auf andere Affen trifft, kann es sein, dass sie ihn töten, da er nicht zu ihrer Familie gehört. Die anderen beiden Affen waren zutraulicher und haben sich sehr über Bananen gefreut.
In der Nähe von Sileti ist das Dorf Geneva (Genf). Dort hat eine Schweizerin während des Bürgerkrieges Menschen mit Lebensmitteln und Hilfsgütern versorgt, die sich vor dem Krieg in den Wald geflüchtet hatten. Die Frau ist während des Krieges verstorben. Die Menschen haben sich entschieden, dort zu bleiben und ein neues Dorf zu gründen. In Gedenken an die Schweizerin haben sie es Geneva, nach ihrer Heimatstadt benannt.
Geneva ist bisher mein liebstes Dorf hier. Nach unserer Ankunft in Sileti kam erst einmal ein sehr, sehr starker Regen. Wir konnten deshalb erst mit großer Verspätung ins Dorf aufbrechen, um unseren Antrittsbesuch zu machen. Wir sind los, als es immernoch etwas regnete. Die Straßen waren teilweise unter Wasser und nach kurzer Zeit haben wir die Straße auch verlassen und sind dann noch eine halbe Stunde einem Trampelpfad durch grüne Landschaften gefolgt. Es war sehr schön. Das Dorf ist sehr klein. Nur neun Familien leben hier. Der Dorfälteste hat uns begrüßt und uns wurden Palmfrüchte angeboten. Sowas von lecker!!! Die Palmfrüchte werden einfach gekocht und dann noch in etwas Zucker karamellisiert. Nur den Kern darf man natürlich nicht herunterschlucken. Bei meinem nächsten Besuch in einem Dorf werde ich mich mal auf die Pflanzen, Obst und Gemüse konzentrieren, damit ihr alle wisst, wie eigentlich Papaya, Ananas und Bananen wachsen. Dieses Mal habe ich das leider vergessen.
Am nächsten Morgen haben wir noch einen kleinen Walk durch den Wald gemacht, den Diana Monkey Walk und tatsächlich haben wir ein paar Affen gesehen. Vor die Kamera bekomme ich die leider nicht. Dafür waren sie zu weit weg und zu schnell.
Palmölplantagen auf dem Weg
Wie wird eigentlich Palmöl hergestellt? Diese Frage geisterte schon länger in meinem Kopf herum. Vor allem, weil ich ständig Motorräder sah, die vollbeladen mit gelben Kanistern voller Palmöl unterwegs waren. Überall sieht man Palmölplantagen. Auf dem ersten Blick, habe ich gar nicht gesehen, dass es Plantagen sind. Es sind eben Palmen und dazwischen Gras und niedriges Gebüsch. An einer Stelle haben wir angehalten, damit ich mir anschauen kann, wie das Öl extrahiert wird. Zunächst werden die Palmfrüchte natürlich geerntet. Dafür muss jemand hochklettern und sie abschneiden. Dann kommen sie in die große Tonne, wo sie mit etwas Wasser gekocht werden. Anschließend werden sie gepresst. Entweder per Fuß, wie beim Sauerkrautstampfen oder Weinpressen oder aber mit einer manuellen Presse. Unten fließt dann das fast fertige Öl heraus. Es muss noch einem aufgekocht oder abgeschöpft werden, da bin ich mir jetzt gerade nicht mehr so sicher. Palmöl kommt in die meisten lokalen Gerichte. Meist schwimmt eine rötliche Ölschicht oben. Zum Abschluss gab es noch ein Gruppenfoto und dann zurück ins Auto.
Am Sonntagnachmittag kamen wir wieder in Kenema an und von dort aus ging es am nächsten Morgen zurück nach Freetown. Mein Kopf war voll mit neuen Eindrücken, neuen Infos über die Arbeit von CSSL, neuen Ideen, wie und wo ich mich einbringen könnte und so weiter. Das musste erst einmal alles etwas sacken und dann habe ich hoffentlich irgendwann einmal Zeit, mir nochmal vertiefte Gedanken dazu zumachen.
Nach ein paar Tagen grün, frischer Luft und Wald, kam der Lärm und die Abgase der Stadt mit doppelter Wucht, aber irgendwie habe ich mich auch ein bisschen gefreut, wieder in Freetown zu sein. Es war noch nicht ganz das Gefühl des Nach-Hause-Kommens, aber ganz zart ist es schon da.








































Warum darf man den Kern nicht schlucken? Wächst sonst eine Palme im Bauch?
Genauso ist es in der Tat. Kein schönes Gefühl, wie mir versichert wurde 😉