Jedes Jahr am 21. September wird der Weltfriedenstag der Vereinten Nationen gefeiert- auf Englisch International Peace Day (IPD). Den IPD gibt es seit 1981. Da ich als Fachkraft des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) in Sierra Leone bin, hat dieser Tag auch für mich, meine Organisation und unser ZFD-Netzwerk hier eine große Bedeutung. Jedes Jahr um den 21. September herum, organisieren wir gemeinsam Aktionen zum Thema Frieden in der Gesellschaft. Dieses Jahr ist unser Motto:

„Action for Peace in Times of Covid-19“

Während der Meetings des ZFD-Netzwerkes zur Themenfindung und auch in den folgenden Workshops habe ich mir immer wieder gedacht, dass das Thema auch in Deutschland dieses Jahr sehr passend gewesen wäre. Die Pandemie und vor allem die Maßnahmen, die zu ihrer Eindämmung ergriffen wurden, haben in vielen Gesellschaften Konflikte hervorgerufen. In Deutschland mag es die Diskussion um Freiheitsrechte sein, hier ging es etwas substantieller zur Sache – hier ging es um das tägliche Einkommen und Auskommen der Menschen. So oder so trifft die Pandemie die Menschen weltweit und bringt in vielen Gesellschaften Konflikte oder Schieflagen zu Tage, die schon zuvor da waren. Die Pandemie zeigt auf, wie ernsthaft die Situation wirklich ist.

Mit Blick auf Deutschland rede ich jetzt nicht mehr von den Freiheitsrechten. In Deutschland geht es zum Beispiel eher um die Betreuung und Begleitung von Kindern, Kranken und Menschen in Notlagen oder die Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

In Sierra Leone hat ein scharfer Lockdown letztes Jahr die Leute drei Tage in ihre Häuser verbannt. Niemand durfte arbeiten gehen. Das wird zu einem sehr ernsthaften Problem, wenn man von der Hand in den Mund lebt und die Tageseinnahmen dringend benötigt, um das Abendessen für die Familie zu Hause zu kaufen. Kaum jemand hier hat Ersparnisse oder eine volle Speisekammer, auf die man zurückgreifen kann, wenn man mal ein paar Tage keine Einnahmen hat, geschweige denn irgendwelche Unterstützung von staatlicher Seite. Aber nun erst einmal wieder zurück zum International Peace Day.

Actions for Peace durch die Kameralinse

Im ZFD-Netzwerk vereinen sich die unterschiedlichsten Organisationen. Es gibt Organisationen, die sich wie wir für Umweltschutz und Conservation einsetzen, welche, die sich für die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen stark machen, Partner, die ihren Hauptfokus auf die Ernährungssituation der Menschen haben, Jugendorganisationen und so weiter und so fort. Das bedeutet für den International Peace Day, dass wir viele verschiedene Inputs und Kapazitäten bündeln können für ein buntes Ergebnis.

Zum diesjährigen IPD sind Aktionen in zwei-drei Communities in Freetown geplant. Es wird ein kleines Theaterstück der Freetong Players International geben, in den Tagen vorab starteten schon Radiobeiträge hauptsächlich organisiert von Culture Radio und dann wird es bei den Hauptaktionen am 21. und am 23. auch noch eine Videopräsentation geben. Gemeinsam mit Mitgliedern aus verschiedenen Stadtteilen gab es vor zwei Wochen schon einen Workshop, um Participatory Videos zu drehen. Die Videos die dann daraus letzte Woche entstanden sind, werden nun gezeigt.

Hier erst einmal ein paar Eindrücke von den Community Engagements und den Radioauftritten und natürlich die tollen Sticker. Mal wieder beste Whatsapp-Qualität, aber immerhin…

Participartory Videos for Peace

Eines der Projekte für den Weltfriedenstag sind die Participartory Videos zum Thema. Da ich etwas neugierig war, wie das Ganze hier umgesetzt wird, haben Mariama und ich Ende August an dem dreitägigen Workshop teilgenommen. Außer uns haben Mitglieder aus verschiedenen Stadtteilen bzw. Gegenden in und um Freetown teilgenommen. Innerhalb der drei Tage haben wir uns zunächst mit den Themen Konflikt und Frieden beschäftigt. Was bedeutet Konflikt für uns in unserer direkten Umgebung? Was bedeutet Frieden? Welche Konflikte entstanden oder kamen zum Vorschein durch die Pandemie und wie waren die Lösungen?

Die Idee der Participartory Videos ist, dass nicht ein professionelles Filmteam das Script verfasst, sich die Dialoge ausdenkt und dann den Film dreht und schneidet. Die Idee ist, dass der komplette Film von den Menschen, um die es geht, selbst entworfen, gedreht und geschnitten wird. Einerseits gibt man so Menschen eine Stimme und zugleich werden noch Wissen und Fähigkeiten vermittelt.

Nachdem wir uns also mit Konflikt- und Friedensdefinitionen und deren Realitäten auseinandergesetzt hatten, ging es darum, die Kameras kennenzulernen. Worauf ist zu achten, wenn man Fotos macht, wenn man einen Film dreht. Welche verschiedenen Blickwinkel gibt es, Kameraeinstellungen, was hat das Licht mit dem Ergebnis zu tun… Der Workshop war sehr gut und vor allem war er perfekt auf die Zielgruppe zugeschnitten. Ich muss wirklich sagen, ich habe hier schon an ein paar sehr guten Workshops teilgenommen. Das war definitiv einer davon. Die Arbeit in den Kleingruppen anschließend, um die Stories zu entwickeln war auch sehr interessant und es herrschte die ganze Zeit ein sehr gute Atmosphäre. Für mich waren die Tage etwas anstrengend, da alle die ganze Zeit Krio gesprochen haben. Ich habe zwar verstanden, worum es so ging, aber ich war sehr froh, dass ich Englisch reden konnte, wenn ich mal einen Input gegeben habe.

Am letzten Tag ging es dann mit den Kameras auf die Straße zum Testlauf. In kleinen Gruppen von fünf, sechs Leuten sind wir los und haben Leute auf der Straße interviewt. Es ging erst einmal darum, zu lernen, wie spreche ich jemanden an, wo muss die Kamera stehen, damit man den besten Winkel hat und die Person auch gut erkennen kann und ähnliches. Wir waren eine kleine Filmcrew mit Kameramann, Director (der immer laut „Action“ und „Cut“ rief 🙂 ) und weiteren Crewmitgliedern.

Interviewt wurden der Besitzer des Matratzenladens, ein Okada-Fahrer, eine Schuhverkäuferin, zwei Frauen auf der Straße, der Besitzer eines Werkzeugladens und der Besitzer eines Handy-repair-shops. Somit bekommt ihr nicht nur Eindrücke von unserem Workshop, sondern auch gleich noch ein bisschen von den verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten hier.

Documentary: Fakenews provozieren Chaos in Tombo

Leider konnte ich bei den Flmaufnahmen in Tombo und Freetown nicht dabeisein. Deshalb bin ich umso mehr gespannt auf das Ergebnis. Aber zumindest habe ich schon eine Ahnung davon, worum es geht. Letztes Jahr wurde ein dreitägiger Lockdown ausgerufen. Das hieß auch, dass zum Beispiel die Fischer aus Tombo drei Tage lang nicht aufs Meer fahren durften, um zu Fischen. Nach den drei Tagen gab es Gerüchte, dass am ersten Tag nur 10 von den über 100 Booten aufs Meer fahren dürfen. Da die Fischer und die Fischverkäuferinnen schon drei Tage ohne Einkommen waren, führte diese Information oder diese Fakenachricht zu einem riesen Chaos mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Fischern und den Sicherheitskräften vor Ort. Auch das Krankenhaus war betroffen und Einrichtung wurde zerstört, so dass das medizinische Personal nicht einmal in der Lage war, die Verletzten zu versorgen.

Unser Storyboard sollte eine Art Dokumentation über diese Tage und Auseinandersetzungen werden. Wir wollen Fischer, Fischverkäuferinnen, den Hafenmeister und Sicherheitskräfte interviewen, wie sie die Situation wahrgenommen haben, was aus ihrer Sicht zum Chaos führte und was man in Zukunft in ähnlichen Situationen anders machen sollte, um den Frieden zu wahren. Unsere Botschaft war: don´t believe in fakenews! Und vor allem sollten dann bei Diskussionen und in Gesprächen mit den Leuten aufgeklärt werden, woran man Fakenews erkennt und welche Quellen zuverlässige Quellen sind.

Wie gesagt, ich war selbst beim Dreh nicht dabei, aber auf der Facebook-Seite des West African Youth Networks gibt es ein paar Bilder aus Tombo vom Videodreh und zwei kurze Videos (beides auf der Facebook-Seite des WAYN).

Social Media als Nachrichtenquelle

Das Problem hier ist, dass viele Menschen – ich übrigens auch – alle wichtigen Informationen zu Benzinpreisen, Covid-Regeln, neuen Gesetzen und so weiter normalerweise über whatsapp erhalten. Erst letzte Woche kam eine Nachricht in unsere CSSL-Arbeits-Whatsapp-Gruppe mit einem ganz klar manipulierten und bearbeiteten Bild zu neuen Benzinpreisen. Der Kollege, der es gepostet hat, dachte anscheinend, es ist echt. Zum Glück hat ziemlich schnell jemand anderes darauf hingewiesen, dass es Fake ist. Aber Leute, die nicht so genau hinschauen, nehmen das ernst und dann kann Chaos ausbrechen. Ich denke, insbesondere Benzinpreise und Lockdowns haben hier eine riesen Sprengkraft. Steigen die Benzinpreise, steigen die Kosten für den Transport und gleichzeitig auch alle Lebensmittelpreise, da diese ja auch transportiert werden müssen.

In unserem Trainingsworkshop für die Participartory Videos haben wir auch ein Beispiel Video angeschaut, dass genau das Thema Fakenews und Covid behandelt hatte. Es ist echt irre, dass durch dieses Internet, weltweit die gleichen Verschwörungstheorien zu finden sind und auch diejenigen, die Corona leugnen, die gleichen unsinnigen Argumente zusammentragen – vielleicht mit einer leichten lokalen Anpassung. Wie so oft komme ich also zu dem Schluß: überall die gleichen Idioten unterwegs, überall ähnliche Freuden und Probleme 🙂 Vielleicht sind wir Menschen doch alle ein bisschen ähnlicher, als es manchmal den Anschein macht…

Hier sind jetzt tatsächlich die Videos zu sehen

Hinweis: Ich habe den Artikel schon am 21. September geschrieben und gehofft, dass die Videos bald online zur Verfügung stehen. Sie sind aber leider noch nirgends hochgeladen. Ich veröffentliche also den Artikel heute schon einmal ohne Videos. Wenn die Videos dann irgendwann einmal verfügbar sein sollten, verlinke ich sie und gebe euch Bescheid.

–> Zwei Tage später sind die Videos zwar online, aber ich kann sie leider nicht einbinden, so dass ihr auf die Links klicken müsst, um die Videos anzuschauen. Ihr gelangt nach Facebook. Dort sind die Videos hochgeladen. Viel Spaß beim Anschauen 🙂

–> nochmal einen Tag später… wenn man die richtigen Leute kennt, bekommt man eben auch den Youtube-Link und kann die Videos richtig schön einbinden 🙂

Das erste Video hat eher einen dokumentarischen Charakter, das zweite zeigt eine Geschichte. Die jungen Leute, die am Workshop teilgenommen haben, sind die Actors im Video.

Das schöne bei den Videos ist, dass sie euch ganz gute Einblicke in das normale Alltagsgeschehen hier auf der Straße geben. Und ihr könnt ein bisschen Krio lernen. Die Audioline ist meist Krio, aber es gibt englische Untertitel.

Frieden – eine Aufgabe für uns alle

Was bringt nun so ein Weltfriedenstag eigentlich? Ich denke, es ist einfach immer wieder gut, sich Gedanken zu machen, wo die Konfliktlinien in Gesellschaften verborgen sind oder offen daliegen und wie der Frieden immer wieder aufs Neue bewahrt und beschützt werden kann. In Sierra Leone sind viele Menschen noch geprägt vom Krieg in den 90ern. Auch diejenigen, die ihn nicht miterlebt haben, wissen, wie schnell aus Frieden Krieg werden kann und wie schrecklich dieser Krieg war. Frieden wahren, ist deshalb ein sehr hohes Gut hier. Auch wenn es manchmal Sachen erschwert, da damit auch Kritik und fruchtbare Konflikte nicht ausgetragen werden – aber besser, als wieder Krieg, so die Meinung der meisten hier.

Ich denke heute auch an alle, die gerade keinen Frieden mit uns feiern können. Konflikte gibt es leider noch viel zu viele auf der Welt, deshalb sollten wir – die wir in Frieden leben – diesen auch wertschätzen, wahren und genießen! Vielleicht ist es auch in Europa gut, sich ab und an Gedanken über Krieg und Frieden zu machen. Und zwar nicht nur mit Blick in die Vergangenheit, sondern auch mit einem Blick in die Zukunft.

Euch allen wünsche ich auf jeden Fall inneren und äußeren Frieden und einen happy International Peace Day.