Langsam kommen wir den Themen, um die es für mich in den kommenden Jahren gehen wird, näher. Wahrscheinlich haben sich noch nicht so viele von euch Gedanken darüber gemacht, was unser Supermarkt-Lachs aus norwegischen Aquakulturen mit der Lebensgrundlage beziehungsweise der Zerstörung der Lebensgrundlage von Fischern an der westafrikanischen Küste zu tun hat. Auch mir war das Ausmaß der Wechselwirkungen bis gestern nicht wirklich bewusst. Und damit auch ihr nicht länger im Dunkeln tappen müsst und beim nächsten Griff ins Supermarktregal wisst, was norwegischer Lachs mit Fischern in Gambia, Senegal und Sierra Leone zu tun hat, hier ein paar Infos zum Thema.
Viele Informationen werden hier über Whatsapp-Gruppen verbreitet. Egal, ob es die Verkündung des Feiertages zum Ende des Ramadan ist, ein Restaurant-Tipp für den besten Burger in Town, der Austausch, welches Krankenhaus gerade am besten ist, Informationen zu verlässlichen Taxifahrern usw. Ich erhalte all diese Informationen über eine Whatsapp-Gruppe in der gute 200 Expats aus unterschiedlichsten Ländern vernetzt sind. Gestern wurden zwei Links zu Zeitungsartikeln eingestellt, die beide ein sehr ähnliches Thema behandeln.
“Catastrophic: Sierra Leone sells rainforest for Chinese fish plant”
lautete die Schlagzeile im Guardian. Anscheinend hat die Regierung ein Gelände direkt am Strand etwas südlich von Freetown an ein chinesisches Unternehmen verkauft, das dort einen Fischereihafen bauen möchte. Der Strand grenzt direkt an ein Naturschutzgebiet, in dem einige gefährdeteTierarten leben, zum Beispiel das Pangolin (das Schuppentier) und viele Fischpopulationen nutzen die Gewässer in Strandnähe zum Laichen. Außerdem sind die Gewässer direkt vor dem Strand die Lebensgrundlage der Bevölkerung vor Ort. Die meisten Familien leben vom Fischfang. Die lokalen Fischer fahren mit ihren kleinen Pirogen aufs Meer und fangen die Fische mit Netzen per Hand. Sie haben keine großen “Trawler” wie die internationalen Fischfangunternehmen und haben somit keine Chance gegen die Konkurrenz. Das Problem ist, dass die großen Fischereiboote weiter draußen am Meer alles wegfischen, so dass keine Fische mehr in Küstennähe zu finden sind. Angeblich will das chinesische Unternehmen “nur” einen Hafen bauen und keine Fischmehlfabrik, was noch um einiges katastrophaler wäre, aber die Leute hier trauen dem nicht wirklich. Und auch der Hafen hätte schlimme Folgen für das Wasser, die Tiere und die Menschen dort. Wer sich für mehr Details interessiert, kann den ganzen Artikel online lesen. Er ist frei verfügbar, allerdings nur auf Englisch: Artikel online lesen auf theguardian.com.
Und nun zu unserem Lachs im Supermarktregal
Schön und gut, mag sich die eine oder der andere nun denken. Was haben wir damit zu tun, dass die Chinesen die Weltmeere leer fischen und deshalb ein paar Fischer in Westafrika ihren Lebensunterhalt verlieren und ein paar Fischpopulationen dezimiert werden? Leider so einiges.
Die chinesischen Trawler fischen die Weltmeere nicht unbedingt für die Ernährung in China leer, sondern vieles landet – wenn auch über Umwege – auf den Tellern in deutschen Esszimmern. Der Spiegel hat zu diesen Zusammenhängen einen sehr guten Artikel veröffentlicht. Er behandelt das Problem zwar nicht in Bezug auf Sierra Leone, sondern in Hinblick auf Gambia, aber die Situation ist sehr, sehr ähnlich. Und wenn hier am Strand tatsächlich eine weitere Fischmehlfabrik entstehen sollte, hätten Natur und Mensch kaum eine Chance damit klarzukommen.
Da der Artikel auf Deutsch ist, möchte ich ihn jetzt hier nicht wirklich wiedergeben, lest am besten selbst: “Gambia: Chinas Trawler fischen Afrikas Küsten leer – für unseren Lachs aus Norwegen”. Nur so viel sei kurz angeteasert: die chinesischen Trawler fischen die Gewässer leer, um aus dem Fang Fischmehl zu produzieren. Diese Produktion ist nicht gerade umweltfreundlich, verursacht sehr viel Schmutz, Abfall und Gestank und hinterlässt nicht viel Positives. Das Fischmehl wird verwendet, um zum Beispiel Lachse in norwegischen Aquakulturen zu füttern.
Ein ziemlicher Irrsinn, wenn man es sich genau überlegt. Da werden Fische in Westafrika gefangen und zu Fischmehl verarbeitet, um damit Fische, die in Nordeuropa gezüchtet werden, zu füttern, damit dann in Europa die Menschen mit gutem Gewissen Lachs essen, der nicht etwa aus dem Meer stammt und somit nicht die Lachspopulation im Meer verringert – und zugleich werden ganze Ökosysteme in einem anderen Teil der Welt unwiederbringlich zerstört. Aber wie gesagt, lest den Artikel am besten selbst.
Zurück zu unserem schönen Stück Strand, das bald wahrscheinlich dem globalen Konsum zum Opfer fallen wird. CSSL ist mit einigen Partnern an dem Thema dran. Ich weiß noch nicht genau in welchem Rahmen und mit welchen Aktionen. Ich hoffe, dazu erfahre ich in den nächsten Tagen mehr. Und was den norwegischen Lachs auf euren Tellern angeht, nun, da müsst ihr künftig selbst entscheiden, zu welchem Preis ihr ihn genießen könnt 😉 Ich wünsche uns allen guten Appetit.
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