Typhus statt Tiwai und die Frage: ist Armut ein Gesundheitsrisiko?

Ich hatte gehofft, mein nächster Beitrag nimmt euch nochmals mit auf eine Reise nach Tiwai und in die Dörfer um Tiwai herum. Aber leider wurde die Reise nach Tiwai verschoben. Vielleicht war das ganz gut, denn auf einmal hat der Typhus nochmals ziemlich zugeschlagen und mich für ein paar Tage ausgeknockt. Deshalb machen wir heute keinen Ausflug in den Regenwald, sondern ins Sierra Leonische Gesundheitssystem bzw. möchte ich euch ein bisschen erzählen, was es hier bedeutet, krank zu sein.

Kurze Recherche mit zu vielen Erkenntnissen

Ich selbst hatte ja nun meine erste eigene Erfahrung mit dem Gesundheitssystem gemacht, weiß aber natürlich schon ein bisschen, wie die Realität hier ist. Trotzdem wollte ich nicht nur aus dem Nähkästchen plaudern, sondern euch auch ein paar Fakten nennen, die beispielhaft für die Situation hier sind. Außerdem war ich im teuersten privaten Krankenhaus. Das spiegelt nicht ganz den Standard wider. Jessica, die schon seit einigen Jahren in Sierra Leone lebt und im Gesundheitsbereich arbeitet, hat mir ein paar gute Quellen genannt. Die meisten Infos, die ich hier anbringe und die Grafiken stammen aus dem DHS Report 2019, der mit Unterstützung von USAID erstellt wurde. DHS steht für Demographic and Health Surveys.

Gestern wollte ich eigentlich nur ein bisschen recherchieren und habe dann über neun Seiten Notizen gemacht und dabei habe ich die ganzen Themenbereiche HIV/AIDS, Müttersterblichkeit, Teenage Schwangerschaften und Weibliche Genitalverstümmelung komplett ausgelassen. Ich dachte, das sind Themen, zumindest die letzteren, die eine eingehendere Betrachtung und Behandlung erfordern. Das hätte heute den Rahmen zu sehr gesprengt. Ihr könnt euch also schon darauf einstellen, dass da nochmal irgendwann etwas kommt, zu diesen Themen und weshalb sie gesellschaftsrelevant sind. Nicht nur in Bezug auf die Gesundheit, sondern auch allgemein für die Gesellschaft.

39° und ich werd noch heißer….

Im letzten Beitrag habe ich ja noch geschrieben „Zum Glück „nur“ milder Typhus“, als wäre das ein Klacks. Wieso jetzt also dieses Bedürfnis, der Welt meine Krankheitsgeschichte mitzuteilen? Naja, bis Sonntagabend ging es mir ganz gut. Vielleicht etwas zu gut. Immerhin habe ich sogar ein bisschen Yoga und Übungen gemacht. Aber mein Körper war wohl noch nicht so weit. Deshalb kam dann abends das Fieber und der Schüttelfrost. Ich hatte nicht so viele dicke Daunendecken zur Hand, so dass ich mich gar nicht wirklich einmummeln konnte, mit meinem Schüttelfrost. Aber ich wusste ja, Schüttelfrost hält normalerweise nicht ewig an, da muss ich nur irgendwie durch. Wichtiger ist es, die Temperatur im Blick zu halten. Ab 39° ist man nicht mehr wirklich in der Lage sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Das ist das gefährliche am Fieber. Wann also ruft man Hilfe und vor allem wen? Ich wusste, wenn ich ins Krankenhaus fahre, dann nehmen die mich erstmal stationär auf und legen mir einen Zugang. Und das will ich ja immer sehr vermeiden. Ich bin zum Glück nochmal ohne Krankenhaus ausgekommen, das Fieber ist irgendwann gesunken und blieb dann in den folgenden Tagen auch stabil unten. Ich hatte nur schreckliche Kopfschmerzen, so dass ich das Bett quasi nicht verlassen habe.

Krankenwagen, Notarzt? Fehlanzeige

Trotzdem ist es keine gute Situation. Da fängt mein kleiner Exkurs schon an. In Deutschland hat man jederzeit die Möglichkeit, einen Krankenwagen zu rufen, wenn es einem nicht gut geht. Hier gibt es keine Krankenwagen, die kommen und einen abholen. Man muss irgendwie selbst zum Arzt oder in die Klinik kommen. Das ist für mich natürlich eine sehr viel geringere Herausforderung als für viele andere Menschen. Ich habe immerhin Geld zuhause und kenne Leute, die sich bestimmt kümmern würden, dass ich gut ins Krankenhaus komme. Außerdem ist das Krankenhaus, in das ich gehe, keine 10 Autominuten entfernt. Für Leute im ländlichen Raum oder in anderen Stadtteilen, sieht das alles schon wieder ganz anders aus. Aber auch ich fande die Situation mehr als nervig und anstrengend. Wenn ich krank bin, will ich ja niemanden stressen und nachts anrufen und wegen mir durch die Stadt schicken. Das kennt ihr vielleicht. Bei vielen plötzlichen Gesundheitsproblemen, wie Herzinfarkt, Hirnschlag oder noch einleuchtender: bei einem Unfall, ist es super wichtig, schnell ins Krankenhaus zu kommen. Aber wie, wenn es keine Krankenwagen gibt und viele Menschen auch kein eigenes Auto haben?

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für viele Menschen nicht gegeben. Ganz davon zu schweigen, ob sie sie sich leisten könnten. 97% der Personen zwischen 15 und 49 Jahren haben keine Krankenversicherung. Das heißt, sie müssen jeden Arztbesuch selbst bezahlen. Ich weiß, im günstigeren Krankenhaus hätte mein Typhus-Malaria Test mit Arztgespräch so 100,000LE bis 150,000LE gekostet (10€). Ich war dann aber ja im teuren Krankenhaus, da hat das Ganze dann 100€ gekostet. Viele Leute gehen gar nicht zum Arzt für eine Diagnose. Sie gehen direkt in die Apotheke und holen sich ihre Antibiotika, weshalb es leider immer wieder zu Resistenzen bei den Erregern kommt. Aber das ist ja nochmal ein Thema für sich. Deshalb auch immer die Devise: lieber gar nicht erst krank werden!

Wer arm ist, stirbt früher?

Die Lebenserwartung in Sierra Leone liegt laut Weltbank aktuell bei 51 Jahren (in Deutschland bei 81 Jahren). Weshalb die Lebenserwartung um so vieles geringer ist, liegt auf jeden Fall auch an der mangelnden Gesundheitsversorgung, im mangelnden Wissen um Gesundheit und an der Armut. Auch innerhalb Deutschlands ist die Lebenserwartung bei vermögensstarken Personen höher als bei vermögensarmen. Ich habe hier leider die Quelle nicht mehr parat, aber da gab es erst vor kurzem eine Studie dazu. Aufs Globale übertragen, wird da leider immer noch ein Schuh draus. Menschen in reicheren Ländern haben eine höhere Lebenserwartung als Menschen in ärmeren Ländern.

Es gibt viele Gründe, weshalb es hier sehr viel gefährlicher ist, krank zu werden. Einer davon ist die mehr als schlechte Gesundheitsversorgung. Schon bei den kleinsten Komplikationen müsste man ins Ausland – und wahrscheinlich nicht ins benachbarte Ausland. Wenn man etwas Ernstes hat, ganz zu schweigen natürlich. Die Mutter meiner Kollegin zum Beispiel, sie machen jetzt eine Kernspintomographie von ihrem Kopf. Wenn sie aber irgendetwas finden, wissen sie schon, dass sie es hier nicht behandeln können. Wahrscheinlich in Ghana oder Nigeria? Keine Ahnung. Aber die Untersuchung selbst kostet schon 150 US-Dollar. Das können sie sich nur mit fremder Unterstützung leisten. Und ich weiß gar nicht, was sie machen, wenn die Untersuchung ergibt, dass sie eigentlich eine OP braucht. Und jetzt gehört meine Kollegin nicht zu den aller Ärmsten hier.

Weniger Ärzte als in der bayerischen Provinz und Ebola

Sierra Leone hat die geringste Dichte an Ärzten und Ärztinnen in ganz Westafrika. Auf 100,000 Personen kommen nur drei Ärzte/Ärztinnen. In Deutschland sind es 450 pro 100,000 Menschen. Wir haben hier ein Kinderkrankenhaus, in Freetown gibt es ein Emergency Hospital, das sich um Brüche und Co kümmern kann. Außerhalb der Hauptstadt gibt es ein paar „gute“ Krankenhäuser, die von internationalen Organisationen betrieben werden, aber sonst ist da nicht so viel. Im ganzen Land gab es nur einen Rechtsmediziner. Ich glaube, der ist aber weg, ich weiß gar nicht, ob der ersetzt wurde. Auch bei allen anderen Fachbereichen ist es nicht so sicher, ob gerade jemand im Land ist. Ich bin ja in einer dieser Whatapp-Gruppen, in der viele internationale sind. Da kommen immer auch Fragen wie: Gibt es gerade einen Hautarzt? Kennt jemand einen guten Zahnarzt? Ich hebe meinen Zahnarztbesuch für Deutschland auf…

Die Ebola-Epidemie ist zwar schon ein paar Jahre her. Aber ihre Auswirkungen sind immer noch spürbar. Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass während Ebola die Hälfte des medizinischen Personals gestorben ist. Auch hier habe ich leider die Quelle nicht mehr zu Hand. Aber auch das hat noch Auswirkungen auf die heutige Gesundheitsversorgung. Also: lieber nicht krank werden.

Toiletten und sauberes Wasser

In Deutschland gab es früher auch viele gefährliche Krankheiten, die es heute eigentlich nicht mehr gibt, die einfach mit der Wohnsituation der Menschen zusammenhängen. Viele Krankheiten in Salone, die lebensgefährlich sein können, wenn sie nicht behandelt werden, besonders für Kinder, hängen mit unhygienischen Lebensbedingungen zusammen. Und damit meine ich nicht, dass die Menschen hier unhygienisch sind. Ganz im Gegenteil. Es sind die Lebensumstände, denen es an Hygiene und der Möglichkeit an Hygiene mangelt. So sind Durchfallerkrankungen begleitet von Fieber, Mangelernährung und kurze Ansteckungswege in engen Behausungen und bei nicht vorhandener Abwasserentsorgung und Wasserversorgung an der Tagesordnung.

Die wenigsten Häuser sind direkt an irgendeine Abwasserentsorgung angeschlossen. Laut des DHS reports 2019 hatten 55% der Haushalte im Land eine „bessereToilette“. D.h. eine Toilette im eigenen Haus, auf dem Compound oder in der direkten Nachbarschaft, mit irgendeiner Form von Abwasserentsorgung. Das können Toiletten sein, wie ich sie habe, oder so kleine Klohüttchen mit Antiseptic-Tank oder Abflussrohr ins nächste Gewässer. Das bedeutet aber auch, dass die übrigen 45% entweder Gemeinschaftstoiletten nutzen (ohne richtigen Abfluss) oder aber in die freie Natur gehen, um ihr Geschäft zu verrichten. Insbesondere in der Regenzeit ist das ziemlich gefährlich, da der Regen die Ausscheidungen mit sich nimmt und sie so schön verteilt werden, weshalb jetzt zu Beginn der Regenzeit auch mal wieder Typhus-Zeit ist…

Die Zahlen sind sehr unterschiedlich, je nachdem, ob man Haushalte in städtischen oder in ländlichen Gegenden betrachtet. Nur 8% der Haushalte insgesamt (15% im städtischen Raum und 2% im ländlichen Raum) haben die Toilette innerhalb ihrer Wohnung oder ihres Hauses. Alle anderen müssen vor die Türe, wenn sie mal müssen. Ich bin sehr froh, dass ich zu diesen 8% gehöre. Meine Nachbarinnen und Nachbarn vom Grundstück gegenüber, auf dem so vier bis fünf Häuschen stehen, sehe ich immer mit ihren Eimern und ihrem „Dusch-Outfit“ um die Ecke gehen. Die haben da einen Waschplatz oder so, nehme ich an. Das kann ich nicht einsehen. Aber auf jeden Fall haben die weder Toilette noch Dusche in ihren Häuschen. Die Weltbank kommt auf etwas andere Zahlen. Sie geht davon aus, dass 14% der Menschen in Sierra Leone „safely managed sanitation services“ nutzen, im Vergleich zu 97% in Deutschland. Was genau damit gemeint ist, kann ich euch aber leider nicht verraten.

Neben dem Abwasserproblem ist selbstverständlich auch die Versorgung mit (Trink-)Wasser oder sauberem Wasser essenziell für die Gesundheit. In den Ergebnissen der Studie wird gar nicht extra erwähnt, wie viele Personen Wasser aus der Leitung zu Hause haben. Die „beste“ Kategorie ist: Wasser aus einer besseren Quelle (Brunnen, Wassertank, … – eben kein See, Pfütze, Lache, sondern irgendwas, was geschützt ist) in weniger als 30 Minuten zu Fuß erreichbar. Das ist die Kategorie: dir geht es ganz gut. Und hier haben sich auch 58% der Haushalte eingeordnet. Sie hatten an mindestens einem Tag in den zwei Wochen vor der Befragung Zugang zu „sauberem“ Wasser. Aber insgesamt 33% aller Haushalte im Land entnehmen ihr Wasser einer nicht geschützten Stelle, wo das Wasser verdreckt und/oder verunreinigt sein kann.

Und da war ich genervt, weil mal ein paar Wochen lang kein Wasser aus der Leitung kam. Manchmal muss ich mich echt immer wieder mal zurechtrücken im Kopf.

Auch crazy: nur 1% der Haushalte nutzt eine „saubere“ Methode zum Kochen. Sauber heißt: kein Holz, keine Kohle und somit kein Rauch. Rauch ist ja auch sehr gesundheitsschädlich. Ich koche mit Gas. Wieder einmal gehöre ich zu dem kleinen %-Teil der Bevölkerung, dem es viel besser geht und der gesünder lebt, weil er sich es leisten kann.

Und dann war noch eine spannende Kategorie, an die ich selbst noch nie gedacht hatte: Wie viele Haushalte haben einen festen Ort zum Händewaschen. Das sind so Fragen, auf die würde ich nie kommen, wenn ich aus einem deutschen Kontext komme. Und siehe da: 7% aller Haushalte haben einen festen Platz zum Händewaschen und 53% haben Seife zur Verfügung zum Händewaschen. Die anderen waschen natürlich trotzdem Hände. Insbesondere die muslimischen Bevölkerungsteile waschen sich ja nicht nur vor jedem Gebet die Hände, sondern auch die Arme bis zum Ellenbogen, die Füße und das Gesicht. Das geschieht aber meist „mobil“ mit kleinen Plastikkännchen. Trotzdem haben ja anscheinend höchstens 7% der Haushalte ein Waschbecken oder eine Waschschüssel fest installiert.

Bildung und Zugang zu Wissen

Und dann kommt noch ein super wichtiger Aspekt dazu, der vielleicht auf dem ersten Blick nichts mit Gesundheit zu tun hat: Bildung und Zugang zu Wissen.

Was mache ich denn, wenn ich mit Fieber im Bett liege? Ich google erstmal, welche Körpertemperatur so normal ist. Dann schaue ich mal nach, ab wann es vielleicht kritisch wird. Dann messe ich schön regelmäßig meine Temperatur. Und dann schau ich mal noch, welche Medikamente ich nehmen sollte und vielleicht auch noch wie oft. Wenn ich vom Arzt komme, schaue ich auch erstmal in der Packungsbeilage oder im Internet, ob die Medikamente überhaupt sinnvoll sind für meine Krankheit.

Damit ich das alles machen kann, erfülle ich schon sehr viele Voraussetzungen, die ein hoher Prozentteil der Bevölkerung hier nicht erfüllt:

  1. Ich weiß, dass es eine durchschnittliche Körpertemperatur gibt.
  2. Ich habe ein Gerät, um meine Körpertemperatur zu messen.
  3. Ich kann das Gerät auch bedienen und weiß etwas mit dem Ergebnis anzufangen.
  4. Ich kann lesen und schreiben.
  5. Ich habe ein Smartphone.
  6. Ich habe Strom, so dass mein Akku aufgeladen ist.
  7. Ich habe Internet, weil ich Guthaben aufgeladen habe.
  8. Ich hatte Geld, um einen Arzt aufzusuchen und Medikamente zu kaufen.

Ich habe vielleicht schon einmal berichtet, wie schlecht die Schulbildung insbesondere in den ländlichen Gebieten ist. Als wir letztes Jahr in den Dörfern am Rande des Gola Rainforest waren, konnten die Kinder teilweise ihre Namen nicht buchstabieren bzw. haben die Aufgabe „Spell your name“ nicht verstanden, obwohl das hier Standard ist, dass die Kinder immer alles buchstabieren müssen. Also selbst diejenigen, die „some primary“ haben, können nicht unbedingt lesen, schreiben und rechnen. Wenn ihr die Grafik anschaut, seht ihr, dass über 55% der Frauen quasi nicht lesen und schreiben können. Die Daten wurden 2019 erhoben, und mittlerweile gibt es ein Programm „Free Education“, aber es ist nicht wirklich ganz kostenfrei, weil Bücher, Uniformen, und Zuschuss für Lehrkräfte bezahlt werden müssen. Vor allem gibt es oft keine Lehrkräfte. Also: Bildung ist eher ein rares Gut. Insbesondere wenn es um Gesundheit geht, gibt es viel unnützes oder Halbwissen. Das Problem ist auch, dass viel traditionelles Wissen zur Behandlung von Krankheiten verloren geht.

Neben Zugang zu Bildung ist auch der Zugang zu Wissen sehr beschränkt. Ich fand es supercras, als ich gesehen habe, dass 70% der Frauen und 56% der Männer keinen Zugang zu Massenmedien wie Radio, TV oder Zeitungen haben. Das ist für uns überhaupt nicht vorstellbar. Ja, die werden alle den ganzen Tag an ihren Smartphones zocken, denkt jetzt vielleicht die eine oder der andere. Aber weit gefehlt. Laut Weltbank nutzen in Sierra Leone nur 18% der Bevölkerung das Internet. In Deutschland sind es 90%. Und wie in meiner Auflistung schon erwähnt, wer zwar ein Handy hat, aber keinen Strom, um es zu laden oder in Hinblick auf Gesundheit, keinen Strom, um Essen zu kühlen, keinen Strom, um Licht zu haben zum Lernen am Abend usw., auch dem ist das Leben um einiges erschwert. Die Weltbank geht davon aus, dass in Deutschland 100% der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität haben, in Sierra Leone aber nur 26,2%.

Ihr seht also, es gibt superviele Gründe, weshalb Menschen hier sehr anfällig sind, für Krankenheiten, die es in „reichen“ Ländern gar nicht gibt. Dazu kommt noch, dass es hier zusätzlich klimatisch bedingt Krankheiten gibt, die es in Europa nicht gibt, wie Malaria zum Beispiel. Und wer erkrankt, für den oder die ist es viel schwieriger, medizinische Versorgung zu bekommen. Es ist wirklich tragisch, dass Kinder und auch Erwachsene hier an Malaria oder Typhus sterben, obwohl beides behandelbar ist. Aber wenn das Fieber zu schnell steigt oder der Durchfall nicht gestoppt werden kann, dann ist das lebensbedrohlich.

Wie es so schön im Ausreiseseminar hieß: „An alle, die nach Sierra Leone gehen: bitte einfach nicht krank werden. Wir müssen euch sonst vielleicht direkt evakuieren….“ Und jedes Mal wenn ich mich mit den Fakten beschäftigte, merke ich, wie wahr diese Aussage ist. Aber keine Sorge: ich passe weiterhin auf mich auf. Und vor allem in nächster Zeit lasse ich es eh mal ruhig angehen 😉

Zum Ende noch ein paar Lichtblicke

Das Gute an den ganzen Zahlen da oben: die Tendenz ist positiv. Wer die Daten der letzten Erhebungen vergleicht (der Report wird alle fünf Jahre erstellt), sieht bei fast allen untersuchten Aspekten eine kleine oder größere Tendenz zum Besseren. Ich finde, das ist sehr schön. Außerdem gibt es gute Entwicklungen im Sierra Leonischen Gesundheitssystem. Es gibt kostenfreie Gesundheitsversorgung für Kinder bis zu ihrem 5. Lebensjahr, für Schwangere und für stillende Mütter. Das ist ein Versuch, um die hohe Kinder- und Muttersterblichkeitsrate zu verringern. Und es scheint Schritt für Schritt zu funktionieren. Zu diesem Service gehören auch Basisimpfungen für Kleinkinder und Babys. Nur 2% der Kleinkinder haben laut der Studie gar keine dieser Impfungen erhalten. Die Kleinen werden gegen Diphterie, Tetanus, Tuberkulose, Polio, Keuchhusten und Masern geimpft. Über 50% der Kinder bis 35 Monate hatten alle Impfungen erhalten. Als ich das letzte Mal auf dem Rückweg von Tiwai war, haben wir ein paar Mütter mit ihren Kleinkindern im Auto mitgenommen und sie zur nächsten Gesundheitsstation gefahren. Sie waren unterwegs zur Untersuchung und zum Impftermin. Sie hätten bestimmt noch ein bis zwei Stunden Fußweg vor sich gehabt, wenn wir sie nicht mitgenommen hätten. Damit will ich nur sagen: Ich glaube, die Mütter versuchen alles, um ihre Kinder gesund zu halten und nehmen auch diese Strapazen auf sich, wenn sie können. Also: es geht voran, wenn auch viel zu langsam. Aber immerhin.

Und nun?

Wer es bis hierher geschafft hat: Hut ab. Mir schwierte gestern der Kopf vor lauter Zahlen und Informationen und heute auch direkt nochmal.

Meine Intention ist es auch heute nicht, euch zu zeigen, wie fürchterlich alles in Sierra Leone ist. Ich habe nur selbst wieder einmal festgestellt, als ich gestern mit meiner Recherche anfing, dass da so vieles ist, was ich nicht weiß und nicht bedenke, wenn ich mir meine Bilder im Kopf forme und meine Vorurteile und Sichtweisen auf Menschen und die Welt entwickle. Ich weiß, in Deutschland wurde nun die Alarmstufe für Gas ausgerufen, Alter, und die nächste Covid-Welle ist schon fast wieder da, aber vielleicht hilft es manchmal trotzdem, nicht aus den Augen zu verlieren, weshalb Menschen versuchen in die spanische Enklave Melilla einzudringen, auch wenn sie ihr Leben dabei aufs Spiel setzen, wenn sie nicht das Gefühl hätten, es wäre die einzige Chance für sie und ihre Familie „sicherer“ zu leben und zu überleben. Ich finde, es ist gerade sehr klar, wie vernetzt diese Welt ist und dass wir allen Herausforderungen gemeinsam gegenüberstehen. Egal ob es Klimakatastrophe, Kriege, Lebensmittel- und Rohstoffknappheit oder Pandemien sind. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir uns nicht gegenseitig aus dem Blick verlieren.

Ich habe einen passenden Spruch gelesen vor ein paar Tagen: Niemand würde sein Kind in einem Boot übers Meer schicken, wenn es an Land sicher wäre.

Darf man bei all der Misere noch Lachen?

Lange habe ich überlegt, ob ich euch lieber mit ein bisschen „denkt mal über die Welt nach“ verabschiede, oder euch dieses sehr passende (aber leider häßliche) Video zeige. Passend in dem Sinne, dass ihr wisst, was ich mir hier immer anhören muss in Expat-Kreisen und passend, weil Lachen ja bekanntlich die beste Medizin ist 😉 Und vielleicht schwirren euch später ja nicht nur die vielen Fremdwörter im Kopf herum, sondern auch noch ein paar andere Inhalte aus meinem heutigen Beitrag.

 PS: Falls ihr euch fragt, wie es mir eigentlich geht: Viel, viel besser. Ich hoffe, ich bin bald wieder auf meinem normalen Energielevel und kann wieder essen und trinken, was ich möchte!

1 Kommentar

  1. Lauerin

    Liebe Princess Kaddl, o Mann, danke für deinen tollen Artikel. Du hast es super aufgedröselt. Werd bitte schnell wieder ganz gesund und munter! ❤️💐💌

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