Black Johnson – das verlorene Paradies?

Letztes Jahr ging es groß durch die Medien: eine chinesische Firma hatte angeblich eine Lizenz erhalten, um am Black Johnson Beach in der Whale Bay einen fishing harbour zu bauen. Ich habe damals berichtet über Fischmehlfabriken an der westafrikanischen Küste und Lachs aus norwegischen Aquakulturen. Damals schon war die Befürchtung, dass es nicht beim Fischereihafen bleiben wird, sondern in Wirklichkeit eine Fischmehlfabrik geplant ist. Aktuell wird immernoch vom Fischereihafen gesprochen, für die Verarbeitung von Thunfisch.

Dann war es erst einmal still geworden um Black Johnson. Für diejenigen von euch, die selbst noch nicht hier waren: Black Johnson ist ein kleines Paradies, wenn man dem Lärm und der Hektik der Großstadt entfliehen will und ein paar einsame Tage am Strand verbringen will. Im Gegensatz zu den anderen Stränden gibt es am Black Johnson nur wenige Unterkünfte. Anfangs gab es sogar nur eine, Titos Paradise bestehend aus ein paar einzelnen Holzhütten direkt am Strand der kleinen Bucht unter den Bäumen. Mittlerweile kenne ich noch Sandra’s Unterkunft, drei Hütten, die im Wald direkt am Meer stehen, an denen morgens auch Mal die Affen vorbeikommen können. Und vor kurzem hat noch ein Sierra Leoner ein paar Häuschen wie eine kleine Ferienanlage mit Restaurant eröffnet. Aber alles sehr ruhig und entspannt und weit weg vom sonstigen Trubel. Wenn ich an den Strand will, um einfach in die Wellen zu schauen, mein Buch zu lesen und abends vielleicht am Lagerfeuer ein paar spannende Gespräche zu führen, dann fahre ich nach Black Johnson.

Jane, eine Britin, die mit Tito verheiratet ist und schon seit einigen Jahren mit Tito in Black Johnson wohnt, war sich der lauernden Gefahr all die Zeit bewusst. Sie hat versucht, für den Strand zu kämpfen. Sie hat auch meine Organisation einmal eingeladen, zu kommen und die verschiedenen Ökosysteme der Bucht zu besichtigen. Leider ist daraus nicht wirklich eine Aktion entstanden. Ich frage mich mittlerweile, ob wir etwas hätten ändern können, wenn wir mehr unternommen hätten. Da Black Johnson nicht in der protected area liegt, fühlt sich meine Organisation nicht so wirklich zuständig. Ich denke aber, wir sollten uns aller Umweltthemen annehmen. Aber es war ähnlich wie mit dem Wal am Strand und dem stone mining in der protected area. Wenn ich nicht pushe, kommt niemand in die Gänge. Alles was proaktive Arbeit ist, außerhalb von klar definierten Projektaktivitäten, findet nicht eigeninitiativ statt.

Vorletzte Woche dann teilte Jane in verschiedenen WhatsApp-Gruppen die vorläufige Machbarkeitsstudie einer „unabhängigen“ Consultantfirma und die Einladung des Ministeriums für Fischerei und Maritimes zur öffentlichen Anhörung. Es gab drei Anhörungen, eine in der Community von Black Johnson, eine in Waterloo und eine im Ministerium. Ich bin mit Abdul und Mariama zu der ins Ministerium gegangen. Ohne mich wäre CSSL nicht vertreten gewesen. Dabei ist es meines Erachtens sehr wichtig, dass wir bei so großen Projekten unser Gesicht zeigen und unsere Position darlegen. Natürlich nicht wirklich Konfrontation, aber wenigstens können wir nochmal auf negative Konsequenzen für Mensch und Umwelt hinweisen. Und ich bin sehr stolz auf mich: ich habe mich sogar getraut aufzustehen und ein paar Kommentare und Anmerkungen zu machen!

Aber erstmal zur „unabhängigen Studie“ und weiteren Gerüchten. Die Studie ist sehr ausführlich mit vielen Daten und Messungen zur Wassertiefe, den Gezeiten, Flora und Fauna. Es gibt Empfehlungen für die Entschädigung von Landbesitzern, die umgesiedelt werden oder deren Land beansprucht wird. Es gibt aber keine Angaben, wie Umweltschäden vermieden werden sollen und welche Konsequenzen es hat, dass in der Bucht mehrere redlisted Tiere leben. In der Studie ist auch nicht genau beschrieben, auf welcher Fläche genau der Fischereihafen entstehen soll. Bei der Anhörung wurde jedoch ein animiertes Video abgespielt, das eine riesige betonierte Fläche zeigte. Da wurde auch erklärt, dass 50 Hektar im Wasser sein werden. Das ist ein immenser Eingriff in das maritime Ökosystem und verändert mit Sicherheit auch die Struktur der südlich gelegenen Strände.

Das wahnwitzige an der Studie ist der Vorschlag, einen Wasserpark zu errichten, in dem dann Orcas und Delfine bei Shows dem Publikum die Meeresbewohner näherbringen und die Bevölkerung aufklären können über Lebewesen im Meer. Dieser tolle Wasserpark wird viele Touristen anziehen und somit Geld ins Land bringen. Diese Empfehlung steht an zwei Stellen in der Studie. Alleine die Idee, einen Wasserpark mit Aquarium zu errichten, im Jahr 2023, wenn weltweit eben diese Einrichtungen aufgelöst werden, weil die meisten Ländern eingesehen haben, dass es sich hier um Tierquälerei handelt, soll in einem Land, in dem alles rostet und ich noch keine gute Fensterscheibe gesehen habe, ein Riesenaquarium entstehen? Die Fischer holen nicht genug Fisch aus dem Meer, um davon selbst zu überleben, aber wir werden künftig tonnenweise Fisch an Orcas, Delfine und andere Tiere verfüttern, die wir zuvor gefangen haben?  Macht Sinn… Ich frage mich auch, welche Tourists wohl wegen des Aquariums kommen würden? Wieso nicht lieber raus aufs Meer fahren oder in der naturbelassen Bucht sitzen? Da kommen die Delfine und Meeresschildkröten manchmal von alleine vorbei.

Wie gesagt, als ich das mit dem Wasserpark gelesen hatte, konnte ich auch den Rest nicht mehr ernstnehmen. Und als ich dann noch von Jane gehört habe, dass der Verantwortliche für die Studie, zuvor beim Ministerium für Fischerei gearbeitet hat und wegen Korruption suspendiert ist, erklärt sich auch der Rest. Ob das stimmt weiß ich zwar nicht 100%, ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass es wahr ist. Würde mich nicht überraschen. Wen die Studie interessiert, kann sie online lesen.

Offiziell sollte sie auf den Websites der beteiligten Ministerien und der EPA (environmental protection agency) zugängig sein. Das war aber nicht wirklich der Fall. Die EPA hat ein Vetorecht bei derartigen Großprojekten. Aber sie ist offensichtlich nicht unabhängig und frei in ihrer Entscheidung.

Letzte Woche Montag bin ich also mit Mariama und Abdul ins Ministerium. Siebter Stock ohne Aufzug. Vielleicht hat das schon einige Leute abgeschreckt. Der Raum war hauptsächlich mit einem großen Besprechungstisch gefüllt. Es war ein bisschen Presse da, Jane natürlich, James, Ingrid von der GIZ, noch ein paar Vertreterinnen und Vertreter aus der Zivilgesellschaft und von den Ministerien natürlich.

Der Vertreter des Ministers für Fischerei hat mit nur einer Stunde Verspätung die Sitzung eröffnet. Zunächst wurde noch Mal viel gelabert, vielleicht um zusätzlich Zeit totzuschlagen, so dass am Ende keine Zeit mehr für zu viele Fragen bleibt? Anschließend wurde die Studie kurz vorgestellt, dann kam der Jurist zu Wort. Es war ganz wichtig, zu betonen, dass alles mit rechten Dingen zuging und alle Prozeduren berücksichtigt wurden. Der Jurist kam mir eher vor wie ein evangelikalen Priester, der uns auf den Weltuntergang einschwört, so hat er herumgeschrien und gestikuliert.

Dann endlich die Fragerunde. Jane natürlich als erste. Es gibt ein Gesetz, das besagt, die Regierung kann alles Land bis zu 150m entlang der Küste beanspruchen, wenn es von nationaler Bedeutung ist. Allerdings muss ein eigens dafür einberufenes Gericht darüber entscheiden. Und dies ist bisher nicht geschehen. Jane wurde eher als Störfaktor behandelt. Noch bevor sie begann, betonte der Vorsitz, dass wir hier zivilisiert miteinander reden, wer sich nicht daran hält, wird des Raumes verwiesen. Die anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen stellten Fragen, ob es Risikoanalysen gibt zu Konsequenzen für angrenzende communities. Ich habe mich auch zu Wort gemeldet in der zweiten Fragerunde, wurde dann aber ignoriert, weil ich Jane den Vortritt geben wollte. Wurde sofort abgestraft. Am Ende durfte ich  doch noch sprechen. Leider wurden nicht alle meine Fragen beantwortet. Ich wollte wissen, ob es auch Maßnahmen und Empfehlungen in Hinblick auf die bedrohten Tierarten gibt, ob mit einberechnet wurde, dass ein Fischereihafen in der geplanten Größe negative Folgen für den Tourismus auch an den Nachbarstränden und somit den einzigen Tourismusstränden der Pensinsula haben wird, dass sich in der Whale Bay wichtige Fischlaichgebiete befinden, ohne die auch die Anzahl der Fische auf offener See abnehmen wird… Wie gesagt, beantwortet wurde quasi nur eine Frage: wenn die Strände für den Tourismus dann ungeeignet sind, können die Leute ja zu den anderen Stränden des Landes, zum Beispiel nach Bonthe. Das führte zu etwas Gelächter, als ich meinte, Bonthe ist etwas schwer erreichbar. Ein absoluter Quatschvorschlag. Die Strände der Peninsula sind höchstens  ein bis eineinhalb Stunden von Freetown entfernt. Bonthe ist mit dem Auto in vielleicht acht Stunden über ganz schlechte Straßen erreichbar oder man mietet für 300 US-Dollar ein Boot und fährt in zwei Stunden übers Meer hin. Sehr gute Alternativen zu einer einstündigen Autofahrt. Die Sache scheint mir sehr eingehend durchdacht. Gar nicht gegenläufig zu allen Ökotourismus und Umweltambitionen, die immer nach außen kommuniziert werden.

Der krönende Abschuss war dann die Frage, wer denn nun für den Fischereihafen wäre und dann 80% freudig gejubelt haben. Als ob das eine Abstimmung wäre. Auch Wuddy hat freudig die Hand gehoben. Er arbeitet eigentlich mit uns in der Yawri Bay, um die Mangroven zu schützen, bewirbt sich aber auch für einen Sitz im Parlament. Da muss man halt auch Mal die Meinung ändern. Sonst kommt man nicht vorwärts.

Alles in allem eine einzige Show. Aus den Formulierungen konnte man klar heraushören, dass die Entscheidung schon längst gefallen ist. Jane erzählte nach der Sitzung, dass der Direktor der EPA ihr gesagt hat, er wurde genötigt, zuzustimmen. Auch hier, nur hören-sagen. Aber es passt zu dem, was die Kolleginnen und Kollegen von der NPAA (National Protected Area Agency) immer berichten. Wenn von oben eine Order kommt, muss man die befolgen, auch wenn es eigentlich gegen den eigenen Auftrag geht.

Jane berichtete am nächsten Tag, dass Leute vom Ministerium für Fischerei Häuser von Menschen zerstört haben und einen Tag später kamen Leute zur Markierung des Geländes.

Es ist eine schwierige Situation. Ich sehe das ein. Das Land braucht Entwicklung. Vor den Küsten Sierra Leone’s gibt es große Thunfischschwärme. Sie werden bei uns abgefischt und dann im Senegal oder der Elfenbeinküste weiterverarbeitet, weil wir keine entsprechenden Infrastruktur haben. Die großen Tuna-Schiffe brauchen entsprechende Häfen. Angeblich ist Black Johnson der einzige passende Ort dafür. Ich kenne mich natürlich nicht damit aus, aber zweifle doch stark daran, dass eine seichte Bucht sich perfekt für große Schiffe mit viel Tiefgang eignet. Aber ich habe ja auch mit eigenen Augen gesehen, dass andere Einrichtungen zur Fischverarbeitung, zum Beispiel in Shenge, leerstehen und nicht benutzt werden, wegen Entscheidungen auf politischen Ebenen und Korruption. Wie wird sichergestellt, dass das Gleiche nicht in Black Johnson passiert? Auch das eine meiner Fragen bei der Sitzung. Die Antwort war: das ist etwas ganz anderes.

Black Johnson scheint verloren. Ich hoffe nur, dass nicht alles zerstört wird und am Ende eine Geisteranlage entsteht, die einige wenige Taschen füllt und sonst nichts bringt. Ich werde auf jeden Fall möglichst bald nochmal ein Wochenende in Black Johnson verbringen, auch wenn es sehr tragisch ist, von so einem kleinen Paradies Abschiednehmen zu müssen. Aber das scheint aktuell das Schicksal der Natur zu sein. Auf internationalen Konferenzen werden wichtige Papiere unterschrieben und Zuhause wird Lüzerath der Kohle geopfert und Black Johnson einem Fischereihafen.

Kaum zu glauben, dass hier bald alles betoniert sein wird 🙁

1 Kommentar

  1. Lauerin

    Es ist der helle Wahnsinn 😢. Danke für eure bravouröse Arbeit. Sie ist sinnvoll und nötig. Es ist bitter zu sehen, wie sich die Kräfteverhältnisse darstellen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© 2025 thekaddl.com

Theme von Anders NorénHoch ↑