Begegnungen

Das Schöne und Spannende am Reisen sind ja bekanntlich die vielen Begegnungen, auf die man sich zuhause viel zu selten einlässt. So habe auch ich an meinen ersten Tagen hier schon einige interessante Begegnungen gemacht. Als Frau alleine unterwegs wird frau immer angesprochen und selbst wenn ich einfach nur einmal in Ruhe auf die Wellen schauen möchte, bietet sich schon Gesellschaft an. Wie zum Beispiel während meines ersten Spaziergangs alleine an der Strandpromenade.

Die zwei Ladies im Strandlokal

Letzten Dienstag habe ich mich nachmittags dann doch einmal alleine aus dem Hotel getraut. Vielleicht erinnert ihr euch: am Sonntag, meinem ersten Tag hier, habe ich es etwas übertrieben mit Ausflug, Wanderung und Strand, so dass ich am Montag vollkommen knocked-out im Hotel geblieben bin. Am Dienstag bin ich dann aber mal los, um ein bisschen die Umgebung zu erkunden. Eigentlich war mein Ziel ein libanesisches Café in dem es angeblich echten Kaffee gibt (und nicht nur Nescafé). Ein netter Spaziergang von circa 20 Minuten am Strand entlang. Da es aber noch ziemlich warm war, habe ich mich gegen den Kaffee und für eine kühle Coke in einem der kleinen Strandlokale/bars entschieden. Der warme Sand zwischen den Zehen, die Wellen vor mir und der Wind, der in den Bäumen spielte gemischt mit einer sanften Brise und einem kühlen Getränk – es war eine gute Wahl hierher zu kommen. 

Zwei Tische weiter saßen zwei Frauen, so Mitte 30, die ganz offensichtlich ein ernstes Thema besprachen und nicht 100% einer Meinung waren. Die eine war kurz einmal weg und schon hat die andere mich angesprochen. Wie es mir geht und ob sie sich zu mir setzen könnte. Ja klar, habe ich geantwortet. Über die Entfernung und mit dem Wellenrauschen im Hintergrund war sonst ja keine Konversation möglich. Die andere war nicht so begeistert, dass sie nun bei mir mit am Tisch saßen, aber nun ja. Teilweise unterhielten sie sich auf einer Sprache, die ich nicht verstehe, aber aus den Teilen, die ich verstanden habe und die kurzen Infos an mich auf Englisch, habe ich trotzdem erfahren, dass es um ihre Ehe bzw. ihre Ehemänner ging. Beide sind mit viel älteren Männern verheiratet. Die eine mit einem US-Amerikaner, die andere mit einem Italiener. Die Männer sind jeweils gute 30 Jahre älter als sie und natürlich gibt es unterschiedliche Vorstellungen zur Freizeitgestaltung und vor allem im Ausgeh-Verhalten. Ich wusste gar nicht wie mir geschah und schon war ich mittendrin im Talk über die Männer und wie man wohl mit ihrer Eifersucht und ihrer nicht vorhandenen Energie für Partywochenenden umgehen sollte…

Der nigerianische Arzt im Hotel

Einen Tag zuvor hatte ich schon Bekanntschaft mit einem Arzt aus Nigeria gemacht, der am Tag vor mir in Sierra Leone angekommen war und im gleichen Hotel untergebracht ist wie ich. Montag am späten Nachmittag bin ich ins Restaurant gegangen, das zum Hotel gehört, um ein frühes Abendessen einzunehmen, bevor mein Online-Yogakurs starten würde. Im Restaurant wurde ich dann von einem anderen Gast angesprochen, der sich zu mir setzte. Dr. Seriki kommt wie oben erwähnt aus Nigeria und ist ein medical doctor. Er arbeitet für eine Organisation, die aus den USA finanziert ist und die Regierung hier berät zum Thema Gesundheitskontrolle an den Landesgrenzen. Es geht hauptsächlich um die Grenzen zu den Nachbarländern und nicht so sehr um die Grenzübertritte am Flughafen. Es gibt mehrere offizielle Grenzübergänge zu Liberia und Guinea. 2015 kam Ebola wahrscheinlich aus Guinea/Liberia ins Land und auch Covid kam von außen. Mit diesem Projekt, das auf fünf Jahre angelegt ist, soll das Wissen und die Ausstattung der Grenzposten verbessert werden und so schneller und besser auf künftige Epidemien oder Pandemien reagiert werden können. Ich denke, es ist sehr ambitioniert, da die Grenze nicht einfach zu kontrollieren ist und ein wichtiges Element, die Kontaktverfolgung, kaum realisierbar. Das kennen wir ja auch aus Deutschland.

Mit Dr. Seriki habe ich dann am Freitag auch meinen ersten Ausflug mit dem Keke (so heißen hier die Tuktuks) in die Stadt zum berühmten Cotton Tree gemacht und mein erstes nigerianisches Essen probiert. 

Der Hotelbesitzer

Das Family Kingdom Ressort wurde mit der Idee gegründet, insbesondere Kindern einen Ort zu geben, an dem sie sich wohl fühlen und Spaß haben können. Das Herzstück des Hotels ist deshalb der Spielplatz.

Der Gründer des Hotels ist ein älterer Herr mit libanesischen Wurzeln. Er ist in einem Dorf im Norden Sierra Leones geboren und dann irgendwann nach Freetown gekommen. Er hat das Gelände, auf dem heute das Hotel steht, trocken gelegt, eine Mauer Richtung Strand errichtet, so dass das Wasser keinen Schaden anrichten kann und das Hotel gebaut. Das Hotel besteht aus mehreren Gebäuden, dem Spielplatz und auch einer Veranstaltungshalle. 

Der Hotelbesitzer ist sehr gut vernetzt in der High Society hier und war auch während des Krieges in der Stadt, so dass er ein paar Geschichten zu erzählen weiß aus dieser Zeit. Er kennt natürlich auch den deutschen Botschafter. Da er mitbekommen hat, dass ich aus Deutschland komme, hat er mir ein Mittagessen mit der Frau des Botschafters, des Stellvertreters des Botschafters und der Frau des GIZ-Direktors arrangiert. Ich bin schon sehr gespannt wie das wird. Ich sehe es als Arbeitsessen, da es für meine Advocacyarbeit wichtig ist, die richtigen Leute zu kennen und vor allem Leute mit Einfluss. Natürlich wäre mir ein Mittagessen mit dem Botschafter lieber – zumindest in Hinsicht auf Einfluss – aber Jonas hat mir schon die Nummer vom deutschen Botschafter weitergeleitet, so dass ich da einmal einen separaten Termin ausmachen werde.

Der Hotelbesitzer auf jeden Fall, hat einen Narren an mir gefressen und führt mich diese Woche noch zum Abendessen aus.

Der Simbabwer an der Hotelbar

Samstag war ein sehr fauler Tag bei mir. Ich habe das Hotelzimmer nur morgens zum Frühstück verlassen. Gut ich muss zu meiner Verteidigung sagen: ich hatte in der Nacht kaum geschlafen, da eine verrückte Party bis halb fünf Uhr morgens mich mit Musik beschallte. Anfangs noch 80er Jahre Mukke, dann hat es irgendwann gewechselt zu den besten Hits der 2000er a la Britney Spears, Ibiza Island und ähnliches bis es dann endlich in westafrikanischer Musik mündete. Vom Musikgeschmack mag man halten, was man will, aber die Boxen waren nicht die besten, somit war auch der Sound etwas schwierig im Ohr – und vor allem laut.

Das nur zum Hintergrund. Den Samstag habe ich also in meinem Hotelzimmer verbracht. Ich habe alibimäßig online ein bisschen nach Wohnungen geschaut, aber ohne großen Erfolg. Abends habe ich mich entschlossen, mein Zimmer doch mal noch zu verlassen und mich ins “wilde” Leben zu stürzen. Ich entschied mich für die Bar am Swimmingpool des Hotels, weil ich dachte, da ist weniger los und ich kann in Ruhe und entspannt etwas essen. 

Aber – siehe oben – alleine bleibt man hier nie lange. Nach wenigen Minuten schon gab es die ersten Kontaktaufnahmeversuche vom Nebentisch inklusive Angebot des gemeinsames Drogenkonsums. Ich habe selbstverständlich dankend abgelehnt. Ganz ungewohnt waren sehr viele Moskitos unterwegs, so dass ich dann doch lieber nochmal kurz ins Zimmer bin, um mich kräftig einzusprühen. Zurück an der Bar war mein gegrillter Fisch mit Reis auch schon da, dieses Mal setzte ich mich aber wo anders hin.

Und zack, kaum saß ich, kam schon das nächste Gespräch in Gange. Der eine Herr am Tresen stammte aus Simbabwe, war aber in den 1980er Jahren in Deutschland gewesen für ein Ausbildungsprogramm von der Regierung. Wie verrückt, dachte ich mir. Sitze ich hier in Sierra Leone, esse meinen gegrillten Fisch und ein Mann aus Simbabwe erzählt mir, wie es in den 80er Jahren war, wenn man von Aachen nach Westberlin gefahren ist. Immer wieder überraschend, unter welchen Umständen man Exkurse in die deutsch-deutsche Geschichte erhält. Der Simbabwer hat schon bei einigen Projekten mit internationalen Einrichtungen, z.B. der GIZ in verschiedenen Ländern mitgearbeitet, hauptsächlich im Bereich Berufsbildung. Er ist öfter für kürzere Aufenthalte in Sierra Leone um Regierungseinrichtungen und NGOs in diesem Themenbereich zu beraten und zu unterstützen.

Der Inder im Frühstücksraum

Mein neuester Bekannter ist ein Inder, der im Landwirtschaftssektor tätig ist und für ein Unternehmen arbeitet, dass hier den Reisanbau voranbringen will. Früher hat Sierra Leone andere westafrikanische Länder mit Landwirtschaftsprodukten wie Reis versorgt, heute importiert das Land laut dem Inder 60% seiner Lebensmittel. Der Boden hier ist fruchtbar, aber wegen des Krieges und der Ebolakrise sind viele Felder, die früher bewirtschaftet wurden, nun wieder von der Natur zurückerobert. Der Inder kennt natürlich auch einen Deutschen, der schon lange im Land ist und wird mich mit ihm bekannt machen. Mit etwas Glück werde ich zum indischen Abendessen eingeladen. Wieder ein neuer Kontakt.

Das sind ein paar meiner Begegnungen, aus meinen ersten Tagen hier. Viele weitere werden folgen. Als nächstes kommen die ersten Begegnungen mit meinen Kolleginnen und Kollegen und dann mal schauen 🙂 

2 Kommentare

  1. Kathrina

    Everybody loves the Kaddl!! Hört sich sehr abwechslungsreich und herzlich an ☺️ Schööön! Hoffe du hattest einen guten ersten Tag im Büro, bin schon gespannt auf die nächsten Erzählungen. 😘

  2. Lauerin

    Der Hotelspielplatz gäbe einen schönen Bildband ab… 😊

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