Mangelernährung, Geschlechter-Ungerechtigkeit, Kindersterblichkeitsraten, Klimakatastrophe, bedrohte Tierarten und viele weitere Schreckensmeldungen erreichen uns täglich über die Medien. Wieso heißt dieser Artikel also „Good News“? 

Ich habe vor ein paar Tagen ein sehr gutes Buch fertig gelesen: “Factfulness: Ten Reasons Why We`re Wrong About The World”. Ich kann es nur weiterempfehlen. Vor allem, nachdem ich herausgefunden habe, dass es vom Mitgründer von Gapminder geschrieben wurde, Hans Rosling. Und ich ein großer Fan von Gapminder bin. Gapminder will uns unsere Wissenslücken über die Welt bewusst machen und sie schließen. Nur wenn wir (und vor allem die Entscheidungsträgerinnen und -träger, die aktuellen Fakten über die Welt kennen, können sie die richtigen Entscheidungen treffen). Wer den Gründer nicht kennt, kann sich ja mal kurz das Video „The magic washing machine“ hier auf Youtube anschauen, dann seht ihr, in welche Richtung das Ganze geht. Keine Angst, es ist zwar auf Englisch, aber ich bin sicher, ihr könnt verstehen, worum es geht.

Worum geht es bei diesen Good News?

Die gute Nachricht ist: die Welt ist viel besser als wir denken. Den Menschen ging es noch nie so gut wie heute, wenn man auf einem globalen Level die Ernährungssituation, Kindersterblichkeit, Gesundheit, Einkommen, Schulbildung, Zugang zu Elektrizität und sauberem Wasser betrachtet. Das ist eine ziemlich gute Nachricht, wie ich finde. Von insgesamt sieben Milliarden Menschen auf der Welt, lebt „nur“ eine Milliarde in absoluter Armut. Das ist natürlich noch eine Milliarde zuviel. Aber alle anderen leben nicht in absoluter Armut.

Als kleiner Einschub kommen hier ein paar Zahlen von den UN, die die Erfolge der Millenium Development Goals zeigen: Im Vergleich zu 1990 leben heute eine Milliarde Menschen weniger in extremer Armut, die Kindersterblichkeitsrate wurde seit 1990 halbiert, die Anzahl der Kinder, die nicht in die Schule gehen, ist heute auch nur noch halb so groß wie noch 1990 und HIV/AIDS-Infektionen sind seit dem Jahr 2000 um 40% zurückgegangen.

Dass die Welt heute besser ist als gestern, heißt nicht, dass die Welt für alle heute die beste ist oder morgen für alle besser sein wird, als sie gestern war. Syrien ist ein Beispiel dafür. Wenn wir uns einzelne Länder anschauen, kann es sein, dass die Fortschritte aufgehalten werden, durch Krieg oder anderen Katastrophen. Gerade erleben wir in Afghanistan, wie unsicher manche Errungenschaften sein können und dass es nicht immer aufwärts geht mit Frauenrechten, Bildungsmöglichkeiten für alle und körperlicher Gesundheit. Die ganze Menschheit betrachtend, sehen wir allerdings, dass sich insbesondere seit dem ersten Weltkrieg fast überall die Lebensbedingungen verbessert haben. Die Welt ist heute eine bessere als noch vor wenigen Jahren, auch wenn noch immer vieles nicht gut ist. Diese Ambivalenz ist kein Widerspruch in sich. It is better – even though it is still bad.

Hier ein paar Sreenshots von der Entwicklung der Kindersterblichkeit. Je weiter rechts die Blasen sind, umso mehr Kinder je 1.000 sterben. Ihr seht, dass alle Blasen stetig nach links wandern. Zum besseren Verständnis: jede Blase stellt ein Land dar. Die Größe zeigt die Bevölkerungsgröße, die Farbe zeigt die Zugehörigkeit zu den Kontinenten, entnommen von der website gapminder.org:

Und auch zum „Wissen“, dass es in vielen Ländern der Welt immer noch sehr viele Kinder pro Familien gibt (kulturell bedingt), gibt es Grafiken. Auch das stimmt nicht ganz, wie die Daten zeigen. In den meisten Ländern werden von jeder Frau rund zwei Kinder geboren. Die Kinderzahl hängt stark mit dem Einkommen zusammen:

Ihr könnt selbst ein bisschen herumspielen und euch die Zusammenhänge anzeigen lassen. Die Daten starten mit dem Jahr 1800 und enden 2019. Hier ist der Link zu den Gapminder Tools.

Weg von der Definition der “Entwicklungsländer” oder “des Westens”

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus dem Buch ist, dass wir uns zu oft auf sogenannte kulturell bedingte Gewohnheiten berufen, die sich nicht ändern lassen, da eben Kultur und so. Aber der Autor, er stammt aus Schweden, blickt zurück in die Zeit seiner Großeltern und resümiert, die schwedische Kultur hat sich stark verändert in den letzten hundert Jahren. Wieso sollte sie in anderen Ländern unveränderbar sein? Egal ob es um Geschlechterrollen geht, Anzahl von Kindern, Lebensgewohnheiten oder vielem anderen.

Mir kam in den Sinn, was ich in der Uni schon gelernt habe: wir haben mehr mit den Menschen aus anderen Ländern gemeinsam, die in der gleichen Einkommensklasse leben wie wir, als mit Menschen aus unserem eigenen Land, die in vollkommen anderen Verhältnissen leben. Das scheinen auch die Untersuchungen zu ergeben. Es geht nicht um die Einteilung, zwischen westlicher Welt und dem Rest, zwischen globalem Süden und globalem Norden, es geht um unterschiedliche Einkommen, die auf allen Kontinenten in allen Ausprägungen zu finden sind. In unterschiedlicher Häufigkeit, aber sie sind überall da. Im Buch werden die Haushalte bzw. die Länder der Welt in vier Einkommenslevel aufgeteilt. Level 1 hat am wenigsten Geld (bis zu 2$ am Tag), Level 4 am meisten Geld (32$ und mehr pro Tag) zur Verfügung. Jeder Sprung in ein höheres Einkommenslevel, ist der Sprung in ein neues Leben. Und nun ratet mal, wo die meisten Menschen leben? Richtig, in der Mitte. In den mittleren Einkommensleveln. Nur eine Milliarde Menschen weltweit ist auf Level 1. Und nur eine lebt auf Level 4. Das ist übrigens unser Level. Es tut auch mal gut, daran erinnert zu werden, dass wir genauso die Ausnahme sind, wie der ärmste Teil der Menschen. Die Normalität für die meisten Menschen auf der Welt, liegt in einer Realität zwischen der unseren und der, die uns über Nachrichten von Hungersnöten und Naturkatastrophen vermittelt wird.

Hier nur kurz der Link zur Quelle und ein Screenshot von der Seite mit der Erklärung und der Einteilung der vier Level

Ich will hier nicht zuviel verraten, sonst ist das Buch bzw. die Internetseite gar nicht mehr spannend für euch. Nur soviel sei hierzu noch gesagt: Der Autor, sowie das Team von ihm, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter haben tausende Fotos weltweit gesammelt, von Familien aus unterschiedlichen Einkommensklassen, die Alltagsgegenstände wie Zahnbürsten, Schuhe, Töpfe, Toiletten usw. zeigen. Diese Fotos findet ihr alle auf der Dollarstreet. Auf der Dollarstreet wohnen ganz links die Menschen mit den wenigsten Dollar und ganz rechts, die mit den meisten Dollars. Die meisten leben irgendwo dazwischen. Da könnt ihr auch mal durchklicken. Einfach mal schauen, wie leben denn “reiche” Menschen und “arme” Menschen im gleichen Land. Dann sieht man deutlich, dass sich das Leben von Menschen im gleichen Einkommenslevel sehr gleicht, egal wo auf der Welt sie leben.

Factfulness – eine faktenbasierte Weltsicht

Bei internationalen Konferenzen von Regierungen, Wirtschaftkonzernen, aber auch bei Vorlesungen an Univeristäten, stellte Hans Rosling wiederholt fest, dass das Wissen über die Welt – obwohl dank dem Internet fast überall verfügbar – nicht in den Köpfen der Menschen ist. Der Autor hat mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter einen Fragebogen entwickelt und diesen bei unterschiedlichen Anlässen genutzt, um das Wissen der Leute abzufragen. Die Kontrollgruppe ist eine Gruppe von Schimpansen, die einfach raten und leider so gut wie immer besser abgeschnitten haben, als die Elite von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Es geht dem Autorenteam mit ihrem Buch darum, Fakten bereit zustellen, auf deren Basis gute Entscheidungen für die Zukunft des Planeten und der Menschheit getroffen werden können und sie wollen uns dazu bringen, unser Wissen über die Welt zu überprüfen mit einfachen Fragen. Der Fragebogen ist deshalb online verfügbar.

Es ist wirklich spannend und ziehmlich überraschend, wie oft man falsch liegt. Probiert es selbst aus und erfahrt, wie viele Kinder weltweit mindestens eine Impfung haben; wie groß der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen ist, wenn man die Jahre betrachtet, die sie die Schule besuchen; prüft, ob ihr wisst, wie sich die Weltbevölkerung entwickeln wird. Ihr werde sehen: die Welt ist besser, als ihr denkt 😉  

Ihr könnt euer Wissen mit dem Gapminder Wordview Upgrader testen. Viel Spaß dabei!

Und was ist mit Level 1?

Nachdem ich schon über den aktuellen Welternährungsbericht und den Klimareport berichtet habe, dachte ich, es wäre einmal Zeit euch mitzuteilen, dass viele Anstrengungen, die die Weltgemeinschaft in den letzten Jahrzehnten unternommen hat, tatsächlich Früchte tragen. Es lohnt sich also, sich für eine bessere Gesundheitsversorgung, für Schulbildung von Mädchen, für internationale Katastrophenhilfe einzusetzen und diese hervorragenden Dinge zu unterstützen. Wie im Video oben angeklungen, ist die Hoffnung oder das Ziel, dass in den nächsten Jahren/ Jahrzehnten, die gesamte Weltbevölkerung Level 1 verlässt. Zugang zu Strom, geringere Kindersterblichkeit (= bessere Gesundheitsversorgung) und bessere Bildungsmöglichkeiten werden dann ganz viel weiteres ins Rollen bringen.

Heute gar keine Infos zu meinem Leben in Sierra Leone?

Heute war es mal ein “Mitmach-Beitrag” mit vielen Links zum Klicken für euch und nicht so viel Sierra Leone Bezug? Denkt ihr. Natürlich rattert meine Maschine im Kopf die ganze Zeit. Auf welchem Level ist wohl Sierra Leone? Würde ich nur Freetown kennen, würde ich sagen, viele sind auf Level 2. Nach meiner Woche in den Dörfern im Süden, bin ich allerdings wieder anderer Meinung. Gut, in den meisten Dörfern hatten alle Kinder Schuhe an und in einigen Dörfern hatten die Kinder auch Kleidung an, die ihnen passte und die nicht kaputt oder schmutzig war. Aber in anderen… Dann war da das Problem mit den nicht vorhandenen Lehrkräften, kein Strom, Wasser nur aus dem Brunnen, kaum Geld und vieles mehr.  Laut Gapminder ist Sierra Leone auf Level 1. Ich sehe hier aber viele Ansätze für Level 2!

Jetzt könnt ihr aber erst einmal euer Wissen über die Welt erweitern, während ich mir weiter Gedanken mache und euch dann bald über meine Tage auf der Roadshow in den Dörfern der forest edged communities berichte.