Deutsche Dürre und der Regenwald

Zunächst muss ich mich ganz kurz an Frank wenden. Ich habe deinen Artikelwunsch nicht vergessen! Er kommt. Aber zuerst muss ich noch darüber schreiben, wie berührt und schockiert ich war, von verbrannten Rasenflächen in Deutschland, Anfang Juli.

Bevor ich im Juli nach Deutschland geflogen bin, war ich echt mal wieder frustriert von der Arbeit. Ich schwankte zwischen, es geht alles viel zu langsam vorwärts und ich lass es einfach gleich alles sein und OMG, es ist so viel zu tun, wo soll ich nur anfangen? Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass es eh gar nichts bringt, was ich hier mache. Im Moment größten Ärgers dachte ich schon trotzig, dass ich einfach nicht mehr aus Deutschland zurückfliegen werde.

Aber dann begegnete mir der deutsche Sommer

Und der hatte es in sich. Als ich Anfang Juli in Deutschland ankam, hatte ich das Gefühl, es wäre schon Ende August. Alle Felder waren gelb und verbrannt, keine grünen Rasen, auch die Gemüsebeete kämpften so vor sich hin. Wo sonst im Juli der Garten zuwuchert und sich in seiner Pracht zeigt, ließen auf einmal die Bäume ihre Blätter hängen und läuteten einen viel zu frühen Herbst ein.

Wassernotstand hier, Wassernotstand dort. Und vier Wochen fast ohne Regen. Nur sind die Pflanzen in Deutschland ja gar nicht für eine Trockenzeit wie wir sie in Sierra Leone haben gewappnet. Und die Tiere auch nicht. Von den Menschen ganz zu schweigen. Meine Idee von einem Kurztrip nach Italien habe ich ziemlich schnell wieder verworfen. Lieber den Leuten nicht noch mehr von der raren Ressource Wasser nehmen. Nur die Wespen schienen die trockene Hitze zu mögen. Wenigstens eine Spezies also, die den Sommer so richtig genoss.

Schmelzende Gletscher und ausgetrocknete Gebirgsbäche

Mein erstes erschrockenes Aufmerken gab es ja schon ein paar Wochen zuvor, als der Gletscher in den Dolomiten abrutschte und Wanderer unter sich begrub. Das hätte auch ich sein können, oder jemand den ich kenne, dachte ich mir. Ich erinnerte mich an die Alpenüberquerung, die ich vor zwei Jahren gemacht habe und an die Schneefelder, über die wir im August noch stiefelten. Gibt es das bald nicht mehr? Bis wann verwandeln sich die Alpen wohl in eine Seenlandschaft, wie ich es vorgestern in der Zeitung gelesen habe?

Die Sorge um Dürre und Trockenheit war auf jeden Fall in mehreren Gesprächen während meines Aufenthaltes Thema. Auch auf 1600m, wo ich ein paar Tage auf unserer Bärenbadalm verbrachte und der Bauer kam, um zu prüfen, ob die Kühe noch genug Wasser hätten. Sonst müsste er welches hinaufbringen. Verrückt, dachte ich mir da noch. Wahnsinn, dachte ich erschrocken, als wir bei unserer Wanderung am nächsten Tag an ausgetrockneten Bachläufen vorbeikamen, die ich aus den letzten Jahren als kleine aber glucksende Gebirgsbäche kennengelernt hatte, die die Füße angenehm kühlen und für Erfrischung sorgen nach einem anstrengenden Abstieg. Es gab im Winter nicht genug Schnee, deshalb gibt es jetzt im Sommer nicht genug Schmelzwasser.

Das hört sich ja sehr nach Freetown an: wenn es in der Regenzeit nicht genug regnet, dann haben wir in der Trockenzeit nicht genug Wasser und keinen Strom. Zumindest Regen scheint es in Freetown dieses Jahr viel zu geben. Soweit ich es zumindest aus der Ferne beurteilen kann. Letztes Jahr gab es nicht genug. Deshalb hatten wir im Frühjahr ja so große Wasser- und stromprobleme.

Den Regenwald retten für den Sommer in Europa

Für mich schließt sich der Kreis. Der verdorrte Rasen in Deutschland gibt mir neue Motivation und einen klaren Auftrag für meine Arbeit in Sierra Leone. Die Regenwälder müssen auf jeden Fall beschützt werden. Es gibt unterschiedliche Arten von Wald. Regenwald, europäischen Mischwald und Nadelwald wie in der Tundra/Taiga. Alle Wälder geben Wärme an die Atmosphäre ab und  kühlen aber auch. Beim Regenwald ist der Kühlungseffekt am größten, der europäische Mischwald kühlt das Klima etwas mehr als dass er es erwärmt, der nordische Wald erwärmt das Klima mehr als das er es kühlt. Deshalb ist es so wichtig, dass besonders die Regenwälder beschützt und erhalten werden. Sie sind am wichtigsten, um das Klima zu kühlen und den Klimawandel abzufedern. Wenn ich mich so umschaue, frage ich mich zwar, ob das überhaupt noch Sinn macht, irgendetwas gegen den Klimawandel zu tun. Ist der Point of no return nicht schon längst überschritten und wir rollen mit Vollspeed in die Erderwärmung? Ich meine, die Erde wird es überstehen, um die mache ich mir keine Sorgen. Es ist nur ziemlich gemein, dass wir so viele Arten mit uns ins Verderben reißen, die nichts dafür können und sich nicht wirklich wehren können. Für sie strenge ich mich also an. Damit sie ihre Heimat und ihren Lebensraum nicht so rasend schnell verlieren.

Wenn ich an Sierra Leone gedacht habe, in den letzten Wochen, überkam mich oft auch eine Überforderung. Es gibt so viel zu tun. Ich sehe so viele Baustellen vor mir. Alleine das Plastik das den ganzen Strand bedeckt. Oder das Plastik, dass deinen Körper umschmeichelt, wenn du an bestimmten Stränden ins Wasser gehst. Das Plastik, dass die Leute einfach in den Wald werfen oder fallen lassen, wo sie gerade stehen und gehen. Wir brauchen eine Müllentsorgung, Aufklärungskampagnen und und und. Aber ich will zuerst den Wald retten. Um das Plastik müssen sich erst einmal andere kümmern.

In Deutschland reden wir spätestens seit den 1980er Jahren über Mülltrennung, Plastikvermeidung und Umweltschutz. Wir sind in den letzten 40 Jahren auch ganz gut vorangekommen. Allerdings nur oberflächlich. Bei der Müllentsorgung und der Müllverwertung sind wir keine Weltspitze. Da ist noch sehr viel Luft noch oben. Und wenn wir es in Deutschland in über 40 Jahren nicht geschafft haben, unseres Mülles Herrin und Herr zu werden, wie soll es dann in Sierra Leone in viel kürzer Zeit klappen?

Dazukommt natürlich, dass in Deutschland gerade das Thema Müll und Umwelt nicht die bestimmenden Themen sind.* Es geht um die Folgen des Krieges Russlands in der Ukraine, um explodierende Heizkosten und Inflation. In Sierra Leone haben wir ähnliche Sorgen. Verteuerung der Lebensmittel, Transportkosten schießen in die Höhe und die Wahlen stehen nächstes Jahr an. Wir können nur hoffen, dass die Politikerinnen und Politiker und einflussreichen Leute in der Wirtschaft, endlich sehen, was sie seit Jahrzehnten nicht sehen wollten oder nicht ernstgenommen haben und nicht länger so tun, als hätten wir noch Zeit, bis die Klimakatastrophe in ferner Zukunft künftige Generationen vor Herausforderungen stellt. Ich denke, wir sind schon mittendrin.

Und endlich weiß ich, was ich hier eigentlich mache 🙂

Sämtliche Dystopien scheinen viel schneller Realität zu werden, als erwartet. Ich bin gespannt, wie es weitergeht mit uns. Jetzt heißt es aber erst einmal, wieder richtig ankommen in Freetown und Pläne schmieden für die Rettung des Waldes hier. Denn nun habe ich endlich eine Antwort auf die ewige Frage „Was machst du da eigentlich?“ Ich versuche mitzuhelfen, den Klimawandel abzubremsen. Danach schauen wir weiter 😊

*Kleiner Nachtrag: den Artikel habe ich auch schon am Flughafen in Istanbul geschrieben, also schon vor einer Woche. Mittlerweile sieht es in Deutschland ja um einiges schlimmer aus. Der Rhein hat kein Wasser mehr und in der Oder sterben die Fische. Deshalb stimmt natürlich nicht mehr ganz, dass Umwelt und Klima gerade keine bestimmenden Themen sind. Bei uns ist gerade das Gegenteil von Dürre der Fall. Aber davon das nächste Mal mehr.

3 Kommentare

  1. Lauerin

    Liebe Kathrin, vielen Dank für die Verknüpfung der Zusammenhänge. Du öffnest die Augen, deine und bestimmt auch die von anderen. Und das ist schon mal so viel sinnvoller als so viele andere Tätigkeiten!

  2. Canan

    Redet man dort in den Nachrichten überhaupt über den Klimawandel (im Lande selbst oder weltweit) und dessen Folgen? Ich hab das Gefühl als ob hier (in der Türkei) das Thema in den Medien und von der Regierung völlig ignoriert wird 😒 im Dorf meiner Großeltern war es dieses Jahr so heiß dass wir tagsüber nicht Wandern konnten 😔

    • TheKaddl

      Klimawandel ist nicht so präsent als Thema in den Medien wie in Deutschland. Aber es ist ein Thema für die Menschen hier, auch wenn viele nicht wirklich wissen, was damit gemeint ist. Ich hatte ein Aha-Erlebnis, als nach einem Vortrag zum Klimawandel während unseres vierteljährlichen Netzwerktreffens ein Kollege einer anderen Organisation meinte, er habe jetzt endlich verstanden, was gemeint ist mit menschengemachten Klimawandel. Er hatte das bisher nie verstanden. Das zeigte mir, dass der Begriff benutzt wird, aber nicht viele Menschen wirklich wissen, was er bedeutet. Aber die meisten Menschen wissen, dass die Unvorhersagbarkeit des Wetters durch den Klimawandel kommt und das es globale Gründe dafür gibt, dass es kaum noch Fische im Meer gibt.Wie tief dieses Wissen geht, weiß ich aber nicht.
      Die Regierung ist sich bewusst, dass Sierra Leone eines der am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder weltweit ist. Das wiederum bedeutet aber nicht, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um das zu ändern. Eine befreundete Organisation von uns, culture radio, haben mehrere wöchentliche Programme, um über Klimawandel und Umweltthemen aufzuklären. Das ist wichtig, denke ich, um mehr Wissen zu verbreiten, damit die Menschen dann Zusammenhänge verstehen und ihr Handeln ändern können. Wir versuchen auch gerade mehr Aufmerksamkeit für diese Themen zu schaffen, aber für die Menschen ist es gerade wahrscheinlich interessanter zu erfahren, wie sie die nächste Zeit ihre Familien und sich selbst ernähren können, bei den steigenden Preisen.

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