Die letzten zwei Wochen waren ziemlich voll und anstrengend. Wir hatten zwei Wochen lang workshops. In der ersten Woche fand die CPS Mano River Conference statt. Die Mano River Region erstreckt sich über Sierra Leone, Liberia und Guinea. Im CPS Netzwerk der Mano River Region versammeln sich jedoch nur Organisationen aus Sierra Leone und Liberia. Normalerweise findet die gemeinsame Konferenz einmal im Jahr statt. Wegen Covid gab es letztes Jahr nur eine hybride Veranstaltung, dieses Jahr haben sich alle wieder live getroffen. Dafür kamen die Projektpartnerinnen und – partner aus Liberia nach Freetown und wir haben uns eine Woche lang ausgetauscht, voneinander und miteinander gelernt und haben auch einiges an Input bekommen vom Brot für die Welt – CPS Support-Team aus Deutschland.
Zwei Nürnbergerinnen treffen sich in Freetown
Mein Highlight war natürlich, dass auch Antje nach Freetown kam. Antje kenne ich aus der Vorbereitungszeit. Sie ist seit letztem Jahr Oktober in Liberia. Seitdem klar war, dass ich nach Sierra Leone gehen werde, haben wir uns schon auf unser Wiedersehen hier gefreut. Und so haben wir es beide genossen, einen gemeinsamen Abend am Strand mit Bierchen zu verbringen und uns austauschen zu können. Auch wenn man immer wieder Leute kennenlernt, gibt es eben immer einige, mit denen passt es einfach und andere, mit denen es nicht so gut passt. Bei Antje und mir passt es einfach.
Gruppenarbeit, Austausch und social evening
Auf der Konferenz wurde viel in Kleingruppen gearbeitet. Da wir im Netzwerk des Zivilen Friedensdienstes (CPS) verbunden sind, ging es thematisch natürlich immer um Arbeiten in einer Konfliktsituation oder auch um Arbeiten an einer Konfliktsituation. Wir haben über die Rolle von Medien, Zivilgesellschaft und anderen gesellschaftlichen Gruppen in Bezug auf Konflikte gesprochen und uns überlegt, wie wir auf offene und verborgene Konflikte reagieren können.
Ich fande es sehr spannend, zu erfahren, wie die Situation in Liberia ist. Teilweise ähneln sich die beiden Länder, aber es gibt natürlich auch einige Unterschiede. Der Unterschied, den man als erstes hört, ist, dass die Menschen in Liberia Englisch mit amerikanischem Akzent sprechen.
Von der Tagung selbst habe ich nicht wirklich Fotos, dafür aber vom Blick vom Hotel auf Freetown und auf unseren Fuhrpark 😉
Der krönende Abschluss der Konferenz war ein social evening. Über die Woche hatte jede und jeder eine „heimliche Freundschaft“ gepflegt. Mit dem Los haben wir diese Freundschaften geknüpft und unserem Freund oder unserer Freundin ein kleines Geschenk zukommen lassen. Am social evening wurden die Freundschaften dann visible und jede Person hat in der großen Runde mit dem jeweiligen invisible friend getanzt. Es war ein ganz netter Abschluss und ich persönlich freue mich auf jeden Fall auf ein Wiedersehen mit den Kolleginnen und Kollegen in Liberia nächstes Jahr – dann findet die Konferenz in Monrovia statt.
Do No Harm im Praxistest
In der zweiten Workshop Woche ging es um den Do-No-Harm-Ansatz. Unsere Moderatoren für diese Woche waren Rolf und John. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen von anderen Organisationen haben wir die Theorie von Do No Harm anhand eines Projektes von CSSL in der Praxis geprüft.
Worum geht es bei Do No Harm?
Wie der Name schon sagt, versucht man möglichst keinen Schaden zu verursachen. In der Entwicklungszusammenarbeit sind meist die Ziele gut, aber manchmal wird vergessen, sich den gesamten Kontext anzuschauen. Dadurch kann es passieren, dass mit einem Brunnenbau – wenn er an der falschen Stelle gebaut wird oder durch Ausschließen bestimmter Bevölkerungsgruppen in der Planungsphase – mehr Schaden in der Gesellschaft angerichtet wird, als er am Ende nutzen bringt. Bei Do No Harm wird deshalb zunächst eine Kontextanalyse gemacht, bei der mit allen möglichen Beteiligten und Betroffenen gesprochen wird, um ein Gesamtbild der Gesellschaft zu zeichnen und um mögliche Konfliktlinien herauszuarbeiten. Es müssen nicht immer offene Konflikte sein, wichtig ist, dass im Anschluss bei der Projektplanung – und Umsetzung diese (möglichen) Konflikte berücksichtigt werden, damit sie durch die Projektarbeit nicht vergrößert werden. Im besten Fall wird so das Projekt „konflikt-sensibel“ geplant und durchgeführt.
Einen Überblick über Do No Harm findet ihr auf der Website donoharm.info. Ist nicht das aktuellste Design, aber es geht ja um die Inhalte 😉
Do No Harm in Big Water
CSSL arbeitet ja schon eine Weile in Big Water, ihr erinnert euch an die Ökolodge… Eigentlich sollte die Kontextanalyse vor Projektstart stattfinden, wir haben das nun im laufenden Projekt gemacht. Aber die Ergebnisse sind trotzdem sehr interessant und vor allem ist es wichtig, sie nun in die weitere Arbeit vor Ort einfließen zu lassen.
An den ersten beiden Workshop-Tagen gab es nochmal ein kurzes Recap zu Do No Harm und zu Interviewführung. Dann ging es am Dienstagnachmittag in Freetown los. In Kleingruppen von drei Personen haben wir verschiedene Stakeholder, wie National Tourist Board, Ministerium für Tourismus, Ministerium für Landwirtschaft und Forst, Vertreter von Welthungerhilfe und Wild Life interviewt. Die Fragen behandelten die sozialen, ethnischen, religiösen und ökonomischen Gruppen in Big Water, wie sie zueinander stehen, wer verbindendes Element sein könnte und wer oder was die Gesellschaft eher trennt.
Mit dem Wissen um sogenannte Connector und Divider, soll es ermöglicht werden, bei der Projektarbeit sensibel vorzugehen, um die Connector zu stärken und die Divider mit einzubinden und wenn möglichen zu Connectoren zu machen.
Mittwoch und Donnerstag ging es dann ins Feld. Wir haben Einzelpersonen und Gruppen in Big Water und der Umgebung interviewt. Zum Beispiel den village headman, village vice headman (diese Person ist immer eine Frau), Frauengruppen, Lehrer, den Headman, der übergeordneten Ortschaft, Jugendgruppen, die Mummy Queen usw.
Interviews unter Bäumen und Mittagessen am Straßenrand
Bei den Interviews wurde zunächst immer betont, dass es keine Konflikte gibt, nach und nach kam dann aber doch heraus, dass es einige Konfliktlinien gibt und vor allem, dass CSSL bisher nicht ganz perfekt mit diesen bestehenden Konflikten umgegangen ist. Deshalb bin ich gespannt auf die finale Analyse von Rolf und John und wie wir die Ergebnisse dann in die künftige Arbeit in Big Water einbinden.
Das Hauptproblem der Menschen in Big Water ist auf jeden Fall, dass sie sich bisher nicht gut genug eingebunden fühlen in die Projektplanung und Umsetzung; dass sie uns als Regierungsvertreter wahrnehmen, die ihnen verbieten, den Wald zu nutzen – allerdings leben sie vom Wald und wissen nicht, wie sie sonst überleben sollen; die Grenze des „green belt“ wurde so festgelegt, dass die Big Water Community quasi gar keinen Wald und auch die Felder, die sie sonst bewirtschaftet haben, nicht mehr nutzen dürfen (man muss dazu sagen, die community kam nicht zum Meeting, als die Grenzen festgelegt wurden) und so kann zum Beispiel die traditionelle Landwirtschaft mit abwechselnder Nutzung der Felder nicht mehr praktiziert werden.
Außerdem gibt es mehrere große Firmen, die auf dem Gebiet Holz schlagen und jetzt eine neue Firma, die Steine abbauen will. Einerseits will die Community das nicht, weil sie wissen, dass damit ihre Lebensgrundlage – der Fluss, der dem Ort seinen Namen gibt – stark leiden wird, zugleich wollen sie das Land an die Unternehmen verkaufen, um schnelles Geld zu machen für den Hausbau, Autos und ähnliche Anschaffungen. Eine sehr verzwickte Situation. Wie fast überall in den forest edged communities. Die einzige Lösung scheint, alternative nachhaltige Einkommensmöglichkeiten zu schaffen, so dass der Wald geschützt werden kann und langfristig die Lebenssituation der Bevölkerung stabil bleibt bzw. verbessert wird.
Die Interviews wurden entweder direkt auf dem Schulhof durchgeführt, in der Schreinerei oder unter dem Baum mit Mamy Queen. Auf dem einen Foto seht ihr ein Interview in der Schule, im Hintergrund seht ihr ein rundes Gebilde in den Nationalfarben Salones. In der Mitte dieser runden Dinger sind immer die Handpumpen angebracht. Auch auf den Dörfern sehen die oft so aus. Ich nehme an, weil es relativ einfach ist, die Tiere fernzuhalten, wenn man am Durchgang ein kleines Gitter anbringt.
Raus aus der Komfortzone
Mein Highlight war die Zusammenarbeit mit einer Kollegin von YMCA – Salaimatu. Eine junge Frau, die anfangs etwas schüchtern und unsicher war, am Ende aber perfekte Interviews geführt hat. Es ist sehr cool zu sehen, wie schnell sich Menschen entwickeln können, wenn sie sich auf etwas neues einlassen und sich trauen, ihre Komfortzone zu verlassen. Das werde ich mir als Vorbild nehmen für die Zukunft. Nach den zwei Wochen Workshop und dem anschließenden Partywochenende war ich am Montag so zerschlagen, dass ich eigentlich nur noch reinwollte in die Komfortzone – leider weiß ich noch nicht so genau, wo die sich in Freetown versteckt. Deshalb hieß es dann einfach weitermachen 🙂
Und hier zum Abschluss noch ein paar Fotoeindrücke der letzten Tage und ich freudestrahlend mit meinen Zertifitkat. Ohne Zertifikat geht hier gar nichts!!!
Ich entschuldige mich auch ernsthaft für die oft verwirrenden Sätze und wahrscheinlich fehlen 50% der wichtigen Infos, damit ihr in der Lage seid, alles zu verstehen. Bitte habt Nachsehen – im Gegensatz zu Winter mit Schnee haben wir hier über 30 Grad und ich will gar nicht wissen wie viel Luftfeuchtigkeit. Mein Gehirn ist sehr weit von Höchstleistungen entfernt…




















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