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Privilegien über Privilegien

Lange war es still hier auf meinem Blog, dabei wollte ich schon vor Wochen wieder einmal schreiben. Ich sitze gerade am Flughafen Istanbul, am allerletzten Gate, wie mir scheint, denn ich bin fast alleine in der kleinen Halle. Perfekt also, um meine Gedanken zwischen hier und dort zu sortieren. Nach viereinhalb Wochen in Deutschland geht es für mich heute wieder zurück nach Sierra Leone. Ich fliege von Zuhause nach Zuhause. Das war schon beim Hinflug nach Deutschland komisch und ist es jetzt auch wieder.

Die ganze Zeit über in Deutschland war Sierra Leone immer mit dabei. Einerseits, weil viele natürlich wissen wollten, wie es dort so ist und was ich da mache. Wobei ich die erste Frage gar nicht wirklich beantworten kann. Deshalb meine Strategie: Selbst viele Fragen stellen und zuhören. Vieles kann ich mit Worten nicht erklären und beschreiben. Es war auf jeden Fall wunderbar, all diejenigen zu sehen, die ich gesehen habe und sehr schade, diejenigen nicht zusehen, die ich verpasst habe. Mein Learning bei diesem Besuch: Auch vier Wochen sind nicht ausreichend, um alle Menschen zu treffen, die ich gerne treffen würde.

Bevor ich nach Deutschland geflogen bin, wollte ich eigentlich schon einen Beitrag zu meinen Privilegien schreiben, aber nach den letzten Wochen merke ich, dass ich noch viel privilegierter bin als gedacht. Es ist ein unglaubliches Privileg für mich, dass ich mich von so vielen Menschen begleitet und vermisst fühle beziehungsweise, dass so viele Menschen mich gerne sehen möchten. Vielen Dank euch allen! Aber warum waren mir die Privilegien vor meiner Abreise schon wieder so präsent im Vordergrund?

Diejenigen, die den letzten Artikel gelesen haben, wissen ja, dass ich krank war. Am Ende war es jedoch nicht Typhus, sondern Malaria. Leider war die erste Diagnose falsch. Ich war also die drei Wochen vor meinem Urlaub mehr oder weniger krank. Mir ging es nicht direkt schlecht, also keine Übelkeit, kein Durchfall, keine Schmerzen – ich war einfach nur sehr erschöpft, müde und hatte nicht wirklich Appetit. Alles auch Symptome von Typhus. Deshalb habe ich mir nichts dabei gedacht.

Und hier fangen meine Privilegien schon an: ich konnte einfach von der Arbeit zuhause bleiben, als ich mich nicht gesund gefühlt habe, ohne Angst haben zu müssen, um meinen Job, mein Gehalt, mein nächstes Essen. Das geht nicht allen Menschen in Salone und auch in vielen anderen Ländern der Welt so. Wir wissen, dass wir in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben. Aber was das bedeutet, machen wir uns nicht wirklich oft klar. Es bedeutet zum Beispiel, dass ich bei Krankheit zuhause bleiben kann bei voller Lohnfortzahlung (zumindest in den ersten Wochen). Und noch wichtiger: wir werden behandelt, ohne erst einmal den Geldbeutel zücken zu müssen. Das war nämlich mit ein Grund, weshalb ich es so hinausgezögert habe, ins Krankenhaus zu gehen. Ich wusste, ich hab nicht genug Bargeld Zuhause.

Aber, ich habe eine Wohnung, in der ich mich erholen kann. Das ist auch eine Selbstverständlichkeit für uns, aber nicht für alle. Ich habe ein Zimmer und ein Bett, in das ich mich zurückziehen kann, ich habe sogar noch den Luxus, eine große Wohnung zu haben und vom Bett aufs Sofa oder auf den Balkon ausweichen zu können.

Und dann habe ich auch noch Menschen, die sich um mich kümmern, wenn es mir nicht gut geht. Die für mich einkaufen gehen, mir Essen kochen und vorbeibringen und sich immer wieder nach mir und meinem Wohlbefinden erkundigen. Der nächsten Krankheit kann ich also sehr entspannt entgegenblicken, da ich weiß, ich bin nicht alleine und ich habe Menschen um mich, die auf mich achtgeben. Das ist wahrscheinlich auch für ein paar Leute in Deutschland beruhigend zu wissen. Trotzdem plane ich nicht, bald oder überhaupt wieder krank zu werden. Auch wenn ich nicht wirklich Schmerzen hatte, habe ich das Gefühl, dass mir drei Wochen meines Lebens fehlen, in denen ich eigentlich ein paar coole Sachen vorhatte und auch in der Arbeit ein paar Dinge umsetzen wollte, bevor ich nach Deutschland kam. Von Krankheiten berichte ich also künftig hoffentlich nicht mehr aus erster Hand.

Wie gesagt, dachte ich die ganze Zeit, ich hätte Typhus. Und da auch zwei andere Freunde von mir lange Typhus hatten (zumindest war das die Diagnose) und sich auch nach ein paar Wochen noch nicht wieder fit fühlten, dachte ich, es dauert eben. Einmal hatte ich einen Fieberschub, aber der war auch gleich wieder vorbei. Deshalb habe ich mir da nicht wirklich Gedanken gemacht. Passte alles zu Typhus. Nur als ich dann sechs Tage vor Abflug nach Deutschland immer schwächer wurde und auf einmal täglich einen Fieberschub hatte, war klar, es wäre doch einmal angebracht, nochmal in die Klinik zu fahren. Privilegiert wie ich bin, muss ich nicht krank und erschöpft mit einem Keke fahren oder gar laufen. Ich habe einen Freund angerufen, ob er mich ins Krankenhaus fahren kann. Das hat er dann auch gemacht. Wahrer Luxus, denn ich war eigentlich zu schwach, um zu sitzen.

Der Bluttest in der Klinik zeigte dieses Mal: Malaria. Also doch. In dem Moment als ich die Diagnose bekommen habe, war ich nur froh, dass es etwas ist, was gut und schnell behandelt werden kann, so dass ich ein paar Tage später nach Deutschland reisen können würde. Alles andere war mir egal. Und es konnte mir auch egal sein. Weil wieder einmal meine Privilegien voll zugeschlagen haben: ich hatte weder 500 US-Dollar in bar dabei, noch ging das Kreditkartenlesegerät. Eigentlich hätte ich also gar nicht stationär aufgenommen werden können. Zu meinem Glück kannten sie mich im Krankenhaus schon und ich hatte schon eine Rechnung bezahlt. Außerdem gab es zwei Tage vorher eine Währungsreform, weshalb die Geldautomaten in der Stadt nicht funktionierten und ich somit gar nicht an Bargeld hätte kommen können. Sonst hätte ich echt ein Problem gehabt. Wenn ich nicht hätte zahlen können, hätten sie mich wahrscheinlich auch mit 40 Fieber wieder heimgeschickt. Das ist schon Leuten passiert. Aber so meinten sie, das klären wir am nächsten Tag. Da war also auch etwas Glück mit im Spiel. Aber ich denke, sie hätten trotzdem nicht jede Person aufgenommen, ohne vorher Geld zu sehen.

Am nächsten Tag, nach einer Nacht mit Infusion und viel Flüssigkeit, funktionierte auch mein Gehirn wieder besser und mir ist eingefallen, dass ich ja eine Versicherung habe. Was ein Privileg, dass ich einfach eine Whatsapp an jemanden schreiben kann, der sich dann sofort bei mir meldet und alles für mich löst, so dass ich mich um nichts mehr kümmern brauchte, außer um meine Essensbestellung und meinen Schlaf sowie meine Besucherin, die mir auch noch Fried Rice vorbeibrachte. 😊

Kurz zum Krankenhaus: Ich war in einer oder der teuersten Klinik im Land, beste Versorgung, tolles Pflegepersonal und als ich dann am Sonntag ins große Zimmer umgezogen bin, sogar TV! Fast besser als im Hotel. Und das Essen war auch hervorragend. Das ist auch etwas special. Normalerweise bekommt man in Sierra Leone kein Essen im Krankenhaus. Das müssen Familie und Freunde vorbeibringen. Ich hingegen bekam so viel Wasser wie ich trinken konnte und lecker Essen aus einem Restaurant geliefert.

Als es dann darum ging, wieder entlassen zu werden, sind mir meine Privilegien nochmal so klar geworden, dass es mir schon unangenehm war. Ich hatte natürlich die drei Tage im Krankenhaus nicht wirklich etwas mitbekommen, was draußen so vor sich ging. Also habe ich meinen Fahrer (auch so ein Privileg) gebeten, mich vormittags aus dem Krankenhaus abzuholen. Erst am Morgen habe ich dann erfahren, dass es keine Öffis gibt, weil es Streiks gibt und alle Okodas und Kekes, die trotzdem fahren würden, von der Straße geholt werden würden. Mein Fahrer ist also extra megafrüh am Montag mit einem Okadafahrer, den er kennt, zu mir in die Nähe gefahren, um dann dort zu warten, bis ich mich melde und mich abholen lasse. Das habe ich leider erst später erfahren. Als ich von den Streiks gehört habe, habe ich noch versucht, ihm zu sagen, ich kann mich von wem anderes abholen lassen, aber da war er schon in Aberdeen.

Als ich dann wieder zuhause war, in meiner riesigen Wohnung mit Meerblick, habe ich wieder gemerkt, wie gut es mir doch geht und wie privilegiert ich in diesem Land bin. Ich habe keine Sorgen wegen Geld, kann mir die bestmögliche Gesundheitsversorgung leisten bzw. bekomme sie bezahlt, und kann einfach krank sein, wenn ich krank bin. Und wenn die bestmögliche Gesundheitsversorgung nicht gut genug ist, dann kann ich in ein Land gebracht werden, wo ich die Hilfe bekomme, die ich brauche. Es kann sein, dass es nicht schnell und easy geht, aber theoretisch ist es möglich für mich.

Und zu guter Letzt, ihr ahnt es schon: waren meine Sorgen und Ängste bald aus dem Weg geräumt. Ich war fit genug, um nach Deutschland zu fliegen und hatte auch ausreichend Energie, um sehr viele Menschen zu treffen und viele wunderschöne Momente zu erleben.

Als ich in Nürnberg am Flughafen von meinen Eltern abgeholt wurde und dann auch noch meine Brüder kamen und die ganzen Wochen über mein Handy nie ganz still stand, merkte ich wie verdammt privilegiert ich auch in Deutschland bin. Nicht nur, dass ich ein sicheres Dach über dem Kopf habe und willkommen bin, ich bin sehr willkommen und immer gern gesehen 😊 Das größte Privileg überhaupt, das immer bei mir ist und mich zwar beim Abschied immer schwach erscheinen lässt hinter meinen Tränen, in echt aber meine größte Stärkung ist – seid einfach mal ihr. Vielen Dank euch allen dafür!

Mittlerweile habe ich den Flughafen in Istanbul verlassen und bin wieder in Freetown. Ich wurde tatsächlich von einem Freund an der Fähre abgeholt, obwohl ich erst um 3 Uhr nachts ankam und ein weiterer Freund kam auch noch zu so später bzw. früher Stunde vorbei, um mich willkommen zu heißen. So saßen wir dann noch zu viert bis morgens und haben die wichtigsten News ausgetauscht und auf meine Wiederkehr angestoßen. Ganz dankbar und erschöpft bin ich so heute Morgen dann ins Bett gefallen, als der Muezzin schon zum Morgengebet rief.

Aber nicht nur meine Leutchen haben mich willkommen geheißen in Salone, auch die täglichen Herausforderungen sind direkt wieder da: Ich hatte nicht genug Strom prepaid gekauft, weshalb ich keinen Strom hatte und mein Gas für den Herd war auch leer. So ein Mist! So konnte ich morgens nicht mal Kaffee trinken. Aber was wäre ich ohne meine Privilegien? Natürlich habe ich meinen Fahrer angerufen, der kam und hat mir eine neue Gasflasche besorgt. Stromguthaben konnte er leider heute nicht besorgen, aber bestimmt morgen. Und solange lebe ich mit meinen Solar-Batterien und nutze den Strom unten in der Wohnung bei meiner Nachbarin, wo wir den verregneten Nachmittag verbringen. Ja, ihr hört richtig. Hier regnet es, seitdem ich angekommen bin. Echte Regenzeit!

Soviel für heute als Einblick in meine Privilegien im Krankheitsfall und im Alltag. Euch wünsche ich noch schöne Sommertage mit erfrischenden Sommerregen und dass ihr die Privilegien, die ihr habt, in vollen Zügen genießen könnt und sie weise nutzt.

Typhus statt Tiwai und die Frage: ist Armut ein Gesundheitsrisiko?

Ich hatte gehofft, mein nächster Beitrag nimmt euch nochmals mit auf eine Reise nach Tiwai und in die Dörfer um Tiwai herum. Aber leider wurde die Reise nach Tiwai verschoben. Vielleicht war das ganz gut, denn auf einmal hat der Typhus nochmals ziemlich zugeschlagen und mich für ein paar Tage ausgeknockt. Deshalb machen wir heute keinen Ausflug in den Regenwald, sondern ins Sierra Leonische Gesundheitssystem bzw. möchte ich euch ein bisschen erzählen, was es hier bedeutet, krank zu sein.

Kurze Recherche mit zu vielen Erkenntnissen

Ich selbst hatte ja nun meine erste eigene Erfahrung mit dem Gesundheitssystem gemacht, weiß aber natürlich schon ein bisschen, wie die Realität hier ist. Trotzdem wollte ich nicht nur aus dem Nähkästchen plaudern, sondern euch auch ein paar Fakten nennen, die beispielhaft für die Situation hier sind. Außerdem war ich im teuersten privaten Krankenhaus. Das spiegelt nicht ganz den Standard wider. Jessica, die schon seit einigen Jahren in Sierra Leone lebt und im Gesundheitsbereich arbeitet, hat mir ein paar gute Quellen genannt. Die meisten Infos, die ich hier anbringe und die Grafiken stammen aus dem DHS Report 2019, der mit Unterstützung von USAID erstellt wurde. DHS steht für Demographic and Health Surveys.

Gestern wollte ich eigentlich nur ein bisschen recherchieren und habe dann über neun Seiten Notizen gemacht und dabei habe ich die ganzen Themenbereiche HIV/AIDS, Müttersterblichkeit, Teenage Schwangerschaften und Weibliche Genitalverstümmelung komplett ausgelassen. Ich dachte, das sind Themen, zumindest die letzteren, die eine eingehendere Betrachtung und Behandlung erfordern. Das hätte heute den Rahmen zu sehr gesprengt. Ihr könnt euch also schon darauf einstellen, dass da nochmal irgendwann etwas kommt, zu diesen Themen und weshalb sie gesellschaftsrelevant sind. Nicht nur in Bezug auf die Gesundheit, sondern auch allgemein für die Gesellschaft.

39° und ich werd noch heißer….

Im letzten Beitrag habe ich ja noch geschrieben „Zum Glück „nur“ milder Typhus“, als wäre das ein Klacks. Wieso jetzt also dieses Bedürfnis, der Welt meine Krankheitsgeschichte mitzuteilen? Naja, bis Sonntagabend ging es mir ganz gut. Vielleicht etwas zu gut. Immerhin habe ich sogar ein bisschen Yoga und Übungen gemacht. Aber mein Körper war wohl noch nicht so weit. Deshalb kam dann abends das Fieber und der Schüttelfrost. Ich hatte nicht so viele dicke Daunendecken zur Hand, so dass ich mich gar nicht wirklich einmummeln konnte, mit meinem Schüttelfrost. Aber ich wusste ja, Schüttelfrost hält normalerweise nicht ewig an, da muss ich nur irgendwie durch. Wichtiger ist es, die Temperatur im Blick zu halten. Ab 39° ist man nicht mehr wirklich in der Lage sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Das ist das gefährliche am Fieber. Wann also ruft man Hilfe und vor allem wen? Ich wusste, wenn ich ins Krankenhaus fahre, dann nehmen die mich erstmal stationär auf und legen mir einen Zugang. Und das will ich ja immer sehr vermeiden. Ich bin zum Glück nochmal ohne Krankenhaus ausgekommen, das Fieber ist irgendwann gesunken und blieb dann in den folgenden Tagen auch stabil unten. Ich hatte nur schreckliche Kopfschmerzen, so dass ich das Bett quasi nicht verlassen habe.

Krankenwagen, Notarzt? Fehlanzeige

Trotzdem ist es keine gute Situation. Da fängt mein kleiner Exkurs schon an. In Deutschland hat man jederzeit die Möglichkeit, einen Krankenwagen zu rufen, wenn es einem nicht gut geht. Hier gibt es keine Krankenwagen, die kommen und einen abholen. Man muss irgendwie selbst zum Arzt oder in die Klinik kommen. Das ist für mich natürlich eine sehr viel geringere Herausforderung als für viele andere Menschen. Ich habe immerhin Geld zuhause und kenne Leute, die sich bestimmt kümmern würden, dass ich gut ins Krankenhaus komme. Außerdem ist das Krankenhaus, in das ich gehe, keine 10 Autominuten entfernt. Für Leute im ländlichen Raum oder in anderen Stadtteilen, sieht das alles schon wieder ganz anders aus. Aber auch ich fande die Situation mehr als nervig und anstrengend. Wenn ich krank bin, will ich ja niemanden stressen und nachts anrufen und wegen mir durch die Stadt schicken. Das kennt ihr vielleicht. Bei vielen plötzlichen Gesundheitsproblemen, wie Herzinfarkt, Hirnschlag oder noch einleuchtender: bei einem Unfall, ist es super wichtig, schnell ins Krankenhaus zu kommen. Aber wie, wenn es keine Krankenwagen gibt und viele Menschen auch kein eigenes Auto haben?

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für viele Menschen nicht gegeben. Ganz davon zu schweigen, ob sie sie sich leisten könnten. 97% der Personen zwischen 15 und 49 Jahren haben keine Krankenversicherung. Das heißt, sie müssen jeden Arztbesuch selbst bezahlen. Ich weiß, im günstigeren Krankenhaus hätte mein Typhus-Malaria Test mit Arztgespräch so 100,000LE bis 150,000LE gekostet (10€). Ich war dann aber ja im teuren Krankenhaus, da hat das Ganze dann 100€ gekostet. Viele Leute gehen gar nicht zum Arzt für eine Diagnose. Sie gehen direkt in die Apotheke und holen sich ihre Antibiotika, weshalb es leider immer wieder zu Resistenzen bei den Erregern kommt. Aber das ist ja nochmal ein Thema für sich. Deshalb auch immer die Devise: lieber gar nicht erst krank werden!

Wer arm ist, stirbt früher?

Die Lebenserwartung in Sierra Leone liegt laut Weltbank aktuell bei 51 Jahren (in Deutschland bei 81 Jahren). Weshalb die Lebenserwartung um so vieles geringer ist, liegt auf jeden Fall auch an der mangelnden Gesundheitsversorgung, im mangelnden Wissen um Gesundheit und an der Armut. Auch innerhalb Deutschlands ist die Lebenserwartung bei vermögensstarken Personen höher als bei vermögensarmen. Ich habe hier leider die Quelle nicht mehr parat, aber da gab es erst vor kurzem eine Studie dazu. Aufs Globale übertragen, wird da leider immer noch ein Schuh draus. Menschen in reicheren Ländern haben eine höhere Lebenserwartung als Menschen in ärmeren Ländern.

Es gibt viele Gründe, weshalb es hier sehr viel gefährlicher ist, krank zu werden. Einer davon ist die mehr als schlechte Gesundheitsversorgung. Schon bei den kleinsten Komplikationen müsste man ins Ausland – und wahrscheinlich nicht ins benachbarte Ausland. Wenn man etwas Ernstes hat, ganz zu schweigen natürlich. Die Mutter meiner Kollegin zum Beispiel, sie machen jetzt eine Kernspintomographie von ihrem Kopf. Wenn sie aber irgendetwas finden, wissen sie schon, dass sie es hier nicht behandeln können. Wahrscheinlich in Ghana oder Nigeria? Keine Ahnung. Aber die Untersuchung selbst kostet schon 150 US-Dollar. Das können sie sich nur mit fremder Unterstützung leisten. Und ich weiß gar nicht, was sie machen, wenn die Untersuchung ergibt, dass sie eigentlich eine OP braucht. Und jetzt gehört meine Kollegin nicht zu den aller Ärmsten hier.

Weniger Ärzte als in der bayerischen Provinz und Ebola

Sierra Leone hat die geringste Dichte an Ärzten und Ärztinnen in ganz Westafrika. Auf 100,000 Personen kommen nur drei Ärzte/Ärztinnen. In Deutschland sind es 450 pro 100,000 Menschen. Wir haben hier ein Kinderkrankenhaus, in Freetown gibt es ein Emergency Hospital, das sich um Brüche und Co kümmern kann. Außerhalb der Hauptstadt gibt es ein paar „gute“ Krankenhäuser, die von internationalen Organisationen betrieben werden, aber sonst ist da nicht so viel. Im ganzen Land gab es nur einen Rechtsmediziner. Ich glaube, der ist aber weg, ich weiß gar nicht, ob der ersetzt wurde. Auch bei allen anderen Fachbereichen ist es nicht so sicher, ob gerade jemand im Land ist. Ich bin ja in einer dieser Whatapp-Gruppen, in der viele internationale sind. Da kommen immer auch Fragen wie: Gibt es gerade einen Hautarzt? Kennt jemand einen guten Zahnarzt? Ich hebe meinen Zahnarztbesuch für Deutschland auf…

Die Ebola-Epidemie ist zwar schon ein paar Jahre her. Aber ihre Auswirkungen sind immer noch spürbar. Ich habe einmal irgendwo gelesen, dass während Ebola die Hälfte des medizinischen Personals gestorben ist. Auch hier habe ich leider die Quelle nicht mehr zu Hand. Aber auch das hat noch Auswirkungen auf die heutige Gesundheitsversorgung. Also: lieber nicht krank werden.

Toiletten und sauberes Wasser

In Deutschland gab es früher auch viele gefährliche Krankheiten, die es heute eigentlich nicht mehr gibt, die einfach mit der Wohnsituation der Menschen zusammenhängen. Viele Krankheiten in Salone, die lebensgefährlich sein können, wenn sie nicht behandelt werden, besonders für Kinder, hängen mit unhygienischen Lebensbedingungen zusammen. Und damit meine ich nicht, dass die Menschen hier unhygienisch sind. Ganz im Gegenteil. Es sind die Lebensumstände, denen es an Hygiene und der Möglichkeit an Hygiene mangelt. So sind Durchfallerkrankungen begleitet von Fieber, Mangelernährung und kurze Ansteckungswege in engen Behausungen und bei nicht vorhandener Abwasserentsorgung und Wasserversorgung an der Tagesordnung.

Die wenigsten Häuser sind direkt an irgendeine Abwasserentsorgung angeschlossen. Laut des DHS reports 2019 hatten 55% der Haushalte im Land eine „bessereToilette“. D.h. eine Toilette im eigenen Haus, auf dem Compound oder in der direkten Nachbarschaft, mit irgendeiner Form von Abwasserentsorgung. Das können Toiletten sein, wie ich sie habe, oder so kleine Klohüttchen mit Antiseptic-Tank oder Abflussrohr ins nächste Gewässer. Das bedeutet aber auch, dass die übrigen 45% entweder Gemeinschaftstoiletten nutzen (ohne richtigen Abfluss) oder aber in die freie Natur gehen, um ihr Geschäft zu verrichten. Insbesondere in der Regenzeit ist das ziemlich gefährlich, da der Regen die Ausscheidungen mit sich nimmt und sie so schön verteilt werden, weshalb jetzt zu Beginn der Regenzeit auch mal wieder Typhus-Zeit ist…

Die Zahlen sind sehr unterschiedlich, je nachdem, ob man Haushalte in städtischen oder in ländlichen Gegenden betrachtet. Nur 8% der Haushalte insgesamt (15% im städtischen Raum und 2% im ländlichen Raum) haben die Toilette innerhalb ihrer Wohnung oder ihres Hauses. Alle anderen müssen vor die Türe, wenn sie mal müssen. Ich bin sehr froh, dass ich zu diesen 8% gehöre. Meine Nachbarinnen und Nachbarn vom Grundstück gegenüber, auf dem so vier bis fünf Häuschen stehen, sehe ich immer mit ihren Eimern und ihrem „Dusch-Outfit“ um die Ecke gehen. Die haben da einen Waschplatz oder so, nehme ich an. Das kann ich nicht einsehen. Aber auf jeden Fall haben die weder Toilette noch Dusche in ihren Häuschen. Die Weltbank kommt auf etwas andere Zahlen. Sie geht davon aus, dass 14% der Menschen in Sierra Leone „safely managed sanitation services“ nutzen, im Vergleich zu 97% in Deutschland. Was genau damit gemeint ist, kann ich euch aber leider nicht verraten.

Neben dem Abwasserproblem ist selbstverständlich auch die Versorgung mit (Trink-)Wasser oder sauberem Wasser essenziell für die Gesundheit. In den Ergebnissen der Studie wird gar nicht extra erwähnt, wie viele Personen Wasser aus der Leitung zu Hause haben. Die „beste“ Kategorie ist: Wasser aus einer besseren Quelle (Brunnen, Wassertank, … – eben kein See, Pfütze, Lache, sondern irgendwas, was geschützt ist) in weniger als 30 Minuten zu Fuß erreichbar. Das ist die Kategorie: dir geht es ganz gut. Und hier haben sich auch 58% der Haushalte eingeordnet. Sie hatten an mindestens einem Tag in den zwei Wochen vor der Befragung Zugang zu „sauberem“ Wasser. Aber insgesamt 33% aller Haushalte im Land entnehmen ihr Wasser einer nicht geschützten Stelle, wo das Wasser verdreckt und/oder verunreinigt sein kann.

Und da war ich genervt, weil mal ein paar Wochen lang kein Wasser aus der Leitung kam. Manchmal muss ich mich echt immer wieder mal zurechtrücken im Kopf.

Auch crazy: nur 1% der Haushalte nutzt eine „saubere“ Methode zum Kochen. Sauber heißt: kein Holz, keine Kohle und somit kein Rauch. Rauch ist ja auch sehr gesundheitsschädlich. Ich koche mit Gas. Wieder einmal gehöre ich zu dem kleinen %-Teil der Bevölkerung, dem es viel besser geht und der gesünder lebt, weil er sich es leisten kann.

Und dann war noch eine spannende Kategorie, an die ich selbst noch nie gedacht hatte: Wie viele Haushalte haben einen festen Ort zum Händewaschen. Das sind so Fragen, auf die würde ich nie kommen, wenn ich aus einem deutschen Kontext komme. Und siehe da: 7% aller Haushalte haben einen festen Platz zum Händewaschen und 53% haben Seife zur Verfügung zum Händewaschen. Die anderen waschen natürlich trotzdem Hände. Insbesondere die muslimischen Bevölkerungsteile waschen sich ja nicht nur vor jedem Gebet die Hände, sondern auch die Arme bis zum Ellenbogen, die Füße und das Gesicht. Das geschieht aber meist „mobil“ mit kleinen Plastikkännchen. Trotzdem haben ja anscheinend höchstens 7% der Haushalte ein Waschbecken oder eine Waschschüssel fest installiert.

Bildung und Zugang zu Wissen

Und dann kommt noch ein super wichtiger Aspekt dazu, der vielleicht auf dem ersten Blick nichts mit Gesundheit zu tun hat: Bildung und Zugang zu Wissen.

Was mache ich denn, wenn ich mit Fieber im Bett liege? Ich google erstmal, welche Körpertemperatur so normal ist. Dann schaue ich mal nach, ab wann es vielleicht kritisch wird. Dann messe ich schön regelmäßig meine Temperatur. Und dann schau ich mal noch, welche Medikamente ich nehmen sollte und vielleicht auch noch wie oft. Wenn ich vom Arzt komme, schaue ich auch erstmal in der Packungsbeilage oder im Internet, ob die Medikamente überhaupt sinnvoll sind für meine Krankheit.

Damit ich das alles machen kann, erfülle ich schon sehr viele Voraussetzungen, die ein hoher Prozentteil der Bevölkerung hier nicht erfüllt:

  1. Ich weiß, dass es eine durchschnittliche Körpertemperatur gibt.
  2. Ich habe ein Gerät, um meine Körpertemperatur zu messen.
  3. Ich kann das Gerät auch bedienen und weiß etwas mit dem Ergebnis anzufangen.
  4. Ich kann lesen und schreiben.
  5. Ich habe ein Smartphone.
  6. Ich habe Strom, so dass mein Akku aufgeladen ist.
  7. Ich habe Internet, weil ich Guthaben aufgeladen habe.
  8. Ich hatte Geld, um einen Arzt aufzusuchen und Medikamente zu kaufen.

Ich habe vielleicht schon einmal berichtet, wie schlecht die Schulbildung insbesondere in den ländlichen Gebieten ist. Als wir letztes Jahr in den Dörfern am Rande des Gola Rainforest waren, konnten die Kinder teilweise ihre Namen nicht buchstabieren bzw. haben die Aufgabe „Spell your name“ nicht verstanden, obwohl das hier Standard ist, dass die Kinder immer alles buchstabieren müssen. Also selbst diejenigen, die „some primary“ haben, können nicht unbedingt lesen, schreiben und rechnen. Wenn ihr die Grafik anschaut, seht ihr, dass über 55% der Frauen quasi nicht lesen und schreiben können. Die Daten wurden 2019 erhoben, und mittlerweile gibt es ein Programm „Free Education“, aber es ist nicht wirklich ganz kostenfrei, weil Bücher, Uniformen, und Zuschuss für Lehrkräfte bezahlt werden müssen. Vor allem gibt es oft keine Lehrkräfte. Also: Bildung ist eher ein rares Gut. Insbesondere wenn es um Gesundheit geht, gibt es viel unnützes oder Halbwissen. Das Problem ist auch, dass viel traditionelles Wissen zur Behandlung von Krankheiten verloren geht.

Neben Zugang zu Bildung ist auch der Zugang zu Wissen sehr beschränkt. Ich fand es supercras, als ich gesehen habe, dass 70% der Frauen und 56% der Männer keinen Zugang zu Massenmedien wie Radio, TV oder Zeitungen haben. Das ist für uns überhaupt nicht vorstellbar. Ja, die werden alle den ganzen Tag an ihren Smartphones zocken, denkt jetzt vielleicht die eine oder der andere. Aber weit gefehlt. Laut Weltbank nutzen in Sierra Leone nur 18% der Bevölkerung das Internet. In Deutschland sind es 90%. Und wie in meiner Auflistung schon erwähnt, wer zwar ein Handy hat, aber keinen Strom, um es zu laden oder in Hinblick auf Gesundheit, keinen Strom, um Essen zu kühlen, keinen Strom, um Licht zu haben zum Lernen am Abend usw., auch dem ist das Leben um einiges erschwert. Die Weltbank geht davon aus, dass in Deutschland 100% der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität haben, in Sierra Leone aber nur 26,2%.

Ihr seht also, es gibt superviele Gründe, weshalb Menschen hier sehr anfällig sind, für Krankenheiten, die es in „reichen“ Ländern gar nicht gibt. Dazu kommt noch, dass es hier zusätzlich klimatisch bedingt Krankheiten gibt, die es in Europa nicht gibt, wie Malaria zum Beispiel. Und wer erkrankt, für den oder die ist es viel schwieriger, medizinische Versorgung zu bekommen. Es ist wirklich tragisch, dass Kinder und auch Erwachsene hier an Malaria oder Typhus sterben, obwohl beides behandelbar ist. Aber wenn das Fieber zu schnell steigt oder der Durchfall nicht gestoppt werden kann, dann ist das lebensbedrohlich.

Wie es so schön im Ausreiseseminar hieß: „An alle, die nach Sierra Leone gehen: bitte einfach nicht krank werden. Wir müssen euch sonst vielleicht direkt evakuieren….“ Und jedes Mal wenn ich mich mit den Fakten beschäftigte, merke ich, wie wahr diese Aussage ist. Aber keine Sorge: ich passe weiterhin auf mich auf. Und vor allem in nächster Zeit lasse ich es eh mal ruhig angehen 😉

Zum Ende noch ein paar Lichtblicke

Das Gute an den ganzen Zahlen da oben: die Tendenz ist positiv. Wer die Daten der letzten Erhebungen vergleicht (der Report wird alle fünf Jahre erstellt), sieht bei fast allen untersuchten Aspekten eine kleine oder größere Tendenz zum Besseren. Ich finde, das ist sehr schön. Außerdem gibt es gute Entwicklungen im Sierra Leonischen Gesundheitssystem. Es gibt kostenfreie Gesundheitsversorgung für Kinder bis zu ihrem 5. Lebensjahr, für Schwangere und für stillende Mütter. Das ist ein Versuch, um die hohe Kinder- und Muttersterblichkeitsrate zu verringern. Und es scheint Schritt für Schritt zu funktionieren. Zu diesem Service gehören auch Basisimpfungen für Kleinkinder und Babys. Nur 2% der Kleinkinder haben laut der Studie gar keine dieser Impfungen erhalten. Die Kleinen werden gegen Diphterie, Tetanus, Tuberkulose, Polio, Keuchhusten und Masern geimpft. Über 50% der Kinder bis 35 Monate hatten alle Impfungen erhalten. Als ich das letzte Mal auf dem Rückweg von Tiwai war, haben wir ein paar Mütter mit ihren Kleinkindern im Auto mitgenommen und sie zur nächsten Gesundheitsstation gefahren. Sie waren unterwegs zur Untersuchung und zum Impftermin. Sie hätten bestimmt noch ein bis zwei Stunden Fußweg vor sich gehabt, wenn wir sie nicht mitgenommen hätten. Damit will ich nur sagen: Ich glaube, die Mütter versuchen alles, um ihre Kinder gesund zu halten und nehmen auch diese Strapazen auf sich, wenn sie können. Also: es geht voran, wenn auch viel zu langsam. Aber immerhin.

Und nun?

Wer es bis hierher geschafft hat: Hut ab. Mir schwierte gestern der Kopf vor lauter Zahlen und Informationen und heute auch direkt nochmal.

Meine Intention ist es auch heute nicht, euch zu zeigen, wie fürchterlich alles in Sierra Leone ist. Ich habe nur selbst wieder einmal festgestellt, als ich gestern mit meiner Recherche anfing, dass da so vieles ist, was ich nicht weiß und nicht bedenke, wenn ich mir meine Bilder im Kopf forme und meine Vorurteile und Sichtweisen auf Menschen und die Welt entwickle. Ich weiß, in Deutschland wurde nun die Alarmstufe für Gas ausgerufen, Alter, und die nächste Covid-Welle ist schon fast wieder da, aber vielleicht hilft es manchmal trotzdem, nicht aus den Augen zu verlieren, weshalb Menschen versuchen in die spanische Enklave Melilla einzudringen, auch wenn sie ihr Leben dabei aufs Spiel setzen, wenn sie nicht das Gefühl hätten, es wäre die einzige Chance für sie und ihre Familie „sicherer“ zu leben und zu überleben. Ich finde, es ist gerade sehr klar, wie vernetzt diese Welt ist und dass wir allen Herausforderungen gemeinsam gegenüberstehen. Egal ob es Klimakatastrophe, Kriege, Lebensmittel- und Rohstoffknappheit oder Pandemien sind. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir uns nicht gegenseitig aus dem Blick verlieren.

Ich habe einen passenden Spruch gelesen vor ein paar Tagen: Niemand würde sein Kind in einem Boot übers Meer schicken, wenn es an Land sicher wäre.

Darf man bei all der Misere noch Lachen?

Lange habe ich überlegt, ob ich euch lieber mit ein bisschen „denkt mal über die Welt nach“ verabschiede, oder euch dieses sehr passende (aber leider häßliche) Video zeige. Passend in dem Sinne, dass ihr wisst, was ich mir hier immer anhören muss in Expat-Kreisen und passend, weil Lachen ja bekanntlich die beste Medizin ist 😉 Und vielleicht schwirren euch später ja nicht nur die vielen Fremdwörter im Kopf herum, sondern auch noch ein paar andere Inhalte aus meinem heutigen Beitrag.

 PS: Falls ihr euch fragt, wie es mir eigentlich geht: Viel, viel besser. Ich hoffe, ich bin bald wieder auf meinem normalen Energielevel und kann wieder essen und trinken, was ich möchte!

Bäume pflanzen zum World Environment Day 2022

Am 5. Juni feiert die Welt World Environment Day. Dieses Jahr unter dem Motto #OnlyOneEarth.  Normalerweise feiern wir diese internationalen Kalendertage immer mit einem Ausflug mit ein paar Kindern aus den School Nature Clubs. Da so immer nur zwei bis drei Kinder aus jeder Schule dabei sind, hatte ich für dieses Jahr die Idee, den Tag direkt in den Schulen zu feiern – mit einer Baumpflanzaktion.

Vor dem World Environment Day (WED) war deshalb sehr viel Planung und Orga nötig. Ich habe für den WED ein bestimmtes Budget. Die Idee war, so viele Bäume wie möglich zu pflanzen. Nicht nur in den Schulen unserer School Nature Clubs, sondern auch noch in den Communities, in denen wir arbeiten. Am Ende haben wir eine Community ausgewählt, in der Kollegen von uns arbeiten, weil die Leute direkt angefragt hatten, ob wir sie unterstützen können mit einer Baumpflanzaktion. Die Aktion in der Community steht noch an. Das ist noch etwas komplizierter als gedacht. Ich hoffe, wir können das noch realisieren, bevor ich im Juli nach Deutschland fliege. Da jetzt die Regenzeit begonnen hat, ist es die beste Zeit zum Bäumepflanzen. Zu lange sollten wir also nicht warten.

Briefe ohne Post und flexible Budgets

Wieso ist hier alles so kompliziert? Ganz einfach: Wenn wir so etwas wie eine Baumpflanzaktion in den Schulen planen, müssen wir zunächst einen Brief an alle Schulen schreiben, diese müssen von unserem Chef unterschrieben werden (das kann sich verzögern, wenn er dann auf einmal eine Woche lang nicht da ist), und dann müssen die Briefe persönlich überreicht werden, weil es keine Post gibt. Das bedeutet, wir brauchen alleine zwei Tage, um alle Schulen abzufahren, nur um die Briefe zu verteilen, in denen wir fragen, ob die Schulen mitmachen wollen. Bei dieser Gelegenheit haben wir auch direkt nachgefragt, wie viele Bäume die Schulen jeweils haben wollen.

School Nature Club Teachers Meeting

Zum Glück hatte ich die grandiose Idee, bei diesem Besuch auch gleich nachzufragen, ob es in Ordnung ist, wenn wir die focus teacher der School Nature Clubs, zu einem meeting einladen. Sonst hätten wir nochmal alle Schulen abfahren müssen, um auch dafür einen Brief auszuteilen. Eine Woche vor dem World Environment Day haben wir alle Lehrerinnen und Lehrer der School Nature Clubs eingeladen, um ihnen Informationen zu den Bäumen zu geben, die wir ihnen geben werden. Ich hatte auch Poster mit Do´s und Don´t´s zum Thema Wald und Bäume gestaltet und eines mit Infos zu den Öko-Services von Bäumen. Diese Poster sollten dann in den Schulen vorgestellt und aufgehängt werde. Die Lehrkräfte hatten auch die Möglichkeit Fragen zu stellen, was sie beim Pflanzen und bei der späteren Versorgung der kleinen Bäume beachten sollten.

Wenn so ein Meeting organisiert wird, müssen wir natürlich als erstes einen Termin finden und dann fragen wir meist bei ein bis zwei Schulen an, ob wir deren Halle nutzen dürfen. Dann ist es hier Usus, Essen und Getränke anzubieten. Schon für ein Meeting von zwei Stunden braucht es Lunch oder Frühstück. Wenn ich zu einem Meeting einlade, dass vor 10h startet und dann bis 13h geht, erwarten die Leute Frühstück und Mittagessen und selbstverständlich noch eine Transportpauschale, die die Transportkosten übersteigt. Es ist also echt jedes Mal eine Kostenfrage, solche Meetings zu organisieren, da alleine für Essen und Getränke und die Transportpauschale super viel Geld draufgeht. Das aber nur am Rande. Aber das ist ein Grund, weshalb wir keine monatlichen Meetings mit den School Nature Clubs abhalten können oder auch warum wir nicht zu Meetings mit Partnerorganisationen in einem regelmäßigen Turnus einladen können, weil schlicht und ergreifend, das Geld fehlt für die Verpflegung und aber alle erwarten, dass es Verpflegung und Transport-Refund gibt…

Auf Shopping Tour in Lumley

Bevor es für uns ans Verteilen der Setzlinge ging, haben wir noch Schaufeln, Haken und Pickel gekauft, um den Schulen auch die nötigen Gerätschaften zur Verfügung zu stellen, die sie fürs Baumpflanzen brauchen würden.

Da ich mich vor ein paar Wochen entschieden habe, mich nicht mehr so sehr auf das zu fokussieren, was hier anstrengend ist und schwierig läuft, erspare ich euch und mir, die ganze Geschichte zum Thema Budgetierung, Budget-Anpassung, Planung der Baumverteilung usw. Am Ende hat ja alles geklappt 😉

Verteilung der kleinen Bäumchen auf der Peninsula

Am Donnerstag und Freitag vor dem WED haben wir die Setzlinge abgeholt und sie an die insgesamt 14 Schulen verteilt, die bei der Aktion mitmachen würden. Die meisten Direktoren und Direktorinnen waren wirklich hocherfreut, als wir mit den Bäumchen ankamen. Anscheinend hatten sie nicht so ganz daran geglaubt, dass wir echt kommen und Bäume bringen würden. Es hat sehr gut getan zu sehen, dass unsere Arbeit einen direkten Einfluss haben kann. Einerseits geht es uns natürlich um den Bildungsaspekt mit den Schülerinnen und Schülern, dass sie eine Verbindung zur Natur aufbauen, selbst die Bäume pflanzen und lernen, weshalb Bäume so wichtig für uns und unser Überleben sind. Aber zugleich können die Bäume auch auf den Schulgrundstücken als Windbreaker und Schattenspender sehr, sehr nützlich sein.

Baumpflanzaktionen in den Schulen

Am Montag und Dienstag nach dem WED wurden die Bäume dann gepflanzt. Wir haben super viele Fotos und kleine Videos aus den Schulen bekommen, die ich hier mit euch teile. Jetzt gilt es nur zu hoffen, dass die Bäume auch wachsen werden und in ein paar Jahren noch da sind. Wir haben dafür extra notiert, wie viele Bäume jede Schule bekommen hat und werden das mit den School Nature Clubs monitoren. Insgesamt haben wir über 700 Bäume in den 14 Schulen gepflanzt. Weitere 600 pflanzen wir noch bis Ende Juni in der Tumbu Community.

Nachhaltigkeit der Aufforstung

Das Hauptproblem mit Baumpflanzaktionen ist, dass sie oft nicht nachhaltig sind. Es gibt ein großes Programm „Freetown the Treetown“ (transformfreetown.org), das gefördert von der Weltbank und durchgeführt durch das Freetown City Council zusammen mit zwei lokalen NGOs das Ziel hat, insgesamt 1 Million Bäume in Freetown und Umgebung zu pflanzen, bis Ende 2021. Das Ziel wurde unter anderem wegen Covid noch nicht erreicht. Die Aktion läuft aber noch. Sie startete als Reaktion auf den furchtbaren Erdrutsch, der 2017 über tausend Leben gekostet hat. Der Kollege von der EFA (Environmental Foundation for Africa), die die Baumpflanzaktionen implementieren, hat bei einem meeting berichtet, dass von 100.000 im letzten Quartal 2021 gepflanzten Bäumen, noch 40.000 leben. Die anderen wurden wieder entfernt. Deshalb versuchen sie jetzt die Bäume eng zu monitoren. Andere Partner berichten, dass sie Gegenden aufforsten, abgesprochen mit dem City Council, und dann ein paar Monate später genau dort eine Straße gebaut wird oder die Bäume aus anderen Gründen wieder entwurzelt werden. Es ist eine wahre Sisyphus-Arbeit. Eine große Herausforderung bei der Reforestation ist, dass die Regierungsbehörden, die eigentlich für den Schutz des Waldes und der Bäume zuständig sind, ihre Aufgaben nicht wirklich erfüllen (können). Das ist auch einer der Gründe, weshalb wir die Kampagne für den Wald gestartet haben. Darüber berichte ich aber ein anderes Mal mehr.

Und was mache ich da eigentlich die ganze Zeit?

Was genau ist mein Part bei der ganzen Sache? Es fängt damit an, dass ich mir überlege, was wir machen könnten am World Environment Day. Wie oben schon geschrieben, wird sonst ein Standardprogramm abgespuhlt, das meines Erachtens nicht wirklich viel Impact hat und nicht wirklich nachhaltig ist. Ich überlege mir also ein Konzept und Aktionen, was wir machen könnten. Das bespreche ich dann in unserem kleinen Team mit Mariama und Abdul, weil ich oft nicht einschätzen kann, was wirklich machbar ist und wie viel Aufwand was ist. Wenn wir uns zu dritt einig sind, was wir machen wollen, dann schreibe ich ein Konzept und ich muss ein Budget erstellen. Das kann etwas aufwändig sein. Vor allem, weil manchmal kurzfristig dann noch neue Hinweise kommen, was auch noch bedacht werden müsste. Das Budget für den WED habe ich so oft anpassen müssen, ich habe aufgehört zu zählen. Für das Budget müssen wir herumfahren und Angebote einholen, für Schaufeln, Haken, die Setzlinge usw. Wenn die Angebote nicht gestempelt sind, gibt es noch extra hin-und-her. Wenn dann auf einmal jemand kommt und sagt, „oh, ihr müsst auch noch Vorstandsmitglieder einladen und deren Transport refund mitbedenken“, dann bedeutet das, dass wir weniger Geld für alles andere haben und also neue Angebote einholen müssen, weil wir die Anzahl der Gegenstände und Setzlinge reduzieren müssen. Meine Hauptaufgabe ist es unter anderem, immer wieder nachzufragen und meine colleagues immer wieder am Ball zu halten. Wenn dann das Budget endlich final abgestimmt und eingereicht ist, kann es immer noch passieren, dass mein Chef noch Änderungswünsche hat. Dann muss man nochmal anpassen. Dann kann endlich der Scheck ausgestellt werden. Dieser muss aber von meinem Chef und dem Präsidenten unseres Vorstandes unterschrieben werden. Das kann auch ein paar Tage dauern. In dieser Zeit gehört es zu meinen Hauptaufgaben, immer wieder nachzufragen, ob der Scheck denn nun schon fertig sei. Wenn er dann endlich wirklich fertig unterschrieben ist, dann kann ich zur Bank fahren, um das Geld abzuholen.  Dafür muss ich entweder in die Innenstadt fahren oder nach Lumley. Also so 30 – 60 min Fahrzeit einfach, je nach Verkehr und dann nochmal so eine Stunde Wartezeit in der Bank, bis ich das Geld dann habe. Und schon kann ich mit meinen Millionen in schwarzen Plastiktüten aus der Bank schlendern.

Wenn ich das Geld erstmal habe, dann sind die größten Hindernisse schon genommen. Dann geht es nur noch um die Umsetzung. Das ist dann ein Klacks. Es ist nur wichtig, nicht zu vergessen, alle Leute auf den entsprechenden Listen unterschreiben zu lassen, weil diese für die Abrechnung wieder gebraucht werden.

Es ist ein bisschen Schade, dass alles immer so langwierig und anstrengend ist. Das verzögert die Arbeit manchmal ungemein. Vor allem, wenn die Finanzkollegin ihre Emails nicht checkt, obwohl ich gesagt habe, ich habe ihr einen request geschickt und dann die Leute nicht greifbar sind, die die Schecks unterschreiben müssen. Aber what to do…

Nach den Aktivitäten warten natürlich noch der Bericht und die Abrechnung mit den ganzen Quittungen, die ich einreichen muss. Außerdem poste ich über die Aktionen auf Facebook, schreibe einen Artikel für die Website und auch noch für den Newsletter. Ihr seht also, gerade ziemlich viel Output auf meiner Seite. Meine Kolleginnen und Kollegen sind wahrscheinlich auch schon leicht genervt von mir zur Zeit.

Endlich Strom und milder Typhus

Natürlich ist noch so einiges anderes Spannendes passiert. Ich habe nun tatsächlich meine Batterien installiert, so dass ich jetzt immer Strom habe, wenn ich möchte. Das ist unglaublich toll. Die Batterien sind nicht stark genug für den Wasserkocher, den Pürierstab oder eine Waschmaschine, aber sie sind ausreichend für Licht, Rooter, Kühlschrank und Laptop. Ich wusste gar nicht mehr, wie toll es ist, wenn ich einfach immer Strom haben kann, wenn ich möchte! Da mein Vermieter meinte, das Dach muss erst erneuert werden, bevor ich Solarzellen daraufinstalliere, habe ich mir schon einmal die Batterien und den Inverter geholt. Diese speise ich jetzt mit Strom „aus der Steckdose“ und wenn dann kein Strom da ist, lege ich den Schalter um und die Batterien versorgen mich mit Strom, wie riesige Powerbanks.

Außerdem ist die Regenzeit da. Das will ich euch auch nicht vorenthalten. Das kann wirklich dramatisch aussehen, wenn die Regenwand herbeikommt, und nicht minder dramatisch, wenn der Sturm um das Haus pfeift. Vor allem ist es megalaut. Ich kann weder telefonieren noch Film schauen, weil ich nichts verstehe. Aber dafür ist es angenehm kühl zur Zeit. Heute Nacht habe ich sogar mit Decke geschlafen 🙂

Und dann habe ich heute noch eine kleine neue Erfahrung, die ich mit euch teilen kann. Endlich hat es mich erwischt und ich musste nach über einem Jahr endlich mal ins Krankenhaus. Am Dienstag habe ich mich super müde und schlapp gefühlt, Gliederschmerzen, Erkältungssymptome. Alles auch Symptome von Malaria und Typhus. Also bin ich lieber mal ins Krankenhaus zum Testen. Ich weiß ja, wie das ausgehen kann, wenn man nicht rechtzeitig mit der Behandlung anfängt: dann wird man stationär aufgenommen und bekommt einen Zugang gelegt. Mein absoluter Horror! Aber: happy me: kein Malaria, nur ein bisschen Typhus. Ich bin deshalb gerade auch zuhause und nicht im Büro und merke, dass ich tatsächlich nicht wirklich fit bin. Deshalb ist mein Artikel heute auch etwas lahm und nicht so spritzig-witzig wie sonst 😉 Aber ich dachte, wenn ich jetzt nichts über den World Environment Day schreibe, dann wird das nichts mehr. Am Montag geht es hoffentlich nach Tiwai. Zumindest falls es nicht so weiterregnet und die Straßen und der Fluss passierbar sind. Und danach habe ich bestimmt anderes zu berichten.

Ich hoffe, euch geht es allen gut und ihr genießt euer Wochenende! Zum Abschluss noch eine meiner Inseln von meinem letzten Wochenende:

Eine neue Insel: Bo und die grünen Kangari Hills

Viele von euch haben sich nach meinem letzten Beitrag gemeldet. Vielen Dank für die Grüße von all diesen Inseln. Wie das so ist, geht es mir nun auf einmal sehr gut. Nachdem ich mir den Frust einmal von der Seele geschrieben hatte, ging es nur noch aufwärts mit meiner Stimmung und ich habe meine Fähigkeit innere Ruhe zu bewahren und gelassen zu Lächeln perfektioniert. Hilfreich dafür war mit Sicherheit mein Wochenendtrip zu Hannah nach Bo. Hannah ist auch ungefähr seit einem Jahr in Sierra Leone. Sie arbeitet bei WAVES (Women Against Violence) und ist über agiamondo hier. Ich habe sie letztes Jahr zufällig kennengelernt und irgendwie passt es bei uns beiden. Wir haben uns noch nicht so oft gesehen, weil sie in Bo wohnt, aber immer, wenn wir uns sehen, war es sehr gut. Ich hatte schon lange vor, sie in Bo zu besuchen, letztes Wochenende war es dann endlich so weit.

Wie vor jeder längeren Reise ist es zurzeit mal wieder ein Zittern, ob man genug Diesel bekommt, um hin und wieder zurück zu fahren. Nachdem ich das erste Mal, als dieses Problem aufkam, noch etwas nervös war, bin ich mittlerweile entspannt. Und vor allem dachte ich mir dieses Mal: falls ich in Bo keinen Diesel bekomme und nicht zurück nach Freetown fahren kann, dann bleibe ich eben noch ein paar Tage bei Hannah und arbeite dort im Homeoffice 😊

Am Freitag, am frühen Nachmittag ging es also los. Unterwegs habe ich an meine letzte Fahrt auf dieser Strecke gedacht. Damals waren Vivien und Jasi mit dabei. Dieses Mal saß ich alleine im Auto, aber dafür hatte der Regen die Landschaft in ein wunderschönes Arrangement aus unterschiedlichen Grüntönen verzaubert. Vielleicht ist es doch gut, wenn Leute mich am Anfang der Regenzeit besuchen, dann sieht das ganze Land gleich viel schöner aus, weil alles so grün und fruchtbar ist.

Sundowner auf der Terrasse der Präsidentenresidenz

In Bo angekommen bei Hannah, ging es noch für ein Sundowner Bier auf den nächsten Hügel. Bo ist eine Universitätsstadt und liegt 3,5 Stunden südöstlich von Freetown auf der Strecke Richtung Kenema und Gola Rainforest. Bisher kannte ich Bo nur vom Durchfahren. Die Gegend um Bo ist grün und etwas hügelig. Der Hügel, auf den wir unseren Abendspaziergang machten, beherbergt die „Sommerresidenz“ von Siaka Stevens. Siaka Stevens gilt als der erste Präsident Sierra Leones. Es ist immer noch sichtbar, wie schön die Residenz einmal war und wie schön sie eigentlich auch heute sein könnte, wenn sie nicht unbenutzt und heruntergekommen wäre. Teilweise ist das Fischgräten-Holz-Parkett noch sichtbar. Als wir da oben saßen und den Sonnenuntergang in seiner Farbenpracht genossen, während unsere Blicke über die Stadt schweiften und wir uns über unsere alltäglichen Herausforderungen austauschten, wussten wir noch nicht, dass der Besuch von Stevens Residenz, erst der erste Teil unserer historischen Tour werden würde.

Mittlerweile ist die Präsidentenresidenz heruntergerockt und beherbergt den staatlichen Radiosender SLBC Bo. An den Wänden finden sich Grafities von der Radiostation aber auch noch eine Botschaft an die ECOMOG Truppen, die im Bürgerkrieg die Rebellen bekämpften.

Auf in die Kangari Hill

Hannah teilt meine Wanderfreudigkeit. Deshalb war es von Anfang an klar gewesen, dass wir unser gemeinsames Wochenende auch für einen Hike oder eine Wanderung in der Umgebung von Bo nutzen würden. So sehr ich mich mittlerweile auch an das Leben in Freetown gewöhnt habe, es ist immer noch nervig für mich, dass es so lange dauert, bis ich aus der Stadt draußen bin. In Bo ist das anders. Dadurch, dass die Stadt viel kleiner ist, ist der Weg in die Natur auch viel kürzer. Trotzdem haben wir uns entschieden, die Kangari Hills zu erkunden, die circa eine Stunde nördlich von Bo liegen und sind nicht in der direkten Umgebung geblieben. Wir sind mit Hannahs Auto los, da wir noch nicht wussten, ob ich am nächsten Tag Diesel für die Heimatfahrt bekommen würde – witzigerweise oder peinlicherweise der Doppelgänger meines Autos. Über rote Pisten näherten wir uns den Kangari Hills.

Die Kangari Hills sind ein Forest Reserve. Leider ist viel mehr nicht bekannt. Wir sind also soweit gefahren, bis wir ein Dorf fanden, das nett aussah und von dem aus GoogleMaps einen Weg in die Hügel andeutete. Unser Auto haben wir bei einer netten Frau vor dem Haus geparkt und sind dann losgelaufen Richtung „Wunde“. Da Wunde auf GoogleMaps als Ort angegeben wurde, sind wir davon ausgegangen, dass es sich um ein Dorf handeln würde.

Über Trampelpfade ging es durch grüne Natur und Wald, wunderschöne Landschaften und Hannah hat sogar eine Gruppe Great Blue Turacos gesichtet. Ich war sehr erleichtert, dass es sich um Vögel handelte, die ich kenne und bezeichnen konnte. Wie peinlich wäre das sonst gewesen für mich als alte Birdi 😉

Irgendwann kamen wir dann an drei Häuschen vorbei und haben uns dort erkundigt, wo es nach Wunde geht, was ja unser erstes Ziel war. Die Frauen dort haben uns erklärt, wir wären schon in Wunde. Ziemlich witzig. Es waren wirklich nur drei Lehmhäuser mitten im Wald und GoogleMaps zeigt es mit Namen an…

Die eine Frau in Wunde erklärte uns, den weiteren Weg. Sie meinte noch, wir sollten nicht in die Banga Plantage, weil es dort keinen Weg rausgibt (Banga ist das Wort für Palmöl/früchte/bäume). Wir haben uns also wieder auf den Weg gemacht und sind weiter durch die grüne Landschaft spaziert, bis wir dann doch in der Banga Plantage gelandet sind. Eigentlich wollten wir weiter nach Petema und von dort aus die Runde zurück zu unserem Auto machen. Die Leute dort (es waren wieder nur 2 Häuser) haben uns nicht so richtig verstanden und wir sie auch nicht. Aber irgendeinen Weg haben wir dann doch eingeschlagen. Petema haben wir so leider nicht erreicht, dafür sind wir am Ende in Mongeri gelandet. Wenn man mit GoogleMaps und ohne offizielle Wanderwege durch die Gegend läuft, kommt man eben manchmal wo anderes an als geplant. Aber das macht die Sache ja nicht weniger interessant.

Historical Tour, die Zweite – the home of Samuel Hinga Norman

Wir waren noch gar nicht richtig im Dorf angekommen, da wurden schon eilig drei Plastikstühle aus dem Haus getragen und in den Schatten eines Baumes gestellt. Der Chief des Ortes lud uns ein, uns hinzusetzen und auszuruhen. Woher wussten die denn, dass wir just in diesem Moment ankommen würden? Irgendeine Art der Kommunikation scheint es zu geben, die wir nicht wahrnehmen.

Der Chief hat uns oben ohne, bekleidet in einer Jeans und Schlappen begrüßt. Es war ja auch Samstagnachmittag. Da ist man legere unterwegs. Wir haben erst ein bisschen Smalltalk betrieben mit ihm und dem anderen Mann, einem der Lehrer aus dem Ort, wie sich später herausstellte. „Ihr seid bestimmt wegen Samuel Hinga Norman hier?“ wurden wir gefragt. Es hat ein paar Anläufe gebraucht, bis wir verstanden haben, dass es sich um einen Namen handelt. Und nein, wir hatten den Namen noch nie gehört.

Kriegsheld und/oder Kriegsverbrecher?

Mongeri, der Ort, in dem wir gelandet sind, ist der Geburtsort von Samuel Hinga Norman. Seine Grabstätte ist direkt neben dem Fußballplatz im Ort. Die Schrifttafel ist zerstört, so dass ein bisschen Puzzlearbeit nötig war, um sie richtig zusammenzusetzen. Außerdem fehlen ein paar Teile. Die Kinder tragen die wohl immer weg. Aber einmal im Jahr kommt die Familie von Samuel Hinga, um ihm zu Gedenken. Er war der Anführer der Defense Forces während des Krieges und er war auch vor dem Special Court. So viel erfuhren wir vor Ort. Irgendwie konnten wir nicht ganz herauslesen, ob er nun eher als Held gesehen wurde, weil er als Chef der Defense Forces gegen die Rebellen kämpfte oder aber ein Kriegsverbrecher war. Vor dem Special Court wurden nach dem Bürgerkrieg die Verbrechen verhandelt, die während des Krieges begangen worden waren. Wenn jemand also vor dem Special Court war, dann hat er höchstwahrscheinlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.

Da wir aus den Ausführungen des Chiefs und des Lehrers nicht ganz schlau wurden, wie die Menschen zu dieser Berühmtheit aus ihrem Ort stehen, haben wir zuhause noch ein bisschen online recherchiert. Und tatsächlich gibt es wohl sehr unterschiedliche Sichtweisen. Einerseits wird Samuel Hinga wirklich als Kriegsheld gefeiert, da er die Rebellen bekämpfte und erfolgreich zurückdrängte. Aber er war auch angeklagt, da er wohl mit verantwortlich war, dass Kindersoldaten rekrutiert wurden, Dörfer geplündert und Frauen und Mädchen vergewaltigt wurden. Er war der Anführer der sogenannten Kamajors.

Schusssichere Westen und der Glaube an den Zauber

Die Kamajors waren nicht Teil der offiziellen Armee Sierra Leones, sondern separat von ihr. Eigentlich sind es traditionelle Jäger, die dem Chief direkt untergeben sind. Die Kamajors hatten ein eigenes Aufnahmeritual, sie hatten bestimmte Westen – ich habe das im Nationalmuseum gesehen – die durch bestimmte Amulette kugelsicher waren. Dadurch waren die Kamajors quasi unverwundbar. Deshalb hatten die Rebellen Anfangs auch sehr große Angst vor ihnen und haben sich nicht wirklich getraut gegen sie zu kämpfen. Aber sie hatten auch sehr strenge Regeln, an die sie sich halten mussten – dazu gehörte wohl auch, dass sie eigentlich abstinent leben sollten. Da es sich bei den Kämpfern oft um junge Männer handelte, und im Krieg auch viele Drogen genommen wurden, haben sie die Regeln immer wieder und immer öfter gebrochen. Dadurch wirkten die Zauber nicht mehr, die sie beschützt haben, so wurden sie verwundbar und als die Rebellen das gemerkt haben, hatten sie nicht mehr wirklich Angst vor ihnen.

Das hat mir alles ein Freund von mir erzählt. Er ist sich sicher, wenn die Kamajors sich weiter an die Regeln gehalten hätten, wären sie weiter unverwundbar gewesen.

Es finden sich nicht so viele Menschen, die Kriegshelden sind, ohne auch Verbrechen begangen zu haben. Mit dieser inneren Spaltung müssen die Menschen irgendwie umgehen. Vielleicht ist es die Lösung in Mongeri, dass die Grabstätte zwar da ist, aber es niemanden stört, wenn Kinder Teile der Schrifttafel entfernen und Ziegen ihre Zeichen auf dem Grabstein hinterlassen. Ich weiß es nicht. Das ist reine Interpretation.

Samuel Hinga Norman wurde 2004 vor dem Special Court angeklagt. Er starb allerdings bevor das Urteil verkündet worden war in Guinea, wo er sich wegen einer medizinischen Behandlung aufgehalten hatte.

Abschied aus den Kangari Hills und Bierchen am Fluss

Von Mongeri aus sind wir den „Highway“ zurück zu unserem Auto gelaufen. Bestimmt haben alle Menschen, die wir auf unserem Ausflug getroffen haben, große Fragezeichen in ihren Köpfen gehabt, was diese zwei weißen Frauen da treiben. Das Konzept „Spaziergang“ einfach so, gibt es hier nicht. Entweder haben sich die Leute gewundert oder aber sie wundern sich eh über nichts, was Weiße so machen, da wir eh unverständlich sind.

Zurück bei unserem Auto haben wir uns noch ein bisschen mit Madame Fouday unterhalten, bei der wir unser Auto abgestellt hatten. Sie hat neun Kinder, das kleinste Kind auf dem Foto ist allerdings eines ihrer Enkelkinder. Ein Kind war krank, deshalb wurden aus Rinde eines bestimmten Baumes gerade ein Sud gekocht. Und das eine Mädchen hieß Hannah. Welch Freude, eine Namensvetterin zu treffen.

Auf dem Hinweg hatten wir schon unseren Spot für ein Sundownder Bierchen gesichtet. Wir sind über eine Brücke gefahren und der Fluss sah traumhaft aus. Die einzige Herausforderung war, ob es ein kühles Bier geben würde, weil es ja nicht überall Strom gibt. Aber was soll ich sagen, es war einfach unser Tag. Nicht nur der Ausflug war super schön, alle Menschen super nett, nein, es gab auch noch richtig kaltes Bier. Da haben wir sofort zwei Dosen gekauft und sind zum Fluss gelaufen. Begleitet von einer Kinderschar. Die Kinder wurden (zum Glück) irgendwann von Frauen zurückgerufen. Wir hatten uns die Waschstelle der Frauen ausgesucht, um auf den Felsen im Wasser unser Bier zu genießen. Wahrscheinlich dachten die anderen, dass wir uns waschen wollen und haben deshalb die Kinder weggeschickt. Wir waren ganz froh, so konnten wir in Ruhe die unglaublich schöne Natur genießen – und unser Bier und den Ausflug perfekt ausklingen lassen.

Party Town Bo

Bo ist bekannt für seine Clubs und sein Nachtleben. Ist halt eine Universitätsstadt. Das Party- Nachtleben habe ich mir aber für den nächsten Besuch aufgehoben. Wir waren etwas zu erschöpft nach dem ganzen Tag Wandern in der Hitze. Deshalb haben wir uns am Straßenrand noch schön kros gegrillte Ziege und Hühnchen geholt und Brot und sind dann noch in eine von Hannahs Stammkneipen, um unser Essen mit einem Bier zu genießen. In Bo und auch in anderen Städten habe ich das schon gesehen, in Freetown eigentlich noch nicht wirklich. Am Straßenrand gibt es kleine Buden, die auf Metallplatten Fleisch ganz kros braten. Man sucht sich ein Stück Fleisch aus, ein Stück Ziege zum Beispiel für 10,000 LE (das ist weniger als ein Euro). Dann wird es in mundgerechte Häppchen geschnitten und schön angebraten. Mit Zeitungsstücken wird es dann vom Blech genommen, es kommt Lime und scharfes Gewürz darauf und dann bekommt man es mit ein paar Zahnstochern in die Hand zum Essen. Es schmeckt wirklich perfekt in Kombination mit Bier und Brot.

Die Location, in die wir sind, ist anscheinend eine angesagte Studi-location. Junges Publikum, sehr gemischt und wir mittendrin. Natürlich total underdressed, da noch verschwitzt und in unseren Wanderklamotten. Peinlich, peinlich. Aber die Musik und die Atmosphäre waren hervorragend. Ein rundum gelungener Tag.

Ich war wirklich sehr traurig, als ich am Sonntag wieder zurück nach Freetown musste. (Un-)Glücklicherweise habe ich tatsächlich 20l Diesel bekommen, so dass zumindest sichergestellt war, dass ich Freetown auch erreichen würde.

Spätestens nach dem ersten Tollgate, wenn man sich Freetown nähert, merkt man dann auch direkt den Unterschied zwischen der big city und up-country. Der Smog hat einen wieder. Wie schlecht die Luft hier ist, merke ich immer erst, wenn ich ein paar Tage wo anders war und wieder zurückkomme. Jetzt habe ich mich schon wieder daran gewöhnt.

Anfangs war ich mir ja nicht sicher, ob ich es so gut finde, dass ich in Freetown bin und ob ich nicht lieber in einer der kleineren Städte wie Bo, Kenema oder Makeni leben möchte. Mittlerweile bin ich aber ganz froh, in Freetown zu sein. Vieles ist hier viel einfacher. Vor allem ist es viel leichter, auszugehen, Bekanntschaften zu schließen und Leute zu finden, mit denen man ein Biertrinken gehen kann und mit denen ich mich gut unterhalten kann. Trotzdem ist es super, nun eine weitere Insel in Sierra Leone zu haben. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Trip nach Bo, oder vielleicht treffen wir uns das nächste Mal auch in Makeni, wo Hannahs Freund lebt.

Und um nochmal auf meinen letzten Blogbeitrag zu sprechen zu kommen: Ich bin seit einigen Tagen wirklich entspannt und Situationen, die mich zuvor innerlich aufgeregt haben, kann ich nun gelassen hinnehmen und mich zurücknehmen. Vielleicht habe ich wieder einen kleinen weiteren Schritt in Richtung ankommen in einer neuen Umgebung geschafft.  

Hinweis: Die meisten Fotos im heutigen Beitrag sind von Hannah. Vielen Dank dafür!

Alltagsanstrengung und Erholungsinseln

Eine Freundin von mir ist seit Oktober 2020 in Liberia, ebenfalls als Fachkraft von Brot für die Welt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich es anfangs nicht immer nachvollziehen konnte, wenn sie von der konstanten Anstrengung und dem ständigen Erschöpfsein gesprochen hat. Selbst als ich selbst schon in Sierra Leone war. Aber jetzt muss ich einsehen, sie war mir einfach sechs Monate voraus. 😉

Ich erinnere mich auch, dass ein Freund von mir hier immer sagt, das Wichtigste ist, dass du immer Strom und Wasser zuhause hast. Das entlastet enorm. Ich muss mittlerweile auch ihm Recht geben. Es ist zermürbend, sich um die immer gleichen Dinge zu kümmern und keine Lösung zu finden. So hatte ich in den letzten drei Wochen eine einzige normale Dusche bei mir zuhause, sonst immer Eimerdusche. Eimerdusche bedeutet, dass kein Wasser aus der Leitung kommt, sondern das Wasser im Eimer oder Kanister wartet. Das mag beim Duschen etwas nervig sein, wenn es aber darum geht, den täglichen Abwasch zu machen oder noch wichtiger: die Klospülung zu betätigen, merke ich schnell, dass Wasser aus der Leitung ein unglaubliches hohes Gut ist, auf das ich eigentlich nicht ständig verzichten möchte. Vor allem, da ich nie weiß, wann kommt denn nun wieder Wasser aus der Leitung?

Water no dae

Theoretisch kommt bei uns dienstags, donnerstags und Samstagnacht Wasser von der Guma Valley Company, die Freetown mit Wasser versorgt. Seit ein paar Wochen schon klappt die Versorgung nicht wirklich, da nicht genug Wasser im Staudamm ist und somit der Wasserdruck nicht ausreicht, um das Wasser in die Stadt zu befördern. Falls doch Wasser zu uns kommt, muss es erst noch von einer Pumpe in den Tank auf dem Dach gepumpt werden, damit es von dort in Richtung meiner Wasserhähne fließen kann. Ist nun gerade kein Strom da, wenn das Wasser kommt, dann geht die Pumpe nicht und der Tank bleibt leer. Für diesen Fall gibt es noch den Generator. Ist aber kein Benzin da, dann hilft auch der Generator nicht. Und wenn dann noch jemand das Kabel verräumt, mit dem die Pumpe an den Generator angeschlossen wird, dann hilft es auch nichts, wenn ausreichend Benzin da ist. Ihr seht also, es ist nicht so einfach, das Wasser in den Wassertank zu bekommen. Deshalb lebe ich seit ein paar Wochen aus Eimern.

Wenn der Tank leer ist, warte ich also erst, ob am Dienstag, Donnerstag oder Samstag Wasser kommt. Wenn nicht, informiere ich den Landlord und den Hausverwalter. Theoretisch müssen sie sich dann darum kümmern, dass ein Wassertanker kommt und unseren Tank auffüllt. Zweimal kam auch schon der Löschwagen der Feuerwehr, um unseren Tank aufzufüllen. Da aber nicht nur wir Wasserprobleme haben, ist es nicht so leicht, jemanden zu finden, der Wasser liefert. Manchmal dauert es 2-3 Tage, bis der Tank gefüllt wird. Manchmal auch noch länger.

Da es in letzter Zeit öfter zu Wasserknappheit gekommen ist, bin ich mittlerweile ganz gut vorbereitet. Als ich mit Hummel in der Shoppingstraße in der Innenstadt war, haben wir einen 100l Behälter gekauft, der die perfekte Größe hat, um ihn im Keke nach Hause zu transportieren, außerdem habe ich zwei von diesen gelben Kanistern, die auch jeweils so 20 Liter fassen und noch ein paar Eimer, die auch alle 5-20 Liter Fassungsvermögen haben. Jedes Mal, wenn Wasser kommt (oftmals mit geringem Druck, so dass es eher ein Tröpfeln als ein Fließen ist), fülle ich also meine Eimer und Wasserbehältnisse, damit ich dann Wasser habe, wenn der Druck nachlässt oder der Tank leerer wird. Oder eben auch einfach, weil der Druck nicht ausreicht, um zu Duschen oder Abzuspülen. Natürlich teile ich mein Wasser gerne, mit allen bedürftigen Lebewesen. Aber ich muss zugeben, dass meine Pflanzen gerade weniger Wasser bekommen als sonst. Ich hoffe, sie überstehen diese Dürreperiode mit mir zusammen. Einige von ihnen stecken es gut weg.

Ich könnte ganz gut mit dieser Situation leben, wenn ich wüsste, dass es einfach gerade kein Wasser gibt. Aber mein Nachbar, der unter mir wohnt und der den gleichen Tank benutzt wie ich, bekommt die ganze Zeit Wasser aus seiner Leitung. Ergo: da stimmt etwas mit den Leitungen nicht, die in meine Wohnung führen. Es hat eine Weile gedauert, dieses Problem entsprechend zu kommunizieren. Zuerst dachten wir, ich hätte ein Air-Lock in meiner Leitung. Das kann man aber nur beheben, wenn ausreichend Wasser im Tank ist, was ja die ganze Zeit nicht der Fall war. Nun habe ich festgestellt, es kann kein Air-Lock sein. Es muss etwas anderes sein. Das nervige ist, dass ich das selbst überlegen und feststellen muss. Das Problem ist, dass ich mich nicht sportlich genug fühle, um selbst zum Tank hochzuklettern und mir das Ganze mal anzuschauen. Es ist anstrengend, für alles selbst Lösungen finden zu müssen, um dann den Handwerkern zu erklären, was ich denke, was das Problem ist und wie es wohl behoben werden könnte. Ich lobe es mir, einfach einen Handwerker zu rufen, der macht die Fehleranalyse und kommt mit einem Lösungsvorschlag, der sinnvoll ist und das Problem wirklich behebt. Das wäre ein Traum, wenn das klappen würde.

Heute Nachmittag kommt der Klempner nochmal. Ich hoffe, dann bekommen wir das endgültig hin und ich habe bald wieder Wasser aus der Leitung!

Das ewige Lied vom Strom

Dass es in der Trockenzeit schwierig wird mit Wasser und Strom, wurde mir schon angekündigt. Und es stimmt leider. Von Neujahr bis Anfang Februar hatten wir fast 24 hours Strom. Das hat uns etwas verwöhnt. Nun sind wir seit Februar wieder eingeschränkter in der Stromversorgung. Ich wollte mir deshalb endlich Solarzellen aufs Dach setzen. Ich habe schon den Kostenvoranschlag. Der Solar-Typ war da. Leider, leider, habe ich mir auch das einfacher vorgestellt, als es ist. Mein Landlord erklärte mir, das Dach ist von so schlechter Qualität, dass wir keine Solarzellen darauf befestigen können. Er meinte, er müsse erst das Dach erneuern. Na gut, denke ich mir. Dann kaufe ich eben nur die Batterien und lade sie mit Nicht-Öko-Strom auf und nutze sie wie große Powerbanks, so dass mein Kühlschrank auch läuft, wenn kein Strom da ist und mir die Milch nicht schlecht wird. Das war Mitte/Ende April. Ich wollte mir Geld von Deutschland hierherschicken, damit ich mir die Batterien kaufen kann. Aber wieder einmal hieß es: not so easy! Die online-Überweisung funktionierte nicht. Nach einigem Hin- und Her habe ich mir nun Geld auf das Konto von einem Bekannten überwiesen. Das Geld ist auch tatsächlich auf seinem Konto angekommen. Es ist also schon im Land. Ein riesiger Fortschritt! Leider war der Bekannte letzte Woche up-country, so dass ich nochmal eine Woche warten musste, bevor ich mein Geld haben würde und mir die Batterien kaufen könnte. Gestern wollten wir das Geld dann von der Bank holen, aber leider hatte die Bank schon um 15h zu gemacht. Also wieder nichts. Das nächste Bank-Date haben wir am Freitag. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass wieder irgendetwas sein wird, weshalb ich mein Geld nicht bekomme. Vielleicht nicht ausreichend Scheine da oder so etwas. Mal schauen. Es bleibt also spannend, ob ich es noch dieses Jahr schaffen werde, meine Stromversorgungssituation zu verbessern.

I am not the pushing type of person

Wer mich gut kennt, weiß, dass ich eigentlich vom Typ her nicht die Person bin, die andere mit voller Energie ansteckt und immer die treibende Kraft ist. Nun finde ich mich hier in einer Situation wieder, in der ich genau diese Rolle übernehmen muss. Das ist eigentlich gegen meine Natur. Mein natürliches Ich wartet gerne ab, bis sich Probleme von selbst lösen oder mir jemand einen Tritt verpasst, um mich in Bewegung zu bringen. Es gibt hier aber niemanden, der mir diese „motivierenden Tritte“ verpasst. Ich muss sie mir selbst geben. Und dazu noch allen anderen.

In der Arbeit habe ich gerade mehrere Projekte am Laufen, die alle in einem ähnlichen Stadium sind: im Planungs- und Organisationsstadium. Leider ist das nicht die Stärke der Kolleginnen und Kollegen. Ich merke, dass es sehr frustrierend für mich ist. Ich brauche endlich mal wieder einen Umsetzungserfolg. Endlich mal wieder ein Ergebnis. Die Planung hier ist nicht, wie ich Planung machen würde. Es wäre so viel vorzubereiten und zu organisieren, damit unsere nächsten Events und Aktivitäten gut werden, aber ich kann immer nur einen Teil der Arbeit alleine machen und muss dann wieder auf Rückmeldung und Feedback warten. Deshalb habe ich gerade auch so viel Zeit, euch mein ganzes Leid zu klagen. Weil ich hier im Büro sitze und darauf warte, dass meine Kolleginnen und Kollegen, Rückmeldung geben, zu Sachen, die ich vor drei Wochen das erste Mal an alle geschickt habe. Das Problem ist – es klang ja schon in meinem letzten Beitrag an – ich finde, unser Ruf ist nicht der beste. Es ist mir hoch unangenehm, wenn wir nun groß verlauten, dass wir eine Kampagne starten wollen und dann sind wir diejenigen, die am schlechtesten dafür vorbereitet sind. Hinzu kommt, dass ich wahrscheinlich auch frustriert bin, weil ich so vieles immer noch nicht checke. Und wenn es nur darum geht, welche Logos auf ein Workshop-Zertifikat müssen. Eigentlich müsste ich es aus dem BAMF ja gewohnt sein, dass immer, wenn ich denke, jetzt ist alles fertig und dieses Mal habe ich wirklich an alles gedacht, dass dann doch jedes Mal wieder etwas aufkommt, was ich eben nicht bedacht habe und ich alles nochmal anpassen muss. So bin ich zwar gut darin, meine Listen zu erstellen, aber irgendwie klappt es nicht so gut, mit dem Streichen von Dingen auf der To-Do-Liste. Es kommen immer neue Sachen dazu, ohne das die alten abgearbeitet sind. Und dann verzögert sich immer wieder vieles, weil Kolleginnen oder Kollegen nicht da sind, die entscheidend sind für das Vorankommen. Jemand ist krank, andere Sachen sind zu tun, dann wird wieder etwas vergessen. Vieles könnte gelöst werden mit besserer Arbeitsplanung auf individueller Ebene und auf Organisationsebene. Ich weiß aber noch nicht, ob ich diese riesen Baustelle angehen möchte und dafür genug Energie habe.

Plastik – überall Plastik

Ich merke außerdem, dass mich aktuell die Plastikverschmutzung stark belastet. Sie ist überall sichtbar. Mehr als sichtbar. Ich sehe schon fast das Meer vor lauter Plastik nicht. Das sei hier aber nur als Randnotiz erwähnt. Ich denke, dieses Thema ist zu wichtig, um es zwischen Stromknappheit, Wassermangel und Arbeitsstress zu platzieren. Ich möchte es aber auch nicht unerwähnt lassen, wenn ich nun schon am Aufzählen bin, was mich gerade so anstrengt. Der Plastikmüll überall gehört auf jeden Fall dazu. Sobald das mit dem Wald angestoßen ist, möchte ich mich umgehend um das ganze Plastik kümmern. Ich habe schon ein paar Ideen und habe schon mit ein paar innovativen Start-Ups Kontakt aufgenommen. Jetzt muss nur noch ein Schuh daraus werden. Und dann ziehe ich mir das nächste unlösbare Projekt an Land 🙂

Resilienz und Erholungsinseln

In der Vorbereitung ging es auch um Resilienz und darum zu überlegen, wo meine Inseln im Alltag sind, auf denen ich Kraft schöpfen kann. Meine wichtigsten Inseln sind natürlich meine Familie und meine Freundschaften zuhause. Die sind leider etwas weit weg. Meine anderen Inseln sind Sport. Aber ich bin oft so erschöpft abends, dass ich mich nicht immer aufraffen kann. Aber ich schaffe es dann doch immer ganz gut, am Morgen wieder mit neuem Elan aufzustehen und auf ein Neues zu versuchen, mit Energie an die Arbeit zugehen.

Ziemlich am Anfang meiner Zeit hier ist mir ein Spruch begegnet. Er begleitet mich immer noch und ist gerade mein Mantra:

Mögen deine Entscheidungen deine Hoffnungen widerspiegeln,
nicht deine Ängste.

Nelson Mandela

Ängste ersetze ich ab und an gerne mit „pessimistischen Erwartungen“ oder auch mit „Erfahrungen aus der Vergangenheit“. 😉

[Noch eine kleine Anmerkung: Der Spruch begleitet mich wirklich schon, seitdem ich hier bin. Ich glaube, Karina hat ihn mir geschickt? Danke nochmals dafür. Gerade habe ich nachgeschaut, von wem der Spruch eigentlich stammt und habe mich fast totgelacht, dass ich hier so Klassiker bediene wie Nelson Mandela. Vielleicht kommt demnächst noch der Dalai Lama und Sophie Scholl dazu 😉 ]

Ich weiß auch, dass es ein bisschen unklug war, mehrere Projekte gleichzeitig anzustoßen, so dass ich in allen im gleichen Stadium stecke und in keinem Erfolge oder Ergebnisse habe. Das Gute ist: eines meiner kleinen Projekte wird diese Woche noch abgeschlossen und umgesetzt (unser Photo-Workshop, den wir seit November machen wollen). Darauf freue ich mich schon jetzt sehr. Das kann ich dann abhaken 😊 Ein weiteres Teilprojekt wird kommende Woche realisiert (unser erstes Round-Table-Meeting für die Kampagne) und ein drittes wird in der ersten Juniwoche umgesetzt (unsere Tree Planting Aktion zum World Environment Day). Es ist also sehr absehbar, dass diese anstrengende Phase bald überstanden ist. Bestimmt warten dann neue Anstrengungen und Herausforderungen, aber denen werde ich dann auch hoffnungsvoll begegnen. Mal entspannter, mal gestresster, wie es eben so ist im Leben. Einige dieser neuen Projekte stehen schon in der Pipeline: die Weiterentwicklung der Ökolodge in Big Water, die Videos, die ich machen will, und weitere Aktionen für die Kampagne für den Wald.

Bis dahin vertreibe ich mir die Zeit aber nicht einsam zuhause, wie ihr euch denken könnt. Auch wenn meine wichtigsten Erholungsinseln in Deutschland sind, habe ich hier auch schon ein paar kleine Inselchen, die mir helfen wieder Kraft zu tanken. Da war zum Beispiel die Reggae Night anlässlich des Todestages von Bob Marley letzte Woche, auf der das Salone Reggae Movement bestehend aus 16 Künstlerinnen und Künstlern den ersten Salone Reggae Riddim vorgestellt hat. Dann war ich noch auf einer Bootstour Richtung Norden an der Küste entlang (leider auch begleitet von sehr viel Plastikmüll in den Wellen um uns herum) und am Sonntagabend war die sierra-leonische Premiere des Films „Sing, Freetown“, bei der sogar der Präsident höchstpersönlich anwesend war.

Ich schwanke immer wieder zwischen Ball flacher halten und nicht so viele Projekte anstoßen und wildem Aktionismus, weil ich denke, es gibt so viel zu tun und ich habe so viele Ideen, die ich umsetzen möchte. Vielleicht lerne ich es irgendwann noch, eine gesunde Balance zu finden. Bis dahin müsst ihr damit leben, dass ich immer mal wieder von Anstrengung und Erschöpfung schreibe, während ich zugleich abends den Sonnenuntergang über dem Meer genießen kann.

Ich wünsche euch auf jeden Fall, dass eure Entscheidungen eure Hoffnungen und nicht eure Ängste widerspiegeln und ihr alle eure Erholungsinseln kennt und sie immer in erreichbarer Nähe für euch sind.

Das Unmögliche wagen: den Wald retten

Das Unmögliche wagen. Das kann hier bedeuten, zu versuchen, den Western Area Peninsula Forest National Park zu schützen. Beziehungsweise, die Regierung daran zu erinnern und den Druck auf sie zu erhöhen, die Gesetze, die den Wald schützen, auch durchzusetzen. Ihr merkt es schon. Heute geht es mal wieder um meine Arbeit.

Freetown liegt am Nordzipfel der Peninsula. Die Peninsula ist wunderbar hügelig und war bis vor wenigen Jahren mit dichten Wäldern überzogen. Schönen Regenwäldern. In den Wäldern leben Schimpansen, verschiedene Affen, Schuppentiere und natürlich viele Vögel, Kreuch- und Fleuchtiere und Insekten. Es leben aber auch schon seit vielen Jahrhunderten Menschen an der Küste und in der Region von Freetown. Das war bisher keine zu große Gefahr für den Wald. Denn es waren nicht so viele Menschen wie heute.

Ungebremstes Bevölkerungswachstum auf der Peninsula und forteilende Entwaldung

Während des Bürgerkrieges in den 1990er Jahren sind viele Menschen aus den Provinzen in die Hauptstadt geflüchtet. Sie sind nach dem Krieg nicht wieder in ihre Heimatorte zurückgekehrt, sondern in Freetown geblieben. Zugleich nahm das Bevölkerungswachstum zu, so dass immer mehr Menschen auf der Peninsula leben. Da die Menschen irgendwo wohnen wollen bzw. müssen, wird immer mehr Wald abgeholzt, um Platz für Häuser zu schaffen und um Holzkohle herzustellen, die die meisten Menschen zum Kochen verwenden.

Freetown erstreckt sich bis über die Hügel, auf denen früher dichter Wald stand:

Mein Herz blutet!

Immer wenn ich aus Freetown Richtung Strand fahre oder in die andere Richtung aus Freetown hinaus Richtung up-country, blutet mein Herz. Es geht erst 30 – 60 Minuten (je nach Richtung, die ich einschlage) vorbei an traurig aussehenden, abgeholzten Hängen. Kahl und anklagend stehen sie da. Verwüstung, Zerstörung, Kahlschlag. Wenn ich etwas weiter nach Süden fahre, sehe ich die grünen Hügel. So sollte eigentlich alles hier aussehen. Aber in der Nähe Freetowns stehen kaum noch Bäume auf den Hügeln. Dafür halbfertige Häuser, Wellblechhütten und halbfertige Mauern, die Grundstücke eingrenzen. Die Häuser sehen nicht so aus, als wären es die armen Bevölkerungsschichten, die sich hier ein Zuhause bauen. Es sind wahre Prachtvillen, die da am Entstehen sind. Immobilienspekulationen machen auch vor Sierra Leone nicht halt. Und ein Grundstück in der Nähe der Strände und zugleich mit direkter Anbindung zur Hauptstadt, ist natürlich nicht ohne.

Save the Forest now – sonst ist es zu spät!

Meine Organisation, die Conservation Society of Sierra Leone (CSSL), ist genau die richtige, um hier etwas zu unternehmen. Bisher haben wir allerdings hauptsächlich Projekte in anderen Regionen des Landes. Da unsere Arbeit stark von Projektmitteln abhängig ist, können wir kaum eigenständig entscheiden, wo wir was machen. Für alles müssen immer Gelder beantragt sein, diese dürfen dann nicht für andere Sachen oder an anderen Orten verwendet werden. Deshalb habe ich mir überlegt, wir starten eine Kampagne über die Projektgelder, die an meinen Aufenthalt hier gebunden sind. Wenn wir jetzt nicht damit starten, den Wald zu retten, wird es bald keinen Wald mehr geben, der geschützt werden muss.

Forest loss – eine globale Gefahr

Erst wollte ich schreiben: „Forest loss – ein globales Problem / eine globale Herausforderung“. Aber dann ist mir klar geworden, es geht hier nicht um ein Problemchen oder eine Herausforderung, die es zu bewältigen gibt. Es geht um eine sehr akute Gefahr, die es abzuwenden gilt!

Alleine im Jahr 2021 haben wir auf der ganzen Welt 3,75 Millionen Hektar primären Regenwald verloren. Das sind 10 Fußballfelder pro Minute! Das ganze Jahr über. Viele Analysen konzentrieren sich auf tropische Regenwälder, wenn es um die Betrachtung der Deforestation geht, da die Regenwälder am wichtigsten sind um den Klimawandel aufzuhalten und zugleich sind es auch meist die tropischen Regenwälder, die von Menschen abgeholzt werden und nicht wegen natürlichen Bränden oder ähnlichem Schwankungen erfahren.*

Sierra Leone gehört nicht zu den Ländern, mit den größten Abholzungsflächen im weltweiten Vergleich. Das liegt daran, dass das Land gerade einmal so groß ist wie Bayern und deshalb flächenmäßig mit Brasilien oder der Demokratischen Republik Kongo gar nicht mithalten kann. Als ich mir aber auf der interaktiven Karte des Global Forest Watch die Entwicklung der Entwaldung in Salone in den letzten Jahren angeschaut habe, bin ich dann dennoch erschrocken.

Die Bilder zeigen die Ausdehnung des Waldgebietes. Die grünen Flächen sind bewaldet, die lilalen entwaldete Gebiete. Das erste Bild zeigt den Stand im Jahr 2001, also vor zwanzig Jahren. Das zweite Bild zeigt 2015 und das dritte die Realität im Jahr 2021. Die Bilder zeigen eindrücklich, dass innerhalb der letzten Jahre weit mehr abgeholzt wurde, als in den fünfzehn Jahren zuvor.

Die große grüne Fläche rechts unten ist der Gola Rain Forest National Park. Er befindet sich größtenteils in Liberia und nicht in Sierra Leone. Am Gola sieht man, dass es möglich ist, Waldflächen zu schützen, wenn ausreichend finanzielle Mittel und nationales und internationales Commitment vorhanden sind.

Wasserknapptheit, Landslides und Erosion

Alles ganz tragisch, aber was soll man machen? Irgendwo müssen die Menschen ja wohnen und sie brauchen eben auch Holz zum Kochen und Bauen. Viele Menschen in den forest edge communities, mit denen wir reden, sind eher gegen uns. Sie denken, wir wollen sie nur davon abhalten, den Wald zu nutzen und schaden ihnen damit. Aber es geht schon lange nicht mehr darum, den Wald und die Tiere zu schützen. Es geht hier in Sierra Leone schon längst darum, das Überleben und das tägliche Brot der Menschen langfristig zu sichern. Dadurch, dass die bestehenden Grenzen des Schutzgebietes nicht respektiert werden und die Waldfläche immer weiter dezimiert wird, verschlechtert sich nicht nur die Bodenqualität für die Landwirtschaft, das viel größere Problem ist, dass unsere Wassersammelbecken nicht mehr genug Wasser haben, um uns durch die Trockenzeit zu bringen. Seit März schon gibt es ständig kein Wasser in Freetown. Einer der Gründe dafür liegt in den abgeholzten Hängen.

Eine weitere Gefahr kommt nun in der Regenzeit wieder auf uns zu: der Starkregen wäscht die trockenen, oberen Erdschichten weg, so dass es zu Schlammlawinen und Erdrutschen kommt. Wo vorher der Wald die Hänge befestigt hat und das Wasser aufgenommen hat, stürzt es jetzt hinab und begräbt alles was nicht schnell genug weg ist unter sich. Vor fünf Jahren gab es einen ziemlich schlimmen Erdrutsch. Über tausend Menschen sind gestorben. Leider wurden keine Lehren daraus gezogen. Eigentlich kann man nur warten, wann es zur nächsten Katastrophe kommen wird.

Die Strategie derjenigen, die die Entwaldung vorantreiben, ist folgende: erst Feuer legen, dann brennt ein Teil des Waldes nieder. Dann ist es eh kein richtiger Wald mehr und dann kann man ganz unschiniert abholzen. Ein Problem bei der Sache ist, dass die Regierungsstellen, die eigentlich für den Schutz des Waldes zuständig sind, gerne ein Auge zudrücken, wenn die entsprechende Person kommt oder der Geldbeutel weit genug aufgemacht wird. Außerdem gibt es nicht genug Forestguards, die auf Kontrolle gehen. Und selbst wenn die Guards dann jemanden stellen, sind sie oft diejenigen, die nicht bewaffnet sind, weshalb es kaum zur Verfolgung und zu Festnahmen kommt. So kommt es, dass nicht nur in Sierra Leone, sondern weltweit, ein Großteil der tropischen Wälder innerhalb von offiziell anerkannten Schutzgebieten abgeholzt wird. Es fehlt einerseits an den finanziellen Mitteln, um die nötigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, aber hauptsächlich fehlt es am politischen Willen, die Gesetze wirklich durchzusetzen.

Glück im Unglück

Vor wenigen Wochen aber, da haben „sie“ es zu weit getrieben. Sehr nahe am Guma Water Reserve wurde ein Brand gelegt. Das hat sogar den Präsidenten auf den Plan gerufen, der tatsächlich hingefahren ist, um sich das ganze anzuschauen. Alleine durch seine Präsenz wurde ein sehr klares Zeichen gesetzt. Es sieht so aus, als würde die Regierung es nun ernst nehmen, mit der neuen Demarkierung der geschützten Fläche und der Durchsetzung der Gesetze. Ich denke, die Regierung weiß, dass wir vor sehr großen Problemen stehen werden, wenn wir kein Wasser mehr haben in Freetown.

Unten seht ihr die Fotos vom Brand, die über whatsapp geteilt wurden. Und Fotos wie es dann aussieht, wenn angefangen wird zu bauen.

Uns kommt das sehr zu pass. Wo wir doch für dieses Jahr vorhatten, uns für den Schutz des Waldes einzusetzen. Wir müssen also die Gunst der Stunde nutzen. Und da wird es schon wieder schwierig. CSSL ist nicht gerade bekannt für schnelle und gezielte Aktionen 😉 Mal schauen, ob ich das ändern kann.

Wir haben den Stein auf jeden Fall schon ins Rollen gebracht. Im ersten Schritt wollen wir uns mit like-minded Organisationen zusammentun. Viele arbeiten in einem ähnlichen Bereich, wir haben alle viel Wissen, viele Kontakte und Erfahrungen in dem Bereich. Ich bin der festen Überzeugung, wenn wir es schaffen, zusammenzuarbeiten und unsere Kräfte zu bündeln, können wir dieses Mal wirklich etwas erreichen. Wir haben Einzelgespräche mit unseren Partnern geführt, als nächstes wird es einen runden Tisch geben, an dem wir unsere gemeinsame Strategie entwickeln und verfeinern können und dann legen wir hoffentlich gemeinsam und voller Motivation los, damit auch in fünf Jahren noch Bäume auf den Hügeln der Peninsula stehen, die Menschen in Freetown ohne Sorge vor Wasserknappheit und Erdrutschen leben können und die Schimpansen und Pangolins nicht weiter um ihren Lebensraum fürchten müssen.

In diesem Sinne: drückt mir die Daumen und leistet euren Beitrag zum Klimaschutz!

*Mehr Infos und Zahlen gibt es zum Beispiel beim World Resource Institute.

Die Wara-Wara Mountains und die Limba in Kabala

Die Ereignisse und Erlebnisse überschlagen sich gerade schon wieder und ich komme kaum dazu, euch davon zu berichten. Einerseits sind die Wochenenden gerade voll mit Ausflügen und Kurztrips, gleichzeitig ist die Woche wirklich sehr voll mit Arbeit. Was es mit der Arbeit auf sich hat, berichte ein anderes Mal. Nur so viel sei heute verraten: Ich habe einen Stein ins Rollen gebracht, der vielleicht zu groß ist für mich und meine Kolleginnen und Kollegen. Jetzt müssen wir schauen, wie wir unsere großspurig herausposaunten Versprechen auch in die Realität umsetzen und uns selbst gerecht werden.

Um Euch auch musikalisch einzustimmen, könnt ihr bevor ihr weiterlest, einfach auf Play klicken und die Limba Musik im Hintergrund laufen lassen. Kabala ist nämlich das Homeland der Limba und um die geht es heute auch ein bisschen 🙂

Ostern in Kabala

Die Limba sind eine Sprachgruppe im Norden Sierra Leones, in der Gegend von Kabala. Dort habe ich das lange Osterwochenende verbracht. Ich war einmal letztes Jahr im Juni oder Juli in Kabala, um die Kollegen und die Kollegin dort kennenzulernen. Wir haben in Kabala ein kleines Büro mit einem Team von fünf Personen und haben dort das Projekt am Lake Sonfon. Mit Sicherheit erinnert ihr euch sehr gut daran. Damals schon fand ich Kabala und den Weg dorthin wunderschön. Hügelig, Berge und der Blick auf die Wara-Wara Mountains. Tina und ich wollten eigentlich über Sylvester nach Kabala, aber dann hat uns Covid einen Strich durch die Rechnung gemacht, deshalb ging es jetzt mit etwas Verspätung eben übers lange Osterwochenende nach Kabala.

Ruhe und Entspannung? Wohl eher Spaß und Action

Wir hatten große Sehnsucht nach einem ruhigen Wochenende, nur herumsitzen, in die Ferne schauen, lesen, vielleicht ein bisschen Wandern, aber Hauptsache nicht so viele Menschen. Das war natürlich etwas naiv von uns. Es war ja klar, dass alle Menschen, die es sich leisten können, an einem langen Wochenende entweder an den Strand fahren, in einen der National Parks oder eben nach Kabala. So kam es dann auch, dass wir angefragt wurden, ob bei uns im Auto noch Platz für zwei Leutchen wäre. Selbstverständlich! Was uns zuerst nicht so sehr erfreut hatte, stellte sich ziemlich schnell als perfektes Match heraus. Ditte und Peter sind uns in kürzester Zeit ans Herz gewachsen und leider mussten wir ihnen gestern schon wieder zum Abschied winken, weil sie zurück nach Dänemark sind.

Am Karfreitag haben wir uns also zu fünft mit dem Auto auf den Weg nach Norden gemacht. Tina, John, Ditte, Peter und ich. Begleitet hat uns Jasi`s „Vibes around the world“-Playlist. (Danke nochmal für die Playlist 😊 )  Mein Handy habe ich in den Flugmodus versetzt. In der Arbeit ist es gerade ziemlich anstrengend und in der Woche vor Ostern haben mich so viele Leute angeschrieben, ob ich helfen kann, Trips nach Outamba, in den Gola, nach Tasso usw. zu organisieren. Hinzu kamen noch all die Leute, die auch nach Kabala sind. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf ständig Nachrichten und wollte mal ein Wochenende Handy-Detox machen. Es war wundervoll!!!!

Nach fünfeinhalbstündiger Fahrt und einer „kurzen“ Mittagspause in Makeni sind wir am späten Nachmittag im Hill View Guesthouse angekommen. Unserer Unterkunft. Es ist sehr schön hergerichtet, mit fantastischem Blick auf die Wara-Wara Mountains. Wir haben uns sofort wohl gefühlt.

Der Besitzer oder Gründer des Hill View ist deutscher und offensichtlich auch Fußball-Fan 😉

Die Beisteigung der Wara-Wara Mountains

In den nächsten Tagen haben wir zwei Ausflüge auf die Wara-Wara Mountains gemacht. Wobei wir bei dem ersten am Karsamstag, ziemlich viel über Stock-und-Stein den Berg hinaufgeklettert sind, weil irgendwo der Weg auf einmal nicht mehr sichtbar war. Ich mag solche Abenteuer ja. Am Ende wurden wir belohnt von einem unglaublichen Ausblick vom obersten Felsen, um den die Vögel ihre Kreise zogen, mit einem Weitblick über Kabala und die umliegenden Hügelketten. Ich wusste fast schon gar nicht mehr, wie sehr es mir guttut einen Berg zu besteigen, und sei er auch noch so klein. Begleitet wurden wir von Toast und Butter – zwei Hunde aus dem Hill View Guesthouse. Butter hat uns noch vor dem Gipfel verlassen. Er ist mit einer anderen Wandergruppe, die wir unterwegs getroffen hatten, den Berg hinab. Aber Toast hat uns treu bis ganz nach oben begleitet. Da haben wir natürlich Wasser und Kekse mit ihm geteilt. Versteht sich ja von selbst.

Look my happy face after reaching the top 🙂 und die wundervolle Aussicht!

Am Ostersonntag sind wir auf die andere Seite des Wara-Wara, das war nicht ganz so aufregend. Dieses Mal hatten wir einen guide dabei und sind somit nicht vom Weg abgekommen. Der erste Ausflug war auf jeden Fall spannender und auch schöner. Aber auch der Besuch des Hochplateaus war gut. Hierher kommen die Leute an Sylvester mit ihren Drinks, Bierkästen und Boom-Boxen, um das alte Jahr zu verabschieden. Auf dem einen Foto seht ihr das Plateau vor uns, das unser Ziel war.

Die kleinen Wanderausflüge tagsüber waren das eine, was das lange Wochenende in Kabala unvergesslich gemacht haben. Einen großen Beitrag dazu, haben aber vor allem die Menschen geleistet, die wir kennengelernt haben.

Ditte und Peter habe ich ja schon erwähnt. Ditte wohnt nur zwei Häuser weiter und ich hatte sie schon ab und an gesehen und sogar schon einmal bei einem kleinen Abendessen kennengelernt, aber damals war das ganze Setting strange. Leider, leider haben wir uns dann nicht mehr wirklich gesehen. Wir waren alle vier sehr traurig, dass wir nur so eine kurze Zeit gemeinsam verbringen konnten. Wir hatten den lustigsten Abend seit Langem mit den beiden. Es ist nicht wiederzugeben, aber es wurde nicht nur viel getrunken, sondern auch sehr viel gelacht.

Dann ist da Naomi, die das Hill View managed. Eine super angenehme Person, so wie alle, die dort arbeiten. Ich freue mich jetzt schon, wenn ich wieder nach Kabala „muss“.

Ein weiteres Highlight war die Bekanntschaft von Nik, einem Sprachwissenschaftler, der in Berlin arbeitet, ursprünglich aus den USA ist und in Kabala für vier Wochen die Sprache der Limba dokumentiert. Da ging Tina und mir das Herz auf. Jemanden zu treffen, der am Tisch sitzt und das phonetische Alphabet in seinen Notizen verwendet. Wir hatten im Studium auch das phonetische Alphabet gelernt, deshalb war es echt spannend nun mit einem „echten“ Sprachforscher zu sprechen.

Wie gesagt, ist Nik für vier Wochen in Kabala. Er hat für diese Zeit eine Kontaktperson, Kondeh, der Limba ist. Sowohl die Gruppe als auch die Sprache heißen Limba. Nik und Kondeh sind also für vier Wochen gemeinsam unterwegs, um möglichst viele Wörter in Limba zu verschriftlichen. Dafür treffen sie meist ältere Menschen, Marktfrauen, Schneider, Handwerker, Farmer. Menschen mit unterschiedlichen Berufen und unterschiedlichem Wissen, um einen möglichst breiten Wortschatz abdecken zu können. Auf seinem Laptop hat er mehrere Ordner, sortiert nach Pflanzen, Säugetieren, Vögeln, Insekten, und und und mit Bildern. Diese geht er mit den Leuten durch, um die Namen zu dokumentieren. Es ist natürlich nicht möglich, den Wortschatz einer ganzen Sprache in vier Wochen abzudecken, aber ein Anfang kann unternommen werden und ein paar Quellen gibt es auch. Die beste Quelle für Sprachen sind meist Missionare oder eben Kirchenarchive. So ist das auch im Falle der Limba. Aber alles ist nicht abgedeckt und auf Limba gibt es auch in Kirchenarchiven nicht viel.

Limba – drittgrößte Sprache in Salone mit circa 500.000 Sprechenden

Es gibt keine verlässlichen Zahlen zu Limba-sprechenden Menschen. Schätzungen gehen von bis zu 500.000 Sprecherinnen und Sprechern aus. Dazu muss man wissen, dass von den Sprachen weltweit, die meisten von weniger als 500.000 Menschen gesprochen werden. 100.000 Sprecherinnen und Sprecher sind schon ganz gut für eine Sprache im globalen Vergleich. Das ist für uns natürlich etwas verrückt. Alleine Nürnberg oder Leipzig wäre schon eine ziemlich große Sprachgruppe.

Das Spannende an den Limba ist, abgesehen davon, dass sie mit diesen 500.000 Personen die drittgrößte Sprachgruppe in Sierra Leone sind, gelten die Limba als die ersten und ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner des heutigen Sierra Leone. Kabala ist ihre base. Limba steht ziemlich alleine da. Es ist kaum verwandt mit den anderen Sprachen der Region. Für die Sprachwissenschaft ist so etwas super interessant. Am Wortschatz kann man ableiten, welche Beziehungen es mit anderen Sprachgruppen gab. Zum Beispiel gibt es im Deutschen ein Wort für Elefant, obwohl es in Deutschland keine Elefanten gibt. Das Wort gab es wahrscheinlich im Deutschen auch schon, bevor der erste Elefant nach Deutschland kam. Das Wort hat seinen Weg in unsere Sprache gefunden, über Austausch mit anderen Sprachgruppen. An der afrikanischen Ostküste gibt es sehr viele Wörter mit arabischem Ursprung, weil es schon sehr lange Handelsbeziehungen mit dem arabisch-sprechenden Raum gab. Das Limba hingegen, hat viele Wörter nicht im Wortschatz, die es in anderen Sprachen in Sierra Leone gibt. Das zeigt, dass die Limba wahrscheinlich keinen Kontakt mit anderen Sprachgruppen hatten und auch nicht aus anderen Regionen immigriert sind, sonst hätten sie Begriffe und Wörter übernommen oder entlehnt bzw. würde man sonst Wörter in der Sprache finden, die es auch in anderen Regionen gibt. Sehr spannend also für Forscher wie Nik.

Während der Kolonialzeit und während der Hochzeit des Sklavenhandels, wurden viele Limba als Sklaven gefangen genommen und auf Bunce Island nach Amerika verkauft. Viele haben versucht, diesem Schicksal zu entgehen, dadurch, dass sie nach Freetown gezogen sind. Deshalb gibt es auch in der Gegend von Freetown viele Menschen, die sich als Limba identifizieren. Viele von ihnen sprechen heute aber kein Limba mehr.

Die Limba sind bekannt als Philosophen, gute Politiker (der erste Präsident Sierra Leones war ein Limba) und vor allem sagen sie über sich selbst, dass sie sehr friedliebend sind. Das spirituelle Zuhause der Limba ist das Kakoya Village. Dieses Mal habe ich es nicht dorthin geschafft. Das nehme ich mir für meinen nächsten Besuch in Kabala vor. Wie ihr aber seht, benutzen die Limba immer die gleiche Vorsilbe für Ortsangaben: ka- (Kabala, Kakoya…). Daran kann man auch gut die Sprachgrenze erkennen. Wenn die Ortschaften keine Namen mehr mit Ka-… haben, hat man das Gebiet der Limba auf jeden Fall verlassen.

Limba of Sierra Leone – Video Dokumentationen einer Kultur

Jetzt seid ihr bestimmt schon ganz gespannt, wie sich Limba anhört. Kondeh hat einen youtube-Kanal „The Limba of Sierra Leone”. Da erfahrt ihr zum Beispiel, warum die Spinne schmal um die Taille ist, wie eine Hochzeitszeremonie abläuft und noch vieles mehr. Viel Spaß dabei!

Kabala hat unglaublich zu meiner Entspannung beigetragen. Ich freue mich jetzt schon auf meinen nächsten Besuch dort und vor allem freue ich mich jetzt schon darauf, Ditte, Peter und Nik im Sommer in Berlin zu treffen. Das ist nämlich ziemlich fix ausgemacht 😊

Euch eine wundervolle und entspannte Woche. Bei uns stehen einige Feiertage an mit Independence Day am 27. April, 1. Mai (Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, werden am Montag darauf nachgeholt) und dann ist nächste Woche auch das Ende des Ramadan. Viele Gründe zum Feiern und zum Freihaben also. In diesem Sinne: Gehabt euch wohl and stay peaceful!

Die Fotos des heutigen Beitrages stammen auch von Tina, John und Signe. Merci euch für die Fotos.

Urlaubsrezension Vivien und Jasi – Mädelsurlaub in Salone

Anmerkung von thekaddl: Hier folgt der Urlaubsrückblick von Vivien und Jasi. Text und Fotos stammen von den beiden. Sie waren im März zu Besuch.


Wir wissen gar nicht wie wir dir danken sollen, liebste Kaddl! Erfüllt von den vielen tollen Erlebnissen und Eindrücken aus Sierra Leone sitzen wir nach 11 wundervollen Tagen am Flughafen Freetown!

Angekommen in Freetown wurden wir nach der nächtlichen Fährfahrt von unserer Kaddl und Tina in Empfang genommen! Die Reise wurde von Kaddl im übrigen bestens vororganisiert. Wir haben alle wichtigen Infos auf einen Blick vorab bekommen, was uns die Planung unheimlich erleichtert hat!

Und dann stehen wir auch schon auf dem schönen, stimmungsvollen und liebevoll dekorierten Balkon von Kaddls Wohnung! Ein Traum!
Wie bekommen unser eigenes Zimmer mit ensuit Bad!

Am nächsten Tag widmen wir uns ganz entspannt der Urlaubsplanung für die kommenden Tage. Die ersten 2 Tage verbringen wir in Freetown und Umgebung: erst einmal am wunderschönen menschenleeren Strand mit Wasser mit Badewannen-Temperatur und tollen Wellen, shoppen am Big Market und Stadttour mit dem lokalen Transportmittel Keke.

Und dann geht es schon los mit Kaddls coolem Jeep Richtung Tiwai Island! Wir haben Schimpansen in freier Wildbahn entdeckt und eine wundervolle Flusstour gemacht! Ein bisher vom Tourismus noch unberührter magischer Ort!

Bei unserem anschließendem Community Walk besuchten wir insgesamt 4 unterschiedliche Communities rund um Tiwai und waren berührt von der Herzlichkeit der Menschen und den Einblicken in ihr Leben.

Und danach ab zum Beach! Hier treffen wir die Reisegruppe Berlin/Leipzig und verbringen entspannte Tage in unsere Location direkt am Meer! Highlight: unsere erste Surfstunde mit Mohammed.

Zurück in Freetown genießen wir auch noch Einblicke ins expat-Party -Nachtleben: Johns 40er Geburtstag am Strand und Irish Party in Aberdeen! Kaddl auch hier das Partylicht unter dem freien Himmel von Freetown 😉

Zu guter Letzt noch Besichtigung der Chimpanzee Sanctury Tacugama!
Und nicht zu vergessen der schönste 39igste Geburtstag von Jasi! Alles perfekt!

Wir sind glücklich! Plenty tenky und bis nächstes Jahr!


Meine Lieben, wie habe ich mich gefreut, dass ihr mich besucht habt. Vielen Dank für die wundervolle gemeinsame Zeit in Salone. Ich bin super froh, dass es euch hier so gut gefallen hat, dass ihr wiederkommen wollt. Und vielleicht macht es ja auch noch weiteren Menschen Lust auf einen Urlaub in Sweet Salone 🙂 Ich freue mich auf euch!

Wer nochmal meine Version der gemeinsamen Zeit nachlesen will: Welch ein Segen – Urlaubsbesuch

Preissteigerung und Existenzängste

Was hören wir da für Schreckensnachrichten aus Deutschland? Dieses Mal ist das Sonnenblumenöl knapp und alles wird teurer. Nun ja, was soll ich sagen. Hier war schon alles sehr teuer und nun wird alles noch teurer.

Gestern war ich im Supermarkt. Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten gekauft, aber schnell waren umgerechnet 15€ weg:

1kg Vollkornmehl für 50,000 LE (3,65€)*
1 Flasche Sonnenblumenöl für 75,000 LE (5,47€)
1 Packung Vollkorntoast für 45,000 LE (3,28€)
1 Liter Tetrapak Milch für 30,000 LE (2,19€)

*Ich nutze die Umrechnungsrate, zu der ich als letztes getauscht habe: 1€ für 13,700€.

Es ist wirklich irre, dass ich für Mehl, Sonnenblumenöl, Toast und Milch 15€ ausgebe. Die Milch hat vor einem Jahr noch 20,000 – 22,000 LE gekostet. Vor ein paar Wochen waren es dann 24,000LE und seit letzter Woche sind es 30,000LE.

Das Sonnenblumenöl hat vor ein paar Wochen noch 45,000LE gekostet, jetzt kostet das günstigste 75,000LE. Vom Olivenöl wollen wir mal gar nicht reden.

Naja, denkt ihr jetzt. Was geht sie auch im Supermarkt so exquisite Ware einkaufen. Soll sie doch auf der Straße ihre Sachen kaufen, wie jeder normale Mensch. Ich kann euch verraten: da ist es nicht besser: Gestern: 3 Karotten für 10,000LE, 6 kleine Charlotten für 10,000LE, ein großes Bündel Minze – ihr könnt es euch schon denken: 10,000LE. Nur die Bananen stabil: 10 Stück für 10,000LE.

Und die Eier! Der Eierpreis war stabil, seit ich hier angekommen bin. 1 Ei kostete 2,000LE. Vollkommen egal, ob auf der Straße, am Markt oder im Supermarkt. Seit drei Wochen kostet ein Ei auf einmal 2,500LE. Die Brotpreise sind ja schon Anfang des Jahres kurz etwas gestiegen, waren dann aber wieder normal. Es gibt Brote in unterschiedlichen Größen für unterschiedliche Preise. Das kleinste kostet 1,000LE und dann geht es hoch bis 5,000LE. Die Preise sind noch die gleichen, aber die Brote sind auf einmal viel kleiner. Mit dem Brot für 2,000LE wird man nicht mehr satt.

Und mein Mittags-Schwarma. Das hätte ich ja fast vergessen. Der Preis war immer bei 20,000LE. Seit ein paar Wochen kostet es auf einmal 25,000LE.

Ihr seht also: Preissteigerung, wohin man auch schaut. Ich weiß, auch euch in Deutschland trifft die Preissteigerung. Hier bedeuten höhere Preise allerdings oftmals, dass die Existenz in Gefahr ist. Die meisten Menschen haben es bisher schon gerade so geschafft, über die Runden zu kommen und ausreichend Essen zu finden für sich und ihre Familien. Da alles teurer wird, ist das nun kaum mehr möglich.

Wovon das Geld für Essen nehmen?

Ich merke es, weil die Menschen auf einmal verzweifelter und teilweise aggressiver werden. Wenn sonst die Snack-Frau am Strand ihre Ware freundlich und bestimmt angeboten hat, kommt sie jetzt und bittet um Hilfe. „Support me. Buy my snacks. Support me. Everything is expensive.” Oder die Männer, die vor dem einem Restaurant am Strand immer beim Ausparken helfen und dafür ein bisschen Geld bekommen. Das letzte Mal haben sich zwei fast gegenseitig weggeschubst. Und sie bekommen fürs Helfen wirklich nur sehr kleine Beträge. Ich merke im Alltag, dass die Situation für viele Menschen „tense“ ist. Ich ärgere mich natürlich, dass das Sonnenblumenöl und die Milch jetzt noch teurer sind, aber ich kann es mir immer noch gut leisten.

Auch Mohamed, einer der Beach-Cleaner am Strand, hat mich gestern sehr nachdrücklich angesprochen. Es ist Ramadan und er hat nichts, um das Fasten zu brechen am Abend. Er hat mir erzählt, wie schwierig es gerade ist und am Ende habe ich ihm dann auch etwas gegeben. Normalerweise gebe ich ihm nichts. Aber normalerweise erzählt er auch nicht so lange und nachdrücklich, wie schwierig gerade alles ist. Dass auf einmal so viele Menschen um Support bitten, zeigt, wie angespannt ihre Lage ist.

Niemand bettelt gerne, wenn er oder sie nicht muss!

Das sich die Situation hier so verschärft liegt an zwei Dingen: 1. Wird alles importiert. Durch den Krieg in der Ukraine sind alle Waren teurer auf dem Weltmarkt. Einige Länder, die uns normalerweise beliefern, exportieren aktuell gar nichts. So müssen wir einerseits mehr bezahlen und zugleich gibt es weniger Angebot.

Das zweite sehr große Problem ist der Mangel an Benzin und Diesel. Wir sind sehr stark von importierten Rohstoffen abhängig für unseren Strom und für den Transport. Seit vier Wochen haben wir so gut wie nie Strom. Der Strom für Freetown wird ja größtenteils mit einem Stromschiff hergestellt, das aus Benzin Strom erzeugt. Wenn das Benzin teuer wird oder eben knapp wird – gibt es einfach weniger Strom für uns.

Kein Benzin, kein Strom, kein Ende in Sicht

Außerdem sind die Benzinpreise sehr cras gestiegen. Vor einem Jahr hat der Liter 9,000LE gekostet, als ich im Mai gekommen bin, wurde er schon auf 10,000LE erhöht, im Frühjahr dann auf einmal auf 12,000LE und jetzt auf 15,000LE pro Liter. Das schlägt sich in allen Preisen nieder, in den Transportkosten für Waren aber auch für Auto, Keke und Okada. Hinzukommt, dass seit 3-4 Wochen nicht genug Benzin im Land ist. Die einen sagen, es gibt Vorräte, die anderen sagen, es gibt keine Vorräte. Auf jeden Fall beschuldigen alle die Regierung wegen Missmanagement der Fuel-Krise. (Der Benzinpreis wird hier von der Regierung festgelegt.) Oftmals gibt es Benzin jetzt nicht an der Tankstelle, sondern am „Schwarzmarkt“. Dann kann man einen Kanister für 300,000LE kaufen. Je nachdem, wie knapp das Benzin gerade ist, kostet ein Liter auch mal bis zu 20,000LE.

Das geht nun schon seit ein paar Wochen so. Zwischenzeitlich hatten die großen Hotels auch echte Probleme, da sie sehr viel Fuel brauchen, für ihre Generatoren. Einige haben ihre Gäste gebeten, wo anders unterzukommen, da sie schlicht und ergreifend, kein Benzin hatten, um den Hotelbetrieb aufrechtzuhalten. Gerade ist es etwas entspannter, aber ganz durchgestanden ist die Krise noch lange nicht. Es ist immer noch nicht genug Benzin zur Verfügung.

Als ich vor ein paar Wochen mit Vivien und Jasi nach Tiwai fahren wollte, war ja kurzzeitig nicht klar, ob wir fahren können, weil alle Tankstellen leer waren. Bis jetzt hat sich die Situation nur teilweise entspannt. Mein Chef meinte gestern, ich sollte vielleicht lieber im Homeoffice arbeiten, weil meine Tankfüllung sich langsam gen Ende neigt.

Letzten Montag haben die Okada- und Poda-Poda-Fahrer gestreikt. Die Regierung legt nicht nur den Benzinpreis fest, sondern auch die Preise für den öffentlichen Verkehr. Eigentlich für die offiziellen Busse, aber irgendwie hängt das alles zusammen. Wie genau, verstehe ich nicht so genau. Natürlich sind aber auch die Preise für Keke und Okada nun gestiegen, die Leute können es aber nicht wirklich bezahlen. Was die Fahrer mit dem Streik bezwecken wollten, ist nicht so ganz klar. Aber er ist ein sehr klares Zeichen dafür, dass es Konflikte gibt und Menschen nicht wissen, wie sie sich sonst bemerkbar machen sollen.

Das einzig Positive an der Fuel-Krise ist, dass den Leuten das Benzin zu teuer ist. Selbst wenn wir keinen Strom haben, bleiben deshalb mittlerweile die Generatoren aus und die Nächte sind ruhig und dunkel.

Oberflächlich ruhig, aber wie sieht es unter der Oberfläche aus?

Mein Besuch aus Deutschland kam wohl genau zur richtigen Zeit. Alles war noch entspannt. In den letzten Wochen scheint es an der Oberfläche immer noch einigermaßen ruhig zu sein, nur die Wellen kräuseln sich ab und an etwas. Aber an der Art, wie die Menschen reden, worüber sie reden, wie sie sich teilweise verhalten, merke ich, dass es unter der Oberfläche brodelt. Wer weiß, was es braucht, damit die Situation explodiert?

Vor ein / zwei Wochen war die Atmosphäre ein bisschen angespannter. Mittlerweile habe ich das Gefühl, die Menschen haben die neue Situation akzeptiert. Wenn die Situation nun bleibt, wie sie ist, dann beruhigen sich die Gemüter vielleicht wieder. Wenn ein neuer Einschnitt kommt, weitere Preiserhöhungen oder Lebensmittelknappheit, dann kann es vielleicht auch ziemlich schnell gehen, dass die Leute auf die Straße gehen.

Inflation und Wertverlust

Ich bin bekanntermaßen keine Wirtschaftswissenschaftlerin und habe nur rudimentäre Kenntnisse zu wirtschaftlichen Zusammenhängen, ganz zu schweigen von der richtigen Verwendung von Begrifflichkeiten. Aber ich habe dennoch das Gefühl, dass ich Zeugin einer schnellen Inflation bin. Hinzukommt, dass der Leone gerade superschnell an Wert verliert im Vergleich zum Euro. Als ich gekommen bin war der Wechselkurs ungefähr bei 1€ zu 12,000LE. Anfang des Jahres war der Wechselkurs bei 12,400LE für 1€. Vor zwei Wochen habe ich Geld getauscht: 1€ – 13,000LE und vor zwei Tagen waren es dann 1€ – 13,700LE. Einerseits ärgerlich, dass ich nun Geld getauscht habe. Hätte ich mal lieber gewartet, bis der Wechselkurs sich noch weiter zu meinen Gunsten entwickelt hat. Aber eigentlich bin ich eher betroffen, weil ich quasi täglich sehe, wie der Leone an Wert verliert, was die Inflation im Land noch weiter vorantreiben wird, da wir ja alles importieren.

Es bleibt also im negativen Sinne spannend gerade, wie sich die Situation hier weiterentwickeln wird. Zugleich ist es cras zu sehen, welche Auswirkungen ein Krieg im fernen Europa auf die Wirtschaft und das tägliche Überleben hier in Sierra Leone hat.

At least: one „good“ news

Eine gute Nachricht habe ich aber: Die Weinpreise sind stabil! Unser Hauswein – der günstigste im Regal – kostet nach wie vor 75,000LE! So können wir uns wenigstens die Sorgen wegtrinken und auf ein besseres Morgen anstoßen. In diesem Sinne: Cheers!

NACHTRAG:
Ich habe gerade die erste Reaktion auf meinen Beitrag bekommen. Ich fühle mich absolut sicher hier und mir geht es gut. Keine Sorge also.

Welch ein Segen: Urlaubsbesuch

Welch ein Segen! Anders kann ich es kaum bezeichnen. Welch ein Segen ist es, so gute Freundinnen und Freunde zu haben, die die Strapazen einer Reise auf sich nehmen und ins Ungewisse starten, um mich zu besuchen. In den letzten drei Wochen war unsere Bude voll und ich konnte ganz viel Energie tanken, dank der Besuche aus Deutschland. Vielen Dank deshalb nochmal an alle, die mich besucht haben. Es war einfach wundervoll!

Alle, die noch ein Urlaubsziel für die nächsten Monate bis Jahre suchen, können ja besonders aufmerksam lesen und schauen, ob ein Urlaub à la Salone auch etwas für euch wäre 🙂

Reisegruppe Leipzig-Berlin

Ende Februar kam die vierköpfige Reisegruppe aus Berlin und Leipzig an. Ihnen war keine Verschnaufpause gegönnt. Von der Fähre ging es mit einem kurzen Zwischenstop zum Rucksack-abwerfen in unserer Wohnung direkt zu einem Cocktail-Abend zu einer Bekannten. So konnten sie direkt eintauchen in die verwirrende Welt Freetowns.

Als am nächsten Tag dann die Rucksäcke geöffnet wurden, trauten wir unseren Augen kaum. Wir wurden mit so viel Kaffee, Wurst, Parmesan, Schokolade und Linsen versorgt, dass wir unser Glück gar nicht fassen konnten!!! Was da alles aus den Rucksäcken gezaubert wurde – Wahnsinn!

Ich möchte hier nicht zu viel verraten und erzählen von all den Eindrücken und Unternehmungen der Reisegruppe, da ich auf ausschweifende Rezensionen von ihnen hoffe, so dass ihr im O-Ton erfahren könnt, wie sie das Ganze hier wahrgenommen haben. Ich war vor der Ankunft der Gruppe schon etwas nervös, weil ich nicht einschätzen konnte, wie sie es hier finden würden. Für einige war es die erste Reise nach Afrika südlich der Sahara, aber alle sind eigentlich reiseerfahren beziehungsweise sind sie nicht kontaktscheu in Bezug auf einfache Unterkünfte.

Mit Steff – ihr erinnert euch vll noch an seinen Besuch im November – hatten wir schon ein kleines „Ankunftsstandardprogramm“ entwickelt, das wir nun allerdings gar nicht eins-zu-eins anwenden konnten, da die Gruppe viel früher als erwartet fit war und neugierig, ihre Umgebung zu erkunden. So dass wir am ersten Tag direkt nach Cockle Point gedüst sind und ab ans Meer.

Einige Reiseziele hatten Tina und ich uns ja extra aufgehoben, um sie dann mit unseren Gästen das erste Mal zu besuchen. Es war klar, wir fahren auf jeden Fall mit der Gruppe nach Tiwai. Das ist eine Insel in einem Fluss im Regenwald. Wegen ein bisschen Unpässlichkeiten konnten wir allerdings erst einen Tag später los, so dass die Reisegruppe gezwungen war, nicht nur unseren Lieblingsstrand Cockle Point kennenzulernen, sie „mussten“ auch noch einen Nachmittag an River No 2 verbringen. So hart kann das touristische Leben in Sierra Leone sein…

Ihr müsst leider mit meinen Fotos vorlieb nehmen, da mein Internet gerade nicht stabil genug ist, um den Fotoordner herunterzuladen, mit den Fotos von Wenke.

Ab auf die große Insel

Um weitere Verzögerungen auszuschließen, wurde beschlossen: Ab jetzt keine Rücksicht mehr auf niemand! Morgen ist Abfahrt nach Tiwai!!!! Über Tiwai werde ich vielleicht nochmal extra schreiben. Nur so viel sei verraten: es war ein großes Highlight für alle. Nach fünf-sechs Stunden Fahrt von Freetown kommt man in einem Örtchen an, von dort aus geht es mit Sack und Pack aufs Boot und rüber auf die Insel. Tiwai ist Mende und bedeutet so viel wie große Insel. Auf der anderen Seite ist der Anlegesteg noch nicht fertig. Es heißt also, sportlich aufs Ufer hinaufklettern.

Auf der Insel wohnen keine Menschen. Es ist ein Naturschutzgebiet und nur für Research oder touristische Zwecke besucht. Wir haben in der Research Station übernachtet, da das Touristencamp noch nicht fertig renoviert war. Es ist das gelbe Haus, das ihr auf einem der Fotos seht. In den Bäumen im Hintergrund kamen manchmal ein paar Affen vorbei.

Wir haben so ziemlich alle Tourangebote mitgenommen: night walk, long forest walk, day trip mit dem Kanu, night tour mit dem Boot, nochmal forest walk … Beim forest walk waren wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Wir haben am Fluss ein paar Fischer getroffen, die uns direkt mal zwei Fische fürs Abendessen geschenkt haben. Man muss die Leute nur nett grüßen und schon öffnen sie einem ihre Herzen. Die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit mit der uns begegnet wurde, waren wirklich ganz wundervoll! Bei den Forest walks sieht man auf jeden Fall Affen und hört immer mal wieder das Knacken und Knicken der Millionen von Termiten, die ununterbrochen das Holz der Bäume futtern. Nicht zu vergessen die wunderschönen farbenfrohen Schmetterlinge und ungewöhnlichen Pflanzen. Aber Obacht: Gefahr von Genickstarre wegen Hans-Guck-in-Luft-Stellung.

Termiten-Wahnsinn:

Affen-Such-Bild:

Die Tageskanu-Tour haben wir in sogenannten Einbäumen bestritten. Immer drei von uns in einem Boot und ein Bootsmann, der uns durchs Wasser stackte. Auf dem einen Bild seht ihre ein Bast-Gebilde. Das ist eine Fischfalle. Bei der einen Kanutour sind wir auch noch an einer Goldgräberstelle vorbeikommen. Die Männer fahren auf die Mitte des Flusses hinaus, einer taucht dann mit Hilfe eines Schlauches, durch den ein Gerät Luft pustet, dann werden unter Wasser Eimer mit Sand gefüllt. Diese Eimerfüllungen werden am Ufer auf Haufen gesammelt und dann Step by Step ausgewaschen. Ziemlich körperlich anstrengende Arbeit. Soviel steht fest. Die Fotos sind leider nicht so gut, wegen des Lichts…

Ich hatte mega großes Glück: ich habe tatsächlich ein Pygmy Hippo gesehen bei der Nachtfahrt auf dem Fluss. Beim Forestwalk haben wir ja schon Pygmy Hippo Ausscheidungen gesehen und Spuren und dann auf der Nachtfahrt blitzen auf einmal rote Äuglein auf und ich habe die Umrisse des Kopfes noch gesehen, bevor das Hippo abgetaucht ist.

Alle Bootstouren in Tiwai sind nichts für ängstliche Menschen, die wasserscheu sind. Man hat immer das Gefühl, man landet entweder gleich im Wasser, weil das Boot kippt oder weil das Boot untergeht, da es durch Löcher voller Wasser läuft. Gerade nachts ist der Gedanke etwas unangenehm mit dem Wissen, dass es auch Krokodile gibt…

Tiwai ist auf jeden Fall hervorragend für alle, die Lust auf Natur, Abenteuer und nette Menschen haben. Eine Kombi aus entspannt schwimmen im Fluss und Angst davor, dass gleich das Bein vom Krokodil weggeschnappt ist 😉

Für die Reisegruppe ging es von Tiwai aus für einen Tag und eine Nacht in die Communities in der Nähe der Insel. Ich habe mich auf dem Weg zurück nach Freetown gemacht, da ich ja zwischendrin noch arbeiten musste und auch noch weitere Gäste angekündigt waren. Während die Reisegruppe Leipzig/Berlin nach den Communities direkt weiter nach Banana Island gefahren ist, habe ich kurz einmal meine Ruhe in Freetown genossen mit Sonnenuntergang am Balkon und mediteranem Teller.

Mädelsurlaub in Salone

Nach zwei Tagen Arbeit und einigem Psycho-Stress haben wir dann Vivien und Jasi an der Fähre abgeholt. Sie sind viel früher angekommen als erwartet, so dass sie auf uns warten mussten, nicht andersherum. Aber alles hat supergut geklappt. Die beiden hatten weniger Zeit als die erste Reisegruppe, deshalb wurde auch das Reiseprogramm etwas angepasst.  

Nach dem klassischen Einstieg ins Strandleben am Cockle Point ging es erstmal auf Shopping und Sightseeing Tour in die Innenstadt. Mir hat es mega Spaß gemacht, mit den beiden durch meine neue Stadt zu ziehen und ihnen alles zu zeigen. Ich hatte lange keinen Shoppingtag mit meinen Mädels 😊 Fühlte sich fast an wie Breite Gasse…

Zwischen dem Shoppen und Sightseeing ging es noch in eine Kirche, in der sogar Queen Elisabeth schon war, was die Unterschrift im Gästebuch bewies, dann ging es auch noch aufs höchste Gebäude der Stadt für einen schönen Ausblick, bevor wir uns wieder ins Marktgetümmel warfen. Zum Abschluss gab es noch Kaffee und Kuchen. Zuhause wurde dann die Küche belegt und gekocht, da wir für die nächsten Tage nicht in Freetown sein würden und alle Reste verkochen mussten.

Fast hätte ich es vergessen: Vive und Jasi sind ja zu dritt angereist. Sie hatten noch einen fliegenden Elefanten im Gepäck. Der ist mit uns auf Reisen gegangen…

Tiwai die Zweite

Da Tiwai alle so geflasht hat, bin ich auch mit den Mädels nach Tiwai. Die Abfahrt aus Freetown war noch etwas mit Aufregung belegt, da es an den Tankstellen kein Benzin gab. Wegen des Krieges in der Ukraine schnellen hier alle Preise nach oben. Auch der Benzinpreis und trotzdem waren Diesel und Benzin knapp. Wir dachten schon, wir können nicht fahren, aber dann gab es an der einen Tankstelle zum Glück doch noch Diesel für uns.

Da ihr nun eh schon Bescheid wisst über Tiwai, will ich hier nicht nochmal alles erzählen. Nur, dass ich nochmal riesiges Glück hatte und wir dieses Mal sogar Schimpansen gesehen haben. Wir mussten sehr lange ruhig sitzen und warten, aber dann waren sie in einem Baum direkt über uns. Wenn ich demnächst noch Manati und Schuppentiere sehe, habe ich eigentlich alles gesehen 😉

Dieses Mal war leider auch die Wasserpumpe kaputt, weshalb wir uns im Fluss duschen mussten. Das tat aber dem ganzen Erlebnis keinen Abbruch, sondern war eher witzig. An der Badestelle, an der wir mit den anderen noch etwas zaghaft ins Wasser sind, da wir ja nicht wussten, ob es hier Krokodile gibt, hieß es auf einmal, dass ganz sicher hier keine Krokodile sind. Wir hatten also richtig Badespaß vor allem, als auch noch eine Gruppe Jungs mit ins Wasser sprang und herumplantschte. Nach der Badeaktion gab es dann noch ein Foto mit Elefant. Das seht ihr unten.

Reisegruppe Leipzig-Berlin hat uns so dermaßen vom Community Heritage Trail vorgeschwärmt, dass wir uns entschieden haben, auch einen Tag und eine Nacht in den Communities zu verbringen. Es war wirklich ein super Erlebnis und kommt ab sofort auf die Must-Do-Liste für künftigen Besuch. Auf dem Community Trail haben wir verschiedene Dörfer besucht, uns wurden die heiligen Stätten gezeigt, ein bisschen Landwirtschaft, Palmöl-Produktion und wir wurden in einem Dorf auch von den Frauen mit Musik und Tanz begrüßt. Ich konnte mir endlich eine Zahnbürste kaufen, weil ich meine in Freetown vergessen hatte.

Im FarAway Camp hatten wir das schönste Badeerlebnis überhaupt. Im Fluss unter Palmen – nur wir und die leichte Strömung. Gut, als wir ankamen, gab es kurz einen Schock, da eine Schlange schnell weggehuscht ist, aber das muss man dann auch einfach ausblenden…

Der Typ, der das Camp herrichten will, ist ein alter Kauz. Wir hatten großen Spaß beim Gruppenfoto. Ich habe den Abend und die Nacht in der Community sehr genossen. Abends war ich noch mit dabei wie unser Guide Abdulai, der auch Community Teacher ist, mit den Kindern ein paar Sätze auswendig lernte, bevor es dann auch für mich ins Bettchen ging. Geschlafen haben wir in dem Haus, das auf dem einen Foto ist und Essen gab es auch reichlich und lecker, wie ihr auf den Fotos ja sehen könnnt. Einerseits waren wir froh, als wir am nächsten Tag ins Auto stiegen, mit dem Wissen, bald am Strand zu liegen, zugleich war es auch schade, die communities zu verlassen und wieder zurück ins Stadtleben geworfen zu werden.

Beach, Meer und Surfen

Nach den Communities ging es zur Reunion mit dem Rest der Crew an den Bureh Beach. Für einen Abend waren wir alle zusammen da und haben das Lagerfeuer und das unglaublich leckere Seafood genossen. Für die erste Reisegruppe ging es dann zurück nach Freetown für den Covid-Test und Vivien, Jasi und ich haben noch am Strand entspannt und am nächsten Tag unsere erste Surflesson genommen.

Aber jeder Urlaub geht einmal zu Ende. So mussten auch wir unsere Sachen packen und zurück nach Freetown fahren. Dort haben wir auch die Leipzig-Berlin noch für einen letzten Abend und ein letztes Bier am Strand getroffen. Am nächsten Tag ging es für die Vierer-Crew zur Fähre und dann zurück nach Deutschland. Wir anderen hatten noch zwei Partys und zwei Geburtstage vor uns, bevor es dann auch hier endgültig Abschiednehmen hieß – bis zum nächsten Wiedersehen in Deutschland.

Alles easy-peasy und highty-tighty?

Meine Ausführungen über meinen Urlaub in Salone hören sich vielleicht etwas zu reingewaschen und schön an. Weggelassen habe ich all die Diskussionen, die ich mit eigentlich allen Gästen hatte über alltägliche Themen hier.

Was ist Gerechtigkeit? Ist es „gerecht“ ein paar Frauen im Dorf Geld zu geben, wenn sie danach fragen, oder ist es „besser“, das Geld über den Village Chief ins Dorf zu geben? Habe ich überhaupt das Recht und bin ich überhaupt in der Position zu entscheiden, was für andere „gerecht“ und „richtig“ ist? Ist es besser, Menschen, die mich anbetteln, Geld zu geben und wenn ja wie viel? Oder lieber doch nicht? Und wie verrückt ist das hier eigentlich, dass ich am Traumstrand liege und mein Bierchen genieße und wenn ich mich umdrehe, sehe ich wie Kinder und Hunde zwischen Plastikmüll herumstapfen und es offensichtlich am scheinbar Nötigstem fehlt. Ist es inspirierend zu sehen, mit wie wenig Input von Außen die Kinder in den Dörfern sich beschäftigen können oder ist es einfach nur ein Beweis craser Armut? Was macht es mit Menschen, wenn nichts verlässlich und selbstverständlich ist? Weder Strom, noch Wasser noch Benzin noch die Preise für die wichtigstens und alltäglichen Lebensmittel? Und wie ist hier eigentlich die Rolle die Frau? Wo fängt man an, wenn der Schulunterricht auf Englisch ist, aber ich mich selbst mit dem Lehrer nicht wirklich gut auf Englisch unterhalten kann? Wie können die Kinder jemals in ihrer Zukunft auf internationaler oder auch nur nationaler Ebene mitmischen?

All diese Fragen begleiten uns alle, wenn wir durch dieses Land reisen. So schön es ist und so freundlich, herzlich und offen die Menschen sind – ganz vergessen, dass es eines der ärmsten Länder der Welt ist, kann man hier nicht. Auch nicht, wenn man im Urlaub ist. Es kann sein, dass ihr einiges auf der Welt hinterfragt, wenn ihr hier seid. Das solltet ihr vielleicht noch wissen, bevor ihr euren Flug bucht 😉 Aber es ist trotzdem ein sehr wertvolles Geschenk, Sierra Leone zu bereisen und seine Menschen zu treffen. Da spreche ich, glaube ich, auch im Sinne meiner Gäste.

KAT Salone (Kaddl´s Adventure Travel) opening soon

Während ich mit Vivien und Jasi unterwegs war, haben die anderen noch verschiedene Orte besucht wie Big Water, Kabala, Tasso Island, Black Johnson Beach, Outamba Kilimi National Park… Nach insgesamt drei Besuchen mit sehr unterschiedlichen Interessen, unterschiedlichen Ansprüchen an einen Urlaub und unterschiedlichen Budgets, denke ich darüber nach, mich bald selbstständig zu machen als Tour Operator in Sierra Leone.

Die Handtücher und Bettlaken sind wieder frisch gewaschen. That means: meine Türe steht für neuen Besuch wieder offen. Meldet euch also gerne, wenn ihr einmal aus dem Alltag fliehen wollt und in eine vollkommen andere Welt eintauchen wollt. Travel Agency Prinzing berät und organisiert gerne nach individuellen Wünschen 😊

PS: Die Fotos von Tiwai, Bureh und dem Communitiy Trail sind teilweise von Vivien und Jasi 🙂

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