Autor: TheKaddl (Seite 7 von 9)

100 Tage Salone

Heute vor 100 Tagen bin ich in Salone gelandet. Es fühlt sich einerseits schon viel länger an, da ich schon so viel gelernt und erlebt habe, und zugleich sind es erst drei Monate. 

Meine wichtigste Erkenntnis der letzten Tage: ich stresse mich selbst zu sehr und sollte einfach mal einen Gang runterschalten. Und wie sooft hilft mir das Schicksal, eine höhere Macht oder der Zufall dabei. 

Back to Kenema – Roadshow durch die communities

Ich schreibe euch wieder aus Kenema. Am Freitagvormittag hat meine Kollegin gefragt, ob es okay sei, wenn sie nächste Woche nicht im Büro wäre, weil die Kolleginnen und Kollegen aus Kenema angefragt haben, ob sie die ganze Woche mit ihnen auf Roadshow in die communities in Kenema in den Kambui Hills kommen kann. Erst war ich nicht so begeistert. Mariama war die letzten vier Wochen nicht im Büro, weil sie krank war. Sie ist mein Counterpart, das heißt, eigentlich soll ich eng mit ihr zusammenarbeiten. Ich hatte das Gefühl, ich komme überhaupt nicht mit meinen Projekten und selbstgesetzten Zielen voran, da ich alleine gearbeitet habe und eigentlich ihre Unterstützung gebraucht hätte bzw. sie Teil meiner Aufgaben ist. Und dann habe ich gemerkt, dass ich einen vollkommen falschen Ansatz verfolge. Ich bin erst drei Monate hier. Eigentlich sollte ich noch in der Phase des Beobachtens sein, des Lernens, und des Ankommens. Es geht am Anfang noch nicht wirklich um Output. Ich soll meine Kolleginnen und Kollegen unterstützen, nicht selbst alles umsetzen. Also habe ich mich spontan entschieden mitzukommen. Ein paar Tage in den grünen Hügeln würden mir bestimmt gut tun. Und so ist es auch. Gestern sind wir angekommen. Jetzt sind die anderen gerade am Markt, um noch ein paar Sachen einzukaufen und dann geht es später los zur ersten community.

Was es mit der Roadshow auf sich hat, werde ich auch erst erfahren, wenn wir dort sind. Wir werden in den nächsten sechs Tagen sechs communities besuchen und sie über Landnutzung und nachhaltiges Forestmanagement aufklären. Teilweise werden wir dort übernachten, teilweise abends zurück nach Kenema kommen. 

Perfekt für mich gerade – einfach mal die Zügeln aus der Hand geben und frei nach dem Motto “follow the flow” einfach mitmachen, ohne selbst zu planen. 

Warum ich trotz Strandnähe urlaubsreif bin

Was habe ich nun schon alles gelernt in meinen ersten 100 Tagen hier? Die meisten Leute zuhause, denen ich neidisch auf ihre Urlaubsfotos anworte, dass ich auch dringend Urlaub brauche, antworten meist mit: du bist doch direkt am Strand… Ja, das schon, aber es ist jeden Tag so anstrengend hier, weil alles anders ist und vieles umständlicher als in Deutschland. 

Jede Kleinigkeit hier ist zugleich eine Neuigkeit für mich, die ich aufnehmen und abspeichern muss. Das sind nicht unbedingt schwierig Sachen. 

Autokennzeichen, Stromrechnung und Küchenzeug

Zum Beispiel die Kennzeichen:

  • weißer Hintergrund mit schwarzer Schrift = privates Fahrzeug
  • weißer Hintergrund mit roter Schrift = commercial (Taxis, Busse, LKWs…)
  • weißer Hintergrund mit blauer Schrift = nationale NGO
  • blauer Hintergrund mit weißer Schrift = internationale NGO
  • weißer Hintergrund, grüne Schrift = Regierungsfahrzeug

Der Strom wird hier nicht pauschal monatlich bezahlt und dann einmal im Jahr abgerechnet. Es gibt ein Prepaid-System. Ich habe einen “Meter” vor meiner Wohnung, der abwechselnd vier Zahlen anzeigt. Ich wusste erst gar nicht, welche davon mein aktueller Stand ist. Wenn man Stromguthaben aufladen möchte, muss man ins Büro der Stromgesellschaft, bezahlt den Betrag der eigenen Wahl und bekommt dann einen Beleg mit einem Code, den man dann zuhause eingeben muss. Meist muss man bei der Stromgesellschaft eine zeitlang anstehen. Frisst also wieder etwas Zeit. 

Für meine Wohnung wollte ich noch ein paar Sachen für die Küche kaufen. Und jetzt rede ich noch gar nicht vom Herd. Es geht erst einmal um Besteck, Teller und Töpfe. Es gibt hier keine Ikea, in die man einmal hinfährt und dann alles einkauft. Also ging es von Stand zu Stand in Lumley auf der Suche nach Tellern und Besteck, die meinen Ansprüchen genügen. Es ist nicht so einfach Besteck zu finden, das nicht aus Alu ist und sich bei der ersten Benutzung verbiegt. Teller habe ich bis jetzt noch nicht in der Anzahl, wie ich sie gerne hätte, weil ich einfach noch keine gefunden habe, die gut ausschauen (also nicht zerkratzt sind und auch vom Stil her okay) und nicht 6€ das Stück kosten.

Natürlich habe ich auch in der Arbeit schon unglaublich viel gelernt. Über die Inhalte, über die Schwierigkeiten für Conservation und Biodiveristätsarbeit hier, über die Arbeitsweise in Sierra Leone. Das muss alles irgendwie und irgendwo verarbeitet werden.

Arbeit mit Hindernissen

Auch in der Arbeit erscheinen die einfachsten Sachen, die schwierigsten zu sein. Seit gefühlt zwei Monaten versuche ich, dass alle Kolleginnen und Kollegen die offizielle CSSL – Emailadresse verwenden. Heute habe ich versucht, meine Zeit hier in Kenema zu nutzen, um mit jedem und jeder einzeln das erste Login durchzuführen. Aber dann war das Internet wieder weg… Eigentlich wollte ich auch unsere neuen Templates für Briefe, Listen usw. zeigen, damit alle künftig die neuen Designs verwenden, aber ich glaube mittlerweile, dass wir dafür heute keine Zeit mehr haben werden. Ich bin ganz offensichtlich noch viel zu ambitioniert.

Dankbar und angekommen

Das hört sich jetzt alles wenig erbaulich an. Aber das liegt wohl daran, dass ich in den letzten Tagen etwas gestresst war. Wenn ich es mit etwas Abstand betrachtet, sehe ich, dass ich dafür, dass ich erst 100 Tage hier bin, erstens schon sehr viel erreicht habe und zweitens eigentlich noch gar nichts hätte erreichen müssen.

Aber: ich finde ich cruise schon sehr selbstsicher durch die City, habe schon einen Schreiner, einen Schneider und eine Küchenzeug-Verkäuferin meines Vertrauens, mindestens einen Freund und eine Freundin und humorvolle Kollegen.

Ich habe in den letzten 100 Tagen so viel Positives erlebt und bin sehr, sehr dankbar dafür. Ich treffe jeden Tag so viele Menschen, die mir mit unglaublicher Freundlichkeit begegnen. Ich habe meine Wohnung, die wirklich meine Wohnung ist. Wenn ich dieses Mal nach Freetown zurückkomme, komme ich nach hause zurück. Das ist ein sehr gutes Gefühl. Und ich freue mich jetzt schon darauf, wenn ich von meiner ersten Reise nach Deutschland zurückkomme und beim Warten auf die Fähre ein Star-Bier kaufen werde und froh bin, wieder hier zu sein.

Wenn ich in Freetown unterwegs bin oder auch gestern auf der Fahrt nach Kenema – ich sehe die Welt um mich herum nicht mehr als “spannend” oder “anders” an. Es ist wie es ist. Normale Normalität. Ich denke, mein Blick auf die Menschen hier und ihre Lebensumstände haben sich in den letzten Monaten schon stark verändert. Ich weiß, dass ich von ein paar Leuten vermisst werde, wenn ich eine Woche nicht in Freetown bin. All das ist schon einiges für nur wenige Wochen in einem neuen Land.

Nach 100 Tagen heißt es für mich also: Geduld lernen, treiben lassen und einfach da sein. Wie sich mein Blick auf die Welt um mich herum geändert hat, das kommt dann in dem Artikel, den ich letztes Mal schon angekündigt habe. Den Artikel mit den guten Nachrichten.

Das „Seegrasproblem“ und der Weltklimabericht

Ich glaube, ich brauche gerade kaum jemandem in Deutschland oder Südeuropa ein Lied von den Folgen des Klimawandels singen. Starkregen, Überflutungen, unbeherrschbare Brände, Wetterextreme in sämtlichen Ausprägungen… All das sind laut Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die den aktuellen Weltklimabericht verfasst haben, die Folgen des menschengemachten Klimawandels.

Nicht nur in Deutschland, auch hier in Sierra Leone sind die Folgen des Klimawandels zu spüren. Der Regen in dieser Regenzeit lässt auf sich warten. Wir hatten ein schönes sonniges Wochenende und das im Monat August, in dem es eigentlich stundenweise wie aus Eimern schütten sollte. Aber leider wird einem selbst der sonnige Sonntagnachmittag am Strand vermiest, da alle Strände voller Seegras sind. 

Das Bild stammt vom Lakka Beach. Am Lumley Beach in der Stadt ist teilweise der ganze Strand mit Seegras bedeckt, teilweise einen Meter hoch.

Seegras statt Sandkorn

Vor drei Wochen beim Sonntagsjoggen entlang des Lumley Beaches war ich überrascht, bestürzt, irritiert. Ich kann gar nicht mehr so genau sagen, was da in mir vor sich ging. Der ganze Strand war voller Seegras. Wortwörtlich war der Strand vor lauter grün-braunem Zeug nicht mehr zu sehen. Naja, dachte ich mir. Ist halt Regenzeit und in der Regenzeit wird mehr Seegras angeschwemmt. Das hat bestimmt irgendwas mit den globalen Wasserströmungen zu tun, die sich ja im Laufe des Jahres ein bisschen verändern. 

“It only started some years ago that it is like this”, erklärte mir dann aber Asan. Früher gab es auch in der Regenzeit keine von Seegras überschwemmten Strände. Da ich allgemein bekannt bin als conservation- und environmentexpert, wurde ich von meinen Mitläufern gefragt, weshalb in der Regenzeit seit einigen Jahren immer so viel Seegras angeschwemmt werde.

Um keine Antwort verlegen, habe ich natürlich sofort in den “Kompetenz-vortäuschen-Modus” geschalten und ein paar Überlegungen angestellt. Zum Beispiel, habe ich laut vor mich hinphilosophiert, könnte es etwas mit der Überfischung der Meere zu tun haben. Vielleicht gibt es nicht mehr genug Fische, die das Seegras fressen. Oder vielleicht hat es auch mit der steigenden Temperatur des Meerwassers zu tun. Ich weiß ja, dass zum Beispiel Korallen schon auf 0,5° Temperaturunterschiede reagieren und teilweise schon bei 1° erhöhter Temperatur unwiederbringlich absterben.  Wieso sollte nicht auch das Seegras empflindlich auf Temperatur reagieren? Leider mehr Fragen als Antworten in meinem Kopf zu diesem Thema. Deshalb habe ich zuhause umgehend meine Recherchemaschine angeworfen und mich etwas schlau gemacht.

Temperaturanstieg und Düngemittel verschmutzen unsere Strände

Es war sehr interessant und zugleich sehr traurig, was das Internet mir zu meiner Nachfrage verraten hat. Das “Seegrasproblem” besteht nicht nur an unseren schönen Stränden in Salone und wahrscheinlich an den anderen Küsten Westafrikas, sondern auch an der Ostküste Brasiliens und der USA. Wie so oft kommen mehrere Faktoren zusammen und den Schaden haben am Ende nicht unbedingt die, die für die Ursachen verantwortlich sind. 

Ich muss zugeben, dass ich hauptsächlich Informationen zum Seegrasaufkommen in den Amerikas gefunden habe, aber ich denke, die Ursachen lassen sich auf Westafrika übertragen. 

Ein Grund, weshalb es in den letzten Jahren zur Seegras-Expansion gekommen ist, ist tatsächlich die erhöhte Meerestemperatur. (Diese Annahme von mir war also richtig!) Schon eine leichte Erhöhung der Temperatur sorgt dafür, dass das Seegras schneller und besser wachsen kann und sich mehr ausbreitet.

Für alle, die am menschengemachten Klimawandel zweifeln und die nicht sicher sind, ob die erhöhte Temperatur tatsächlich unsere Schuld ist, sei hier nun noch ein weiterer Grund für das viele Seegras an den Stränden aufgeführt, der sehr klar menschengemacht ist: Durch die fortschreitende Abholzung der Wälder – in Südamerika namentlich des Amazonas – und die damit verbundene Umwandlung von Waldgebieten in Ackerland wird das Wachstum multipliziert. Wie das geschieht? Ganz einfach: Auf dem Ackerland werden Düngemittel eingesetzt, diese gelangen über Bäche und Flüsse ins Meer und werden mit den globalen Meeresströmungen verteilt. So gelangen Düngemittel in die Weltmeere. Offensichtlich machen diese Dünger ihren Job sehr gut. Das Seegras springt auf jeden Fall darauf an. Wir düngen also das Seegras im Meer und die Ergebnisse werden uns dann an die Strände geschwemmt. 

Warum ist zuviel Seegras schlecht?

Seegras ist wichtig und gut für den Lebenskreislauf in den Weltmeeren. Allerdings kann zuviel Seegras zum Kollaps von Ökosystemen führen. Schildkröten finden am Strand keinen Sand mehr, wo sie ihre Eier ablegen können; falls sie es dennoch schaffen, erschwert es das Seegras den Babyschildkröten, den Weg ins Meer zu schaffen; Seegras entzieht dem Wasser zu viel Sauerstoff, so dass Fische und andere Wasserlebewesen nicht überleben können; totes Seegras sinkt zum Boden und bedeckt wertvolle Korallen und so weiter und so fort. Meine Infos hierzu habe ich von ein paar Internetartikeln, hauptsächlich von der Seite phys.org (Falls jemand diese Seite kennt und weiß, dass es keine gute Quelle ist, bitte gerne Bescheid geben.).

Wie gesagt, die meisten Quellen konzentrieren sich auf die Amerikas und nicht auf die westafrikanische Küste. Schaut man sich aber die Meeresströmungen an, sieht man, dass es hier durchaus Zusammenhänge geben kann und es sogar sein kann, dass der Dünger aus dem Amazonas durch die Meeresströmungen bis zu uns kommt. Das ist aber wieder nur eine meiner Annahmen. Das müsste mal noch jemand wissenschaftlich verifizieren.

Das Bild ist von Wikipedia entnommen. Ich denke, mit dem Equatorial Counter, könnten sogar Düngemittel aus Lateinamerika nach Westafrika gelangen. Aber vielleicht stelle ich mir das auch alles zu einfach vor. Vll kennt sich jemand damit aus und kann dazu mehr Infos geben. Ich bin gespannt…

Ihr seht schon. Ich komme irgendwie immer wieder an den Punkt, an dem alles mit allem zusammenhängt. Egal ob das nun der norwegische Lachs ist, das Winterquartier der Störche oder eben das Seegras an den Stränden. Unser Klima ist ein weltweites Klima. Und zugleich betrifft es uns alle in unserem Alltag, egal wo auf der Erde wir leben. Für mich ist es der Beweis, dass ich hier nicht im luftleeren Raum arbeite, sondern conservation und Umweltschutz wirklich Themen sind, die wir weltweit gemeinsam angehen müssen.

Weltklimabericht: 2° Ziel wird immer unwahrscheinlicher

Und welch glücklicher Zufall, dass ausgerechnet heute der sechste umfassende Bericht des Weltklimarates veröffentlicht wurde. Die Daten aus dem Bericht belegen, was wir gerade weltweit erleben: Brände, Starkregen, Hitzewellen, schmelzende Eisschilde und Folgen der steigenden Meerestemperatur sind alles Folgen des menschengemachten Klimawandels. Und somit unterstützt der Weltklimabericht auch meine Annahmen zum Seegras an Salones Stränden. Die Zukunftsaussichten des Berichtes sehen leider nicht soooo positiv aus.

Kurz zusammengefasst: Das Ziel von 1,5° erhöhte Temperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ist so gut wie unerreichbar geworden. Dieses Ziel wäre wichtig gewesen, um Ökosysteme und das Weltklima so zu erhalten, wie wir es kennen. Die Working Group hat fünf Szenarien ausgearbeitet, die die klimatischen Folgen für fünf verschiedene Temperaturanstiege zeigen. Extreme Wetterlagen, wie wir sie gerade erleben, werden uns bleiben, unabhängig vom Anstieg. Diese Entwicklung ist jetzt schon irreversibel. Stoppen oder verlangsamen können wir die aktuelle Entwicklung nur, wenn sehr, sehr schnell die Staaten weltweit gemeinsam ihr Vorgehen anpassen. Vielleicht schaffen wir es doch endlich – gemeinsam als Menschheit – den rasanten weiteren Anstieg abzubremsen und zu stoppen. Es geht hier nicht nur um ein bisschen weniger Regen hier und ein bisschen höhere Temperaturen dort, es geht darum ganze Ökosysteme zu erhalten und mit ihnen Tier- und Pflanzenwelt oder sie aufzugeben bzw. in den sicheren Untergang zu schicken. Und mit diesen Ökosystemen verschwinden auch Teile unserer Lebensgrundlage.

Wer zu faul ist, den ganzen Bericht zu lesen (was wahrscheinlich kaum jemand wirklich macht bei 1.300 Seiten Wissenschafts-blabla), kann sich einfach mal die regionalen Factsheets anschauen. Man muss auch kein Englisch verstehen, um die Grafiken auf der ersten Seite zu verstehen. Hier ist der direkte Link zu Europa: IPCC Regional Factsheet – Europa. Unten auf der ersten Seite sind die Entwicklungen von Temperaturen (temperature) und Niederschlag (percipitation) dargestellt. Direkt darüber die Hauptergebnisse.

Natürlich gibt es alle wichtigen Infos auch auf sämtlichen Nachrichten- und Medienseiten schön verständlich auf deutsch zusammengefasst. Da kann ja jede und jeder mal den Nachrichtenkanal der eigenen Wahl befragen.

Es gibt auf der Seite des IPCC auch einen interaktiven Atlas. Ich finde, der ist nicht ganz selbsterklärend, aber wer sich ein bißchen mit Daten auskennt bzw. Lust auf Daten hat und gerne herumklickt, kommt eigentlich auch damit gut zurecht: Interaktiver Klimaatlas

Die wichtigste Botschaft der Workinggroup – zusammengefasst von mir: 

It is late – but not too late. We have to start some action now!

Ich habe mir heute morgen, bevor ich in die Arbeit gefahren bin, den Livestream der Präsentation der Ergebnisse ein bisschen angeschaut. Ich habe großen Respekt vor Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die es tatsächlich schaffen, diese hochkomplexen Daten so aufzubereiten, dass ich in der Lage bin, ihren Ausführungen zu folgen, während ich noch meinen ersten Kaffee des Tages trinke. Was ich besonders eindrücklich fand, war die eine Präsentatorin, die wiederholt unser aller Pflicht als Bürgerinnen und Bürger angesprochen hat. Es ist nicht nur “die Politik”, “die Wirtschaft” oder „die Industrie“, die verantwortlich sind, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Es ist jede und jeder einzelne von uns.

Deshalb rate ich auch denjenigen, die sich eigentlich keine Infos auf irgendwelchen weiterführenden Links anschauen wollen, klickt wenigstens kurz das Factsheet Europa an und schaut euch an, wie sich die Temperaturen verändern werden. Ich bin mir sicher, ihr werdet ins Schwitzen kommen!

Und wer jetzt genervt ist, von zu viel Klimadrama, denen kann ich schon mal sagen, sorry, das ist leider unsere Realität und: bald kommen ein paar motivierende und positiv stimmende News. Sie sind schon in der Pipeline.

Bye bye Pangolin

Nach über zwei Monaten war es am Samstag soweit: es hieß wieder einmal Sachen packen und Abschied nehmen. Meine Zeit im Guesthouse Pangolin war zu Ende und ich bin in meine eigene Wohnung umgezogen. Ich war richtig traurig, das Pangolin zu verlassen, weil ich dort mittlerweile Freundschaften geschlossen hatte. Immer war jemand da, wir haben gemeinsam gekocht, gegessen und haben die Abende gemeinsam auf der Veranda verbracht. Was werde ich alles vermissen? Es sind viele kleine Augenblicke. Leider habe ich gar keine Fotos von James Lächeln, wenn er um die Ecke kommt oder halb verschlafen aus seinem „Häuschen“ kommt, um das Tor aufzumachen; das morgendliche Good morning von Kadi; das viel zu schnelle Krio von Jack; die Movie nights und das gemeinsame Kochen mit Abdul oder gute Fotos von unseren Abenden auf der Veranda mit Abdul und Betty.

Auch im Guesthouse habe ich meinen Auftrag ernst genommen: Wissensaustausch auf allen Ebenen. Ich habe Abdul nicht nur beigebracht, Flaschen mit dem Feuerzeug zu öffnen, nein, ich habe ihnen die Welt der Spezi gezeigt. Ich kann es einfach nicht nachvollziehen, weshalb es nur in Deutschland Spezi gibt. Diese unglaubliche Geschmacksexplosion, wenn man Cola mit Orangenlimo mischt, kommt immer gut an und sollte weltweit bekannt sein.

Und so sah das dann aus, wenn ich im Homeoffice war und wir gemeinsam Mittaggegesssen haben.

Und dann war ja noch die Hochzeit bei den Nachbarn… Das hätte ich ja fast vergessen. Vor knapp zwei Wochen hieß es am Samstagabend als ich heimkam, das die Tochter der Nachbarin am nächsten Tag heiraten würde und wir eingeladen sind. Das ist die Nachbarin, bei der ich immer mein Brot und meine Eier kaufe im Compound gegenüber. Der Compound ist auf den Fotos oben zu sehen. Am Samstagaben war „Junggesellinnenabschied“. Also einfach sehr laute Musik, aber eigentlich keine Leute da. Am Sonntag ging es dann vormittags weiter mit lauter Musik, so dass wir ganz froh waren, als es um vier Uhr nachmittags losging und wir rüber gehen konnten. Die Feier war bei anderen Nachbarn, die ein größeres Haus haben. Alles war schön mit Plastikblumen und Glitzertüchern dekoriert. Das für mich seltsame an dieser Hochzeit: Der Bräutigam ist gerade in Gambia. Er ist für die Hochzeit gar nicht hergekommen, es waren „nur“ Stellvertreter aus seiner Familie da für die Trauung. Letzte Woche ist dann auch die Braut nach Gambia gereist. Ich schätze mal, sie kann nicht zu ihrem Mann nach Gambia reisen, ohne verheiratet zu sein. Deshalb diese Hochzeit in Abwesenheit. Anscheinend ist das kein Problem. Dank Whatsapp kann man auch ganz einfach Videohochzeiten machen…

Nach dem Essen wurden dann einzeln die verschiedenen Gästegruppen nach vorne gebeten, um mit der Braut zu tanzen. Erst die Familie, dann die Leute aus dem office und irgendwann natürlich auch Venessa (sie wohnt gerade auch im Pangolin) und ich. Der Tanz mit der Braut. Hier habt ihr mal was zum Lachen. Das Video ist leider von schlechter Qualität. Aber das wichtigste ist eh die Tonspur. Betty hat sich vor Lachen kaum mehr eingekriegt…

Das Gute bei dem Abschied vom Pangolin war, dass ich ja in der gleichen Stadt bleibe und wir uns weiterhin easy treffen können. Abdul und Betty haben mir beim Umzug geholfen. Am Freitag sind wir schon einmal in meine neue Wohnung (die zuvor Jonas Wohnung war) und haben die Küche sauber gemacht, den Herd eingeweiht und angefangen die Möbel umzustellen. Am Samstag war dann der „große“ Umzug. Komischerweise hatte ich zusätzlich zu meinen Rucksäcken und Koffern auf einmal noch einen ganzen Schwung Tüten und Beutel mit Zeug. Dabei habe ich doch gar nichts gekauft hier???

Meine neue Wohnung ist mir etwas unangenehm groß. Aber: endlich habe ich genug Platz für große Partys! Hier wird es kein Gedränge geben, wie in meiner Nürnberger Wohnung und auch Balkone gibt es ausreichend für alle, die die Party lieber auf den Balkon verlagern. Noch bin ich mit der Einrichtung nicht ganz fertig. Ich will mir noch einen Herd mit Ofen kaufen, für die Küche noch ein Sideboard und auch noch ein Regal oder Sideboard für das „dritte Zimmer“, damit ich etwas Stauraum habe. Außerdem fände ich es super, wenn ich auf einem Balkon auch einen Tischchen hätte, damit ich dort essen und arbeiten kann. Ihr merkt schon: auf „dem einen“ Balkon – ja, ich habe insgesamt drei Balkone. Kann ich leider auch nicht ändern. Der Plan ist: erst einmal ein paar Tage hier wohnen und dann schaue ich, was ich noch alles bestelle oder versuche zu kaufen.

Zurück zum Umzugstag. Nachdem Abdul und ich die Betten ein bisschen sinnfrei ab- und wieder aufgebaut hatten, ging es dann noch auf den Markt. Ich brauchte und brauche immernoch ein paar Küchenutensilien, Handtücher, Bettlacken und ähnliches. Was man eben so braucht.

Jonas hat mir zum Glück einiges dagelassen. So dass ich zumindest schon mal eine Grundausstattung hatte. Nur Geschirr und Besteck musste ich noch besorgen. Wenn ich gewusst hätte, wie schwierig es hier ist, gutes Geschirr und Besteck zu bekommen, dann hätte ich einfach mehr aus Deutschland mitgebracht. Außer meine Küchenmesser, meinen Rührbesen, meinen Gemüseschäler, meinen Stabmixer und meine Espressokannen hatte ich nichts eingepackt… Und jetzt kommt das Schlimmste: meine Espressokannen passen nicht auf den Gaskocher von Jonas! Es muss also ganz schnell ein anderer Herd her.

Jonas hatte einen eher kleinen Tisch (sorry Jonas…). Deshalb hatte ich schon vor ein paar Wochen beim Schreiner einen Tisch, zwei Bänke und vier Stühle bestellt. Gestern kam dann die Nachricht, dass alles fertig ist. Ein perfekter Start in die Woche! Ich bin also abends nach der Arbeit noch zwei Fuhren gefahren, da nicht alles auf einmal in mein Auto gepasst hat. Jetzt sitze ich hier auf einem meiner neuen Stühle an meinem neuen Tisch und blicke durch die offene Wohnungstüre aufs Wasser. Meine Wohnung ist im vierten Stock, so dass ich nach vorne wunderschöne Aussicht aufs Meer habe (also eher auf den sehr breiten Zulauf ins Meer). Dank Jonas grünem Daumen ist der Balkon sehr grün und ich habe ihn nur mit meiner Lichterkette und noch etwas aufgepimpt. Ein paar Eindrücke von meiner Wohnung gibt es schon mal, wie gesagt, ein paar Veränderungen kommen in den nächsten Wochen noch. Was ich besonders schätze, sind meine sehr dezenten Küchenfliesen. 🙂

Bevor ich nun kurz mal auf meinen Balkon hinaustrete, löse ich noch die große Frage vom letzten Mal. Habe ich denn nun auch mein letztes „Juli-Ziel“ erreicht und den Krio-Lehrer angerufen? Ja, habe ich. In einer halben Stunde ist meine erste Kriostunde.

Klettern, Autofahren und Krio lessons

Der Juli neigt sich dem Ende zu und es ist Zeit für mich, zu schauen, ob ich meine selbst gesetzten Ziele für den Monat erreicht habe oder nochmal richtig powern muss bis zum Wochenende. 

Endlich mal den Hintern hoch bekommen

Ende Juni oder Anfang Juli – ich kann es gar nicht mehr so genau benennen, da die Zeit nach wie vor so schlecht greifbar für mich ist – auf jeden Fall vor ein paar Wochen, hatte ich mein erstes seelisches Tief erreicht, weil ich das Gefühl hatte, dass ich nicht vorwärts komme. Ich kenne mich ja und weiß, dass das an meiner großen Aufschiebe-Kompetenz liegt. Deshalb habe ich mir für den Juli einige Ziele gesetzt und rückblickend muss ich sagen: Well, done Kathrin!

Ziel #1: regelmäßige Sportaktivitäten starten

Ihr könnt es wahrscheinlich schon nicht mehr hören, aber es gibt hier donnerstags eine Laufgruppe am Strand und leider ebenfalls am Donnerstag open boulder night (offene Kletterrunde in der Boulderhalle). Da ich mich wochenlang nicht entscheiden konnte, ob ich lieber zum Joggen oder lieber zum Bouldern gehe, hatte ich es lange nicht geschafft, eines der beiden Angebote wahrzunehmen. Dann erleichtern es mir natürlich der Regen, die Müdigkeit, der anstrengende Weg und noch vieles mehr, immer wieder eine Ausrede zu finden. Aber jetzt war Schluß damit! Letzte Woche war es endlich so weit. Ich war tatsächlich bouldern. Es hat mega gut getan, endlich wieder an der Wand zu sein. Ich hatte mich mit Sarah verabredet und auch Abdul aus dem Guesthouse war dabei. Abdul war das erste Mal klettern. Er fand es richtig gut und kommt jetzt hoffentlich immer mit. Die Klettergemeinschaft ist gewohnt offen, so dass ich schnell mit verschiedenen Leuten im Gespräch war. 

Die Halle ist eher klein und es gibt sie erst seit zwei Jahren oder so. Der eine Freund von Sarah, Hugh, der auch seinen kleinen Hund dabei hatte, hat sie mit ein paar anderen Leuten aufgebaut und versucht sie irgendwie zum Laufen zu bringen. Aktuell wird sie von privaten Geldern finanziert und hauptsächlich durch Expats, die dort klettern. Wir hatten letzte Woche bei einem Bierchen auf Sarahs Balkon ein langes Gespräch, wie man mehr Saloner und Salonerinnen für den Klettersport begeistern könnte. Das Ziel ist es einerseits, dass die Halle sich selbst finanziert, was aktuell noch nicht der Fall ist. Zugleich wäre es natürlich super, wenn nicht nur Expats dort klettern, sondern wir auch als Botschafterinnen und Botschafter für den Klettersport Leute hier im Land für unseren Sport begeistern können.

 

Ihr seht schon, ich bin schon ins “wir” gewechselt. Ich habe mich entschieden, aktiv mitzuhelfen, Klettern bekannter zu machen und die Halle zu unterstützen. Wer von euch also Lust hat, uns zu unterstützen, kann sich gerne bei mir melden! Die Halle hat eine Facebook-Seite, es wurde ein kleines Video gedreht (in dem natürlich auch ich zusehen bin) und es wurde auch ein Radiospot in Krio aufgenommen. Ich persönlich finde das Logo und den Namen „Climb Salone“ ja schon einmal sehr gut!

Hinweis: Das Video und das Foto von dem Hund sind nicht von mir, sondern aus der Kletterrunde.

Das mit dem Klettern habe ich erst letzte Woche angefangen. Joggen gehe ich schon seit fünf Wochen mit meiner Crew aus dem Guesthouse am Lumley Strand entlang. Jeden Sonntagmorgen um 7 Uhr treffen wir uns unten am Gate. Am ersten Sonntag bin ich nur mit Abdul und Jack sowie Asan, einem Kumpel von Jack, losgelaufen. Wir gehen immer erst schön gemütlich zum Lumley Kreisverkehr (was ich ganz gut finde, weil ich Sonntagmorgen um 7 Uhr natürlich noch etwas schlaftrunken bin). Nach dem Kreisverkehr geht es dann los. Am ersten Sonntag war es noch trocken, da war unglaublich viel los. Der absolute Irrsinn. Man hat das Gefühl, dass alle männlichen Bewohner der westlichen Stadtteile am Sonntagmorgen zum Strand stürmen, um dort zu joggen. Viele rennen auch direkt. Sie halten nur an, um eben mal kurz ein paar Push-Ups, Kniebeugen oder sonst irgendetwas zu machen, dann wird weiter gerannt. Ich hingegen: schön in meinem gemütlichen Tempo. Unsere Strecke ist so 4-5 km lang. Am ersten Tag hat sich meine Crew ziemliche Sorgen um mich gemacht, da mein Kopf knallrot angelaufen ist und dem Explodieren nahe schien, während alle um mich herum ihre ganz normale Gesichtsfarbe behalten haben. Kein Anzeichen von Anstrengung – außer der Schweiß. Mittlerweile wissen sie, dass es ganz normal ist, dass ich wie eine Leuchtboje am Strand entlang laufe und seit zwei Wochen sogar diejenige bin, die darauf besteht, dass wir auch die halbe Strecke zurück joggen, bis zum Popcorn-Stand.

Aber nochmal kurz zurück zum Sportwahnsinn der Leute hier. Ich habe schon beim ersten Mal beschlossen, dass der Sonntagmorgen am Lumleybeach ein Must-do für jeden Besuch hier wird. Am Gehweg wird in alle Richtungen gerannt, gejoggt, gewalkt. Am Strand wird wie irre Fußball gespielt. Auf den Parkplätzen finden sich Gruppen von jeweils 20-30 Leuten ein, die gemeinsam Aerobic machen unter den Schreien von Drill-Instructors. Und wenn man das Etappenziel Family Kingdom Roundabout erreicht hat, fängt der ganze Spaß erst richtig an. Es ist ein ziemlich großer Roundabout (Kreisverkehr) dessen Insel ein outdoor- Fitness ist. Ähnlich wie in Nürnberg jetzt am Wöhrder See, aber um einiges größer, gibt es hier ich weiß nicht wie viele Geräte, mit denen alle Muskeln der Welt trainiert werden können. Es fühlt sich an, wie im Trainingscamp der Olympiamannschaft. Und ich leuchte schön mittendrin rot in alle Richtungen, bis mein Kopf nach einer Stunde dann endlich mal wieder seine normale Farbe annimmt.

Unsere Laufgruppe hat sich seit dem ersten Mal schon ziemlich vergrößert. Letzten Sonntag waren auch James, Venessa, Tamba und Betty mit dabei. Unser Ziel ist es beim Freetown Marathon im November mitzumachen. Allerdings in unterschiedlichen Distanzen. Nach dem Joggen geht es sehr gemütlich wieder zurück Richtung Guesthouse. Unterwegs gibt es immer Popcorn und so ist dann meist der Sonntagvormittag auch schon fast vorbei, wenn wir wieder zuhause sind.

Ziel #2: Autofahren

Ja, das mit dem Autofahren hier ist auch so ein Sache. Die einen sagen: Fahr doch einfach. Die anderen sagen: OMG! Du kannst hier niemals fahren. Ich habe von Anfang an gesagt, ich lasse mir Zeit und wenn mir danach ist, dann fange ich an zu fahren. 

Weshalb das so ein Ding ist hier? Erstens ist mein Auto ziemlich groß, hat einen riesigen Wendekreis, bei zugleich engen sehr bevölkerten Straßen mit für mich unberechenbaren Verkehrsteilnehmern. Aber da ja klar war, dass ich irgendwann fahren werde, dachte ich mir, es wird nicht besser, also einfach machen. Mein Ziel zum Autofahren ist nach wie vor, dass ich mich ab August traue, selbstständig zu fahren. Frohen Mutes habe ich dann auch vor zwei Wochen oder so am Montag direkt damit begonnen und bin morgens immer selbst in die Arbeit gefahren (mit meinem Fahrer an meiner Seite). Nach der Arbeit war ich oft so müde, dass ich lieber ihn habe fahren lassen. Dann letzte Woche war ja das Ding mit dem Klettern gehen abends. Ich habe noch überlegt, ob ich mit dem Keke fahren soll, aber dann dachte ich mir, das ist auch lächerlich, dass ich mich nicht traue, selbst zu fahren. Erst war ich ein bisschen nervös, aber dann hieß es, Pobacken zusammenkneifen und los geht das. War dann gar nicht so schlimm. Und ich war ja nicht alleine im Auto. Das schwierige bei Nachtfahrten ist, dass es quasi keine Straßenbeleuchtung gibt, einige Fahrzeuge ohne Licht fahren und man nicht immer sieht, ob da gerade ein Mensch versucht, über die Straße zu gehen. Umso stolzer war ich, dass ich letzten Donnerstag nicht nur mein Ziel endlich Klettern zu gehen erreicht hatte, sondern auch meine erste Nachtfahrt absolviert hatte und beim ersten Versuch und ohne hin-und-her-rangieren in unsere Einfahrt reingekommen bin. Dafür muss man einen etwas steilen Berg rückwärts hochfahren und in die Einfahrt treffen, wobei die Straße etwas eng ist und links und rechts Wasserkanäle entlang führen, in die die Reifen im besten Fall nicht abrutschen sollten.

Am Samstag ging es dann gleich weiter. Da bin ich zum ersten Mal ganz alleine gefahren und habe Jonas und Sarah abgeholt. Wir waren erst in der Stadt und dann noch am Strand. Unterwegs mussten wir durch eine unerwartet tiefe Stelle fahren. Das Wasser ging auf einmal bis zur Motorhaube. Zum Glück habe ich so ein tolles Auto! Auf dem Foto seht ihr mich mit Jonas Auto, das Foto wurde an meinem ersten Tag hier aufgenommen. Aber mein Auto ist quasi das gleiche, nur dass ich elektrische Fensterheber habe 😉 Und dann noch ein paar Eindrücke vom Verkehr hier.

Wird also langsam. Ich mache das alles ja auch nicht für mich, sondern für euch. Wenn die erste Besucherin kommt, will ich sicher hinterm Steuer sitzen 😉 

Ziel #3: Freundschaften knüpfen

Leute kennenlernen – das ist das schwierigste Vorhaben. Vor allem mit diesem Corona… Aber auch hier habe ich sehr gute Fortschritte gemacht. Dank Sarah muss ich an dieser Stelle sagen. Sarah ist eine Freundin von Jonas, die sich meiner angenommen hat und mich ein paar Leuten vorstellt. Sie hat zweimal Leute zu sich nach Hause eingeladen, damit ich ein bisschen Anschluss finde, da auch Sarah ab September nicht mehr in Freetown ist. Einige ihrer Freunde gehen auch Klettern, das heißt, da haben wir direkt ein gemeinsames Hobby. 

Und dann habe ich ja noch meine Guesthouse Crew. Ich bin jetzt schon ganz traurig, wenn ich daran denke, dass ich am Wochenende hier ausziehe. Wir sind wirklich wie eine kleine Familie hier. Hängen zusammen ab, teilen unsere Sorgen und Nöte, schauen zusammen Netflix und kochen zusammen. Jetzt wo ich angstfrei alleine Auto fahre, kann ich aber ja jederzeit herkommen und sie besuchen.

Ziel #4: Jahresplan für die Arbeit

Euch ist wahrscheinlich schon ganz schwindelig und ihr wundert euch, was ich so alles in nur einem Monat erreicht habe. Dabei habe ich noch gar nicht erzählt, dass ich schon meinen ersten Workshop in der Arbeit gehalten habe und gestern den ersten Schwung der neuen Corporate Design Linie für CSSL fertig gemacht habe. Wir haben neue Designs für Briefe, interne Protokolle, Visitenkarten, Email-Signatur, Powerpoint und Roll-Ups entwickelt. Zumindest den ersten Aufschlag. Ich habe das alles fertig gemacht und nun warte ich auf Feedback von meinem Team. Dann geht es an die Finalisierung und Einführung der neuen Designs.

Dafür kommen wir mit der Website nicht so wirklich voran, weil meine Kollegin schon seit vier Wochen krank ist. Sie kam nur letzte Woche für den Workshop in die Arbeit. Aber: ich habe meinen Jahresplan fertig gemacht und mein Budget bis Ende 2021. Natürlich kommt es ständig zu Anpassungen. Flexibilität in der Planung ist alles 😉 Ich habe aber zumindest für mich und mein kleines Team eine Idee, was wir dieses Jahr noch erreichen wollen. Jetzt bin ich gespannt, ob das auch alles klappt.

Ziel #5: Krio Unterricht

Das wohl am einfachsten zu erreichende Ziel habe ich mir noch aufgehoben. Ich habe schon seit Wochen die Telefonnummer eines guten Krio-Lehrers, ich muss ihn einfach nur anrufen. Aber irgendwas war immer. Bisher ist dieses Ziel also noch nicht erreicht. Aber der Juli ist ja noch nicht vorbei. Es bleibt also noch etwas spannend: schafft sie oder schafft sie es nicht, alle fünf Ziele zu erreichen? Vielleicht scheitere ich noch knapp vor der Zielgeraden oder ich greife gleich, wenn dieser Artikel online gegangen ist, zum Telefon und rufe den Lehrer an? Noch steht die Antwort auf diese Fragen in den Sternen. Aber bald schon werde zumindest ich die Antwort darauf kennen.

Eigentlich gäbe es gerade noch einiges mehr zu berichten. Aber ich will euch nicht überstrapazieren. Ich hoffe, ich schaffe es im Laufe der nächsten Tage über meinen Tanz mit der Braut, dem Krokodil am Strand und der großen Autowäsche zu berichten.

PS: Leider kann ich heute die Fotos nicht anders einstellen. Sonst gibt es dafür verschiedene Optionen, die sind gerade weg…

Was tun, zum Thema Welternährung?

Wer Fleisch liebt und seine Gewohnheiten nicht umstellen möchte, für die Personen ist dieser Eintrag wahrscheinlich nicht so schön zu lesen. Ich wollte eigentlich schon letzte Woche auf den einen Kommentar zu „Mangelernährung vs. Pizzaabend“ antworten, aber irgendwie war dann so viel los hier bzw. ich war oft sehr müde und konnte mich nicht aufraffen.

Wird die Situation besser nach der Pandemie oder kann man auch von Deutschland aus etwas tun, um zu helfen?

Ob es nach der Pandemie „besser“ wird? Ich denke eher nicht. Es war ja auch vor der Pandemie nicht wirklich gut. Vielleicht pendeln sich die Preise wieder auf einem anderen Level ein, vielleicht kommen wieder mehr Touristen und Touristinnen und vielleicht sinken die Preise auf dem Weltmarkt wieder. Wie viel davon aber bei Menschen ankommt, kann ich nicht abschätzen.

Die Herausforderungen der Welternährung liegen auf einem globalen Level. Wir wissen, dass weltweit mehr Essen produziert wird, als die Menschen auf dem Planeten essen können. Trotzdem leben so viele Menschen in Hunger oder mit Mangelernährung. Es ist nicht die Essensmenge, sondern die Verteilung. Bevor ich nun zu weit aushole, in dem Versuch euch die globalen Zusammenhänge zu erklären, besinne ich mich lieber auf den Wissensschatz von Brot für die Welt. Ich bin ja als Fachkraft von Brot für die Welt vermittelt, da liegt es natürlich nahe, dass ich deren Informationen verwende, um euch das Thema der globalen Verkettung in der Nahrungsmittelproduktion näher zu bringen. Auf deren Internetseite gibt es einen sehr guten Artikel zum Thema Ernährung. Außerdem findet ihr dort auch dieses kurze Video, das das Ganze nochmal schön zusammenfasst:

Was also tun, gegen den Hunger in der Welt? Agrarsubventionen stoppen, Einfuhrzölle anpassen, auf Fleisch verzichten und dafür auf gerechte Löhne in der Wertschöpfungskette achten. Leichter gesagt als getan. Veränderung fängt bei jedem einzelnen an. Aber wir wissen alle, Veränderung tut weh und ist oft schmerzhaft. Manchmal scheint es da einfacher, nicht die eigenen Gewohnheiten zu ändern, sondern einfach am anderen Ende der Kette etwas zu tun.

Wie schwierig es sein kann, die Situation in anderen Ländern zu verändern und was alles schiefgehen kann, zeigt ein Beitrag, der bei Panorama 2016 ausgestrahlt wurde sehr eindrücklich:

Nach all diesen Infos bleiben bei euch bestimmt auch mehr Fragen als Antworten. Das geht mir auch immer so, wenn ich mich mit diesen Themen beschäftige. Es gibt keine einfachen Antworten, sonst gäbe es das Problem ja nicht mehr. Ich denke, wer wirklich etwas verändern will, kann damit anfangen sich zu informieren und dann überlegen, wo jede und jeder im eigenen Leben etwas verändern kann, so dass möglichst wenig Schaden für andere entsteht.

Nun überlasse ich euch euren Gedanken und bin gespannt, ob ihr Antworten für euch findet.

In den letzten Tagen ist viel passiert, es gibt eigentlich viel zu berichten, aber in der Arbeit ist tatsächlich einiges zu tun, ich hatte meinen ersten Workshop gestern, drei Tage Peer-Choaching und versuche meine selbstgesetzten Ziele für den Juli zu erreichen: Sport machen, Autofahren, Freundschaften knüpfen. Wie das alles klappt, erfahrt ihr hoffentlich bald.

Mangelernährung vs. Pizzaabend

Diese Woche wurde der aktuelle Welternährungsbericht der Vereinten Nationen veröffentlicht. Was viele befürchtet haben, ist nun bestätigt. In vielen Ländern der Welt hat zusätzlich zu Klimawandel und gewalttätigen Konflikten auch die Covid-Pandemie zur dramatischen Verschlechterung der Ernährungssituation beigetragen.

Das Ziel der Weltgemeinschaft “zero hunger bis 2030″ rückt in weite Ferne. 811 Millionen Menschen litten letztes Jahr an Unterernährung oder Mangelernährung. Jedes fünfte Kind weltweit ist wegen Magelernährung oder Hunger in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung negativ beeinflusst. Diese Hemmnisse in der Entwicklungsphase des Körpers können in späteren Jahren kaum mehr aufgeholt werden.

Wegen der Pandemie blieben in vielen Ländern die Schulen geschlossen. Anders als in Deutschland, heißt das für die meisten Kinder, dass sie die einzige sichere Mahlzeit am Tag einbüßen. Oftmals gibt es von Regierungen oder Hilfsorganisationen finanzierte Schulspeisungen. Sind die Schulen zu, bleiben auch die Schulküchen kalt. 370 Millionen Kinder haben so im letzten Jahr ihre wichtige tägliche Schulspeisung nicht erhalten.

Inflation und höhere Lebensmittelpreise in Salone

Auch in Sierra Leone ist diese Entwicklung zu spüren. Durch die globale Pandemie kam es auch hier zu einer Preissteigerung in den letzten Monaten. Reis, Benzin, Fisch, alle Preise stiegen. Die Löhne stiegen jedoch nicht. 

Das Youtube-Video des World Food Programme der UN zeigt ein paar O-Töne aus Sierra Leone.

Noch ein kleiner Hinweis: der Bikedriver hat erwähnt, dass die Benzinpreise gestiegen sind. Erst vor zwei Wochen wurde der Preis nochmals erhoeht. Jetzt kostet ein Liter 9.500 LE (95 US-Cent).

Die Lebensmittelpreise steigen, wobei einige Lebensmittel ohnehin schon irrsinnig teuer sind. Auch ich habe meine Ernährung umgestellt. Nicht so sehr, weil ich mir das Stück Gauda für umgerechnet 10€ oder den Mozzarella für 7€ nicht ab und an leisten kann, ganz zu schweigen von einem Riegel Marseis (auch über 6€), sondern weil ich einfach zu geizig bin, soviel Geld für ein bisschen Käse oder Schoki auszugeben. Aber ich habe die Wahl. Ich kann entscheiden, kaufe ich es oder kaufe ich es nicht. Fuer viele stellt sich diese Frage gar nicht.

Auch “normales” Gemüse ist vergleichsweise teuer. Vier kleine Tomaten, mehr gelb als rot kosten knapp einen Euro, ein Bündel Frühlingszwiebeln 50 Cent, ein paar Karotten ebenfalls ein Euro, zwei dünne Auberginen: einen Euro, ein bisschen grüner Salat auch ein Euro. Paprika gibt es ganz selten schöne. Und wenn, dann kostet ein Paprika 1,50€. Rote Beete habe ich seit Wochen nicht mehr gesehen. Gurken, Tomaten, Karotten gibt es eigentlich immer. Beim Rest muss man immer etwas schauen, was es gerade gibt und wie es aussieht.

Selbst das Obst ist nicht unbedingt günstig. Eine Ananas oder eine Papaya kosten so knapp 1,50€, 4-5 Bananen 80 Cent.

Wenn ich mich also ein bisschen so wie zuhause mit viel Gemüse ernähren möchte, dann ist das eher teuer hier. Deshalb ernähren sich die meisten Menschen hier von Reis (ein halber Sack – 25kg – kostet so 15-20€) und “grüner Soße” wie ich es mal nenne. Weit entfernt von grüner Soße aus Frankfurt. Es ist Casava leave, potatoe leave oder Krinkrin. Die Blätter werden ähnlich wie Spinat gekocht und mit Zwiebel, Peperoni, Maggi und Fisch oder Fleisch gekocht. Manchmal wird auch Erdnusspaste dazugegeben. Selbst im Restaurant kostet das manchmal knapp über einem Euro.

Ein Monatsgehalt oder ein Pizza-Abend?

Letzte Woche hatte ich auch nochmal ein Gespräch zum Thema Mindestlohn mit Abdul aus meinem Guesthouse. In einem früheren Artikel habe ich anscheinend geschrieben, dass das Durchschnittseinkommen bei 250-300€ im Monat liegt. Das Mindesteinkommen ist um einiges geringer. Es liegt bei rund 40-50€ im Monat. Wer davon noch ein bisschen Gemüse kaufen möchte, hat am Ende nichts mehr übrig für Transport, um in die Arbeit zu kommen, Schulgeld, Miete oder andere anfallende Kosten. 

Security Guards verdienen normalerweise so viel bzw. so wenig. Ich denke, auch bei vielen anderen Jobs für ungelernte Kräfte gibt es nicht mehr Geld. 

Mietkosten können hier sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie man wohnt. Im Compound gegenüber von unserem Guesthouse zum Beispiel wohnen die Leute in Wellblechhäusern, die sind nur semipermanent. Das gibt es öfter hier. Leute kaufen sich ein Grundstück, aber haben kein Geld, um direkt zu bauen oder wollen noch nicht bauen. Dann vermieten sie das Grundstück zu geringen Preisen. Das können dann 1-5 € im Monat sein für einen Teil des Grundstücks. Manchmal auch etwas mehr.  Wenn die Landbesitzer dann ihr Grundstück bebauen wollen, müssen sie es irgendwie schaffen, dass die Leute, die da mittlerweile wohnen, wo anders hingehen.

Und jetzt kommt das Verrückte an meiner Situation hier. Letzte Woche hatte ich mit Abdul über Gehälter, Mieten, Preise und so gesprochen und dann am Wochenende kam die Idee auf, wir könnten uns mal Pizza gönnen. Im Moment sind Jenna und ich die einzigen Gäste im Guesthouse und irgendwie haben wir beide noch nicht so ganz gecheckt, wie das hier mit der Bezahlung der Angestellten läuft. Ich habe es so verstanden, dass es auch ein bisschen abhängig davon ist, wie viele Gäste da sind. Wir wissen beide nicht so genau, ob immer alle genug Geld für Essen haben oder nicht. Deshalb kochen wir normaler Weise immer ein bisschen mehr, wenn wir kochen, ich lass morgens immer mein halbes Tapalapa (ähnlich wie ein Baguette) da und wir bringen auch immer Cola und Fanta mit, wenn wir uns Bier oben im kleinen Laden kaufen. Abdul hatte letzte Woche irgendwie nicht viel Appetit und als ich ihn am Samstag gefragt habe, worauf er Lust hat, meinte er Pizza. Also haben wir beschlossen, wir gönnen uns am Samstag mal Pizza. Die beste Pizza hier gibt es bei Gigibonta. Echte Steinofenpizza. Vier Pizzen kosten allerdings fast soviel wie ein Monatsgehalt mit Mindestlohn. Ist etwas verständlich, wenn man die Käsepreise in den Läden kennt… Jenna hatte noch eine Flasche Rotwein für gute 6€ beigesteuert, da kamen wir insgesamt bestimmt auf über 40€ für ein Abendessen mit einem Gläschen Wein. Abdul war ziemlich geschockt, als ich ihm gesagt habe, wie viel die Pizzen kosten. Er meinte, das nächste Mal holen wir nur eine.

So sieht das aus, wenn man einfach mal ein Monatsgehalt verfuttert:

So schnell kann es gehen und schon ist ein Monatsgehalt weg. Einfach mal vier Pizzen geholt. Irre. Darf ich eigentlich gar nicht drüber nachdenken – muss ich aber.

Also doch wieder armes, hungriges Afrika?

Eigentlich schreibe ich nicht so gerne über solche Themen hier. Über Hunger, zu hohe Preise, “Armut”. Eigentlich möchte ich euer Bild von Afrika – diesem großen Land südlich des Mittelmeeres – ja erweitern und nicht weiter schon vorhandene Bilder in euren Köpfen bestätigen. Aber der Hunger und die Armut gehören irgendwie trotzdem dazu, wenn man möglichst das ganze Bild betrachten möchte.

Mit meinem Schreiner hatte ich heute ein ziemlich langes und gutes Gespräch darüber. Häh? Wie mit “ihrem Schreiner” und wieso spricht sie mit ihrem Schreiner über den Hunger in der Welt? Das ist eine andere Geschichte. Die kommt dann ein anderes Mal. 

Von Störchen, Chiefs und Gold Mining

Heute kommt mein Post nicht aus Freetown, sondern aus Kabala. Kabala ist im Norden Sierra Leones, umgeben von den Wara-Wara-Bergen. Während ich euch schreibe, höre ich die Vögel in den Bäumen, das Hupen der Okadas aus der Stadt und habe den Blick auf die Berge im Sonnenuntergang. 

Jedem Tief folgt irgendwann ein Hoch

Letzte Woche hatte ich ganz eindeutig mein größtes Tief erreicht, seitdem ich hier bin. Ich war genervt von der Arbeit bzw. wusste ich teilweise nicht, wie ich alles, was von mir erwartet wird, auch schaffen soll. Ich war genervt davon, dass ich nach acht Wochen immer noch keinen richtigen Wochenablauf habe, die Coronazahlen steigen und niemand scheint es ernst zu nehmen, Heimweh kam dazu und ein paar nervige Sachen, die zu erledigen waren. Ich wollte das mit meiner Wohnung ab August endlich klar machen, eigentlich mal mit meinem Sportprogramm starten und die Sprache kann ich immer noch nicht. Natürlich weiß ich, dass alles auf einmal zu viel verlangt ist, aber trotzdem… 

Ich war zwar schon zwei mal Joggen und habe auch schon angefangen mit dem Auto zu fahren, aber irgendwie war gefühlsmäßig der Wurm drin. Und dann kamen auch noch Magenschmerzen dazu. Das Gute ist, nach jedem Tief kommt bekanntlich wieder ein Hoch.

Kabala in den grünen Hügeln

Vor zwei Wochen war ich ja schon in Kenema und im Gola Rainforest. Für diese Woche stand der Besuch in Kabala an, wo eine weitere Zweigstelle von CSSL ist. Das Büro in Kabala ist das kleinste mit unter zehn Mitarbeitenden. Im Norden von Kabala liegen die Wara-Wara-Mountains. Ich werde auf jeden Fall nochmal hierherkommen, um die Berge zu erkunden. Dieses Mal ist nur ein kurzer Besuch geplant, also keine Zeit für die Berge. Wir – mein Chef, mein Kollege Abdul, meine Kollegin Margaret und mein Fahrer – sind am Mittwoch von Freetown aus aufgebrochen. Die Fahrt dauert knapp über sechs Stunden, ist also nicht unbedingt ein Katzensprung. Schon auf dem Weg hierher habe ich mich in die Landschaft verliebt. Es ist hügelig und grün. Die Städte hier sind kleiner. Gestern haben wir schon eine kleine Vorstellungsrunde mit den Kollegen und der Kollegin gemacht, damit wir heute mehr Zeit für unseren Kommunikations-Input und den Besuch des Lake Sonfon haben. Anschließend ging es ins Hotel mit Blick in die Berge.

Infrastruktur und andere Probleme

Wie schon in Kenema haben wir auch hier in Kabala mit dem Team eine kleine Abfrage gemacht als Vorbereitung für unsere Kommunikationsworkshops. Wir haben die Kollegen und die Kollegin gebeten, aufzuschreiben, in welchen Bereichen sie gerne Trainings hätten und wobei wir sie unterstützen können. Es kamen wieder ganz unterschiedliche Sachen auf den Tisch, teilweise hatten sie nichts mit Kommunikation zu tun, aber es ist natürlich trotzdem gut, dass diese Dinge einmal ausgesprochen werden und wir können sie mit nach Freetown nehmen. 

Mohamed Turay zum Beispiel, er ist ein Volunteer von CSSL, hat sehr klare Worte gefunden. Seiner Familie gehört das Land um den See. Er gehört zur Community vor Ort und setzt sich schon sehr lange für den Erhalt und den Schutz des Sees ein. Er berichtete von der Schwierigkeit der Kommunikation mit anderen Freiwilligen und dem Office in Kabala. So banal wie es klingt, aber natürlich sind Kommunikationsmittel nötig, Handys, Guthaben, Strom zum Aufladen und ähnliches. Manchmal scheitert die Kommunikation schon an den basics. Er erzählte auch, dass er offiziell bekannt ist vor Ort. Wenn aber Leute aus den Sustainable Help Groups vor Ort unterwegs sind, werden sie manchmal angefeindet, weil sie nicht nachweisen können, für wen sie arbeiten und zu welchem Zweck sie da sind. Auch Workshops und Fortbildungen scheitern manchmal daran, dass kein Geld dafür da ist, den Transport von allen zu zahlen. Ich denke, für alles können wir nicht direkt eine Lösung finden, aber wir haben beschlossen, wir kommen nochmal mit mehr Zeit, um auch diese Themen zu besprechen. Vielleicht können wir gemeinsam Lösungen finden, die finanzierbar und umsetzbar sind.

Ein Kollege hat auf den Zettel geschrieben “E Mails schreiben”, die Kollegin hat skills training erwähnt, wobei auch Computer skills gemeint waren. Wir müssen mal schauen, wie wir das alles bearbeiten können. Es ist natürlich sehr wichtig, dass diese Fähigkeiten bei allen da sind und wenn sie es nicht sind, dass wir sie entwickeln und stärken können.

Lake Sonfon und seine heiligen, kulturellen Orte

Lake Sonfon ist ein grüner See. Man sieht kaum Wasser, weil sich auf der Oberfläche ein grüner Teppich ausbreitet. Es ist der größte See Sierra Leones. Von Kabala aus fährt man nochmal knappe zwei Stunden, größtenteils dirtroad. Es ist also ziemlich remote, wie man so schön sagt. 

Mohamed erklärte mir die kulturelle Bedeutung des Sees. Im See gibt es eine Insel, auf der Wald wächst. In diesem Wald werden die Könige der Gegend gekrönt oder besser gesagt “gethront”. Ich weiß nicht, ob es eine Krone gibt. Auf der kleinen Insel ist ein Thron. Wenn nun mehrere Anwärter für den Thron da sind, besteigen sie nacheinander den Thron. Wenn man nicht dazu bestimmt ist, König zu werden, bricht der Thron zusammen. Wenn man dazu bestimmt ist, König zu werden, dann passiert nichts und das ist die Bestätigung, dass dies der neue König sein soll. 

Auf einer anderen kleinen Insel sind die Ahnen. Dort ist auch ein Schwert. Das hat Mohamed sehr betont. Ich weiß nicht so genau, was es mit dem Schwert auf sich hat, aber es scheint sehr wichtig zu sein.

Abgesehen von der Natur, ist Lake Sonfon also unbedingt schützenswert, da er wichtiges kulturelles Erbe enthält und sich dort heilige Orte befinden.

Wo unsere Störche den Winter verbringen

CSSL ist keine Organisation, die sich speziell für die Bewahrung des kulturellen Erbes einsetzt. Unser erstes Anliegen ist der Schutz der Natur. Was also machen wir da? 

Lake Sonfon ist eine sehr wichtige Bird-Migration-Area. Das heißt, Zugvögel kommen teilweise aus Europa zum Überwintern hierher, teilweise nutzen sie den See und seine Umgebung als Zwischenstopp. Wer sich also schon immer gefragt hat, wo unsere Störche den Winter verbringen, hier ist die Antwort: am Lake Sonfon. 

Außerdem gibt es hier ein paar gefährdete Tierarten, wie das Schuppentier und mehrere seltene Vogelarten. Ich habe heute zum Beispiel mein erstes gutes Vogelfoto geschossen: einen great blue Turaco. Ich habe die Vögel während der Fahrt im Baum entdeckt und geistesgegenwärtig den Fahrer stoppen lassen. Jeder Stopp wird auch gerne für ausufernde Fotosessions genutzt…

Papanie, der Programm Manager in Kabala und Birdwatcher, hat mir erklärt, welche Vögel am See zu sehen sind. Aktuell nicht so viele, da es gerade in Europa angenehm warm ist. Im Januar und Februar aber geht es am Lake Sonfon wohl nicht so ruhig und gemütlich zu wie heute. Als ich das Bild des Storches auf dem Plakat entdeckt habe, wurde mir mal wieder klar, wie sehr doch alles verknüpft ist. Wird hier Lake Sonfon und ähnliche Gebiete zerstört, gibt es auch in Deutschland keine Störche mehr, weil sie keinen Ort mehr haben, an dem sie überwintern können. Umweltschutz und Conservation sind also wirklich unbedingt ein globales Thema. Nur mit internationaler Zusammenarbeit, können wir die Tiere und die Natur für alle bewahren.

Wir haben auch ein paar Videos gedreht heute, aber da muss ich nochmal daran arbeiten, bevor ich die hier zeigen kann. Da stimmt die Qualität noch nicht so ganz.

Mining gefährdet Natur und Mensch

Ein großes Problem in der Umgebung des Lake Sonfon ist das Mining. Alahji erklärt, dass hier nach Gold geschürft wurde. Größtenteils privat und von den Menschen, die hier leben, aber trotzdem gefährlich. An dem einen Ende des Sees ist ein kleines Dorf, dessen Bewohnerinnen und Bewohner bis vor einigen Jahren noch mining betrieben haben. Dadurch wurde auch das Wasser des Sees verunreinigt. Es ist aber ihre Trinkwasserquelle. Somit ist es nicht nur für die Tiere und die Umwelt gefährlich, sondern auch für die Menschen selbst. Mit Hilfe von CSSL und Partnern konnte hier ein Projekt gestartet werden, in dem die Bevölkerung in der Nähe des Sees aufgeklärt wurde und neue Einkommensmöglichkeiten entwickelt wurden. Jetzt wird kein Gold mehr direkt am See geschürft.

Das funktioniert nur, wenn auch der Chief mit eingebunden ist. Im Falle des Lake Sonfon ist das Gute, dass das ganze Gebiet zu nur einem Chiefdom gehört, dem Diang Chiefdom. Somit muss man mit nur einem Paramount-Chief einig werden. Anders als im Greater Gola Landscape, der sich auf mehrere Chiefdoms erstreckt. Der Paramount-Chief war heute leider nicht da, so dass wir ihn nicht getroffen haben.

Bienen als Lebensretter

Eine der neuen Einkommensmöglichkeiten für die Menschen des Chiefdoms sind Bienen. Mit Hilfe von CSSL wurden Bienenkästen verteilt, die die Menschen in der Nähe des Sees verteilen. Die Wildbienen nutzen dieses Angebot sehr gerne, da es kaum Bäume gibt, in denen sie sich niederlassen können. Der Honig wird dann zweimal im Jahr geerntet und verkauft. Durch diese Maßnahme und weitere konnte das Mining direkt am See gestoppt werden.

Nur 1 Kilometer Bufferzone

Anfangs einigten sich alle für eine drei Kilometer weite Bufferzone um den See herum. Innerhalb dieser 3 Kilometer durfte nicht gejagt werden, keine Landwirtschaft betrieben, keine Bäume abgeholzt werden und so weiter. Nach einiger Zeit wurde die Zone auf einen Kilometer verkleinert, da die Leute nicht ausreichend Holz und Boden zum Leben hatten. Nun gibt es zwei Zonen. Die 1-Kilometer-Zone mit sehr strikten Schutzregeln und eine weitere, die bis 3-Kilometer vom Seeufer reicht, in der nur nachhaltig gewirtschaftet werden darf und eingeschränkter Gebrauch der natürlichen Ressourcen sichergestellt ist. 

Das Wasser in dem Seeabschnitt in der Nähe des alten Mining-Dorfes ist leider teilweise immernoch verunreinigt. CSSL hat ein Programm zur Kontrolle der Wasserqualität, das diese Verunreinigung belegt. Oberhalb des Sees wird weiterhin nach Gold geschürft, so dass immer noch verunreinigtes Wasser in den See gelangt. Diese Aktivitäten sind außerhalb der 3-Kilometer-Bufferzone, somit ist es sehr schwer, hier irgendetwas zu unternehmen.

Dreckiges Auto, dreckige Maske, glückliche Kathrin

Was bleibt von unserem Tagestrip zum Lake Sonfon? Mein Auto ist super dreckig, nachdem es den Hin- und Rückweg hinter sich hat, meine FFP2-Maske ist auch innen voller Staub (ich habe sie mal abgesetzt und wieder aufgesetzt und anscheinend war mein Gesicht etwas vom roten Staub eingedeckt), aber mir geht es sehr gut. Ich habe zwar wieder so viele Ideen und neue Ansätze, was ich gerne alles machen würde, um meine Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, aber langsam kann ich alles strukturierter ablegen in meinem internen Speicher. Aus Ideen werden eher Umsetzungspläne. Außerdem entschädigt so ein Arbeitstag im Grünen, mit vielen interessanten Infos und spannenden Leuten für die schlechte letzte Woche. Und das beste: ich bin den ganzen Rückweg selbst gefahren 🙂 Auf dem Foto seht ihr den Teil der Straße, der absolut in Ordnung ist. Teilweise geht es steil bergauf über Steine und Rinnen, so dass man richtig durchgeschüttelt wird.

Ich glaube, am Anfang hatten meine Kollegen etwas Sorge, mein Chef hat kein einziges Mal die Augen zugemacht, wobei er sonst im Auto immer sofort einschläft, aber mir hat es riesig Spaß gemacht über die huckeligen Sandpisten zu fahren und teilweise durch ziemlich tiefes Wasser.

Morgen sehen wir noch einmal kurz die Kollegen und die Kollegin zum Foto-Shooting für die neue Website und dann geht es wieder zurück Richtung Freetown. Ich denke, da werde ich dann auch nochmal hinter dem Steuer sitzen 🙂

Visit to the Gola Rainforest

Mein kurzer Trip in den Gola Rainforest scheint schon wieder in so weiter Ferne, dabei war es erst vor einer Woche. Irgendwie passiert hier immer so viel, so dass ich gar kein Zeitgefühl mehr habe… 

Umso schöner ist es, dass ich mich jetzt nochmal in Gedanken auf die Reise begeben kann, um euch von meinem Ausflug in den Regenwald zu berichten.

Forest Edged Communities

Zunächst vielleicht erst noch einmal kurz zur Erklärung, weshalb ich arbeitstechnisch im Regenwald unterwegs bin und das nicht alleinig mein privater Spaß ist. Der erste Grund ist, dass der Gola Rainforest so etwas wie unser Vorzeigeprojekt ist. Es ist CSSL mit vielen nationalen und internationalen Mitstreitern gelungen, den Regenwald offiziell als Nationalpark erklären zu lassen, so dass der Wald offiziell geschützt ist und dieser Schutz einen sehr hohen Status hat. Als Kommunikationsfrau ist es deshalb natürlich wichtig, dass ich den Gola zumindest einmal gesehen habe.

In einigen vorangegangenen Beiträgen ist außerdem schon angeklungen, dass wir versuchen den Regenwald und auch andere noch bestehende Wälder in Sierra Leone zu schützen und zu bewahren. Einerseits aus Gründen der Biodiversität und um den Lebensraum vieler Tiere zu schützen, aber auch, weil mit der Zerstörung der Natur auch die Lebensgrundlage der Menschen zerstört wird. Eine Dorfgemeinschaft erzählte zum Beispiel, sie haben den Wald in der Nähe ihres Dorfes vor ein paar Jahren abgeholzt. Im Jahr darauf hatten sie sehr große Wasserprobleme. Seitdem sie den Wald wieder aufgefortest haben und ihn bewahren, haben sie keine Wasserprobleme mehr.

Um den Wald zu schützen, arbeiten wir deshalb auch sehr eng mit den sogenannten Forest Edged Communities (FECs – den Gemeinden, die an den Rändern der geschützten Waldregionen leben). Die Gemeindemitglieder werden aufgeklärt über die Bedeutung des Umweltschutzes für ihren Alltag. Gemeinsam werden Strategien entwickelt, wie es gelingen kann, den Wald zu schützen. Es gibt zum Beispiel “Community Forests”, die von den Gemeinden bewirtschaftet werden. Wir unterstützen die Gemeinden, diese Waldstücke nachhaltig zu nutzen, so dass es nicht nötig ist, neuen Wald zu erschließen. Dazu kann ich aber nochmal Genaueres berichten, wenn ich das nächste Mal in Kenema war.

Eine weitere Strategie, die Gemeinden mit zu beteiligen, sind Tourismusprojekte. Gemeindemitglieder werden als Tour Guides ausgebildet, in den kleinen Ökotourismus-Unterkünften im Gola werden Menschen aus dem nächstgelegenen Dorf beschäftigt und ähnliches. Die Gäste der Eco-Lodges gehen normalerweise eine Runde ins Dorf, um die Menschen zu begrüßen und sich einmal kurz zu zeigen. Ich denke, es geht hierbei auch darum, zu zeigen, dass die Schönheit der Natur und die Tierwelt etwas ganz besonders sind, so dass Menschen von weit weg kommen, um sie sich anzuschauen. 

Die Sierra Leoneans lieben Fremde, das ist das, was sie selbst von sich sagen und das ist auch genau das, was man spürt, wenn man im Land unterwegs ist. Insbesondere in den beiden Dörfern, in denen ich nun im Gola war, habe ich ein sehr großes Maß an Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Offenheit erlebt. Ich konnte mich vor geschenkten Ananas kaum retten. Ich habe schon überlegt, zum National Tourist Board zu gehen und ihnen zu raten, ihren Werbeslogan zu ändern. Aktuell heißt er “Sierraously surprising”, aber aus meiner Sicht ist das absolute Alleinstellungsmerkmal Sierra Leones, das Lächeln und das Lachen der Menschen. Ich denke, sie sollten lieber mit “Smile Salone” oder so etwas in der Art werben. Aber das kläre ich dann mit dem Tourist Board direkt…

Lalehun – Dorf mit Presidential Suite und Lehmbau

Unser erstes Ziel im Gola war Lalehun. Das liegt am nordwestlichen Rand. Es ist ein größeres Dorf knapp außerhalb des Regenwaldes und ein paar Unterkünfte innerhalb des Waldes. Die Unterkünfte werden meist von Forschenden und von den Forest Guards genutzt. Die Unterkünfte können auch von Touristinnen und Touristen gebucht werden, aber insbesondere im letzten Jahr, war die Auslastung wegen Covid natürlich nicht so gut. 

Gemeinsam mit Lomeh, meinem Tourguide, und den beiden Guides aus dem Dorf (Mustafa und Francis) sind wir nach unserer Ankunft ins Dorf gelaufen. Es ist ein relativ großes Dorf, da die Regierung hier Holzarbeiter angesiedelt hatte mit ihren Familien, die neben dem eigentlichen Dorf, das es schon länger gab, ihre Unterkünfte errichteten. Das Abholzen wurde mittlerweile beendet. Aber die Menschen haben teilweise ihre community forests am Rande des Regenwaldes und dürfen Totholz und Früchte aus dem Wald nehmen. Es gibt auch immer noch eine Schreinerei im Dorf. Natürlich alles fast openair. 

Einige von euch wissen ja, dass ich letztes Jahr in Ghana war, unter anderem im Rahmen eines Lehmbau-Workshops. Deshalb bin ich nach wie vor sehr interessiert an den lokalen Hausbautechniken. In der Gola-Region werden für die Häuser zunächst die Gerüste aus dünnen Bäumen gebaut, die dann mit Lehm verkleidet werden. Wie ich letztes Jahr gelernt habe, ist Lehm ein super Baustoff, da natürlich zu 100% biologisch abbaubar und er isoliert auch gut vor Wärme. Die Häuser haben kaum Fenster und meist gibt es einen überdachten Außenbereich zum Kochen und als Regenschutz. Macht natürlich Sinn bei ein paar Monaten Regenzeit im Jahr. Die Dächer werden traditionell mit Palmzweigen gedeckt, moderne mit Wellblech. Wobei das Wellblech eigentlich nicht schlau ist für das Klima hier. Erstens heizt es sich in der Sonne super auf und zweitens ist es mega laut, wenn der Regen drauf prasselt.

Auf den Fotos seht ihr ein paar Bilder von der Lehmbau-Technik, die drei Damen wollten unbedingt ein Foto, in der Hand des einen Mannes seht ihr eine Frucht vom breadnut-tree, ich weiß nicht, wie wir ihn nennen, und dann natürlich ein Foto der Schreinerei.

Am Dorfrand beim Eingang zum Nationalpark befindet sich die Präsidentensuite. Hier haben die beiden Präsidenten von Sierra Leone und Liberia genächtigt, als sie den transboundary Nationalpark offiziell eingeweiht haben. Der größere Teil des Gola ist nämlich in Liberia. Die Präsidentensuite ist allerdings einfach nur ein kleines Haus. Aber die Leute hier sind sehr stolz, dass die Präsidenten da waren.

Forest walks, monkeys und beeindruckende Ameisenstraßen

Der Gola ist ein Regenwald. Hier gibt es ein hohes Maß an Biodiversität an Pflanzen und Tieren. Auch einige bedrohte Arten leben hier. Dazu gehören die Picathartes, das sind besondere Vögel, die ich aber erst beim nächsten Mal besuchen werde. Auch die Zwergnilpferde gibt es hier. Die sieht man aber kaum. Wer erwartet, hier herzukommen und dann laufen direkt die ganzen Tiere vor die Kamera, der hat sich getäuscht. Wie hat es mein Kollege Patrick so schön formuliert: “We are not a zoo.” Aber das heißt natürlich nicht, dass sich gar keine Tiere sehen lassen. Ich habe verschiedene Affen gesehen, teilweise haben sie sich direkt bei unserem Camp durch die Baumkronen geschwungen, wunderschöne Vögel kamen vorbei, das erste Mal seit Jahren habe ich endlich mal wieder Glühwürmchen gesehen und vor allem haben sehr beeindruckende Ameisen meine Wege gekreuzt. 

Quer über unseren Weg zog sich an mehreren Stellen eine Ameisenstraße. Aber nicht so, wie wir sie in Deutschland kennen. Nein. Diese Ameisen bauen mit ihren Körpern einen Tunnel. Durch diesen Tunnel transportieren dann andere Ameisen die Eier und alles wertvolle Hab und Gut zu ihrem neuen Zuhause. Ich fand das sehr beeindruckend. Leider greifen die Ameisen sofort an, so dass ich kaum Zeit hatte, Fotos bzw. ein Video zu machen. 

Es gibt auch beeindruckende Bäume (einige sehen aus wie die Ents aus Herr der Ringe), Lianen, Pflanzen in den unterschiedlichsten Grüntönen. Leider schafft es die Kamera nicht, diese grüne Vielfalt wirklich einzufangen, so dass alle Fotos nur ein blasses Abbild der Wirklichkeit sind. Was soll ich sagen – müsst ihr einfach selbst gesehen, gerochen und vor allem gehört haben. Es ist ein Dauergesang von Vögeln, Insekten, Wind, Regen und Säugetieren zu hören, der niemals verstummt. Er ändert sich im Laufe des Tages und der Nacht, aber es ist wird nie ganz still.

Von Lalehun aus bin ich morgens mit den beiden Guides und Lomeh zum Viewpoint aufgebrochen. Es geht eine dreiviertel Stunde durch den Wald zu einem Ausblickpunkt von dem aus ich Richtung Liberia über den Regenwald blicken konnte. In den Bäumen am Hang gegenüber wohnen Schimpansen. Ich habe sie nicht gesehen, aber das kenne ich ja schon von den Walen. Wenn man lange genug ins Wasser schaut, in dem mit Sicherheit Wale sind, gilt das quasi so, als hätte man tatsächlich einen Wal gesehen. Ich denke, ähnliches gilt auch für Schimpansen im Regenwald.

Leider waren wir erst so gegen acht am Viewpoint, der meiste Nebel hatte sich schon verzogen, nur ein paar Wolken hingen noch in den Hügeln. Trotzdem war der Blick wunderschön.

Nach einer kleinen Pause ging es zurück, wo das Frühstücksbuffet auf uns wartete. Dann ging es mit dem Auto weiter nach Sileti. Sileti ist im Süden. Eigentlich gibt es einen direkten Weg durch den Wald dorthin. Leider ist die Brücke eingestürzt, so dass wir die Straße außenherum nehmen mussten und somit knappe fünf Stunden unterwegs waren anstatt von nur einer oder 1,5 Stunden.

Auf dem Weg nach Sileti kamen wir an der einzigen bekannten Palme auf dem afrikanischen Kontinent vorbei, die mehr als einem Kopf/Hals/Stamm- ich weiß nicht, wie man es nennen soll – hat. Wir haben extra angehalten und alle haben fleißig Fotos gemacht.

Sileti oder bin ich hier in der Schweiz?

An einer anderen Stelle haben wir angehalten, um noch ein paar Früchte zu kaufen und auf einmal kommt Patrick mit einem kleinen Affen an einer Leine zurück. Die Leute an dem Ort hatten ihn als “Haustier” gehalten. Das ist erstens sehr gemein und zweitens auch verboten. Wir haben ihn deshalb mit nach Sileti genommen. Der Arme war ganz verängstigt. In Sileti im Camp leben gerade auch zwei andere Affen, die befreit wurden. Der Kleine konnte leider nicht sofort von seiner Leine befreit werden. Erst, wenn er sich ans Lager gewöhnt hat und nicht mehr abhaut. Wenn er einfach in den Wald geht und dort auf andere Affen trifft, kann es sein, dass sie ihn töten, da er nicht zu ihrer Familie gehört. Die anderen beiden Affen waren zutraulicher und haben sich sehr über Bananen gefreut.

In der Nähe von Sileti ist das Dorf Geneva (Genf). Dort hat eine Schweizerin während des Bürgerkrieges Menschen mit Lebensmitteln und Hilfsgütern versorgt, die sich vor dem Krieg in den Wald geflüchtet hatten. Die Frau ist während des Krieges verstorben. Die Menschen haben sich entschieden, dort zu bleiben und ein neues Dorf zu gründen. In Gedenken an die Schweizerin haben sie es Geneva, nach ihrer Heimatstadt benannt.

Geneva ist bisher mein liebstes Dorf hier. Nach unserer Ankunft in Sileti kam erst einmal ein sehr, sehr starker Regen. Wir konnten deshalb erst mit großer Verspätung ins Dorf aufbrechen, um unseren Antrittsbesuch zu machen. Wir sind los, als es immernoch etwas regnete. Die Straßen waren teilweise unter Wasser und nach kurzer Zeit haben wir die Straße auch verlassen und sind dann noch eine halbe Stunde einem Trampelpfad durch grüne Landschaften gefolgt. Es war sehr schön. Das Dorf ist sehr klein. Nur neun Familien leben hier. Der Dorfälteste hat uns begrüßt und uns wurden Palmfrüchte angeboten. Sowas von lecker!!! Die Palmfrüchte werden einfach gekocht und dann noch in etwas Zucker karamellisiert. Nur den Kern darf man natürlich nicht herunterschlucken. Bei meinem nächsten Besuch in einem Dorf werde ich mich mal auf die Pflanzen, Obst und Gemüse konzentrieren, damit ihr alle wisst, wie eigentlich Papaya, Ananas und Bananen wachsen. Dieses Mal habe ich das leider vergessen.

Am nächsten Morgen haben wir noch einen kleinen Walk durch den Wald gemacht, den Diana Monkey Walk und tatsächlich haben wir ein paar Affen gesehen. Vor die Kamera bekomme ich die leider nicht. Dafür waren sie zu weit weg und zu schnell. 

Palmölplantagen auf dem Weg 

Wie wird eigentlich Palmöl hergestellt? Diese Frage geisterte schon länger in meinem Kopf herum. Vor allem, weil ich ständig Motorräder sah, die vollbeladen mit gelben Kanistern voller Palmöl unterwegs waren. Überall sieht man Palmölplantagen. Auf dem ersten Blick, habe ich gar nicht gesehen, dass es Plantagen sind. Es sind eben Palmen und dazwischen Gras und niedriges Gebüsch. An einer Stelle haben wir angehalten, damit ich mir anschauen kann, wie das Öl extrahiert wird. Zunächst werden die Palmfrüchte natürlich geerntet. Dafür muss jemand hochklettern und sie abschneiden. Dann kommen sie in die große Tonne, wo sie mit etwas Wasser gekocht werden. Anschließend werden sie gepresst. Entweder per Fuß, wie beim Sauerkrautstampfen oder Weinpressen oder aber mit einer manuellen Presse. Unten fließt dann das fast fertige Öl heraus. Es muss noch einem aufgekocht oder abgeschöpft werden, da bin ich mir jetzt gerade nicht mehr so sicher. Palmöl kommt in die meisten lokalen Gerichte. Meist schwimmt eine rötliche Ölschicht oben. Zum Abschluss gab es noch ein Gruppenfoto und dann zurück ins Auto.

Am Sonntagnachmittag kamen wir wieder in Kenema an und von dort aus ging es am nächsten Morgen zurück nach Freetown. Mein Kopf war voll mit neuen Eindrücken, neuen Infos über die Arbeit von CSSL, neuen Ideen, wie und wo ich mich einbringen könnte und so weiter. Das musste erst einmal alles etwas sacken und dann habe ich hoffentlich irgendwann einmal Zeit, mir nochmal vertiefte Gedanken dazu zumachen.

Nach ein paar Tagen grün, frischer Luft und Wald, kam der Lärm und die Abgase der Stadt mit doppelter Wucht, aber irgendwie habe ich mich auch ein bisschen gefreut, wieder in Freetown zu sein. Es war noch nicht ganz das Gefühl des Nach-Hause-Kommens, aber ganz zart ist es schon da.

Der Tag an dem der Wal strandete

Bevor wir gemeinsam durch den Gola Rainforest streifen, muss ich noch berichten, was seit gestern passiert ist. Gestern früh kamen die ersten Fotos in den Whatsapp-Gruppen zu einem kleinen gestrandeten Wal direkt am Lumley Beach, dem Stadtstrand hier. Klein in Anführungszeichen, es ist ein kleiner Buckelwal. Ich habe die Info in der Whatsapp-Gruppe von CSSL geteilt, weil ich dachte, wir wissen wahrscheinlich, wer informiert werden kann/muss, damit der Wal gerettet werden kann und zurück ins Wasser findet.

How to celebrate a birthday?

Zunächst war bei uns aber business as usual. Mit einer kleinen Unterbrechung. Meine Kollegin Mariama hatte am Freitag Geburtstag. Ich habe es erst am Morgen des Geburtstages erfahren und spontan gesagt, ich bringe ihr diese Woche einen Kuchen mit. Hätte ich gewusst, wie viel Überforderung ich damit provoziere, hätte ich das sein lassen. Da ich von anderen Geburtstagsfeiern hier weiß, dachte ich, es wäre normal, Geburtstag mit Kuchen oder Torte zu feiern. Dem ist aber nicht so. Die Generation, die älter als 40/50 ist, kennt normalerweise den eigenen Geburtstag nicht, sondern nur den Tag, an dem die Geburt der Gemeinde gemeldet wurde. Geburtstage sind deshalb für die Leute nicht so wichtig. Es ändert sich gerade. In den Städten werden nun die Geburtstage der Kinder und auch der jüngeren Generation (unter 30) gefeiert.

Bei uns wurde Mittags ein “emergency meeting” einberufen. Einerseits, um mich nun auch einmal offiziell willkommen zu heißen und Mariamas Geburtstag nachträglich zu zelebrieren. Es wurde noch schnell eine Geburtstagskarte mit Windows-Graphis gebastelt und dann mit einiger Unbeholfenheit gratuliert. Das beste ist allerdings, die Tradition hier zum Geburtstag: Das Anschneiden des Kuchens. Erst schneidet das Geburtstagskind den Kuchen an (oder tut so), dann kommen nach und nach einzelne Gäste und schneiden mit dem Geburtstagskind den Kuchen an, wobei tausende Fotos gemacht werden. Am Ende haben wir noch alle zusammen den Kuchen angeschnitten, bevor er verteilt wurde.

Dieses Mal gab es keinen Bananenkuchen, sondern einen italienischen Kuchen – zumindest laut online-Rezept. Er war auch sehr lecker. Wenn ich so weitermache, schaffe ich vielleicht tatsächlich irgendwann einen Käsekuchen. Das wäre ja mein Traum.

Whale watching und dann? 

Nach der ganzen Feierei, sind wir (Mariama, Abdul und ich) dann tatsächlich mal Richtung Strand aufgebrochen, um nach dem Wal zu sehen. Den ganzen Tag über wurden Videos und Fotos gepostet. Je weiter der Tag voranschritt, um so mehr Menschen sammelten sich um den Wal. Mittlerweile war es schon halb vier am Nachmittag. 

Auf den Videos, die online kamen, sah man einerseits Menschen, die versuchten, den Wal feucht zu halten und immer wieder Wasser über ihn kippten, leider gabe es auch Videos, die zeigten, wie junge Männer auf ihn klettern und für Fotos posen. Ein Video, das zeigt, wie versucht wurde, zu helfen, ist auf Youtube zu sehen:

Als wir am Strand ankamen, war dort eine riesige Menschenmenge. Wir hatten nicht wirklich einen Plan, was wir machen würden, wenn wir dort sind. Abdul hat sich vor gekämpft und ein kurzes Video gedreht. Auch von den hinteren Reihen aus konnte man sehen, dass mit schwerem Gerät versucht wurde, den Wal auf eine Plane zu bringen und ihn dann ins Wasser zu befördern. Aber leider war nicht das richtige Gefährt zur Verfügung. Die Reifen blieben im Sand stecken. 

Schon am Morgen war klar, die Flut kommt erst abends gegen 19h. Bis dahin muss der Wal irgendwie überleben, weil er schafft es frühestens mit der Flut zurück ins Wasser. Wir schauten dem Getümmel eine Zeit lang zu. Das traurigste war, dass zu viele Leute, zu laut direkt bei dem kleinen Wal waren. Zwei Soldaten versuchten, die Leute vom Wal fernzuhalten, aber immer wieder schafften es einzelne auf ihn zu steigen – oder besser gesagt auf sie. Die Kleine ist ein 4-Monate altes Kalb.

Da wir nichts ausrichten konnten, haben wir versucht das Tourist Board zu erreichen (die sind anscheinend für Angelegenheiten am Strand zuständig) und danach die Kollegen von der Environment Protection Agency (EPA). Das ist die Umweltschutzbehörde der Regierung. Zwei Kollegen von der EPA waren vor Ort, so dass wir kurz mit ihnen gesprochen hatten. Anscheinend hat am Morgen schon das Fischereiministerium die Führung in der Sache übernommen. Es waren auch mehrere Minister und Stellvertreter da gewesen. Ich weiß allerdings nicht, was die da gemacht haben, außer Präsenz zu zeigen. Ich dachte die ganze Zeit, es kann doch nicht so schwer sein, ein paar Polizisten zu schicken, die aufpassen, dass die Leute Abstand halten und den armen kleinen Wal nicht noch mehr Stress aussetzen. Aber anscheinend ist es nicht so einfach oder es fehlt an Bewusstsein. Wale sind immerhin keine Fische, sondern sehr intelligente und emotionale Säugetiere…

Einer der Männer am Strand und später auch Paul, von der EPA, erzählten, wie der Wal anscheinend an den Strand kam. Der Wal folgten den Fischern und geriet in eines ihrer Netze, wahrscheinlich, weil er sich die Fische schnappen wollte. Die Fischer hätten dann ihr Netz loslassen müssen, um den Wal zu befreien, aber anscheinend hatten sie gehofft, ihn an Land zu bekommen. So ein Wal hat ziemlich viel Fleisch, damit kann man einige Mägen füllen und viel Geld verdienen. Mehr als mit den kleinen Fischchen. Der Wal wehrte sich wohl, so dass eines ihrer Boote unterging (alle haben überlebt, zum Glück konnten alle schwimmen) und auch vom zweiten Boot ging die Seilwinde über Bord. Etwas Schadenfreude ist da auf meiner Seite natürlich dabei… Der Kollege von der EPA meinte, die Fischer müssen nun den ganzen Einsatz bezahlen. Ich bin mir nicht sicher, wie das funktionieren soll. Ich denke nicht, dass sie dafür Geld haben. Aber immerhin wird versucht, abschreckende Maßnahmen zu ergreifen.

Als wir den Strand wieder verlassen haben – es war langsam Zeit für den Feierabend und die Kollegin und der Kollege wollten offensichtlich nach Hause – war der kleine Wal schon fast im Wasser. Die Flut kam. Aber man konnte immer wieder Menschen sehen, die auf den Wal stiegen. Ich war echt frustriert und enttäuscht, dass wir nicht mehr gemacht haben und vor allem, dass wir nicht schon viel früher etwas unternommen hatten. 

Als ich zuhause war, kam die erlösende Nachricht: Der Wal war im Wasser und schwamm los. Ich war immer noch etwas traurig-berührt, wie viele den Wal behandelt haben und das so wenig unternommen wurde, um ihn vor der Menge zu schützen. Aber ich glaube, ich habe zu hohe Ansprüche. Die Wale, die in den letzten Jahren in Sierra Leone gestrandet sind, sind alle im Kochtopf gelandet. Gestern, das war ein großer Erfolg. Der Wal hat überlebt und war am Ende im Meer und nicht im Topf. Vielleicht muss ich es von dieser Seite sehen. Und natürlich darf ich nicht vergessen: die Kinder hier wachsen nicht mit “Wieso? Weshalb? Warum?” auf und kennen keine Dokumentationen über Wale und andere Tiere. Die meisten haben ihr wissen von Facebook, TikTok und Whatsapp. Aber sehr viele von den Leuten, die am Strand waren, wollten dem Wal helfen und haben diejenigen, die vorgeschlagen haben, ihn zu töten und zu essen, beschimpft und versucht, sie zu verjagen.

Fußball-EM im Wellblech-Cinema

Als wir auf dem Weg zurück Richtung Büro waren, kam eine Nachricht von Abdul (nicht dem Kollegen, sondern Abdul aus dem Guesthouse): “James is asking if you would join him to the cinema today?” Ich war kurz irritiert. Cinema? Kino? Ich dachte, wir gehen zusammen das Fußballspiel anschauen? Aber okay – ja, klar komme ich mit ins Cinema. 

Um kurz vor sieben bin ich also mit James los. Von James habe ich noch nicht so viel berichtet. Er arbeitet auch im Guesthouse. Bis vor zwei Tagen dachte ich, dass er sehr ruhig und schüchtern sei. Ich hatte zwar schon so das Gefühl, dass er etwas offener wird und mir jetzt auch manchmal ein paar Fragen stellt, seitdem ich ein paar Brocken Krio spreche, aber ich dachte, er wäre ein ruhiger Typ. Dann haben wir vorgestern gemeinsam einen Film angeschaut (Cook Off – ein simbabwischer Film, der ebenfalls auf Netflix zu sehen ist. @Dorothee: Danke für den Tipp.) Nach dem Film gab es eine sehr laute und hitzige Diskussion. James hat sich vollkommen in Rage gesprochen, weil er anderer Meinung war als Abdul in Bezug auf den einen Mann im Film. Da habe ich gemerkt – okay, James ist weder ruhig noch leise – er redet einfach nicht so gerne Englisch 😉

Ich kam auf die Idee, James zu fragen, ob ich mit ihm das Spiel anschauen kann, weil er selbst Fußball spielt und ich weiß, dass er manchmal zum Fußballschauen ausgeht.  

Wie gesagt, sind wir kurz vor sieben los. Das “Cinema” ist eine Wellblechhütte, zusammengezimmert aus ich weiß nicht wie vielen mehr oder weniger rostigen Teilen, vielleicht 3-4 Meter x 10 Meter, wobei der hintere Teil zugestellt war mit Bänken und anderem Zeug. Es gibt keine Fenster, nur eine Türe vorne links, vorne auf der schmalen Seite sind zwei Bildschirme angebracht, so dass wir beide Spiele parallel schauen konnten. Der Ton war leider beim “wichtigeren” Spiel an – Portugal gegen Frankreich. Im Innenraum waren Stuhlreihen aufgestellt. Als wir ankamen, waren schon fast alle Stühle besetzt. Anfangs war neben mir noch ein Motorrad, das wurde aber während der ersten Halbzeit über die Bänke nach hinten gehoben, um mehr Platz für weitere Stühle und Zuschauer zu schaffen.

Ich muss zugeben, auch wenn die deutsche Mannschaft mich spielerisch nicht überzeugt hat, hat das Fußballschauen dort echt Spaß gemacht. Die Männer reden zwar alle Krio und ich verstehe nur ab und an, worum es geht. Zum Beispiel wurde einmal sehr lange und sehr laut und hitzig über “Kimmitsch” diskutiert. So hitzig, dass James sogar aufstehen musste vor lauter Emotionen. Die meisten in Sierra Leone und anscheinend allgemein in Westafrika unterstützen Frankreich. Erstens, weil Frankreich oft gewinnt (man unterstützt halt gerne die Siegertypen) und weil in Frankreich viele Spieler mit afrikanischen Wurzeln spielen. Zum Glück haben wir Rüdiger! Rüdiger ist ja quasi aus Sierra Leone. Ich war sehr froh, dass ich mich nicht an den Diskussionen beteiligen musste. Sonst wären meine peinlichen Wissenslücken, was die Namen der deutschen Nationalspieler angeht, sofort offensichtlich gewesen. Ein paar kenne ich zum Glück, so dass es nicht wirklich auffiel.

Am Ende war ich sehr froh, dass wir uns qualifiziert haben, einerseits natürlich für Deutschland, aber auch, weil ich mich freue, die nächsten Spiele wieder in einem Cinema anzuschauen…

Der zweite Tag an dem der Wal strandete

Nach dem anstrengenden Tag mit Geburtsfeiern, interkulturellem Austausch, Trauer darüber, wie es dem kleinen Wal erging und Freude über den Ausgang der Fußballspiele genoß ich noch mein wohl verdientes Feierabendbier auf dem Balkon im guesthouse mit den Jungs dort. Im Fußball-Cinema trinkt niemand Bier. Die Frau, die in der Halbzeit da war, verkaufte nur Saft und Softdrinks. Der Ausklang des Tages war auf jeden Fall entspannt und schön. 

Der heutige Morgen war ebenfalls sehr entspannt. Als ich aber im Büro ankam, erreichte mich direkt die traurige Nachricht, dass der kleine Wal wieder gestrandet ist. Es gab nun einen Videoaufruf vom National Tourist Board an alle Organisationen und Unternehmen, zu helfen, den Wal wieder ins Meer zu bringen.

Meine Kollegin meinte, sie hat den Wal heute morgen am Strand gesehen. Die eine Flosse ist verletzt und der Wal ist schon etwas in den Sand eingesackt. Sie versuchen jetzt anscheinend, den Sand wegzuschaufeln. Das Drama scheint noch nicht vorbei. Ich hoffe, es nimmt ein gutes Ende.

Gerade kam mein Kollege. Wir fahren wohl nochmal zum Strand. Ich werde berichten.

Fünf Stunden später – zurück vom Strand

Seit einer halben Stunde sind wir wieder im Büro. Gemeinsam mit Mariama, Edward (Programm Manager) und zwei weiteren Kollegen sind wir heute Mittag an den Strand gefahren. Dort lag der Wal noch. Es waren viel weniger Leute da als gestern, so dass ich es in die erste Reihe geschafft habe. Es war nicht klar, ob er noch lebt oder nicht. Aber die Leute haben weiter versucht ihn naß zu halten. Auf den Fotos seht ihr den „kleinen“ Wal, außerdem die Menschenmenge und dann das Fischerboot des Verbrechens. Es ist eines der Fischerboote, die den Wal an den Strand geschleppt haben. Auf dem letzten Foto seht ihr im Hintergrund ein großes Schiff kommen. Das wird später noch eine wichtige Rolle spielen.

Wir konnten in der Menge keine offizielle Person ausmachen. Also sind wir zum National Tourist Board gelaufen. Das Büro ist gleich in Strandnähe. Nach einer kurzen Wartezeit konnten wir mit der General Managerin sprechen. Gestern hatte ich schon den Eindruck, dass verschiedene Stellen den Wal retten wollen, aber es weiß niemand so genau, was zu tun ist und wer genau die Führungsrolle übernehmen kann/soll. Auf jeden Fall war auch klar, dass von uns als Conservation Society mehr Unterstützung erwartet wird.

Meine Kollegen sind anschließend zum Büro des Ministery for Fishery and Marine Ressources gefahren. Mariama und ich entschlossen uns, am Strand zu bleiben. Wir hatten gesehen, dass sich von dem großen Boot aus ein Schlauchboot auf den Weg Richtung Strand gemacht hatte. Also sind wir wieder los Richtung Wal. Als wir ankommen, hat die Action schon gestartet. Sie haben den Schwanz des Wales mit einem starken Seil umwickelt und ihn damit ins Wasser gezogen. Für uns sah er leblos aus, aber einer der jungen Männer am Strand hat versichert, dass er gesehen hat, wie Wasser aus der Fontäne kam, bevor er ins Wasser gezogen wurde.

Mariama erblickte einen Mann mit professioneller Kamera am Strand. Also Media! Wir sind hin und haben gefragt, ob sie wissen, wer hier von offizieller Stelle da sei. Wir dachten, die haben bestimmt alle wichtigen Leute interviewt. Die Journalistin hat uns dann auch tatsächlich zu dem Kollegen vom Fischerei- und Meeresministerium gebracht und uns ihm vorgestellt. Mariama hat ihn interviewt. Auch der Ministeriumsmann, Victor, bestätigte, dass der Wal noch lebte. Ein uns bekannter Doktor war vor Ort und hatte den Wal untersucht. Außerdem erfuhren wir, dass die Walfamilie südlich in der Nähe von Banana Island ist. Deshalb ist der Plan dieses Mal, den Wal nicht einfach ins Wasser zu bringen, wie gestern, sondern sie wollen ihn bis nach Banana Island schleppen. Auf dem Foto unten sieht man nur einen kleinen schwarzen Punkt im Wasser. Das ist der Wal.

Ende gut, alles gut?

Ich bin mir nicht sicher. Wir hoffen, dass es der Wal wirklich schafft. Wir haben Victors Kontakt, so dass wir nachfragen können, ob der kleine Wal mit seiner Familie wiedervereint werden konnte. Und zugleich kam gestern und heute raus, dass wir als Conservation Society schneller in Aktion treten müssen. Es wird von uns erwartet. Auch Victor vom Ministerium meinte, er wäre sehr froh, dass jemand von CSSL da ist und er wünscht, dass wir in Kontakt bleiben, um zu besprechen, wie künftig in solchen Situationen schnell und organisiert reagiert werden kann. Sehr gut. Das betrifft ja auch meinen Aufgabenbereich, genau dafür bin ich ja hier. Nicht unbedingt für die Abwicklung der Rettung, aber dafür Ministerien und Öffentlichkeit aufzurütteln und zur Aktion zu bewegen, wenn es um Umweltthemen geht.

Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen keine Wale mehr stranden und ich dann mal in Ruhe vom Gola Rainforest berichten kann.

Good News: gerade (19:19h) kam die Info an, dass die Kleine lebt und schwimmt. Auf dem einen Video winkt sie mit der Flosse.

Welcome to Kenema

Ich sitze gerade in meinem Hotel in Kenema, der Regen prasselt fröhlich vor sich hin und die Hügel, die ich eigentlich sehen würde, sind in einer Regen-Nebelwolke (einer sogenannten Glocke) verschwunden. Es ist Sonntagabend, die deutsche Fußball Nationalmannschaft der Männer hat gestern gewonnen, wie ich vorhin erfahren habe, und ich habe in den letzten Tagen so viel erlebt und so viele neue Eindrücke erhalten, dass ich gar nicht weiß, wie ich anfangen soll. Vielleicht einfach von vorne.

Immer schön flexibel bleiben

CSSL hat neben dem Büro in Freetown auch jeweils ein Büro in Kabala und eines in Kenema. Es war schon länger geplant, dass ich die Kolleginnen und Kollegen an beiden Standorten noch vor der Regenzeit kennenlerne. Wegen meiner Quarantäne hat sich das nun etwas nach hinten verschoben. Aber letzten Donnerstag ging es dann endlich los nach Kenema. Die Fahrgemeinschaft – bestehend aus meinen Chef, meinem Fahrer und Abdul und Mariama – machte sich also am Donnerstagmorgen auf den Weg. Die Reise dauert 4 bis 5,5 Stunden, je nachdem, ab wann man die Reise starten lässt. Zu dem Zeitpunkt, an dem man losfährt – in meinem Fall 7:30 – oder zu dem Zeitpunkt, an dem man Freetown verlassen hat – in unserem Fall 9 Uhr. So oder so, waren wir gegen eins in Kenema. Die Straße von Freetown nach Kenema ist sehr gut. Wir hatten natürlich unterwegs noch Zeit für zwei kleine Stopps, um Verpflegung zu kaufen. Erst gab es kleine runde Fladen aus Yamsmehl mit scharfer Soße in der Fischteile waren, danach noch einen frisch gegrillten Maiskolben. 

Eigentlich war der Plan, wir kommen gegen 13h an, essen zu Mittag und haben dann von 14h bis 17h Meeting mit den Kolleginnen und Kollegen. Natürlich war dann doch alles ganz anders, da ein wichtiges Zoom-Meeting anstand, so dass wir nur circa 30 Minuten Kennenlernen mit dem Team vor Ort hatten und sich dann alle in alle Winde verstreut hatten. Ich fand mich ab halb drei alleine im Hotel.

Es war nicht so wild, so hatte ich Zeit, mich auszuruhen, libanesischen Kaffee zu genießen und entspannt mit lieben Menschen in Deutschland zu telefonieren.

Auf den Fotos seht ihr unser Meeting, den typischen Hände-Wasch-Eimer, der vor allen Büros, Supermärkten usw. steht, um Covid vorzubeugen und meinen Kaffee inklusive Blick von der Hotelterrasse

Auch der Plan für die kommende Tage änderte sich mehrfach. Da hieß es für mich: einfach machen, was mir angetragen wird.

Projekte in den Kambui Hills und im Gola Rainforest

Am Freitag Vormittag holten wir nach, was eigentlich für Donnerstag geplant war: die Projektverantwortlichen in Kenema stellten mir die Hauptprojekte vor, in denen sie zur Zeit arbeiten. Kenema befindet sich in der Nähe der liberianischen Grenze, direkt an den Kambui Hills und am Tor zum Gola Regenwald. CSSL hat ein Projekt in den Kambui Hills und ein großes, gefördert mit EU-Geldern, an den outskirts des Regenwaldes.

Ganz kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass es in beiden Fällen unser Ziel ist, den Wald zu schützen. Beim Gola läuft das schon sehr gut. Der Gola ist offiziell als Naturpark anerkannt, die Grenzen sind festgelegt und akzeptiert und es gibt schon eine über viele Jahre gewachsene Zusammenarbeit mit den sogenannten Forest Edged Communities (den FECs – den Gemeinden, die am Rande des Waldes leben). Im Falle der Kambui Hills verhält sich die Situation etwas anders. Die Kambui Hills sind zwar protected area (geschützte Gegend), haben aber keinen Nationalpark Status. Außerdem sind die Grenzen nicht offiziell festgehalten. Was sich sowohl “die Regierung” als auch die Forest Edged Communities zu Nutze machen.

In beiden Gegenden bestehen die Projekte aber eigentlich aus ähnlichen Komponenten: Community work, Aufklärung zu Umweltthemen und Bewusstseinsbildung, Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen und sogenannte livelihood Ansätze, das sind Projektkomponenten, in denen den Menschen vor Ort alternative Einkommensmöglichkeiten erschlossen werden, damit sie nicht weiter in den geschützten Wald vordringen. Ein großes Problem der Arbeit von CSSL ist, dass sie vollständig Geber finanziert sind. Das heißt, sie können nur Aktivitäten umsetzen, für die sie Geldgeber haben. Im Falle von PAPFor, dem Projekt am Rande des Gola, gibt es keine Gelder für livelihood Aktivitäten. Ohne diese ist es aber unwahrscheinlich, dass das Gesamtprojekt erfolgreich wird. Deshalb versuchen zwei Kollegen gerade, über eine weitere Stiftung Geld zu beantragen, um die fehlenden Komponenten trotzdem finanzieren zu können. Das hört sich erst einmal alles ganz viel und verwirrend an. Ging mir auch so. Aber ich hatte nun ja schon ein paar Tage Zeit, das Ganze sacken zu lassen.

Groundnutsoup für alle chiefdoms

Ein kleines Beispiel, was es mit den livelihood Projekten auf sich hat. Sierra Leone ist auf kommunaler Ebene in Chiefdoms aufgegliedert. Das sind die traditionellen Gesellschaftsstrukturen, die auch heute noch für die Verwaltung und vor allem, wenn man Neues in einem Dorf starten möchte, berücksichtigt werden müssen. Neben der offiziellen Regierungsstruktur gibt es also nach wie vor die traditionelle.

Für die Arbeit von CSSL und GRC (Gola Rainforest Company) bedeutet dies, dass sie auf Community Ebene nur arbeiten können, wenn auch auf Chiefdom Ebene das Okay gegeben wurde. 

Kurzer Exkurs: GRC ist ein sehr enger Partner von CSSL im Gola Rainforest. Wir arbeiten dort zusammen und unterstützen uns gegenseitig. GRC ist aus CSSL entstanden, nachdem der Gola zum Nationalpark ernannt worden war.

Im Greater Gola Landscape arbeiten wir in sieben Chiefdoms. Nicht alle sind immer gleichermaßen an einer Zusammenarbeit interessiert. In einigen Chiefdoms konnte GRC eine Zusammenarbeit starten und die communities erhielten unter anderem Saatgut für Erdnüsse. Im Folgejahr gab es eine sehr gute Erdnussernte. Eine Queen aus einem anderen Chiefdom, die zunächst nicht mitmachen wollte, hat sich bei GRC gemeldet und sinngemäß gesagt: “Ich habe gesehen, in den anderen Dörfern gibt es jeden Tag groundnut soup. Ich will auch groundnut soup! Ich bin heute hier, um das Memorandum of Understanding zu unterschreiben, so dass wir nächstes Jahr auch jeden Tag groundnut soup essen können.” So konnte die Zusammenarbeit in einem weiteren Chiefdom starten. Das Engagement kommt also anscheinend sehr gut an. Zugleich zeigt das Beispiel, wie wichtig die livelihood Komponente für die erfolgreiche Projektarbeit ist.

Nach der Projektvorstellung hatten wir – Mariama, Abdul und ich – noch 30 Minuten Zeit, um unseren kleinen Input zu machen. Wir wollen in den nächsten Monaten Workshops mit den Kolleginnen und Kollegen in Kabala und Kenema abhalten mit dem Ziel, bessere Fotos und Informationen für unsere Öffentlichkeitsarbeit und Advocacyarbeit zu erhalten. Oftmals bekommen wir nur verschwommene, schlecht belichtete Fotos per Whatsapp zugeschickt (Beispiel: siehe Foto vom Meeting oben). In einem ersten Schritt haben wir jetzt Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche an so einen Workshop abgefragt, mit denen wir (oder wahrscheinlich eher ich) dann in die Planung starten können.

Meeting open air und ab geht`s Richtung Gola

Im Anschluss ging es direkt zum Büro von GRC. Das Bürogebäude ist ebenfalls in Kenema, aber etwas außerhalb. GRC hat einen beträchtlichen Fuhrpark an 4×4 Fahrzeugen und Motorrädern für ihre Arbeit im Park und mit den Communities. Auch bei GRC wurde ich als neues Familienmitglied vorgestellt. Die Besprechung war auf einem großen überdachten Balkon mit Blick in die Baumkronen. Sehr angenehm und passend für eine Besprechung mit den Verantwortlichen für einen Nationalpark. Mein Schedule für die nächsten Tage wurde fix gemacht und Lumeh, mein Tourguide für diese Zeit, hat sich kurz vorgestellt.

Zeig mir, was du isst und ich sag dir, wer du bist

Bevor ich endgültig in die Hände von CSSL-Kenema und GRC übergeben wurde, war ich noch mit den Kollegen und Mariama Mittagessen. Beim Essen zeigt sich dann doch, dass ich noch einen sehr, sehr weiten Weg vor mir habe, bis ich mich eingelebt habe. Nach zwei Tagen Reis mit Krinkrin hatte ich echt mal wieder Lust auf etwas anderes… Den anderen hat`s geschmeckt. Aus sicherer Quelle weiß ich, es wird ihnen auch morgen und after tomorrow wieder schmecken…

Und dann war es soweit, mein Rucksack, mein Wasservorrat und ich saßen im Auto und los ging die Fahrt in Richtung Gola Rainforest. Einen kleinen Vorgeschmack gibt es schon im neuen Header. Das Strandbild (aus Ghana) wurde nun endlich von einem Foto aus dem Greater Gola Landscape, Sierra Leone abgelöst. Mehr Fotos und Eindrücke folgen…

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