Autor: TheKaddl (Seite 6 von 9)

Eigentlich wollte ich ja…

… schon ganz lange mal wieder schreiben, wie es mir geht und was ich so mache … aber es ist so heiß, dass meine Energie nur für das Wesentliche reicht. Außerdem gibt es auch eine Veränderung in meinem Alltag hier: seit fast vier Wochen ist Tina mit bei mir in Freetown, weshalb ich nun neben Arbeit auch noch eine zusätzliche soziale Komponente hier habe und deshalb nicht mehr zu viel Zeit habe, mich vor meinen Laptop zu setzen.

Ein kurzer Abriss deshalb über die letzten Wochen und ihre Ereignisse:

WG-Leben startet

Eine große Veränderung, wie eben schon geschrieben, ist, dass ich nun nicht mehr alleine wohne, sondern für die nächsten Monate eine Mitbewohnerin habe. Das erleichtert meinen Alltag immens. Nicht nur, dass jemand da ist, mit der ich meine Alltagssorgen teilen kann – auf meiner Muttersprache!!!! – sondern es ist einfach auch schön, Tina hier zu haben und gemeinsam die Abende auf dem Balkon zu verbringen oder morgens noch kurz die ersten Worte zu wechseln, bevor ich mich auf den Weg in die Arbeit mache.

Tina hat Dank kreativem Pragmatismus auch schon meine Wohnung vor der Überflutung bewahrt. Als Aminata beim Putzen auf einmal den Wasserhahn der einen Dusche in der Hand hatte, strömte das Wasser anscheinend nur so aus der Wand. Geistesgegenwärtig wurden die beiden Löcher nun mit Tampons abgedichtet und wir warten auf den Klempner.

Tina hat viel tun mit meinen Pflanzen, meinem Balkon und arbeitet zusätzlich noch von hier aus remote. Je nach Internetstärke klappt das mal besser, mal schlechter. Falls sich die Situation in Deutschland nicht entspannt, könnte das ja Schule machen und weitere Leute nach Freetown locken, um hier ihr homeoffice einzurichten 😉

Unser erster offizieller Besucher

Dann haben wir – also Tina und ich – tatsächlich letzte Woche unseren ersten offiziellen Besucher empfangen. Da der Flieger mit zweistündiger Verspätung von Paris aus gestartet ist, saßen wir am Dienstagabend sehr lange auf dem Balkon mit Blick nach Lungi zum Flughafen und haben nach dem Flugzeug und später nach der Fähre gespät, die unseren Gast bringen sollte. Ende gut alles gut, Steff kam schließlich tatsächlich gut an. Zur Begrüßung gab es ein kühles Bier gegen die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit.

Am Tag vorher hatten wir das Gästezimmer noch fertig eingerichtet, mit Gästematratze und Vorhang und am Mittwoch habe ich dann sogar noch die neuen Kissen für das Balkonsofa auf dem Balkon vom Gästezimmer abgeholt. Ja, unser Gästezimmer hat einen eigenen Balkon!

Wir warten schon gespannt auf Steffs Rezension über seinen Besuch hier. Sein Reisebericht wird dann exklusiv auf dieser Seite veröffentlicht. Steff ist quasi unser Testbesuch, mit seinem Feedback und seinen Anregungen wird dann das Programm für künftigen Besuch angepasst.

Spring Alive Program

Selbstverständlich war ich nebenbei auch noch arbeiten. Wir hatten letzte Woche Spring Alive Program, dessen Ziel es hauptsächlich ist, Kinder und Jugendliche für Vögel und die Natur zu begeistern. Wir hatten deshalb eine Activity mit Kindern aus fünf unserer School Nature Clubs und Bird Club Members. Natürlich war die Planung wieder mega kurzfristig, weshalb wir nicht alles umsetzen konnten, was wir so an Ideen hatten. Da wir auf die Schnelle keinen anderen Veranstaltungsort gefunden haben, fand das Ganze in der Aula einer der Schulen statt, mit denen wir arbeiten.

Das diesjährige Thema war „Bird Nest Protection“. Nach Präsentationen von unserem Senior Biodiversity Officer und unserer Community Mobilization Officer habe ich die Nachmittagseinheit übernommen und erst einmal ein bisschen Gruppenarbeit machen lassen. Hier geschieht viel über Frontalunterricht. Lernzielkontrolle geschieht dann meist über ein Quizz.

Dieses Mal wurden die Teilnehmenden in diverse Gruppen aufgeteilt. Sie hatten Zeit zur Diskussion und sollten jeweils zwei Flip Charts vorbereiten, die am Ende im Plenum vorgestellt wurden. Ein paar der Kinder, die präsentiert haben, waren so gut! Mir kam direkt die Idee, wir müssen nächstes Jahr eine TV-Diskussion mit den Kindern aus den School Nature Clubs und Politikern und Politikerinnen organisieren. Beste Fridays for Future Attitude hier…

Warum ist Bird Nest Protection so wichtig?

Das will ich euch natürlich nicht vorenthalten.

  1. Vögel sind Lebewesen und haben deshalb ein Recht auf Leben und auch ein Recht darauf, dass ihr zuhause und ihre Umwelt geschützt werden.
  2. Vögel sind wichtige Indikatoren für die Biodiversität einer Region. Gibt es viele Vögel und vor allem auch viele unterschiedliche Vogelarten, so ist das ein gutes Zeichen für den Allgemeinzustand der Natur.
  3. Vögel übernehmen wichtige Dienstleistungen im Ökosystem. Einige befruchten Pflanzen, andere verteilen Samen und wieder andere kontrollieren den Wuchs von Gras- und Getreidepflanzen. Außerdem fressen sie Insekten und kontrollieren somit die Anzahl an Insekten im Ökosystem.

Wie schützt man Vögel und ihre Nester am besten?

Leave them alone!

Wenn ihr irgendwo ein Nest seht, vielleicht schon mit Eiern drin, einfach Abstand halten und in Ruhe lassen.

Alle Teilnehmenden waren schwer beeindruckt, als ich gesagt habe, dass es in Deutschland Regeln gibt, wann man Hecken schneiden darf und wann man sie nicht schneiden soll, damit die Vögel in Ruhe brüten können. Ich bringe also immer mal wieder ein paar internationale Aspekte mit ein.

Meine Jahresziele und ich

Ich habe auch wieder ein paar kleine Erfolge zu vermelden 🙂 Auch wenn nur ich meine selbstgesetzten Ziele kenne, freue ich mich doch jedes Mal, wenn ich eines erreiche! Die neue Website ist ja schon online, die E-Mail-Adressen werden auch teilweise genutzt, mit den neuen Corporate Design Vorlagen ist es noch etwas schwieriger, da muss ich noch dran arbeiten. ABER: unsere Business Cards sind gedruckt und nun haben wir sogar noch spontan das neue Roll-Up fertig gemacht und in den Druck geschickt.

Das hört sich jetzt alles nicht nach riesig vielen Erfolgen an, aber kleine Ziele erreicht man eben leichter!

Außerdem war ich den letzten Wochen, als mein Kollege nicht da war, bei meiner Kollegin im Büro gesessen und unsere Zusammenarbeit hat sich dadurch sehr stark verbessert. Und auch das ist ja eines meiner Hauptziele hier. Es geht also voran.

In den nächsten zwei Wochen sind erst einmal Konferenz und Workshops auf der Tagesordnung. Ab morgen ist Mano-River-Union Konferenz, an der alle Organisationen mit ihren Vertreterinnen und Vertretern aus dem Netzwerk des Zivilen Friedensdienstes aus Sierra Leone und Liberia teilnehmen. Es geht wohl viel um Austausch und gemeinsames Lernen. Wir von CSSL haben direkt im Anschluss (Freitag und Samstag) einen Workshop und dann nächste Woche auch nochmal von Montag bis Freitag. Da bleibt dann nicht viel Zeit für die eigentliche Arbeit.

Ich hoffe, dass wir trotzdem auf jeden Fall unseren Workshop zur Planung unserer Strategie für nächstes Jahr noch im Dezember abhalten werden. Wenn wir den Workshop noch machen und dabei ein gutes Ergebnis hervorbringen, dann bin ich mit meiner Arbeit für dieses Jahr eigentlich ganz zufrieden. Aber noch ist nicht sicher, ob das wirklich klappt. Nichts ist vorhersehbar hier.

Erster Gast in der CSSL-Ecolodge

Ich habe es tatsächlich geschafft! Gemeinsam mit Tina und meinem britischen Freund John, waren wir die ersten Gäste in der neuen Ecolodge von CSSL. Ich hatte schon einmal von der Ecolodge berichtet, wahrscheinlich im Artikel über die Wildlife Week. Nun war es soweit und wir waren die ersten Gäste. Es war wirklich sehr gut. Die Unterkünfte sind etwas basic, aber es gibt immer genug Wasser zum Duschen, da gleich ein Fluss neben der Ecolodge vorbeifließt, Solarstrom und sehr viel Kaffee und Tee.

Als wir ankamen, war Osman gerade dabei die Fische im Fluss zu entschuppen, bevor sie dann in der Pfanne gelandet sich. Osman ist security guard, guide und care taker in einem. Nur kochen tut er nicht. Dafür ist ein Koch da. Es gab sehr gute Erdnusssoße mit Fisch und Reis sowie Pommes mit Chicken. Abends gab es dann nur das Plätschern des Baches und die Geräusche de Waldes. Nur einmal unterbrochen durch lautes Motorsägengeräusch. Tja, da war sie wieder die Realität: Deforestation ist nicht stoppbar! Das wird meine große Task für nächstes Jahr.

Am nächsten Tag bin ich mit Osman auf eine adventure tour in den Wald aufgebrochen. Wir wollten eigentlich zur Quelle des Flusses, aber die Wege waren komplett zugewachsen, so dass wir mehrfach umdrehen mussten, weil wir auch mit der Machete den Weg nicht freibekommen haben. Am Ende mussten wir aber aufgeben. Vielleicht nächstes Mal dann. Dafür haben wir aber wilde Chillie geerntet unterwegs. Vielleicht nehmen wir das nächste Mal auch direkt den Weg durch den Fluss und lassen alle technischen Geräte, die wasserempfindlich sind, zurück.

Da Tina noch nicht alle Strände gesehen hat, ging es nach dem Wald-Adventure noch für einen entspannten Nachmittag nach Bureh an den Beach. Ein rundum entspanntes Wochenende.

Party Season has started

Das Ende der Regenzeit läutet den Beginn der Partysaison ein. Jedes Wochenende gibt es jetzt irgendwelche Partys an einem der Strände, Elektrofestival, Yoga-Retreat, Christmas-Fundraising, Cocktail-Bar-Party… Das hört sich für euch jetzt vielleicht alles etwas seltsam an, wenn in Österreich gerade der neueste Lockdown beginnt und in Deutschland über weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus gesprochen wird, aber wir haben offiziell gerade keine neuen Fälle.

In der Arbeit wurde mir auch schon mitgeteilt, dass ab jetzt alle im Christmas mood sind, also noch entspannter als sonst. Mal schauen, wie das mit dem workload zusammenpasst, den wir noch haben bis Ende des Jahres. Ich bleibe gespannt und muss mich jetzt mal in die Windschneiße an der Küchen-Balkon-Türe stellen, weil ich sonst umgehend zerfließe.

In diesem Sinne: Bleibt gesund und genießt das kalte Wetter!

Support Climb Salone

Heute ist Donnerstag und Donnerstag ist Klettertag. Ich freue mich schon auf neue Routen. Nachdem ich jetzt drei Wochen nicht in der Halle war, warten mit Sicherheit neue Herausforderungen auf mich. Außerdem habe ich am Sonntag am Strand zufälligerweise eine Kletterfreundin getroffen. Ihre beiden Bekannten waren dann direkt interessiert an unserem gemeinsamen Hobby und wollen heute auch das erste Mal zum Klettern kommen.

Wer zu faul zum Lesen ist…

… bitte einfach diesen Link hier klicken und spenden 😉
Spendenaktion für Climb Salone

Wer mehr darüber wissen will, einfach weiterlesen…

Erste Kletterhalle Westafrikas

Climb Salone ist wie jede Kletterhalle in Deutschland: Kletterwände mit unterschiedlich schweren Routen; eine Bar, an der es Wasser, Bier und Kaffee gibt, und natürlich ein paar Sofas zum Abhängen. Die Kletter-Community ist klein und es ist ein guter Treffpunkt, um Freundschaften zu knüpfen.

Ob Climb Salone wirklich die erste Kletterhalle Westafrikas ist, habe ich nun nicht verifiziert. Es ist auf jeden Fall die erste und einzige hier in Sierra Leone. Gegründet und aufgebaut wurde sie von ein paar kletterbegeisterten Briten, die hier gelebt haben. Die Gründercrew ist wieder zurück in Europa, aber die Klettergemeinschaft hier versucht, die Halle am Laufen zu halten und vor allem Sierra Leoner für´s Klettern zu begeistern. Es wurde schon ein kleiner Radio-Jingle aufgenommen, um die Halle bekannter zu machen. Alles immer aus privater Tasche finanziert. Klettern ist hier noch nicht bekannt. Aber die meisten lieben den Sport, wenn sie ihn einmal ausprobiert haben. Immerhin ist es super Exercise. Als Abdul das erste Mal mit Klettern war, dachte er erst, alles easy… Dann war er aber echt überrascht, weil es doch anstrengend ist und man durchaus ins Schwitzen kommt – und das nicht nur wegen der Höhe.

Das Herz und die Seele der Halle: Matthew

Matthew betreibt die Halle und ist jeden Tag da. Wer ihn einmal an der Wand gesehen hat, weiß, dass kann nicht mit rechten Dingen vonstatten gehen. Wir sind alle fest davon überzeugt, dass sein ganzer Körper magnetisch ist und er deshalb auch die schwierigsten Routen klettern kann. Ich habe also ein Ziel vor Augen. Mich wenigsten ein bisschen mehr an Matthews Kletterstyle anzunähern.

Woher das Geld für Miete nehmen?

Die Idee und die Hoffnung der Gründer der Halle ist, dass sich die Halle irgendwann selbstfinanziert. Aktuell ist das noch nicht der Fall. Sierra Leoner zahlen 20 000 Leones Eintritt, andere Nationalitäten 80 000 Leones, Schuhausleihe ist kostenfrei. Die Eintrittsgelder reichen normalerweise mehr schlecht als recht dafür aus, die laufenden Kosten zu decken und für ein kleines Gehalt für Matthew.

Nicht aber für die Miete. In Sierra Leone wird die Miete normalerweise nicht monatlich, sondern im Jahresturnus bezahlt. Aktuell steht wieder einmal die Miete für`s nächste Jahr an.

Spendenaktion für die nächste Generation von Kletterbegeisterten

Ein Freund von mir aus England hat eine Spendenaktion auf gofundme.com gestartet, um die Miete für`s nächste Jahr zu sammeln. Außerdem machen wir manchmal kleine Fundraising-Events in der Halle. Es gab einen Halloweenabend, gemeinsames Schauen der Kletterchallenge bei den Olympischen Spielen, nun ist ein Kinoabend geplant. Alles was nicht über die Spendenaktionen gesammelt werden kann, schmeißen Leute wie Hugh und andere Climb Salone Kletterleute in den Topf.

Das Ziel ist es, vor allem auch Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Klettern zu ermöglichen und die Klettergemeinschaft in Salone zu vergrößern. Deshalb ist es wichtig, die Eintrittspreise für Sierra Leoner niedrig zu halten, damit auch Leute mit kleinerem Geldbeutel zum Klettern kommen können.

Wer Lust hat, uns dabei zu unterstützen, Klettern in Salone bekannter zu machen und die Halle am Leben zu halten, ist herzlich willkommen uns zu unterstützen. (Auch wer nicht spenden will, kann mal auf den Link klicken, da gibt es noch ein paar mehr Infos zur Kletterhalle.)

Link zur Spendenaktion: Support Climb Salone

Wen es interessiert, was so die Kletterer selbst sagen, kann auf Insta den Artikel über Samuel nachlesen. Den Artikel könnt ihr teilweise auch lesen, wenn ihr keinen Insta-Account habt.

Oder einfach durch die Fotos scrollen auf der Facebook-Seite: facebook.com/climbsalone

Viel Spaß beim Lesen, Fotos anschauen und vielleicht habt ihr jetzt ja auch Lust auf ein bisschen Klettern bekommen 🙂 Ich verabschiede mich für heute und denke dann an Euch, wenn ich später an der Wand hänge…

Hinweis: Die Fotos stammen teilweise nicht von mir, sondern von der Seite gofundme.com.

Aw de Alltag?

In den letzten Wochen wurden mir viele Fragen gestellt zu meinem Alltag hier. Wie ich wohne, wie das eigentlich so mit Ausgehen abends ist, was ich am schönsten finde und was ich am schwierigsten finde, all solche Sachen. Deshalb möchte ich heute versuchen, euch ein paar Einblicke in meinen Alltag zu geben.

Morgens wenn die Hähne krähen und die Krähen schreien

Normalerweise wache ich spätestens gegen sieben auf. Davor bin ich vielleicht auch schon einmal aufgewacht, weil es wieder einmal einen Hundefight des Nächtens auf der Straße gab – begleitet von lautem Heulen und Kläffen. Gegen halb sechs/ sechs erwacht mein Viertel zum Leben. Ich höre die Kinder, ich höre, wie Wasser in Eimern gesammelt wird, die Unterhaltungen auf der Straße und die ersten Straßenverkäufer mit ihren Megaphonen, die das immer gleiche in blecherner Stimme verkünden. Aber all diese Geräusche können mich so früh noch nicht aus dem Bett locken. Ich stehe erst zwischen sieben und halb acht auf. Dann schäle ich mich elegant unter meinem Moskitonetz hervor und gehe erstmal Duschen.

Ist Strom da, schalte ich direkt mal den Wasserkocher an für mein erstes Käffchen – ist mal wieder kein Strom da, wird die Espressokanne auf den Gasherd gesetzt oder eben Wasser im Topf erhitzt. Je nach Lust und Laune und davon abhängig, was es so an Essensvorräten gerade in der Wohnung gibt, mach ich dann meinen Obstsalat oder schlappe die drei Stockwerke nach unten, um mir im Laden gegenüber Brot oder direkt Brot mit Rührei und scharfer Soße zum Frühstück zu kaufen. Dem Ladem seht ihr auf dem einen Foto weiter unten. Dann geht es wieder nach oben – Morgensport wäre damit dann auch schon abgehakt. Dann muss ich nur noch meinen Kaffee trinken und mein Frühstück genießen, blicke von meinem Balkon aus auf´s Meer und warte darauf, dass Sinneh mich gegen viertel vor neun abholt.

Sinneh sitzt dann meistens gegenüber vor dem Shop, wo ich sonst mein Bier kaufe, da steht morgens ein Bänkchen, auf dem er wartet, bis ich runterkomme. Abends steht das gleiche Bänkchen dann vor meinem Tor (weil dort dann Schatten ist) und ich muss die Herren, die darauf sitzen aufscheuchen, um in meine Einfahrt fahren zu können.

Und Arbeit so?

Viele haben in den letzten Wochen auch gefragt, was ich mache und wo ich arbeite und auch mit wem. Treue Leserinnen und Leser wissen das natürlich alles schon längst. Aber hier nochmal kurz zusammengefasst: Ich arbeite bei einer Sierra Leonischen Umweltschutzorganisation, der Conservation Society of Sierra Leone (cs-sl.org). Ich unterstütze im Bereich Kommunikation und Advocacy (sowas wie Lobbying für andere). Ich bin die einzige europäische Person in meiner Organisation. Neben meinem eigentlichen Auftrag – Internetseite überarbeiten, Kommunikationsstrategie entwickeln, Kommunikationsprodukte überarbeiten und neue entwerfen (also alles Sachen, die ich in meinen Jobs in Deutschland auch gemacht habe), kommt hier noch ein bisschen IT-Unterstützung für die Kolleginnen und Kollegen dazu.

Normalerweise bin ich nine to five im Büro. Ab und an gibt es aber auch Aktionen, Events oder so etwas wie Aufklärungstrips in unsere Projektgegenden zum Beispiel in der Nähe des Gola Rainforest (Der Tanz mit dem Teufel) oder der Tagestrip zur Wildlife Week.

Ich wurde auch gefragt, wie die Leute in den Dörfern das aufnehmen, wenn ich ankomme und sage, was sie tun oder nicht tun dürfen. Da muss ich euch nun enttäuschen. Ich erzähle hier niemandem, was er zu tun oder zu lassen hat. Ich unterstütze „nur“ in der Kommunikation und gebe da meinen Input. Aber es sind meine Kolleginnen und Kollegen, die die Inhalte einbringen. Die meisten sind nämlich im Gegensatz zu mir Expertinnen und Experten auf dem Gebiet Biodiversität und Conservation.

Habe ich einen normalen Tag im Büro, gibt es mittags entweder lecker Mittagessen aus der Tupperdose von zuhause oder ich gönn mir mein Brot mit Ei und Mayonnaise (ich liebe und feiere unseren Brotmann, der jeden Mittag kommt, weil er schon seit Wochen weiß, dass ich mein Brot nicht in einer Plastiktüte haben möchte). Manchmal bestelle ich auch bei dem Restaurant in der Nähe entweder ein Schwarma (so eine Art Wrap) oder African Dish.

Was gibt es da zu Essen?

Das bringt uns schon zur nächsten Frage. Was gibt es da zu Essen? Was esse ich hier eigentlich die ganze Zeit? Das hängt sehr stark davon ab, wie viel Energie und Ambitionen ich habe. Ich kann mich schön gesund ernähren mit vielen frischen Früchten, Gemüse und Salat, oder ich gehe oft essen und kaufe auch mein Mittagessen in dem kleinen Restaurant in der Nähe vom Büro, dann gibt es eher viel Pommes, Reis mit Fisch oder Chicken oder mit spinatähnlicher Soße in der ebenfalls etwas Fisch und manchmal auch Fleisch ist. Die spinatähnliche Soße gibt es in verschiedenen Versionen: Casava-Leave (Casava ist eine Wurzel, die man auch essen kann), Potatoe-leave (hier sind die Blätter von Süßkartoffeln gemeint. Potatoe sind immer Süßkartoffeln, unsere Kartoffeln heißen hier Irish Potatoe) oder Krin-Krin (das ist eine eigene Pflanze über die ich noch nicht mehr herausfinden konnte). Die Blättern werden sehr kleine geschnitten und dann noch im großen Mörser zerstampft. Sie werden mit Zwiebeln, manchmal Erdnußpaste und auf jeden Fall mit Chillies gekocht. Oftmals sind auch Fischstücke mit drin und man bekommt meist noch einen halben Fisch oder einen ganzen Fisch mit in die Schüssel, wenn man es im Restaurant bestellt. Ganz generell gibt es relativ viel Fisch, klar, weil wir direkt am Meer sind. Und als Fleisch hauptsächlich Chicken. In Freetown gibt auch einige libanesische Restaurants, die sehr gut sind, aber auch etwas teurer und es gibt eine echte italienische Pizzeria mit Pizza aus dem Holzofen. Bei mir zuhause gibt es natürlich auch öfter Nudeln mit Soße. Klassiker.

Absolute Luxusprodukte sind alle Milchprodukte. Es gibt keine Milchkühe hier, so dass Milch, Käse, Butter und Co importiert werden. Ein Liter Tetrapack-Milch für 2€ ist absolut bezahlbar für mich, aber ein kleines Stück Emmentaler oder Gauda für 15€? Da hört die Freundschaft auf. Von Butter habe ich mich schon entwöhnt. Aber auf meine Milch im Kaffee möchte ich nicht verzichten. Der einzige „Käse“, der noch auf meinem Frühstückstisch ist, ist in kleine Portionen abgepackter Streichkäse. Den gibt es nämlich auch an den kleinen Kiosken und es stört ihn nicht, wenn die Kühlkette unterbrochen wird 😉

Was hält der Feierabend so bereit?

Nach der Arbeit geht es manchmal noch kurz zum Supermarkt, wo ich mich hauptsächlich mit Kaffee und Milch eindecke. Alles andere bekomme ich auch auf der Straße oder in den kleinen Läden, wie denen in meiner Straße. Für Obst und Gemüse gehe ich meistens zum Strand runter. Da sind Obst und Gemüse zwar nicht am günstigsten, aber ich kann es mit einem kleinen Spaziergang verbinden. Und dann kommt es darauf an, ob ich vollkommen müde und erschlagen bin und einfach nur zuhause bleibe, ein Buch lese, einen Film anschaue oder früh ins Bett gehe. Oder ob ich mich noch auf ein Sundowner Bierchen mit jemandem treffe. Manchmal – so wie heute – sitze ich auch einfach auf meinem Balkon, meine Lichterkette leuchtet und unten von der Straße tönt Musik, Unterhaltungen und gelegentliches Hupen zu mir hinauf. Donnerstags geht es nach der Arbeit immer direkt in die Kletterhalle. Es ist eine kleine Klettercommunity hier, so dass man sich eigentlich kennt. Nach dem Klettern kommt Abdul manchmal mit zu mir und wir holen uns unterwegs noch Essen an meinem mittlerweile favorite Fastfood Restaurant, wo es chicken und fish mit rice oder chips gibt zu super Preisen. Dann genießen wir unser Abendessen bei mir am Balkon und ich freue mich auf mein wohlverdientes Radler (das muss ich natürlich selbst zusammenmischen).

Partyycrew gefunden?

Einige erinnern sich vielleicht, dass ich ja noch auf der Suche nach einer Partycrew war. Nun, ich bin in der Expat-Community angekommen und ich muss sagen, die Irish crew ist immer für drinks und party zu haben. Seitdem die Ausgangssperre vor ein paar Wochen aufgehoben wurde, sind meine Freitagnächte auf jeden kürzer und meine Samstage dafür umso fauler.

Kannst du da abends um die Häuser ziehen?

Um die Häuser ziehen kann ich nicht direkt, nicht so, wie ich es in Nürnberg machen würde. Hier trifft man sich eher mit ein paar Leute in einer Location und fährt dann mit Taxi oder Keke weiter zur nächsten. Einerseits sind die Location nicht so nah aneinander und andererseits ist es dort, wo sie nah beieinander sind – auf der Beach Road – nicht so sicher in der Nacht. Ich habe allerdings auch direkt bei mir in absoluter Nähe zu meiner Wohnung einen Nachtclub und auch ein kleines Restaurant, von wo aus ich auch heimlaufen kann.

Und am Wochenende dann an den Strand?

Ich muss zugeben – ja, ganz viel ist hier auch Klischee. Unter der Woche schön anstrengend arbeiten und dann am Wochenende Party-on und chillen am Strand. Auch für dieses Wochenende wurde ich schon eingeladen, weil eine Expat-Crew von Freitag bis Sonntag an den Strand fährt und dort das Wochenende verbringt. Manchmal fahre ich da mit. Dieses Wochenende nicht. Manchmal mach ich auch einen entspannten und mach am Samstag schön meinen Haushalt und chille dann am Sonntag an meinem Lieblingsplatz am Stadtstrand und schau den Fußballspielern zu oder fahre am Nachmittag zum Cockle Point Beach. Das ist der Plan für diesen Sonntag. Deshalb für euch im Herbst, ein paar Strandbilder von meinen Wochenenden hier:

Was ist das Schönste und was ist das Schwierigste für mich?

Das ist ganz einfach zu beantworten. Das Schwierigste bzw. Nervigste für mich war in den letzten Wochen, dass wir oft keinen Strom hatten bei mir in der Straße. Ich sehe von meinem Balkon aus, dass die ganze Stadt die Hügel in ein wunderschönes Lichtermeer verwandelt, aber meine Straße ist dunkel, bis auf die Häuser, die ihren Generator angeschmissen haben. Und da sind wir schon bei meinem Hauptproblem hier. Wie zu erwarten war, sind es die Generatoren oder besser gesagt, ihr Geräusch. Leider bin ich sehr empfindlich was monotone Motorengeräusche angeht. Angefangen bei der Dunstabzugshaube, über den Staubsauger bis hin zur Klimaanlage des Nachbarn oder noch schlimmer ihrer Generatoren. Aber gut – das wird ganz offensichtlich meine persönliche Challenge hier werden. Ruhig atmen und die Generatorengeräusche im Geiste umarmen.

Und das Beste oder Schönste hier? Ich finde es schlicht und ergreifen sehr gut, dass ich bei einer Umweltschutzorganisation arbeite und hoffentlich durch meine Arbeit die Folgen des Klimawandels abgeschwächt werden können und wir es schaffen, wichtige Lebensräume zu erhalten, Arten zu schützen und die Lebensgrundlage der Menschen nachhaltig zu sichern.

Und natürlich ist auch der Blick von meinem Balkon rüber aufs Meer sehr schön und die vielen Begegnungen mit sehr freundlichen und offenen Menschen.

Hast du das Gefühl, dass deine Arbeit wirkt, dass du Sinnvolles mit deiner Arbeit erreichst oder alles wieder ist wie davor, wenn du weggehst?

Diese Frage habe ich zunächst immer ernsthaft beantwortet, bis mir dann eines Morgens im Bett klar wurde, dass mir zuvor noch nie jemand solche Fragen gestellt hat. Deshalb werde ich künftig immer mit Gegenfragen antworten: Und bei dir so? Hast du das Gefühl, deine Arbeit ist sinnvoll? Weshalb wird an meine Arbeit hier eine andere Erwartung gerichtet als an die Arbeit, die ich in Deutschland gemacht habe? Wieso muss auf einmal alles sinnvoll und nachhaltig sein, was ich mache und früher war es egal? Sollten wir nicht alle Sinnvolles und Nachhaltiges machen, so dass sich die Frage erübrigt?

Wie wohnst du?

Ich wohne in einer großen Wohnung in einer ganz netten Wohngegend. Es ist etwas lauter als ich das von meinen letzten Wochen in Moorenbrunn gewohnt war. Es ist immer etwas los auf der Straße, weil die Leute gegenüber vor dem kleinen Kiosk abhängen, wo immer Musik läuft und lebhafte Gespräche geführt werden. Ich bin langsam fertig eingerichtet, nur Vorhänge fehlen noch im Wohn-Esszimmer. Aber meine ersten Tomaten sind reif und ich habe meine Stammläden, in denen ich einkaufe. Ich habe einerseits Blick aufs Meer und gleichzeitig Blick auf die Hügel Freetowns. Kaum vermeidbar im dritten Stock. Die Gegend ist eine normale Wohngegend, nicht die schlechteste aber auch nicht die allerbeste. Eine ganz angenehme Mischung. Ich laufe nur 10-15 Minuten ans Meer und habe auch einen guten Anschluss an die „Öffis“. Die Öffis, das sind hier einerseits Minibusse, die aber nur sehr selten unterwegs sind. Die Fortbewegung findet hauptsächlich mit den Kekes oder Motorradtaxis statt.

Unten mal ein paar Eindrücke von der Wohnung, Balkon-Impressionen und der Blick in die Nachbarschaft:

Wie bewegst du dich fort?

Mein Fortbewegungsmittel ist etwas abhängig davon, was ich so mache. Zur Arbeit fahre ich immer mit meinem Auto, einem Landcruiser. Wenn ich am Wochenende an den Strand fahre oder abends zum Klettern gehe, mache ich das auch mit meinem Auto. Wenn ich sonst abends unterwegs bin und etwas trinken möchte, dann nehme ich normalerweise ein Keke oder wenn ich mich mit Freunden treffe, die in der Nähe wohnen, gehe ich auch sehr gerne zu Fuß, einfach um ein bisschen Bewegung zu haben.

Auf den Fotos sehr ihr mein Auto und Sulay, einen der beiden Keke-Fahrer meines Vertrauens.

Und kann man dich besuchen?

Ganz klare Antwort: Ja. Falls ich euch von der Fähre abholen soll, einfach kurz vorher Bescheid geben 😉

Das ist nun mal der erste Schwung Antworten auf Fragen, die immer wieder kommen. Wer mehr Fragen hat, immer her damit!

Wildlife Week and Deforestation

Wie jedes Jahr feiert CSSL auch dieses Jahr die Wildlife Week. Die Zielgruppe der Aktionen während der Wildlife Week sind hauptsächlich junge Menschen, aber auch unser weiteres Publikum aus Partnern, Community Members und Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik.

Das diesjährige Motto lautet: Forest and Livelihoods – sustaining people and plant. Ein perfektes Motto, um auf die Folgen der Deforestation auf die Lebensgrundlage der Menschen aufmerksam zu machen. Wie immer, war die Planung für mich interessant zu beobachten. Die Agenda für die Woche wurde mehrmals geändert und angepasst, so dass wir nun final die meisten Aktivitäten an drei Tagen hatten. Die Wildlife Week findet dieses Jahr vom 2. bis zum 8. Oktober statt – sie findet immer in der ersten Oktoberwoche statt.

Deforestation erleben

Generell ist es Teil des Konzeptes der Wildlife Week, junge Menschen mit der Natur und mit Wildlife in Berührung zu bringen. Dieses Jahr haben wir uns dafür entschieden, diese Experience in Big Water stattfinden zu lassen. Big Water ist ein Ort auf der Peninsula, in dem wir gerade dabei sind eine Ecolodge zu bauen und zu eröffnen. Als CSSL angefangen hatte, die Ecolodge zu errichten, war sie noch mitten im Wald. Nun ist sie eher am Waldrand, weil außenherum die Deforestation mit unglaublicher Geschwindigkeit fortgeschritten ist. Durch unsere Arbeit mit der Community von Big Water, wird aber anscheinend nicht mehr weiter abgeholzt, sondern nur noch die schon abgeholzten Bäume verarbeitet und abtransportiert. Teilweise wurde auch schon mit Reforestation begonnen – zum Beispiel an unserem World Environment Day.

Das Spannende daran, dass die Ecolodge nun am Waldrand liegt, ist, dass man direkt den Unterschied zwischen abgewaldeten Gebieten und Wald spürt und erleben kann. Aus Bildungs- und Awarnessperspektive nicht ganz schlecht. Fahrzeuge können nicht bis zur Ecolodge fahren. Die letzten 500m muss man zu Fuß auf einem Trampelpfad begehen. Die Autos bleiben direkt an der Stelle stehen, an der sich die Holzstapel befinden und auf den Weitertransport warten. Dann geht es wie gesagt zu Fuß weiter. Der Fluss plätschert zwar schon fröhlich neben einem her, aber die Sonne und die Hitze sind erbarmungslos. In diesem Bereich wurden zwar schon wieder ein paar Setzlinge gepflanzt, aber sie sind noch sehr klein, so dass man noch nicht von Wald sprechen kann, eher von ein bisschen Buschwerk.

Je näher man der Ecolodge kommt, umso dichter wird das Buschwerk und es gibt auch wieder echte Bäume. Die Lodge selbst ist dann wie ein kleines Paradies. Baumschatten, frische Luft, der Fluss plätschert und die Vögel zwitschern. Auf dem gegenüberliegenden Hang sieht man zwar noch abgeholzte Bäume, aber hauptsächlich sieht und fühlt man den Wald. Wundervoll.

Frische Luft, angenehme Temperaturen und Wasser…

… das sind ein paar der Benefits, die uns der Wald bietet. Alles Dinge, die wir zum Überleben brauchen und die Natur schenkt sie uns einfach so – solange wir sie nicht zerstören.

Am Montag haben wir im Rahmen der Wildlife Week einen Ausflug mit allen CSSL Mitarbeitenden aus Freetown nach Big Water gemacht. Einige Kolleginnen und Kollegen arbeiten ja immer im Büro und kommen selten raus. Auf den Fotos seht ihr uns auf dem Weg zur Ecolodge und dann sind wir aufgebrochen Richtung „monument site“. Was sich dahinter verbirgt, werde ich wohl erst bei meinem nächsten Besuch erfahren. Die Flussdurchquerung haben alle noch mit Lachen und Freude mitgemacht, den ersten Anstieg entlang an den gerodeten Flächen auch noch, aber als es dann immer weiter bergauf ging, mussten wir irgendwann abbrechen. Irgendwie nehmen einen die Leute hier immer nicht ernst, wenn man sagt, man geht wandern. Kennt man hier nicht. War aber nicht meine Idee! Auf jeden Fall ging es dann erst einmal wieder zurück. Die Begründung war, dass ein paar Kolleginnen und Kollegen für die Radio Diskussion am Abend im Rahmen der Wildlife Week rechtzeitig zurück in Freetown sein mussten.

An einer Stelle im Wald, muss man rennen. Dort queren Ameisen den Weg. Große schwarze Ameisen. Wenn man zu langsam ist, greifen sie an und krabbeln sofort an den Beinen hoch. Also mussten alle diese fünf Meter rennend überwinden. Wat ein Spaß!

Die Fotos sind eine bunte Mischung aus Ausflugsfotos, Deforestation und Natur. Da wir alle immer unsere CSSL-Ranger-Westen tragen, sieht es ziemlich witzig aus, wenn wir im Trupp unterwegs sind.
Alle, die mich besuchen kommen, können Big Water schon mal auf ihre Liste setzen. Da gehen wir auf jeden Fall hin!

Am Dienstag stand dann der Ausflug nach Big Water mit Kindern aus den School Nature Clubs, unseren Vorstandsmitgliedern, geladener Presse und Partnerorganisationen an. Ich bin nicht mit im Partybus gefahren, weil ich seit einer Woche etwas kränkle und außerdem das Essen abholen und mitbringen musste. Somit habe ich erst im Nachhinein davon erfahren, dass der Bus nicht um 7:30h am Treffpunkt gestartet ist, sondern erst so gegen 9 und dann auch noch einen Breakdown auf der Strecke hatte. Ich dachte schon, wir wären spät dran, aber weit gefehlt. Der Hauptteil der Teilnehmenden kam erst nach eins in Big Water an.

Herausforderungen und Hoffnungen

Die Wartezeit habe ich damit verbracht, die Arbeiten an der Ecolodge zu beobachten und es gab schon eine Gesprächsrunde mit den Vertreterinnen und Vertretern der Community – die waren pünktlich da. Der Sprecher hat sehr klar die Herausforderungen thematisiert. Wie immer habe ich nicht jedes Wort verstanden, da die Diskussion in Krio war, aber die Hauptpunkte habe ich mitbekommen. Die Probleme sind immer die gleichen: die Menschen leben davon, dass sie Holzkohle herstellen und diese verkaufen; dass die Regierung die Gesetze zum Schutz des Waldes nicht wirklich umsetzt; und im Falle von Big Water, dass auch Menschen von anderen Communities kommen und die Bäume fällen. Das ist ein Unterschied zu den Communities in der Nähe des Gola Nationalparks.

Die Community Mitglieder sind wohl auch etwas enttäuscht, weil sich das mit der Ecolodge so ewig hinzieht. Hier müssen wir anscheinend noch ein bisschen am Erwartungsmanagement arbeiten. Aber der Wille ist da, das Verständnis, weshalb der Wald wichtig ist auch, aber am Ende fragen alle immer nach den direkten, kurzfristigen (finanziellen) benefits. Was erzähle ich euch… Die Wahlergebnisse der Bundestagswahl zeigen ja, wie sehr sich Menschen in Deutschland für die Zukunft des Planeten und für unser aller Zukunft einsetzen wollen.

Reden, Reden und nochmals Reden

Dann kam tatsächlich noch der Bus an und mit ihm die Schulkinder, ihre Lehrkräfte und die weiteren Teilnehmenden. Dann folgten die Reden, die nie fehlen dürfen. Erst einmal ein bis zwei Reden zur Wildlife Week, dann der Direktor von CSSL, dann der Community Chief, dann nochmal CSSL Mitarbeiter, dann Vorstandsmitglieder, dann der Vertreter der Forestry Division vom Landwirtschaftsministerium, dann Community Leute, dann der Präsident des CSSL Vorstands, dann unsere Biodiversity Officer mit ein bisschen Information und Input zu Wildlife in Sierra Leone.

Die Späteren hatten natürlich die schwierige Aufgabe noch irgendetwas Neues zu sagen, da sich ja alle einig sind. Wir müssen die Wälder schützen, wir müssen die Tiere schützen, wir müssen etwas gegen den Klimawandel tun und die Natur ist unsere Freundin. Die Hauptbotschaft von allen war, dass der Wald uns alles Wichtige zum Leben bietet und wir ohne Wald nicht leben können. Die Schülerinnen und Schüler haben die Aufgabe, all diese Informationen und ihr neues Wissen in den kommenden Tagen bei den Schulversammlungen vorzutragen und so unsere Botschaft an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler weiterzugeben. (Hinweis: es gibt hier normalerweise an den Schulen morgens immer eine Assembly. Ich kenne das bisher schon aus anderen Ländern. Morgen werde ich bei meiner ersten Schul-Assembly in Salone teilnehmen. Bin schon gespannt.)

Mit den Best of the 60s der Sonne entgegen

Und dann war auch schon wieder ein anstrengender Tag fast zu Ende. Nach dem Essen habe ich mich mit meinem Fahrer auf den Rückweg nach Freetown gemacht. Seit knapp zwei Wochen sind wir nicht mehr auf das unzuverlässige Radionetz angewiesen. Ich habe bei einem Freund ein paar CDs gefunden, die anscheinend schon vor ihm in seiner Wohnung waren. So dass Sinneh – so heißt mein Fahrer übrigens – und ich nun immer zum besten Sound der 60er Jahre durch Freetown und die Peninsula cruisen. Es sind insgesamt vier CDs und wir haben unsere Lieblings-CD heute gekürt. So fahren wir dann im Abendlicht der Sonne über die roten Straßen am Meer entlang und singen beide bei unseren Lieblingsliedern mit.

Leider war der Abend dann noch nicht ganz zu Ende. Ich habe mich tatsächlich noch zum Abspülen aufgerafft. Ich habe mich schon seit ein paar Tagen gefragt, warum es so komisch riecht in der Küche. Ich dachte, es liegt an der Wasserleitung. Leider habe ich gestern festgestellt, es liegt daran, dass der Abfluss undicht ist und sich das leckere Spülwasser in meinen Unterschränken sammelt. Leider sind die so gemauert, dass nur sehr kleine Menschen unter sie kriechen können, um das zu säubern. Ich warte nun schon seit 1,5 Stunden auf den Hausverwalter und den Klempner, bin extra früher aus der Arbeit heim. Aber anscheinend schaffen die es nicht rechtzeitig. Ich bin heute nämlich noch für ein Sundowner Bier verabredet, das ich mir nicht entgehen lassen kann. Meine kleinen Entspannungsfenster sind zu wertvoll. Die kann ich nicht opfern – auch nicht für einen reparierten Abfluss…

Experience Sharing

Nachdem gestern Abend kein Strom und damit auch kein Internet da war, poste ich den Artikel erst heute. Dafür bekommt ihr jetzt auch noch ganz frisch Fotos von der Schulversammlung. Wie an vielen Schulen in afrikanischen Ländern und auch in Indien ist es üblich, dass sich morgens alle Schüler und Schülerinnen in Reihen aufstellen. Es gibt – je nach Land und Schule – normalerweise ein Gebet, Lieder, eine Ansprache von einer Lehrkraft, manchmal auch einen extra Input, so wie heute von uns, und dann manchmal noch ein paar Worte des Direktors oder der Direktorin. Anschließend wird die Nationalhymne gesungen und die Flagge währenddessen gehiesst.

Wir durften heute vor den Jungs etwas über Conservation und Wildlife erzählen und die drei Mitschüler, die mit uns am Dienstag in Big Water waren, haben ihr Wissen vermittelt. Es war wirklich sehr gut. Hauptbotschaft: Wald beschützen – der Wald gibt uns frische Luft, sauberes Wasser, Medizin, Essen und sogenannte „non-timber-products“.

Jetzt muss ich schnell los. Wir haben noch quaterly CPS-Meeting.

Happy 35th Birthday CSSL

Nachdem ich die letzten zwei Tage mit Erkältung und Schnupfen zuhause war, habe ich mich heute aufgerafft und bin ins Büro gefahren. Ich will mir die Feierlichkeiten zum 35. Geburtstag von CSSL nicht entgehen lassen!

35 Jahre ist eine stolze Zahl und ein stolzes Alter für eine Organisation hier. Natürlich wäre es ein super Anlass gewesen kommunikationstechnisch richtig auf den Putz zu hauen mit vielen Aktionen und großem Tamtam. Wie so oft hier, scheiterte dieses Vorhaben aber an kurzfristiger Planung und zu viel auf dem Tisch. Ich hatte Anfang August ein Konzept vorgelegt, was wir alles machen könnten, leider ist das irgendwie untergegangen, so dass wir dann erst vor zwei Wochen wieder in die Planung eingestiegen sind. Zwischenzeitlich war nicht klar, ob es überhaupt eine Veranstaltung geben wird, wegen der Covid-Restriktionen. Jetzt ist es etwas schade. Wenn klar gewesen wäre, dass wir eine Pressekonferenz mit Fernsehsender abhalten, dann hätten wir etwas mehr Gas gegeben und unsere neuen Roll-Ups und unsere Business-Cards wären vielleicht schon fertig. Aber so ist es eben, wie es ist. No wahala.

Radio, Presse und neue Website

Trotz kurzer Planungszeit haben wir jetzt eine ganz gute mediale Abdeckung. Gestern gab es eine Radiodiskussion auf Radio Democracy. Das ist ein Radiosender, der landesweit ausstrahlt und ziemlich bekannt und beliebt ist. In der Radiodiskussion haben unser Vorstandsvorsitzender, unser Programm Manager und ein weiteres Board Mitglied über die geschichtliche Entwicklung von CSSL berichtet, über aktuelle Herausforderungen und Erfolge. Eine Botschaft für die Radiodiskussion war: become a member. Wir suchen natürlich immer neue Mitglieder. (Ich arbeite noch daran, dass auch ihr alle ganz einfach Mitglied werden könnt und euren Jahresbeitrag ganz easy online überweisen könnt. Das ist leider nicht so leicht, wie ich am Anfang gedacht habe.) Und unsere neue Website wurde beworben.

Jetzt startet gleich die Pressekonferenz. Ich bin schon sehr gespannt, wie das so wird. Ich werde dann im Anschluss direkt hier berichten.

Pressekonferenz mit kritischen Journalisten

Ich mag es wirklich, wie die Leute uns immer wieder daran erinnern, dass wir eigentlich viel mehr machen sollten. Nach den Statements von Programm Manager, Executive Director und President of the Board gab es Zeit für Fragen aus dem Publikum. Die Statements handelten von der Geschichte CSSLs, von unseren aktuellen Projekten und insbesondere unser Executive Director hat die Presseleute dazu aufgerufen, Conservation eine Stimme zu geben und unsere Anliegen einem breiten Publikum zu erklären und unsere Botschaft zu verbreiten. Die Journalisten sind alle für Conservation und unterstützen unsere Anliegen. Aber es kamen doch sehr kritische Fragen, insbesondere für den Bereich Advocacy und Öffentlichkeitsarbeit. Sie finden wohl, dass wir nicht sichtbar genug sind. In Bezug auf den Geburtstag und auch die Wildlife Week weiß ich natürlich sehr genau woran das liegt. Mein Ziel ist es jetzt, dass die Presseleute bei der Pressekonferenz nächstes Jahr, vor allem inhaltliche Fragen stellen und sich unsere mediale Sichtbarkeit bis dahin stark verändert hat. Ideen sind da, jetzt müssen wir nur noch schauen, ob wir es auch schaffen, diese umzusetzen.

Hier ein paar Fotos von der Pressekonferenz:

Mein persönliches Highlight heute: die neue Website

Mein persönliches Highlight ist natürlich, dass die neue website nun offiziell beworben wird. Eines meiner ersten Projekte, die ich umgesetzt habe. Website ist natürlich ein Projekt, dass nie ganz abgeschlossen ist und ein paar Kleinigkeiten sind noch nicht so, wie ich sie gerne hätte, aber im Großen und Ganzen finde ich, dass die Seite gut aussieht. Vor allem, wenn man noch die alte Seite kennt. Auch die Anwesenheitsliste heute war im neuen Design. Ich glaube, langsam, langsam wird sichtbar, woran ich seit Juni arbeite. Somit feiere ich heute nicht nur 35 Jahre CSSL, sondern auch meine kleinen und großen sichtbaren Erfolge.

Und diejenigen, die nun neugierig sind, können einfach mal auf cs-sl.org klicken und unsere neue Seite anschauen. Da alles noch neu ist, freuen wir uns natürlich über Rückmeldungen, entdeckte Fehler und Kommentare.

Ich nehme mir jetzt die Worte der Journalisten zu Herzen und setze mich direkt wieder an meine Jahresplanung für 2022. Die muss ich nämlich bis morgen abgeben…

Participatory Videos sind online

Wie versprochen kommt hier die Info, dass die participartory videos zum International Peace Day jetzt online zur Verfügung stehen. Leider kann ich sie nicht einbinden.

Ich habe sie im Beitrag zum International Peace Day verlinkt. Einfach den Link klicken und runterscrollen.

Die Videos geben euch gute Einblicke in den Alltag hier und ihr seht, wie es in einer Fischercommunity so aussieht.

Link zum Beitrag International Peace Day

International Peace Day

Jedes Jahr am 21. September wird der Weltfriedenstag der Vereinten Nationen gefeiert- auf Englisch International Peace Day (IPD). Den IPD gibt es seit 1981. Da ich als Fachkraft des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) in Sierra Leone bin, hat dieser Tag auch für mich, meine Organisation und unser ZFD-Netzwerk hier eine große Bedeutung. Jedes Jahr um den 21. September herum, organisieren wir gemeinsam Aktionen zum Thema Frieden in der Gesellschaft. Dieses Jahr ist unser Motto:

„Action for Peace in Times of Covid-19“

Während der Meetings des ZFD-Netzwerkes zur Themenfindung und auch in den folgenden Workshops habe ich mir immer wieder gedacht, dass das Thema auch in Deutschland dieses Jahr sehr passend gewesen wäre. Die Pandemie und vor allem die Maßnahmen, die zu ihrer Eindämmung ergriffen wurden, haben in vielen Gesellschaften Konflikte hervorgerufen. In Deutschland mag es die Diskussion um Freiheitsrechte sein, hier ging es etwas substantieller zur Sache – hier ging es um das tägliche Einkommen und Auskommen der Menschen. So oder so trifft die Pandemie die Menschen weltweit und bringt in vielen Gesellschaften Konflikte oder Schieflagen zu Tage, die schon zuvor da waren. Die Pandemie zeigt auf, wie ernsthaft die Situation wirklich ist.

Mit Blick auf Deutschland rede ich jetzt nicht mehr von den Freiheitsrechten. In Deutschland geht es zum Beispiel eher um die Betreuung und Begleitung von Kindern, Kranken und Menschen in Notlagen oder die Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

In Sierra Leone hat ein scharfer Lockdown letztes Jahr die Leute drei Tage in ihre Häuser verbannt. Niemand durfte arbeiten gehen. Das wird zu einem sehr ernsthaften Problem, wenn man von der Hand in den Mund lebt und die Tageseinnahmen dringend benötigt, um das Abendessen für die Familie zu Hause zu kaufen. Kaum jemand hier hat Ersparnisse oder eine volle Speisekammer, auf die man zurückgreifen kann, wenn man mal ein paar Tage keine Einnahmen hat, geschweige denn irgendwelche Unterstützung von staatlicher Seite. Aber nun erst einmal wieder zurück zum International Peace Day.

Actions for Peace durch die Kameralinse

Im ZFD-Netzwerk vereinen sich die unterschiedlichsten Organisationen. Es gibt Organisationen, die sich wie wir für Umweltschutz und Conservation einsetzen, welche, die sich für die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen stark machen, Partner, die ihren Hauptfokus auf die Ernährungssituation der Menschen haben, Jugendorganisationen und so weiter und so fort. Das bedeutet für den International Peace Day, dass wir viele verschiedene Inputs und Kapazitäten bündeln können für ein buntes Ergebnis.

Zum diesjährigen IPD sind Aktionen in zwei-drei Communities in Freetown geplant. Es wird ein kleines Theaterstück der Freetong Players International geben, in den Tagen vorab starteten schon Radiobeiträge hauptsächlich organisiert von Culture Radio und dann wird es bei den Hauptaktionen am 21. und am 23. auch noch eine Videopräsentation geben. Gemeinsam mit Mitgliedern aus verschiedenen Stadtteilen gab es vor zwei Wochen schon einen Workshop, um Participatory Videos zu drehen. Die Videos die dann daraus letzte Woche entstanden sind, werden nun gezeigt.

Hier erst einmal ein paar Eindrücke von den Community Engagements und den Radioauftritten und natürlich die tollen Sticker. Mal wieder beste Whatsapp-Qualität, aber immerhin…

Participartory Videos for Peace

Eines der Projekte für den Weltfriedenstag sind die Participartory Videos zum Thema. Da ich etwas neugierig war, wie das Ganze hier umgesetzt wird, haben Mariama und ich Ende August an dem dreitägigen Workshop teilgenommen. Außer uns haben Mitglieder aus verschiedenen Stadtteilen bzw. Gegenden in und um Freetown teilgenommen. Innerhalb der drei Tage haben wir uns zunächst mit den Themen Konflikt und Frieden beschäftigt. Was bedeutet Konflikt für uns in unserer direkten Umgebung? Was bedeutet Frieden? Welche Konflikte entstanden oder kamen zum Vorschein durch die Pandemie und wie waren die Lösungen?

Die Idee der Participartory Videos ist, dass nicht ein professionelles Filmteam das Script verfasst, sich die Dialoge ausdenkt und dann den Film dreht und schneidet. Die Idee ist, dass der komplette Film von den Menschen, um die es geht, selbst entworfen, gedreht und geschnitten wird. Einerseits gibt man so Menschen eine Stimme und zugleich werden noch Wissen und Fähigkeiten vermittelt.

Nachdem wir uns also mit Konflikt- und Friedensdefinitionen und deren Realitäten auseinandergesetzt hatten, ging es darum, die Kameras kennenzulernen. Worauf ist zu achten, wenn man Fotos macht, wenn man einen Film dreht. Welche verschiedenen Blickwinkel gibt es, Kameraeinstellungen, was hat das Licht mit dem Ergebnis zu tun… Der Workshop war sehr gut und vor allem war er perfekt auf die Zielgruppe zugeschnitten. Ich muss wirklich sagen, ich habe hier schon an ein paar sehr guten Workshops teilgenommen. Das war definitiv einer davon. Die Arbeit in den Kleingruppen anschließend, um die Stories zu entwickeln war auch sehr interessant und es herrschte die ganze Zeit ein sehr gute Atmosphäre. Für mich waren die Tage etwas anstrengend, da alle die ganze Zeit Krio gesprochen haben. Ich habe zwar verstanden, worum es so ging, aber ich war sehr froh, dass ich Englisch reden konnte, wenn ich mal einen Input gegeben habe.

Am letzten Tag ging es dann mit den Kameras auf die Straße zum Testlauf. In kleinen Gruppen von fünf, sechs Leuten sind wir los und haben Leute auf der Straße interviewt. Es ging erst einmal darum, zu lernen, wie spreche ich jemanden an, wo muss die Kamera stehen, damit man den besten Winkel hat und die Person auch gut erkennen kann und ähnliches. Wir waren eine kleine Filmcrew mit Kameramann, Director (der immer laut „Action“ und „Cut“ rief 🙂 ) und weiteren Crewmitgliedern.

Interviewt wurden der Besitzer des Matratzenladens, ein Okada-Fahrer, eine Schuhverkäuferin, zwei Frauen auf der Straße, der Besitzer eines Werkzeugladens und der Besitzer eines Handy-repair-shops. Somit bekommt ihr nicht nur Eindrücke von unserem Workshop, sondern auch gleich noch ein bisschen von den verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten hier.

Documentary: Fakenews provozieren Chaos in Tombo

Leider konnte ich bei den Flmaufnahmen in Tombo und Freetown nicht dabeisein. Deshalb bin ich umso mehr gespannt auf das Ergebnis. Aber zumindest habe ich schon eine Ahnung davon, worum es geht. Letztes Jahr wurde ein dreitägiger Lockdown ausgerufen. Das hieß auch, dass zum Beispiel die Fischer aus Tombo drei Tage lang nicht aufs Meer fahren durften, um zu Fischen. Nach den drei Tagen gab es Gerüchte, dass am ersten Tag nur 10 von den über 100 Booten aufs Meer fahren dürfen. Da die Fischer und die Fischverkäuferinnen schon drei Tage ohne Einkommen waren, führte diese Information oder diese Fakenachricht zu einem riesen Chaos mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Fischern und den Sicherheitskräften vor Ort. Auch das Krankenhaus war betroffen und Einrichtung wurde zerstört, so dass das medizinische Personal nicht einmal in der Lage war, die Verletzten zu versorgen.

Unser Storyboard sollte eine Art Dokumentation über diese Tage und Auseinandersetzungen werden. Wir wollen Fischer, Fischverkäuferinnen, den Hafenmeister und Sicherheitskräfte interviewen, wie sie die Situation wahrgenommen haben, was aus ihrer Sicht zum Chaos führte und was man in Zukunft in ähnlichen Situationen anders machen sollte, um den Frieden zu wahren. Unsere Botschaft war: don´t believe in fakenews! Und vor allem sollten dann bei Diskussionen und in Gesprächen mit den Leuten aufgeklärt werden, woran man Fakenews erkennt und welche Quellen zuverlässige Quellen sind.

Wie gesagt, ich war selbst beim Dreh nicht dabei, aber auf der Facebook-Seite des West African Youth Networks gibt es ein paar Bilder aus Tombo vom Videodreh und zwei kurze Videos (beides auf der Facebook-Seite des WAYN).

Social Media als Nachrichtenquelle

Das Problem hier ist, dass viele Menschen – ich übrigens auch – alle wichtigen Informationen zu Benzinpreisen, Covid-Regeln, neuen Gesetzen und so weiter normalerweise über whatsapp erhalten. Erst letzte Woche kam eine Nachricht in unsere CSSL-Arbeits-Whatsapp-Gruppe mit einem ganz klar manipulierten und bearbeiteten Bild zu neuen Benzinpreisen. Der Kollege, der es gepostet hat, dachte anscheinend, es ist echt. Zum Glück hat ziemlich schnell jemand anderes darauf hingewiesen, dass es Fake ist. Aber Leute, die nicht so genau hinschauen, nehmen das ernst und dann kann Chaos ausbrechen. Ich denke, insbesondere Benzinpreise und Lockdowns haben hier eine riesen Sprengkraft. Steigen die Benzinpreise, steigen die Kosten für den Transport und gleichzeitig auch alle Lebensmittelpreise, da diese ja auch transportiert werden müssen.

In unserem Trainingsworkshop für die Participartory Videos haben wir auch ein Beispiel Video angeschaut, dass genau das Thema Fakenews und Covid behandelt hatte. Es ist echt irre, dass durch dieses Internet, weltweit die gleichen Verschwörungstheorien zu finden sind und auch diejenigen, die Corona leugnen, die gleichen unsinnigen Argumente zusammentragen – vielleicht mit einer leichten lokalen Anpassung. Wie so oft komme ich also zu dem Schluß: überall die gleichen Idioten unterwegs, überall ähnliche Freuden und Probleme 🙂 Vielleicht sind wir Menschen doch alle ein bisschen ähnlicher, als es manchmal den Anschein macht…

Hier sind jetzt tatsächlich die Videos zu sehen

Hinweis: Ich habe den Artikel schon am 21. September geschrieben und gehofft, dass die Videos bald online zur Verfügung stehen. Sie sind aber leider noch nirgends hochgeladen. Ich veröffentliche also den Artikel heute schon einmal ohne Videos. Wenn die Videos dann irgendwann einmal verfügbar sein sollten, verlinke ich sie und gebe euch Bescheid.

–> Zwei Tage später sind die Videos zwar online, aber ich kann sie leider nicht einbinden, so dass ihr auf die Links klicken müsst, um die Videos anzuschauen. Ihr gelangt nach Facebook. Dort sind die Videos hochgeladen. Viel Spaß beim Anschauen 🙂

–> nochmal einen Tag später… wenn man die richtigen Leute kennt, bekommt man eben auch den Youtube-Link und kann die Videos richtig schön einbinden 🙂

Das erste Video hat eher einen dokumentarischen Charakter, das zweite zeigt eine Geschichte. Die jungen Leute, die am Workshop teilgenommen haben, sind die Actors im Video.

Das schöne bei den Videos ist, dass sie euch ganz gute Einblicke in das normale Alltagsgeschehen hier auf der Straße geben. Und ihr könnt ein bisschen Krio lernen. Die Audioline ist meist Krio, aber es gibt englische Untertitel.

Frieden – eine Aufgabe für uns alle

Was bringt nun so ein Weltfriedenstag eigentlich? Ich denke, es ist einfach immer wieder gut, sich Gedanken zu machen, wo die Konfliktlinien in Gesellschaften verborgen sind oder offen daliegen und wie der Frieden immer wieder aufs Neue bewahrt und beschützt werden kann. In Sierra Leone sind viele Menschen noch geprägt vom Krieg in den 90ern. Auch diejenigen, die ihn nicht miterlebt haben, wissen, wie schnell aus Frieden Krieg werden kann und wie schrecklich dieser Krieg war. Frieden wahren, ist deshalb ein sehr hohes Gut hier. Auch wenn es manchmal Sachen erschwert, da damit auch Kritik und fruchtbare Konflikte nicht ausgetragen werden – aber besser, als wieder Krieg, so die Meinung der meisten hier.

Ich denke heute auch an alle, die gerade keinen Frieden mit uns feiern können. Konflikte gibt es leider noch viel zu viele auf der Welt, deshalb sollten wir – die wir in Frieden leben – diesen auch wertschätzen, wahren und genießen! Vielleicht ist es auch in Europa gut, sich ab und an Gedanken über Krieg und Frieden zu machen. Und zwar nicht nur mit Blick in die Vergangenheit, sondern auch mit einem Blick in die Zukunft.

Euch allen wünsche ich auf jeden Fall inneren und äußeren Frieden und einen happy International Peace Day.

Nichts für zarte Seelen

Heute muss ich euch auf einen Exkurs in die Geschichte mitnehmen. Einen Teil der Geschichte, der sich ins kollektive Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt hat und ihre Gefühle und Wahrnehmungen teilweise bis heute berührt. Am Wochenende war ich auf Bunce Island, dem ehemaligen Handelsstützpunkt der Briten für Sklaven.

Der transatlantische Sklavenhandel – ein oberflächlicher, geschichtlicher Abriss

Ich bin keine Expertin auf dem Gebiet des transatlantischen Sklavenhandels, deshalb möchte ich hier nicht mit zu vielen geschichtlichen Fakten aufwarten. Viele Menschen in Europa denken irgendwie, dass Kolonialismus und Sklavenhandel eins sind. Das stimmt nicht. Der Sklavenhandel begann sehr viel früher als der Kolonialismus. Der transatlantische Sklavenhandel begann relativ zeitgleich mit der Ankunft der Europäer an den afrikanischen Küsten und der Besiedlung der Amerikas durch die Europäer.

Für alle, die sich noch nicht so oft mit dem Thema beschäftigt haben, hier nur ganz kurz und oberflächlich: europäische Handelsmächte kauften Menschen an den afrikanischen Küsten (hauptsächlich an der Westküste) und verschifften ihre menschliche Ware in die Karibik und in die Südstaaten der heutigen USA.  Es tut mir etwas weh, so etwas wie „menschliche Ware“ zu schreiben. Die Sklavenhändler hätten sogar noch das menschliche weggelassen. Für sie waren diese Männer, Frauen und Kinder nur Waren, mit denen sie möglichst viel Profit machen wollten. Wir wissen, dass viele dieser Menschen während der Überfahrt wegen Wassermangel, Nahrungsmangel und Krankheiten, die sich wegen der nicht möglichen Hygiene ausbreiteten, starben und über Bord geworfen wurden. In den Amerikas mussten die Sklaven hauptsächlich in der Landwirtschaft arbeiten. Die landwirtschaftlichen Produkte wurden dann wiederum nach Europa geschifft, dort gegen europäische Waren getauscht, diese wurden dann in Afrika wieder gegen Sklaven getauscht. Das ist das sogenannte Modell des Dreieckshandels.

Als erstes europäisches Land Verbot Dänemark im Jahr 1792 den Sklavenhandel (das Verbot trat aber dann erst im Jahr 1803 in Kraft). Erst im Jahr 1807 wurde der Sklavenhandel von Großbritannien offiziell verboten. Ab diesem Zeitpunkt bekämpfte Großbritannien den Sklavenhandel auch in internationalen Gewässern.

Die Abschaffung des Sklavenhandels hieß nicht zugleich die Abschaffung der Sklaverei. Aber so viel Platz habe ich hier leider nicht, um zu sehr in die Tiefe zu gehen. Ich bin sicher, wenn ihr Sklavenhandel in eure Suchmaschine eingebt, bekommt ihr schön aufbereitete Infos dazu.

Und hier noch ein kleiner Funfact: Während ich diesen Text schreibe, läuft meine Playlist und nun ratet mal, welches Lied gerade läuft: Keine Macht für niemand 😊 Wie passend.

Zutiefst berührt auf Bunce Island

Natürlich habe ich am Wochenende nicht das erste Mal vom Sklavenhandel gehört. Natürlich weiß ich, dass die „Black lives matter“ Bewegung nicht im luftleeren Raum entstanden ist. Natürlich weiß ich, dass die Folgen des transatlantischen Sklavenhandels bis heute Auswirkungen in den Gesellschaften haben, denen alle gesunden Männer und Frauen gestohlen wurden, in denen das handwerkliche Wissen von Generationen verloren ging, in denen ganze Generationen entwurzelt wurden und schreckliches Leid erleben mussten – dennoch: der Besuch auf Bunce Island hat mich ganz tief Innen berührt.

Vielleicht kennt ihr das Gefühl, das einen überkommt, wenn man ein KZ besucht. Wir wissen theoretisch alle, was in den KZs vorgegangen ist. Aber wenn man dort ist, spürt man auf einmal die Angst, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und zugleich bin ich immer ganz leer und taub von dem Wissen, dass es Menschen waren, die anderen Menschen all dieses Leid angetan haben.

Can you imagine – for 140 years these things happen

Ein großes Lob sei hier nochmals unserem Guide ausgesprochen. Er hat es hervorragend geschafft, sachliches Wissen zu vermitteln ebenso wie uns sehr deutlich auf die Monstrositäten hinzuweisen, die auf dieser Insel geschehen sind. Zunächst benutzen die Portugiesen Tasso Island als Handelsstützpunkt. Die Portugiesen betrieben zu dieser Zeit noch keinen transatlantischen Sklavenhandel, sondern handelten mit „normalen“ Waren. Als die Briten die Küste Sierra Leones in ihre Gewalt gebracht hatten, startete der Sklavenhandel zunächst auch auf Tasso Island. Tasso ist jedoch etwas größer, es gibt dort drei Dörfer, die Insel ist sehr bewaldet, so dass es für die Sklaven vergleichweise einfach war, abzuhauen und sich in den Wäldern zu verstecken. Das war aus ökonomischer Sicht für die Briten natürlich gar nicht gut. Sie entschieden sich deshalb, ihren Stützpunkt nach Bunce Island zu verlagern. Das ist eine sehr kleine Insel. Die ganze Insel wurde entwaldet und das Fort darauf errichtet. Die beiden „Räume“ für die Sklaven – einer für die männlichen, einer für die weiblichen – waren ohne Dach. „If it rains or if it suns, they always were outside. Can you imagine?” Wir reden hier nicht von einem kleinen Sommerregen und einer angenehm wärmenden Sonne auf der Haut. Wir reden hier von tropischen Regenstürmen und unglaublich intensiver Sonne. „The women all half naked. Only wearing the tapa. Can you imagine? The slave traders just choose and took them to abuse them. Can you imagine. For 140 years…” Auf der Insel gibt es auch einen Friedhof. Sehr viele Europäer haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Und die Mende, Timne, Limba und anderen? Die wurden ins Meer geworfen, wenn sie auf der Insel verstarben. Keine Beerdigung. Kein „Ruhe in Frieden“. Kein Ort, an dem die Ahnen besucht werden können. Einfach mal kein Respekt vor den Toten.

Wissenschaftliche Untersuchungen aus den letzten Jahrzehnten gehen von insgesamt über 11 Millionen Menschen aus, die von Afrika nach Amerika als Sklaven verschifft wurden. Nicht mitgezählt sind hier all diejenigen, die schon zuvor an den unglaublich schlimmen Bedingungen verstorben sind.

Noch eine kurze Geschichte, die auf den Magen schlägt, und dann überlasse ich euch euren Gedanken. Unser Guide, Fortune, hat erzählt, dass ab und an auch Frauen mit Babies gefangen wurden. Diese Babies – ich schaffe es kaum, das wirklich zu schreiben – die Babies wurden an den Strand gelegt, mit dem Ziel sie an die Krokodile zu verfüttern. Die so angelockten Krokodile waren leichte Beute für die Sklavenhändler. Krokodilhaut war neben Elfenbein, Gold und Diamanten ein wertvolles Gut aus Afrika.

Nie wieder! – ein Ausruf, der leider viel zu oft nötig ist

Vielleicht versteht ihr nun, weshalb mir der Besuch auf den Magen geschlagen hat und ich auch euch nicht vor diesem Wissen verschonen möchte. Wie hieß so schön eine Aufsatzaufgabe in der Schule „Zukunft braucht Vergangenheit“. Ich kann nur hoffen, dass mit dem Wissen darüber, wie grausam wir in der Vergangenheit zueinander waren, die Zukunft rosiger und freundlicher aussieht. Das liegt in der Hand jedes und jeder einzelnen von uns.

Vor zwei Jahren habe ich in Ghana schon die Forts der Sklavenhändler an der Goldküste besichtigt. Wir haben uns auf dieser Reise schon etwas mehr mit dem Thema Sklavenhandel beschäftigt. Deshalb war noch etwas Wissen im Hinterkopf. Eindrücklicher war aber wahrscheinlich, was ich aus Büchern über das Leben und das Leid der verschleppten Menschen in Amerika weiß. Wer sich etwas mit dem Thema beschäftigen möchte, kann ja mal in „The Underground Railroad“ reinlesen.

Zum seelischen Ausgleich…

Um euch nicht vollkommen deprimiert zu verlassen ob der unglaublichen Unmenschlichkeiten, zu denen nur Menschen in der Lage sind, gibt es für den seelischen Ausgleich noch ein paar Fotos der Hoffnung von Bunce Island: das eine Foto zeigt mich mit Sarah und Hannah an der Wurzel eines Baumes. Da die Insel während des Sklavenhandels vollständig entwaldet war, ist klar, dieser Baum kann frühestens nach 1807 gewachsen sein. In „nur“ 200 Jahren ist er sehr weit gewachsen. Das macht uns Hoffnung für die Natur, wenn der Mensch nicht mehr da ist.

Das zweite Hoffnungsbild ist das mit dem Baum, dessen Wurzeln die Mauer stützen. Fortune sieht es als Bild dafür, wie die afrikanischen Nationen zusammenhalten sollten. Dann könnten sie sich gemeinsam stark gegen Amerika, China, Indien und Europa behaupten und würden endlich die Zeit der Unterdrückung hinter sich lassen. So Fortune.

… und noch ein paar „Urlaubsfotos“ von Tasso. Die 2,5 Tage auf Tasso haben sehr gut getan, um runterzukommen und Kraft zu tanken für den Endspurt bis Oktober.

Die Fotos wurden teilweise von Sarah oder Hannah aufgenommen bzw. Das eine von Fortune. All Photo Credits to them for their Photos!

Der Tanz mit dem Teufel

Vor zwei/drei Wochen war ich spontan für eine Woche in den Dörfern im Greater Gola Landscape unterwegs auf einer sogenannten Roadshow. Die Roadshows haben ihren Namen zurecht. Es ist eine Kombination aus Zeit auf der Straße und Showeinlagen. Wir nutzen diese Roadshows in verschiedenen Projekten zur Aufklärungsarbeit und Beziehungsarbeit mit den Menschen in den Dörfern rund um den Nationalpark.

Unterwegs mit Flatscreen, Verstärker und zwei goldenen Mikros

Gemeinsam mit meiner Kollegin Mariama und unserem Fahrer Sinneh sind wir zunächst am Sonntag nach Kenema gefahren. Ihr erinnert euch vielleicht – Kenema ist im Süden und ist die größte Stadt in der Nähe des Gola Rainforest Nationalparks. CSSL ist nicht direkt im Gola Nationalpark tätig, sondern in den umliegenden Kambui Hills. Die Kambui Hills waren ehemals dicht bewaldet, doch der Wald ist bedroht, da er immer weiter abgeholzt wird.

Um die Menschen in den forest edged communities über die Bedeutung des Waldes und die Folgen von Deforestation aufzuklären, sind wir eine Woche über die Dörfer getourt. Mit zwei Landcruisern, einem Team von insgesamt acht Personen und einem Flatscreen, Verstärker und zwei goldenen Mikrophonen ging es los.

Straßen, Bäche und entlegene Dörfer

In sechs Tagen haben wir sechs Dörfer besucht. Teilweise haben wir in den Dörfern übernachtet, wenn der Weg zurück in die Stadt zu weit gewesen wäre. Mal wieder hat sich bestätigt, dass es mehr als sinnig ist, mit Landcruisern unterwegs zu sein. Nicht nur, dass der Regen die „Straßen“ teilweise in Bäche verwandelt hatte, hinzu kam noch, dass die Straßen an manchen Stellen aus so tiefen Furchen bestanden, dass selbst wir manchmal stecken blieben. Da viel zu schwere LKWs die vom Regen verschlammten Straßen benutzen, ist das Vorankommen echt eine Herausforderung und ich war sehr froh, dass ich dieses Mal nicht selbst gefahren bin. Einige Dörfer erreichten wir erst nach mehreren Stunden Fahrt, am Ende führte manchmal nur noch ein schmaler Weg dorthin, der eher für Motorräder als für Autos gedacht ist. Wir fuhren also mit zwei Rädern auf dem Weg und mit den anderen beiden Rädern im Gebüsch. Auf dem letzten Bild ist natürlich keine Straße zu sehen, sondern ein Fluß, den wir überquer haben 😉

Von der teuflischen Begrüßung bis zur Naturdoku

Unser Programm war spätestens nach dem zweiten Dorf sehr eingespielt. In jedem Dorf gibt es einen „Palava-Ort“. Das ist eine überdachte Fläche für Dorfversammlungen. Nach unserer Ankunft im Dorf haben die Kollegen immer direkt angefangen aufzubauen: Verstärker raus und Musik an, damit alle mitbekommen, dass etwas geboten ist. Dann den Generator aufbauen, unser Plakat aufhängen und eine kleine Runde durchs Dorf drehen.

Meist ertönten dann schon die ersten Trommeln und Rasseln, die den Teufel ankündigen. In den meisten Dörfern haben uns Frauen aus der örtlichen Geheimgesellschaft mit Musik und Tanz begrüßt, unter ihnen immer eine als Teufel verkleidete Frau. In manchen Dörfern wurden wir zum Mittanzen aufgefordert. Der Teufel wurde von uns mit ein paar kleinen Geldscheinen bezahlt, um ihn zu besänftigen und damit wir dann irgendwann mit unserem Programm starten konnten.

In einem Dorf kamen zwei Teufel der Geheimgesellschaft der Männer. Der eine war wirklich furchteinflößend. Das war der „echte“ Teufel. Er wurde von vier Männern begleitet, die anscheinend dafür da waren, ihn etwas in Zaum zu halten. Kinder und Frauen sind geflüchtet und haben sich versteckt und meine eine Kollegin hat sich in den Wagen gerettet. Normalerweise kommt er nur für besondere Anlässe und dann verstecken sich alle, die nicht Teil der Geheimgesellschaft sind. Es war wirklich komisch, aber die Stimmung hatte sich auf einmal verändert und ich hatte auch ein mulmiges Gefühl. Mir wurde gesagt, ich soll auf nichts reagieren was sie sagen und machen und einfach stillsitzen bleiben. Der eine Kollege hat immer versucht sich wie eine schützende Mauer zwischen mich und diesen Teufel zu stellen. Ich habe mich auch nicht getraut ein Foto oder ein Video zu machen.

Während der Tanzsessions haben sich normalerweise immer mehr Bänke eingefunden, teilweise auf fleißigen Köpfen aus der lokalen Schule herbeigetragen oder aus verschiedenen Haushalten herbeigebracht. Klein und Groß, Jung und Alt haben sich nach und nach eingefunden, so dass mit der Begrüßung und der Vorstellung der wichtigsten Personen aus dem Dorf begonnen werden konnte. Nach diesem wichtigen Punkt, begannen unsere Reden. Ich habe nicht alles verstanden, da die Menschen in der Gegend Mende sprechen und ich außer ein paar Begrüßungsfloskeln nichts verstehe. Aber ich weiß natürlich, dass meine Kolleginnen und Kollegen in ihren Reden über die Bedeutung des Waldes gesprochen haben, über die benefits, die der Wald bietet, über die fünf Dinge, die man nicht im Naturschutzgebiet machen darf. Es wurde erklärt, welche Art von Fischerei möglich ist, wie die Pflanzen genutzt werden dürfen und was die Folgen vom Waldrückgang sein werden.

Auf dem einen Bild seht ihr die Anwesenheitsliste. Da viele Erwachsende nicht schreiben können, gilt der Daumenabdruck als Unterschrift.

Die Menschen dürfen auch im Schutzgebiet weiter mit ihren traditionellen Fischfallen arbeiten (auf den Fotos seht ihr eine frisch fertiggestellte Fischfalle). Die kleinen Fische können wieder herausschwimmen und nur die großen bleiben gefangen. Viele fischen aber auch mit Moskitonetzen und fangen damit auch ganz kleine Fische. Das ist verboten. Genauso wie das „Fischen“ mit Chemikalien.

Auch ich hatte eine feste Rolle in unserem Programm. Ich habe immer ein bisschen vom globalen Klimawandel berichtet. Hier in Sierra Leone kam der Regen viel zu spät dieses Jahr und vor allem bis jetzt auch zu wenig. In Deutschland hingegen gab es zu viel Regen mit Flut und Todesopfern. Die Menschen fanden es sehr spannend etwas aus Deutschland zu erfahren. Vor allem hätten sie nicht gedacht, dass auch wir Probleme mit dem Klimawandel haben. Nach meiner kleinen Ansprache, gab es meist noch Zeit für Fragen. Die Leute waren sehr interessiert daran, wie bei uns der Wald aussieht, welche Tiere wir haben und ob man im Wald jagen darf. Es ist gar nicht so leicht, diese Fragen so zu beantworten, dass die Antworten verstanden werden, wenn die Menschen nur ihre eigene Umgebung kennen und keine Idee davon haben, wie in Deutschland Bäume, Tiere und Nutzpflanzen aussehen. Die Leute waren auch immer sehr überrascht, wenn ich gesagt habe, bei uns wachsen weder Bananen noch Mangos noch Papaya noch Ananas. Wahrscheinlich bemitleiden sie uns jetzt sehr.

Spell Cup for me: C-U-P, Cup

Im Anschluss an die Informationsvermittlung gab es in jedem Dorf ein Quiz. Erst für die Schulkinder, die mit richtigen Antworten Hefte und Stifte gewinnen konnten. Und hier wurde dann doch sehr deutlich, wie groß die Bildungsunterschiede sind zwischen den Kindern, die in den Dörfern leben, die eine Schule in der Nähe haben und Kinder aus Dörfern, deren Schule weiter weg ist. Allgemein erkennt man an den Kindern am ehesten, wie reich oder arm ein Dorf ist. In den Dörfern, die eine bessere Straßenanbindung haben, haben eigentlich alle Kinder Klamotten in der richtigen Größe, Schuhe, die ihnen passen und haben auch saubere Sachen an. In den Dörfern, die sehr entlegen sind, hatten zwar auch die meisten Kindern Schuhe, aber viele hatten Klamotten an, die schmutzig waren oder viel zu groß. Und in diesen Dörfern war oft auch das Bildungsniveau sehr niedrig.

In einem Dorf war schon seit über einem Jahr kein Lehrer mehr. Ein Mann aus dem Dorf unterrichtet die Kinder ehrenamtlich. Selbst die Kinder in der fünften Klasse hatten Schwierigkeiten ihre Namen und die einfachsten Wörter zu buchstabieren. Es stimmt mich dann doch traurig, zu sehen, dass diese Kinder nur wenige Chancen haben, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Vor allem, wenn ich überlege, wie Kinder in Deutschland aufwachsen. Wie viel Wissen Vierjährige in Deutschland über die Welt haben. Das ist unglaublich im internationalen Vergleich. Und hier zeigt sich wirklich, dass Wissen Macht ist. Und vor allem sehr vieles ermöglicht.

Trotz allem waren die Quizze immer ein großer Erfolg und ein großer Spaß für alle. Besonders in dem einen Dorf, in dem die Kinder sich gegenseitig Wörter zum Buchstabieren vorgegeben haben. Und dann kamen Sachen wie „Spell for me: hippopotamus“ oder „Spell for me: Environment“. Nicht ganz easy, wie ich finde. Anderen Ortes hingegen, haben wir jedes Kind CUP buchstabieren lassen, damit jede und jeder ein Heft und einen Stift abbekommen konnte. Ich war etwas neidisch auf die coolen MARVEL Hefte. Ich muss mal schauen, ob ich die hier in Freetown irgendwo finde…

Nach den Kindern gab es noch ein Quiz für die Erwachsenen. Für die gab es als Preise natürlich keine Hefte und Stifte, sondern Zahncreme, Seifen und Sandalen. Teilweise ging es sehr emotional und engagiert zur Sache. Die Erwachsenen sollten das Wissen wiederholen, dass wir zuvor vermittelt hatten. Eine große Unterhaltungsshow für das ganze Dorf. Nach dem Quiz wurde der Fernseher angemacht und Naturdokumentationen und Dokumentationen zu den Themen Biodiversität und Conservation gezeigt. Das kam natürlich immer super an. Vor allem, da es in den meisten Dörfern keinen Fernseher gibt. Besonders die Reportage aus Freetown über den Landslide vor ein paar Jahren stieß immer auf großes Interesse und große emotionale Teilhabe. In der Nähe von Freetown gab es vor ein paar Jahren einen Erdrutsch an einem Hügel, an dem der Wald abgeholzt worden war und Menschen ihre Häuser gebaut haben. Viele kamen ums Leben. Einerseits haben einige wahrscheinlich das erste Mal Bilder ihrer eigenen Hauptstadt gesehen und dann ist es natürlich immer berührender, wenn ein Unglück in der direkten Umgebung passiert. Kennen wir ja alle.

Und weil wir nicht von Luft und Regenwasser leben, gab es in jedem Dorf auch etwas zu Essen. Es wurde für alle gekocht. Und zu unserer großen Freude in jedem Dorf das gleiche. Das heißt, für uns gab es eine Woche lang Reis mit Casava leave. Muss man auch mögen… Meine Kollegin hatte nach drei Tagen schon genug und hat immer versucht, Essensalternativen mitzunehmen, wenn wir zwischendrin mal in der Stadt waren 😊

Der Tanz mit dem Teufel geht weiter

Wir wurden immer mit dem Tanz des Teufels begrüßt, doch auf einer der langen Autofahrten ist mir eingefallen, wofür wir den Ausdruck „du tanzt mit dem Teufel“ noch benutzen. Für die Dorfbewohnerinnen und -bewohner ist der Schutz des Waldes genauso ein Tanz mit dem Teufel wie die Abholzung. Die Menschen leben vom Holz. In fast jedem Dorf haben sie uns gefragt, wovon sollen wir leben, wenn wir den Wald nicht weiter als Holzquelle nutzen dürfen? Wie sollen wir Geld verdienen, das wir brauchen, um Essen zu kaufen, das wir nicht selbst anbauen können; um Baumaterialien für unsere Häuser zu kaufen; um Kleidung und Schulmaterialien zu kaufen?

Die Menschen machen aus dem Holz Holzkohle, die sie verkaufen. Das ist meist die einzige Einnahmequelle. Wenn sie also kein Holz mehr schlagen, verlieren sie ihre Einnahmequelle. Zugleich wissen sie, dass – wenn der Wald schwindet – auch ihre Lebensgrundlage schwindet. Je mehr Wald, umso mehr Wasservorräte, umso mehr Pflanzen, umso bessere Böden. Sie wissen das. Aber was tun, wenn man auch irgendwie überleben muss? So oder so – eine Situation mit wenigen Perspektiven.

Abhängigkeit von internationalen Geldern

Für uns ist das etwas schwierig. Unsere Arbeit ist sehr stark von Geldern internationaler Organisationen abhängig. Im Endeffekt können wir nur das machen, was die Geldgeber uns erlauben. Wenn wir in Projektanträge sogenannten Livlihood Komponenten aufnehmen – also Elemente mit denen in den Dörfern alternative Einkommensmöglichkeiten eingeführt werden – und die Geberorganisationen diese Komponenten streichen und nicht fördern, können wir kaum etwas in dieser Richtung unternehmen. Was bringt all die Awarnessbildung und Aufklärung, wenn die Menschen zwar verstehen, dass sie den Wald schützen sollen und auch verstehen, weshalb das auch für sie gut ist, wenn sie zugleich ihr tägliches Überleben sichern müssen…

Nach einer Woche Roadshow habe ich wieder viele neue Eindrücke, war um einiges entspannter als zuvor und habe mich trotzdem sehr gefreut, als ich wieder zurück in Freetown in meiner Wohnung war.

Hier nun noch ein paar Eindrücke aus den Dörfern, mit meinem Lieblingsbild als Start, dem schönsten Moskitonetz ever und Fotos unserer einen Unterkunft sowie der Schulküche. Die Lehrkräfte waren nicht da, weil gerade Ferien sind, so dass wir in den Häusern der Lehrer übernachteten. Achso, und einen Hahn hab ich natürlich auch geschenkt bekommen, genauso wie einen superschönen Hut…

Und wer sich schon die ganze Zeit fragt, weshalb das so verdammt lange dauert, bis ich endlich mal wieder einen Post veröffentliche, denen sei gesagt: Life no easy na Salone. Ist gerade alles etwas anstrengend hier, deshalb bleibt einfach zu wenig Energie für Artikel und zu wenig Geduld mit dem langsamen Internet zum Bilderhochladen.

Aber nachdem gestern meine Wohnung vom tropischen Sturm geflutet wurde und ich die Schwierigkeiten beim Waschmaschinen- und Herdkauf sowie Anschluss der selbigen nun hinter mir habe, hoffe ich, dass sich auch die Zusammenarbeit mit meinen Counterparts bald einspielt und die anstrengende Phase bald einer entspannteren weicht. In diesem Sinne hoffe ich auf einen weiteren Post in Kürze 🙂

Good News

Mangelernährung, Geschlechter-Ungerechtigkeit, Kindersterblichkeitsraten, Klimakatastrophe, bedrohte Tierarten und viele weitere Schreckensmeldungen erreichen uns täglich über die Medien. Wieso heißt dieser Artikel also „Good News“? 

Ich habe vor ein paar Tagen ein sehr gutes Buch fertig gelesen: “Factfulness: Ten Reasons Why We`re Wrong About The World”. Ich kann es nur weiterempfehlen. Vor allem, nachdem ich herausgefunden habe, dass es vom Mitgründer von Gapminder geschrieben wurde, Hans Rosling. Und ich ein großer Fan von Gapminder bin. Gapminder will uns unsere Wissenslücken über die Welt bewusst machen und sie schließen. Nur wenn wir (und vor allem die Entscheidungsträgerinnen und -träger, die aktuellen Fakten über die Welt kennen, können sie die richtigen Entscheidungen treffen). Wer den Gründer nicht kennt, kann sich ja mal kurz das Video „The magic washing machine“ hier auf Youtube anschauen, dann seht ihr, in welche Richtung das Ganze geht. Keine Angst, es ist zwar auf Englisch, aber ich bin sicher, ihr könnt verstehen, worum es geht.

Worum geht es bei diesen Good News?

Die gute Nachricht ist: die Welt ist viel besser als wir denken. Den Menschen ging es noch nie so gut wie heute, wenn man auf einem globalen Level die Ernährungssituation, Kindersterblichkeit, Gesundheit, Einkommen, Schulbildung, Zugang zu Elektrizität und sauberem Wasser betrachtet. Das ist eine ziemlich gute Nachricht, wie ich finde. Von insgesamt sieben Milliarden Menschen auf der Welt, lebt „nur“ eine Milliarde in absoluter Armut. Das ist natürlich noch eine Milliarde zuviel. Aber alle anderen leben nicht in absoluter Armut.

Als kleiner Einschub kommen hier ein paar Zahlen von den UN, die die Erfolge der Millenium Development Goals zeigen: Im Vergleich zu 1990 leben heute eine Milliarde Menschen weniger in extremer Armut, die Kindersterblichkeitsrate wurde seit 1990 halbiert, die Anzahl der Kinder, die nicht in die Schule gehen, ist heute auch nur noch halb so groß wie noch 1990 und HIV/AIDS-Infektionen sind seit dem Jahr 2000 um 40% zurückgegangen.

Dass die Welt heute besser ist als gestern, heißt nicht, dass die Welt für alle heute die beste ist oder morgen für alle besser sein wird, als sie gestern war. Syrien ist ein Beispiel dafür. Wenn wir uns einzelne Länder anschauen, kann es sein, dass die Fortschritte aufgehalten werden, durch Krieg oder anderen Katastrophen. Gerade erleben wir in Afghanistan, wie unsicher manche Errungenschaften sein können und dass es nicht immer aufwärts geht mit Frauenrechten, Bildungsmöglichkeiten für alle und körperlicher Gesundheit. Die ganze Menschheit betrachtend, sehen wir allerdings, dass sich insbesondere seit dem ersten Weltkrieg fast überall die Lebensbedingungen verbessert haben. Die Welt ist heute eine bessere als noch vor wenigen Jahren, auch wenn noch immer vieles nicht gut ist. Diese Ambivalenz ist kein Widerspruch in sich. It is better – even though it is still bad.

Hier ein paar Sreenshots von der Entwicklung der Kindersterblichkeit. Je weiter rechts die Blasen sind, umso mehr Kinder je 1.000 sterben. Ihr seht, dass alle Blasen stetig nach links wandern. Zum besseren Verständnis: jede Blase stellt ein Land dar. Die Größe zeigt die Bevölkerungsgröße, die Farbe zeigt die Zugehörigkeit zu den Kontinenten, entnommen von der website gapminder.org:

Und auch zum „Wissen“, dass es in vielen Ländern der Welt immer noch sehr viele Kinder pro Familien gibt (kulturell bedingt), gibt es Grafiken. Auch das stimmt nicht ganz, wie die Daten zeigen. In den meisten Ländern werden von jeder Frau rund zwei Kinder geboren. Die Kinderzahl hängt stark mit dem Einkommen zusammen:

Ihr könnt selbst ein bisschen herumspielen und euch die Zusammenhänge anzeigen lassen. Die Daten starten mit dem Jahr 1800 und enden 2019. Hier ist der Link zu den Gapminder Tools.

Weg von der Definition der “Entwicklungsländer” oder “des Westens”

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus dem Buch ist, dass wir uns zu oft auf sogenannte kulturell bedingte Gewohnheiten berufen, die sich nicht ändern lassen, da eben Kultur und so. Aber der Autor, er stammt aus Schweden, blickt zurück in die Zeit seiner Großeltern und resümiert, die schwedische Kultur hat sich stark verändert in den letzten hundert Jahren. Wieso sollte sie in anderen Ländern unveränderbar sein? Egal ob es um Geschlechterrollen geht, Anzahl von Kindern, Lebensgewohnheiten oder vielem anderen.

Mir kam in den Sinn, was ich in der Uni schon gelernt habe: wir haben mehr mit den Menschen aus anderen Ländern gemeinsam, die in der gleichen Einkommensklasse leben wie wir, als mit Menschen aus unserem eigenen Land, die in vollkommen anderen Verhältnissen leben. Das scheinen auch die Untersuchungen zu ergeben. Es geht nicht um die Einteilung, zwischen westlicher Welt und dem Rest, zwischen globalem Süden und globalem Norden, es geht um unterschiedliche Einkommen, die auf allen Kontinenten in allen Ausprägungen zu finden sind. In unterschiedlicher Häufigkeit, aber sie sind überall da. Im Buch werden die Haushalte bzw. die Länder der Welt in vier Einkommenslevel aufgeteilt. Level 1 hat am wenigsten Geld (bis zu 2$ am Tag), Level 4 am meisten Geld (32$ und mehr pro Tag) zur Verfügung. Jeder Sprung in ein höheres Einkommenslevel, ist der Sprung in ein neues Leben. Und nun ratet mal, wo die meisten Menschen leben? Richtig, in der Mitte. In den mittleren Einkommensleveln. Nur eine Milliarde Menschen weltweit ist auf Level 1. Und nur eine lebt auf Level 4. Das ist übrigens unser Level. Es tut auch mal gut, daran erinnert zu werden, dass wir genauso die Ausnahme sind, wie der ärmste Teil der Menschen. Die Normalität für die meisten Menschen auf der Welt, liegt in einer Realität zwischen der unseren und der, die uns über Nachrichten von Hungersnöten und Naturkatastrophen vermittelt wird.

Hier nur kurz der Link zur Quelle und ein Screenshot von der Seite mit der Erklärung und der Einteilung der vier Level

Ich will hier nicht zuviel verraten, sonst ist das Buch bzw. die Internetseite gar nicht mehr spannend für euch. Nur soviel sei hierzu noch gesagt: Der Autor, sowie das Team von ihm, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter haben tausende Fotos weltweit gesammelt, von Familien aus unterschiedlichen Einkommensklassen, die Alltagsgegenstände wie Zahnbürsten, Schuhe, Töpfe, Toiletten usw. zeigen. Diese Fotos findet ihr alle auf der Dollarstreet. Auf der Dollarstreet wohnen ganz links die Menschen mit den wenigsten Dollar und ganz rechts, die mit den meisten Dollars. Die meisten leben irgendwo dazwischen. Da könnt ihr auch mal durchklicken. Einfach mal schauen, wie leben denn “reiche” Menschen und “arme” Menschen im gleichen Land. Dann sieht man deutlich, dass sich das Leben von Menschen im gleichen Einkommenslevel sehr gleicht, egal wo auf der Welt sie leben.

Factfulness – eine faktenbasierte Weltsicht

Bei internationalen Konferenzen von Regierungen, Wirtschaftkonzernen, aber auch bei Vorlesungen an Univeristäten, stellte Hans Rosling wiederholt fest, dass das Wissen über die Welt – obwohl dank dem Internet fast überall verfügbar – nicht in den Köpfen der Menschen ist. Der Autor hat mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter einen Fragebogen entwickelt und diesen bei unterschiedlichen Anlässen genutzt, um das Wissen der Leute abzufragen. Die Kontrollgruppe ist eine Gruppe von Schimpansen, die einfach raten und leider so gut wie immer besser abgeschnitten haben, als die Elite von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Es geht dem Autorenteam mit ihrem Buch darum, Fakten bereit zustellen, auf deren Basis gute Entscheidungen für die Zukunft des Planeten und der Menschheit getroffen werden können und sie wollen uns dazu bringen, unser Wissen über die Welt zu überprüfen mit einfachen Fragen. Der Fragebogen ist deshalb online verfügbar.

Es ist wirklich spannend und ziehmlich überraschend, wie oft man falsch liegt. Probiert es selbst aus und erfahrt, wie viele Kinder weltweit mindestens eine Impfung haben; wie groß der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen ist, wenn man die Jahre betrachtet, die sie die Schule besuchen; prüft, ob ihr wisst, wie sich die Weltbevölkerung entwickeln wird. Ihr werde sehen: die Welt ist besser, als ihr denkt 😉  

Ihr könnt euer Wissen mit dem Gapminder Wordview Upgrader testen. Viel Spaß dabei!

Und was ist mit Level 1?

Nachdem ich schon über den aktuellen Welternährungsbericht und den Klimareport berichtet habe, dachte ich, es wäre einmal Zeit euch mitzuteilen, dass viele Anstrengungen, die die Weltgemeinschaft in den letzten Jahrzehnten unternommen hat, tatsächlich Früchte tragen. Es lohnt sich also, sich für eine bessere Gesundheitsversorgung, für Schulbildung von Mädchen, für internationale Katastrophenhilfe einzusetzen und diese hervorragenden Dinge zu unterstützen. Wie im Video oben angeklungen, ist die Hoffnung oder das Ziel, dass in den nächsten Jahren/ Jahrzehnten, die gesamte Weltbevölkerung Level 1 verlässt. Zugang zu Strom, geringere Kindersterblichkeit (= bessere Gesundheitsversorgung) und bessere Bildungsmöglichkeiten werden dann ganz viel weiteres ins Rollen bringen.

Heute gar keine Infos zu meinem Leben in Sierra Leone?

Heute war es mal ein “Mitmach-Beitrag” mit vielen Links zum Klicken für euch und nicht so viel Sierra Leone Bezug? Denkt ihr. Natürlich rattert meine Maschine im Kopf die ganze Zeit. Auf welchem Level ist wohl Sierra Leone? Würde ich nur Freetown kennen, würde ich sagen, viele sind auf Level 2. Nach meiner Woche in den Dörfern im Süden, bin ich allerdings wieder anderer Meinung. Gut, in den meisten Dörfern hatten alle Kinder Schuhe an und in einigen Dörfern hatten die Kinder auch Kleidung an, die ihnen passte und die nicht kaputt oder schmutzig war. Aber in anderen… Dann war da das Problem mit den nicht vorhandenen Lehrkräften, kein Strom, Wasser nur aus dem Brunnen, kaum Geld und vieles mehr.  Laut Gapminder ist Sierra Leone auf Level 1. Ich sehe hier aber viele Ansätze für Level 2!

Jetzt könnt ihr aber erst einmal euer Wissen über die Welt erweitern, während ich mir weiter Gedanken mache und euch dann bald über meine Tage auf der Roadshow in den Dörfern der forest edged communities berichte.

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2025 thekaddl.com

Theme von Anders NorénHoch ↑