Autor: TheKaddl (Seite 5 von 9)

Krieg in Europa – Krieg in der Welt

Es ist Krieg in Europa. Auch wenn der Krieg für mich geographisch sehr weit weg ist, war ich nicht minder schockiert über den Kriegsbeginn in der Ukraine. Voller Ungläubigkeit verfolge ich die Nachrichten. Krieg – ich werde es wohl nie wirklich verstehen. Zu vielschichtig sind die Kriege dieser Welt und deshalb auch so schwierig für mich, sie zu verstehen. So schwierig, sie wieder zu beenden. Für Deutschland und Europa ist der Krieg nun auf einmal nah. Da wir sonst in einer Blase des Friedens leben, vergessen wir manchmal, dass Frieden wertvoll ist und nicht für alle Menschen selbstverständlich.

Für mich war klar, ich möchte etwas über „Krieg“ schreiben. Aber nun merke ich, wie schwer es mir fällt und wie sehr mir die Worte fehlen. Immer wenn ich anfange, mich über Kriege und Konflikte zu informieren, komme ich schnell an meine Grenzen. Sprachlos wegen des Leides, der Unsinnigkeit und Aussichtslosigkeit auf einen stabilen Frieden bleibe ich zurück.

Wer sich mit einem der für mich komplexesten Konflikte auseinandersetzen möchte, kann versuchen sich einen Überblick zu verschaffen zu den beteiligten Parteien, ihren Interessen und Verflechtungen des Konfliktes in der Demokratischen Republik Kongo. Der Konflikt forderte in den letzten 20 Jahren über 3 Millionen Menschenleben. Hinzukommen Fluchtgeschichten, Misshandlungen, Missbrauch – und vieles nur wegen der Rohstoffe, die unter anderem in unseren Smartphones stecken.

Manchmal ist es leichter, sich schweren Themen mit Zahlen zu nähern, deshalb hier eine Übersicht von Wikipedia zu Kriegen und Konflikten 2021/2022. Die verschiedenen Farben zeigen die Intensität der Gewalt und der Opferzahlen an. Leider hilft es mir beim Thema Krieg nicht, mich über Zahlen zu nähern. Da sie das schreckliche weltweite Ausmaß nur verdeutlichen.

dunkelrot: Major wars, 10,000+ deaths in current or past calendar year   
rot: Wars, 1,000–9,999 deaths in current or past calendar year   
orange: Minor conflicts, 100–999 deaths in current or past calendar year   
gelb: Skirmishes and clashes, 10–99 deaths in current or past calendar year

Was ist Krieg?

Vielleicht ist die Annährung über eine Definition einfacher? Es gibt verschiedene Definitionen für Krieg. Die meisten sind sich einig, dass es sich um einen mit Waffen und Gewalt ausgetragenen Konflikt zwischen mindestens zwei Parteien handelt. In einigen Definitionen ist beim Krieg mindestens eine der beteiligten Parteien ein Staat, und es gibt ein planmäßiges Vorgehen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Der Krieg wird dadurch vom „bewaffneten Konflikt“ unterschieden. Der bewaffnete Konflikt kann sporadisch entstehen und muss nicht immer strategischer Natur sein. Ich erinnere mich auch noch wage, dass ich im Studium einmal gelernt habe, dass zwar die Opferzahl nicht alleinig ausschlaggebend ist für die Anwendung des Begriffs „Krieg“ auf einen Konflikt, aber ab 1.000 Todesopfern, spricht die Weltgemeinschaft meist nicht mehr von einem bewaffneten Konflikt, sondern von Krieg. Dass dies alles nur Zahlen und Definitionen sind, erfahren wir gerade wieder einmal jeden Tag über die Medien. Jeder Krieg bringt unglaubliches Leid über alle, die von ihm betroffen sind.

Konflikte ohne Ende

Als der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist, war mir klar, ich möchte meine Gedanken zum Krieg mit euch teilen. Die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, erfahren ein unglaubliches Maß an Solidarität und Anteilnahme aus Europa. Es tut sehr gut, das zu sehen. Zugleich zeigt es wieder einmal, wie unterschiedlich wir auf die Not von Menschen reagieren – je nachdem, ob sie uns gefühlt nahe sind, oder nicht. Neben den Kriegen und bewaffneten Konflikten, die es in die deutschen Abendnachrichten „schaffen“ – wie der Krieg in der Ukraine, der Krieg in Syrien und im Jemen – gibt es viele weitere bewaffnete Konflikte und Kriege auf der Welt, von denen wir nichts erfahren und von denen wir meist auch gar nichts wissen. Durch mein Studium und auch meine Arbeit und mein Interesse an der Welt, weiß ich von einigen dieser Konflikte, aber dennoch erschütterte mich die lange Liste der ongoing conflicts, insbesondere, da viele schon seit Jahrzehnten schwelen und immer wieder mit hoher Intensität ausbrechen.

In Kolumbien schwelt seit Mitte der 1960er Jahre ein regionalbegrenzter Krieg/bewaffneter Konflikt, von dem man in deutschen Nachrichten kaum etwas mitbekommt. Alleine in den ersten Monaten diesen Jahres sind dort schon knapp über 400 Menschen wegen des Konfliktes gestorben. Der somalische Bürgerkrieg begann 1991 und ist bis heute nicht beendet. Es gibt ruhiger und weniger ruhiger Phasen seitdem. Seit Januar sind schon fast 800 Menschen in diesem Konflikt verstorben. Im mexikanischen Drogenkrieg sind dieses Jahr schon über 1.200 Menschen getötet worden. Den terroristischen Aktionen von Boko Harram fielen dieses Jahr schon über 1.000 Menschen zum Opfer, in verschiedenen Ländern. Im Vergleich dazu starben im syrischen Bürgerkrieg im Jahr 2022 bisher knapp unter 1.000 Menschen. Die Zahlen habe ich Wikipedia entnommen.

Eigentlich wollte ich euch ein paar der “vergessenen” Konflikte heute näherbringen. Aber irgendwie fließt es nicht aus mir heraus. Der Artikel liegt nun schon seit über einer Woche unfertig auf meinem Desktop herum. An Stelle von langen Ausführungen und Darstellungen zu aktuellen Konflikten auf der Welt, gibt es deshalb heute nur einen kurzen Gedanken von mir.

Dankbarkeit und Demut

Es geht mir nicht darum, zu zeigen, wie schlecht es vielen anderen Menschen geht, wie viele Menschen weltweit Kriegsflüchtlinge sind – im eigenen Land oder in den Nachbarländern – ich denke nur, wir als in Deutschland (nach 1945) Geborene und/oder Lebende, sollten uns ab und an bewusst machen, welch ein verdammtes Glück wir bisher hatten, dass wir in Frieden leben dürfen, dass wir keine Angst haben müssen vor Bomben, Trümmern, zerstörten Häusern. Dass wir uns keine Sorgen machen müssen, um uns selbst, unsere Familien und Bekannten.

Ich bin emotional sehr ergriffen, wenn ich sehe, wie viel Solidarität die Menschen in der Ukraine erfahren und vor allem auch mit wie viel Tapferkeit und Entschlossenheit sie ihre Heimat und ihre Freiheit verteidigen. Ich hoffe, dass diese Solidarität sich vervielfältigt und auch allen anderen Menschen zuteilwird, die vor Krieg und Zerstörung fliehen und ihre Heimat verlassen müssen, weil sie dort nicht sicher sind.

In diesem Sinne überlasse ich euch euren eigenen Gedanken in der Hoffnung, dass möglichst viele Menschen auf der Welt Frieden erleben und in Frieden leben können.

The bright side of Freetong

Da sich anscheinend ein paar Menschen Sorgen machen, auf Grund meiner Begeisterung für unsere gefiederten Freunde, möchte ich hiermit klarstellen: Alles ist gut! Ihr müsst euch keine Sorgen um mich machen. Und zum Beweis gibt es heute einen kleinen Ausflug in mein Privatleben außerhalb der Arbeit.

Denn trotz all der Anstrengungen hier, trotz des Alltagsstress wegen kein Wasser, kein Strom, unfähigen Menschen und Generatorenlärm bei Nacht, ist es hier sehr oft sehr gut.

Nachdem aus Deutschland in letzter Zeit so wenige positive und beschwingende Nachrichten kamen, habe ich mich kaum getraut, diesen Post zu veröffentlichen. Jetzt kommt er trotzdem – ist aber schon zwei Wochen alt 😉

Taucht mit mir ein – in meinen manchmal etwas verrückten Alltag in Freetown.

Heute einmal: Fokus auf die schönen Seiten des Lebens in Freetong!

Vorneweg muss ich mich entschuldigen. Eigentlich wollte ich in diesem Beitrag hauptsächlich Fotos sprechen lassen. Aber ich mache definitiv nicht genug Fotos. Deshalb nun doch wieder Text, Text, Text.

Ich fange mit der Arbeit an, damit wir dieses Kapitel ganz schnell auch wieder abhaken können 😉 Wenn ich mir meine Liste anschaue, was ich dieses Jahr schon alles umgesetzt und geschafft habe, muss ich mir selbst auf die Schultern klopfen. Ein sehr output-orientierter Monat. Wahnsinn! Ich habe das Gefühl, je besser meine work-life-balance ist, umso höher ist mein output in der Arbeit. Mein Energielevel steigt konstant.

Gleichzeitig ist die Zusammenarbeit mit meinen Counterparts sehr gut und ich habe das Gefühl, dass wir wirklich ein gegenseitiger Gewinn sind. So soll es doch sein.

Meine Highlight-Momente der letzten Wochen

Die gute Atmosphäre im Büro ist das eine, aber nach Feierabend geht es direkt weiter mit dem Spaß. Unsere Nachbarin Maria kocht nicht nur unglaublich gut und füttert mich kugelrund, wir haben einfach immer eine gute Zeit zusammen. Unsere Crew hier ist zwar für Außenstehende bestimmt etwas strange, einige von euch werden es ja selbst sehen, wenn sie in den nächsten Wochen zu Besuch kommen. Wir haben manchmal das Gefühl in einer erweiterten WG zu leben.

Feierabendbierchen bei Nachbars

Ein Feierabendbierchen bei Nachbars kann sich da schon mal etwas in die Länge ziehen, so dass ich dann doch das ein oder andere Mal des Nächtens die illustre Runde als erste verlasse und nach oben stiefel, da ich ja am nächsten Tag wieder ins Büro muss. Marias Wohnung ist ein Zeitloch. Das liegt auch daran, dass es immer abgedunkelt ist und die Klimaanlage auf Hochtouren läuft. Im Fernsehen laufen politisch unkorrekte britische Fernsehserien aus den 1970er Jahren (Mind your Language), Freddy sitzt mit seinem Laptop auf dem Sofa und natürlich lässt auch John mit ein paar Bierchen unter´m Arm nicht lange auf sich warten. Es gibt immer lecker Essen, Geschichten, die mit vollem Körpereinsatz erzählt werden, und ausreichend Lacher für mehrere Wochen. Perfekter Ausgleich also zum Büroalltag.

Home-Massage statt Home-Office

Fast hätte ich es vergessen und muss es deshalb nachträglich noch hier einfügen. Wir haben uns ja letzte Woche auch noch unsere erste Massage gegönnt. Natürlich hat Maria auch dafür einen Kontakt. Sisi kommt mit Massageliege und Alnatura-Massageöl nach Hause und knetet den ganzen Körper eine Stunde lang durch. Ich finde, eine Stunde Home-Massage tut dem Rücken viel besser als eine Stunde Home-Office. Vielleicht sollte mal über diese Alternative nachgedacht werden.

Romantic Dinner und Absturz in der Kneipe

Das Schöne in Freetown ist, dass man an einem einzigen Abend so unterschiedliche Eindrücke sammeln kann. Letzten Donnerstag war ich mit John zum Dinnerdate verabredet (sein eigentliches Date hatte ihm abgesagt…). Vorher noch kurz bei Maria rein, liegt ja auf dem Weg, dann mit John zum ColeStreet Guesthouse, wo es ab und an special offers gibt. Zum Beispiel ein 4-Gänge-Menu „Taste of Italy“. Das ColeStreet Guesthouse ist wunderschön hergerichtet. Sehr geschmackvoll und hat mich irgendwie an ein portugiesisches schmuckes Innenhof-Lokal erinnert. Es gibt nur sechs Tische, zum unglaublich leckeren italienischen Essen gesellte sich dann noch ein Opernsänger, der von der Treppe eine Arie sang. Hoch romantisch.

Natürlich hatte Maria schon geschrieben, während wir noch beim Essen waren. Maria hat irgendwann ein Selfie von ihr und Tina geschickt – John und mir war sofort klar, in welcher Kneipe die beiden sind. Also sind wir nach dem romantischen Essen in ruhiger, gehobener Atmosphäre mit dem Keke noch in die HoneySuckerBar. Und was hat uns dort erwartet? Die Wodkaflasche stand auf dem Tresen und zur Begrüßung gab es erst einmal einen Shot. Ich war noch nüchtern, weil ich eigentlich gerade ein bisschen alkoholfrei unterwegs bin. Aber no chance. So endete der Abend, mit Barfußtanzen in der Kneipe. Die Bar ist gleich bei uns um die Ecke. Da konnten wir also ganz entspannt nach Hause laufen und nach einem letzten Absacker bei Maria ins Bettchen schlüpfen.

Und zwei Tage später bekomme ich tatsächlich von zwei verschiedenen Leuten screenshots von der Instapage des Cole Street Guestshouses auf denen John und ich zu sehen sind. Heimlich kann man hier nichts machen.

Sundowner auf Leicester Peak und äthiopisches Essen am British High Comission Compound

Am Samstag stand dann ein weiteres Highlight an. Nina hatte eingeladen zu einem Spaziergang rauf zu Leicester Peak für einen Sundowner und anschließend äthiopischen Essen bei ihr. Nina wohnt auf dem Compound der British High Comission. Auf dem Compound gibt es kleine Häuschen, mit kleinen Gärten, einen Pool, Fitnessraum, Bar und auch einen riesigen Wald/Dschungel.

Wir sind am Samstag also mit dem langsamsten Keke der Welt zu Nina gefahren. Vielleicht waren wir auch einfach zu schwer? Unser Keke schaffte es kaum die Hügel rauf. Wir – also Tina, John und ich – hatten schon Angst, dass wir zu spät kommen. Die Sonne wartet schließlich nicht. Aber wir waren noch rechtzeitig da, um gemeinsam mit der Gruppe bestehend aus zehn Britinnen und Signe, unserer dänischen Freundin, sowie John, James und Cooper (Ninas Hund) den Weg auf den Peak anzutreten. Oben wurden dann die Sektgläser ausgepackt und die Sundowner wurden genossen. Ich hatte selbstgemachte Limonade dabei 😊 Und dann gab es auch noch ein Fotoshoot oder so. Sah auf jeden Fall professionell aus.

Von Leicester Peak aus hat man einen unglaublich tollen Blick über Freetown Richtung Meer. Der ganze westliche Teil der Stadt liegt einem zu Füßen und nach Sonnenuntergang erstreckt sich ein funkelndes Lichtermeer am Fuße des Hügels.

Langsam ging es wieder runter, zurück zu Ninas Haus. Und dann wurde auch schon bald das Essen geliefert. Superlecker. Äthiopisches Essen nach einem kleinen Trip auf Leicester Peak – das können wir sehr gerne wiederholen.

Swimstaken auf Banana Island

Am Sonntag ging das schöne Leben direkt weiter. Eigentlich wollten wir ganz lowscale mit Maria und Freddy nach Cockle Point fahren. Aber Maria meinte schon am Samstag, dass der Besitzer des einen Ressorts auf Banana Island sie schon seit Wochen einladen will und sie jetzt langsam nicht mehr absagen kann. Also gut, bevor wir uns schlagen lassen, dann fahren wir am Sonntag eben mal nach Banana Island und lassen uns vom Chefkoch persönlich bekochen.

Banana Island besteht eigentlich aus drei Inseln, die quasi zusammenhängen und liegt am südlichen Ende der Peninsula. Mit dem Auto ging es in 1,5 Stunden nach Kent und dann ab ins Boot, das schon auf uns wartete. Auf der Insel wurden wir mit frisch geöffneten Kokosnüssen erwartet und konnten auf dem kurzen Weg zum Camp unser frisches Kokoswasser genießen. Das Ressort auf Banana Island besteht aus mehreren Zelten, einer Bar, Toilettenhäuschen und Küche. Es ist superschön angelegt, mit Betten am Strand, viel Grün und mehrere Sitzgelegenheiten. Maria ist mit Wissam direkt los zum Fischen. Freddy, Tina und ich haben erst einmal entspannt und unsere frisch gepressten Säfte getrunken, bevor wir uns auf einen kleinen Spaziergang über die Insel begeben haben. Es ging über Pfade durch das Dorf und dann in den Wald. Im Dorf und überhaupt auf der Insel hört man sehr viel Vogelgezwitscher. Das sind meist die Village Weaver, die ihre kugelförmigen Nester von den Bäumen herabhängen lassen. Ich erinnere mich, dass ich in Ruanda einmal zugeschaut habe, wie die Nester gebaut werden. Sehr beeindruckend. Aber wir sind nicht im Dorf verweilt, sondern sind, nachdem wir den richtigen Weg gefunden hatten, fleißig durch den Wald gestampft, um etwaige Schlangen zu vertreiben. Freddy hat uns zum einzigen richtigen Sandstrand auf der Insel geführt. Es ist ein Privatstrand, aber anscheinend stört es den Eigentümer nicht, wenn man dort mal eben ins Wasser springt und in die Wellen taucht. Das kurze „Swimstaken“ war sehr erfrischend.

Was ist Swimstaken, fragt ihr euch vielleicht? Das ist das deutsche Wort für schwimmen, falls ihr es noch nicht wusstet. Freddy kann etwas Deutsch, aber manchmal kommen sehr witzige Kreationen heraus. Und ich verrate hier nur so viel: Swimstaken war nur der Anfang. Außer uns war auch noch eine chinesische Herrengruppe im Wasser. Spätestens als Tina einen der Herren abseits seiner Gruppe in eindeutiger Hockpose im Wasser entdeckte, war es mit der Ernsthaftigkeit für den Tag vorbei.

Da ich nicht genau weiß, wer hier alles so mitliest, möchte ich nur das Endergebnis unseres Ausfluges mit euch Teilen. Ein neues geflügeltes Wort: “Keep your Schnabel out of my Schwimmkacke.” Was so viel bedeutet wie „Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen.“

Der Spaziergang, das Swimstaken und das viele Lachen haben uns hungrig gemacht. So waren wir sehr froh, dass kurz nach uns auch Maria und Wissam wieder zurückkamen und Wissam direkt in der Küche verschwand, um uns bald mit allen Köstlichkeiten von der Speisekarte zu verwöhnen. Es gab Papayasalat, frisches Cevice, Süßkartoffel-Pommes, Baracuda in Bananenblatt mit Erdnusssoße, in Bierteig frittierte Calamari und Lobster. Dazu noch verschiedene Soßen und geröstetes Brot. Die Fotos kommen bei weitem nicht an das Essen heran. Überhaupt zeigen die Fotos leider gar nicht, wie schön es auf Banana wirklich ist. Das Essen auf jeden Fall war unglaublich gut und selbst Tina hat das Cevice und den Fisch gegessen.

Wissam und Emily betreiben das Ressort. Sie haben zwei Jungs und Emily arbeitet eigentlich in Freetown, weshalb wir dann mit Emily, den Jungs und weiteren Gästen am späten Nachmittag mit dem Boot wieder zum Festland gefahren sind. Mit vollen Mägen, einem neuen Sprichwort und einem glücklichen Lächeln im Gesicht.

Ein geklauter Glücksmoment

Der Glücksmoment ist nicht vollständig gestohlen, aber eigentlich ist es Tinas. Auf dem Heimweg nach Freetown gab es auf einmal Stau. Ein paar Autos sind auf die Gegenfahrbahn, also wir hinterher. Auf unserer Spur war eine Parade mit Blaskapelle und Musik unterwegs. Als wir ziemlich genau neben der Kapelle waren, spielten sie „Mona Lisa“, einer der Songs, den auch Maria immer spielt. Tina fing sofort an am Beifahrersitz mitzusingen und zu tanzen. Was von den Leuten, die der Blaskappelle folgten, sehr positiv aufgenommen wurde und lautstark unterstützt wurde. So waren wir auf einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit und haben mit den Menschen neben dem Auto gesungen, getanzt und gelacht. Dann mussten wir leider weiterfahren.

Neuer Herd, neue Küche, neues Wohngefühl

Und dann ist da ja noch unsere „neue“ Küche. Das hört sich jetzt etwas banal an, aber: mein Herd, den ich im August gekauft hatte, hat mich ja schon die ganze Zeit genervt. Der Ofen ging nicht, die Flammen waren irgendwie falsch eingestellt, so dass meine ganzen Töpfe verrußten und und und. Vor zwei Wochen haben wir den Herd weggebracht und einer Freundin geschenkt. Letzte Woche dann haben ich einen neuen Herd gekauft und am nächsten Tag meine Töpfe geschrubbt. Ich bin überglücklich. Sobald ich meine Kuchenformen habe, werde ich endlich auch backen können!!! Ich schulde Tina ja immer noch ihren Geburtstagskuchen…

Wie die meisten von euch wissen, mag ich es, wenn man sich in Küchen aufhalten kann. Bisher war das in meiner nicht so der Fall. Aber jetzt haben wir den Schreibtisch in die Küche gestellt und ich muss sagen, ganz neues Wohngefühl.

Hinzukommt, dass Freddys Klempner gerade da war und wir jetzt tatsächlich in der Küche einen Wasserhahn haben, aus dem richtig Wasser kommt.

Handfütterung beim Koreaner

Eigentlich dachte ich, alle Momente wären nun eingefangen, aber nein! Soeben erinnert mich Tina noch an unser Abendessen beim Koreaner vorgestern. Die Kritiken auf Google haben mir zwar zunächst etwas Angst gemacht, aber da war es schon zu spät. Zähne zusammenbeißen und los geht’s. Tina und ich sind losgeschlendert und haben das Restaurant auch auf Anhieb gefunden. Und nicht zu vergessen: wir haben dabei auch einen Minimarkt gleich um die Ecke entdeckt. Ob es dort Milch gibt, müssen wir in den nächsten Tagen mal noch auschecken.

Zurück zum Koreaner. Angeblich authentisches koreanisches Essen und auch authentische Restaurantatmosphäre. Da sowohl John als auch Freddy schon in Korea waren, konnten sie dies bestätigen. Und auch ohne jemals in Korea gewesen zu sein: so ungefähr stelle ich mir das vor. Außer uns waren nur koreanisch aussehende Menschen da. Die Deko an den Wänden und auf den Tischen, klassisch kitschig, so stelle ich mir das vor. In der Mitte der Tische gibt es eine Öffnung, in der der Grilleinsatz ist, um das Fleisch und den Fisch direkt vom Chef persönlich gegrillt zu bekommen.

Da die mündliche Verständigung etwas schwierig war, wurde uns mit den Händen und klaren Zeichen erklärt, wie das Essen in den Mund zu führen ist: Salatblatt nehmen, Soße darauf, mit der Schere zurechtgeschnittes Fleisch dazu, dann frischen Knoblauch, Chillie, Kimchi. Jetzt nur noch das Salatblatt zusammenrollen oder – falten und ab in Mund. Ich hatte die große Ehre, dass der Chef persönlich mir das erste Päckchen zubereitete und es mir samt seiner halben Hand in den offenen Mund beförderte. Ob dies nun ein Glücksmoment war oder nicht, sei dahingestellt. Aber geschmacklich war es ausgezeichnet und der Saki passte auch perfekt dazu.

So viele Glücksmomente – das kann doch nicht so weitergehen

Ich habe vielleicht auch irgendwann einmal von Betty erzählt. Betty kenne ich noch aus meiner Zeit im Guesthouse. Betty ist oder besser gesagt war schwanger, aber naja, wie soll ich sagen, wird das Kind wohl alleine aufziehen müssen. Tina und ich waren vor ein paar Wochen schon mit ihr Babysachen kaufen und haben sie vorletztes Wochenende besucht. Sie meinte zwar, dass es jederzeit soweit sein kann, aber eigentlich hatte der Arzt auch gesagt, dass sie einen Kaiserschnitt braucht. Wir haben ihr versprochen, das mit ihr gemeinsam zu machen, weil sie Angst vor der OP hatte. Letzte Woche haben wir also gewartet, dass Betty sich meldet, aber nichts. Und dann kam am Samstagabend, als wir gerade beim äthiopischen Essen saßen, die Nachricht, dass sie einen Jungen bekommen hat. Unsere Freude war groß. Das hieß, sie hat es irgendwie geschafft.

Leider kam dann aber am Montag die schlechte Nachricht, dass das Baby Malaria hat und auch nicht bei Betty ist, sondern „in einer Maschine“. Wir hoffen, dass es beiden bald gut geht und sie zusammen aus dem Krankenhaus nach Hause dürfen. Krank sein in Sierra Leone ist nicht ratsam, besonders nicht für Babys und Kleinkinder.

Wir drücken Betty und dem Kleinen in den nächsten Tagen die Daumen, damit sie uns bald genauso freudig anstrahlen, wie unser Sonnenschein Mustapher, der Sohn meiner Securities.

Mustapher ist unser Sonnenschein im Haus. Wie könnte man diesem Lächeln auch widerstehen?

NACHTRAG: Da der Post schon vor zwei Wochen verfasst wurde, gibt es schon Neugikeiten zum Gesundheitszustand des Babys: Es hatte keine Malaria, sondern Gelbfieber. Seit letzter Woche sind die beiden zuhause und wir haben sie letzte Woche auch schon besucht. Am Freitag ist das Namensgebungsfest. Davon berichte ich vielleicht ein anderes Mal.

Mit meinem heutigen Post wollte ich euch einfach mal zeigen, dass es hier neben vielen Schwierigkeiten und Herausforderungen auch sehr viel Schönes und Entspannendes gibt. Das vergesse ich vielleicht manchmal euch zu berichten und eigentlich wollte ich euch verschiedene Aspekte des Lebens hier näherbringen.

Euch allen wünsche ich, trotz Covid, Alltagsstress und Co möglichst viele kleine und große Glücksmomente im Alltag und ab und an einen Lachanfall bis der Bauch schmerzt.

Bird watching at Outamba-Kilimi

Letztes Wochenende war es endlich so weit. Meine erste richtige bird watching experience! Einige von euch wissen vielleicht, dass eines meiner Ziele für meine Zeit hier bei der Conservation Society of Sierra Leone ist, dass ich eine richtig nerdige birdy werde. Also eine Person, die stets in den Himmel und in die Äste von Bäumen und Büschen schaut, in der Hoffnung, spannende Vögel zu entdecken.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, was ich gedacht habe, als ich damals vor über 15 Jahren den Reiseführer für Mosambik gelesen hatte, in Vorbereitung auf meine erste Reise nach Afrika: Mosambik sei ein ganz tolles Reiseziel zum Vogelbeobachten. Na toll, dachte ich damals. Vögel. Wie spannend! Heute sehe ich das natürlich ganz anders. Das Tolle an Vögeln im Gegensatz zu Giraffen, Antilopen und Löwen ist, dass sie überall sind.

Wie kam es denn nun zu meinem ersten Bird watching. Mal wieder ein Klassiker. Eigentlich wurde nur mein Auto gebraucht, aber das gibt es natürlich nicht ohne mich. Vor allem nicht, wenn es in den Outamba-Kilimi Nationalpark im Norden des Landes fährt, direkt an der Grenze zu Guinea. Ich wollte eh unbedingt bald in den Outamba. Also konnte ich direkt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Bird watching experience und Outamba-Kilimi.

Dust, dust und nochmal dust

Es ist Trockenzeit. Das bedeutet, es hat das letzte Mal im November geregnet. Einerseits wundere ich mich immer wieder über die Bäume und Pflanzen hier, die einfach trotzdem grün sind und wachsen, obwohl sie seit Monaten keinen Regen mehr abbekommen haben, zugleich sieht man sowohl in der Wohnung als auch auf der Straße und bei Fahrten über Land, dass hier schon lange kein Regen mehr den Sand und den Staub von den Blättern und Häusern gewaschen hat. Bei mir in der Wohnung ist alles von einer dünnen Staubschicht belegt. Der Hamatan – der Saharawind – bringt uns den Wüstenstaub nach Freetown.

Bis nach Makeni geht es auf einer geteerten Straße, danach geht die Straße irgendwann in Staubpisten über. Es staubte ungemein. Die Pflanzen links und rechts der Straße sind nicht mehr grün, sie sind rot. Ich habe die Zeit genutzt und mich ein bisschen mit der hiesigen Vogelwelt bekannt gemacht…

Der Weg zum Outamba führt über den Kaaba Fluss. Um ihn zu überqueren, mussten wir kurz auf die Fähre warten, die auch tatsächlich ein Auto und dazu noch ein paar Motorräder und Menschen befördern kann. Die Fähre oder besser das Floß wird an einem Drahtseil entlang über den Fluss gezogen. Auf der anderen Seite geht es dann weiter auf den Sandpisten. Ich habe mich nur gefragt, ob auch LKWs so befördert werden?

Wir sind am Vormittag gegen 10h aus Freetown los, natürlich nicht ohne vorher noch einen Umweg zu fahren, um die eine Kollegin abzuholen. Aber dann ging es wirklich los. Papanie, Andrea, Sinneh und ich. Gegen 17h sind wir dann im National Park angekommen. Begrüßt wurden wir von Kollegen von der NPAA und von Forest Guards vom National Park und von einem kleinen Affen. Es ist wirklich sehr, sehr schön im Outamba-Kilimi Camp. Unter den Bäumen direkt am Fluss gibt es eine Zeltwiese. Sie war voller Zelte, da Tacugama (die Schimpanzen Sanctury aus Freetown) dort ein Training für Forest guards aus Guinea abhält. Die Guards lernen Kamerafallen aufzustellen, Tierspuren zu lesen und noch allerlei andere Dinge, die so ein Forest Guard wissen sollte. Zum Fluss geht es ein paar natürliche Stufen hinunter. In der Trockenzeit gibt es einen kleinen Strand, an dem gerade die Teilnehmenden des Trainings waren, um sich im Fluss zu waschen. Es gibt nämlich keine richtigen Unterkünfte und Sanitäranlagen. Es gibt die Zeltwiese und ein Häuschen für den Klogang. Den Rest macht man im Fluss. Auf der anderen Seite des Flusses ist der Nationalpark. Und am Horizont erstreckt sich Guinea hinter den Bäumen. Wir haben noch kurz alles für unseren Bird Watching Ausflug am nächsten Morgen besprochen und sind dann wieder aufgebrochen. Leider haben wir unsere Zelte nicht aufgeschlagen. Aber das nächste Mal werde ich das auf jeden Fall machen.

Wir sind nochmal 30 Minuten über die Sandpiste und in einen Ort in der Nähe, wo wir uns auf die Suche nach einem Guesthouse begeben haben. Das Guesthouse entspricht wahrscheinlich nicht den Ansprüchen von allen Menschen, aber irgendwie habe ich dann doch etwas Schlaf gefunden. Wer meine letzten Posts aufmerksam gelesen hat, diejenigen haben schon einmal von den Freetong Players International gelesen. Einer unserer Netzwerkpartner. Ziemlich witzig, dass wir ein altes Fahrzeug von ihnen in dem Ort gesehen haben, in dem wir übernachtet haben…

Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück zurück in den Outamba. Noch während wir auf Mohammed, unseren Führer für den Tag, gewartet haben, flogen schon die ersten Vögel durch die Morgensonne an uns vorbei. Meine Kollegin Andrea aktivierte direkt die BirdLaserApp, mit der man die Vogelbeobachtungen dokumentieren kann. Die App hilft, weltweit Daten zu Vögeln zu erheben. Wie wir ja in der Wildlife Week letzten Oktober gelernt haben, sind Vögel wichtige Indikatoren für den Zustand von Ökosystemen. Deshalb sind wir auch überhaupt in den Outamba. Es gibt nicht wirklich Daten zu den Vögeln hier. Ich glaube, CSSL will versuchen den Outamba als Important Bird Area anerkennen zu lassen. Dafür brauchen wir zunächst Daten zu den Vogelarten und zur Anzahl der Vögel.

Als Mohamed da war, ging es dann über den Fluss in seinem kleinen Boot. Auf der anderen Seite ging es direkt rein in den Wald über Trampelpfade. Die Vegetation im Outamba-Kilimi unterscheidet sich sehr stark von der im Süden Sierra Leones. Hier gibt es eher Grasland und Steppe. Es gibt hier in der Gegend auch Elefanten. Die haben wir leider nicht gesehen. Aber die hätten wir ja auch gar nicht in unserer BirdLaserApp dokumentieren können…

Ich bin auf jeden Fall ein ums andere Mal beeindruckt, wie Papanie und Andrea die Vögel benennen können. Für mich war es meist ein dunkler Umriss in den Zweigen. Nach und nach habe ich dann aber gelernt, worauf es zu achten gilt: Die Schnabelform, die Schwanzform, natürlich die Farben, insbesondere an den Flügeln und im Kopfbereich und natürlich die Flügelform, wenn die Vögel losfliegen. Ein paar wenige Vögel konnte ich auch schon vor unserem Ausflug bestimmen. Nun kenne ich noch mehr. Im Auto hatte ich mich schon kurz vorbereitet – nun im Praxistest war es zwar nicht immer einfach, aber wie gesagt: ein paar Vögel konnte selbst ich richtig identifizieren. Wir haben sehr viele Common Bulbuls gesehen, verschiedene Bee-Eater und kleine Sundbirds. Aber auch einen tollen Hornbill oben am Baum, der uns seine Silhouette in der aufgehenden Sonne zeigte. Als wir den Fluss erreichten, um ihn wieder zu überqueren, warteten schon fünf Reiher am anderen Ufer auf uns und dann flogen auch noch zwei Great Blue Turacos übers Wasser. Was eine traumhaftes Bild. Ihr seid bestimmt schon ganz gespannt, was wir so alles gesehen haben. Ich will euch nicht zu sehr auf die Folter spannen. Ich habe euch eine kleine Auswahl zusammengestellt. Da es nicht so leicht ist, gute Fotos von den Vögeln zu schießen, musste ich mich ausnahmsweise bei Wikipedia bedienen und die Fotos von dort benutzen. Und den Guinea Turaco musste ich von iStock nehmen, weil es bei Wikipedia kein Foto gab, auf dem die roten Schwingen sichtbar sind. Die Vogelnamen erscheinen, wenn ihr mit der Maus über das Bild geht.

Nach knapp drei Stunden Vogel-Wanderung kamen wir wieder im Camp an. Achso, fast vergessen: Affen haben wir natürlich auch gesehen. Die klettern ja ständig durch die Bäume und machen riesen Lärm dabei…

Zurück im Camp haben wir das Warten aufs Mittagessen mit Faulenzen verbracht. Es gibt noch ein paar alte Hütten, die von einer ehemaligen Eco-Lodge zeugen. Leider wurde die nicht in Stand gehalten, deshalb sind die Hütten nicht mehr nutzbar. Vielleicht können wir hier eines unserer Öko-Tourism Projekte starten. Das würde durchaus Sinn machen. Ich kenne einige Leute in Freetown, die gerne den Outamba-Kilimi besuchen würden. Es ist aber ziemlich schwer herauszufinden, wie man hierherkommt und vor allem, wie man das ganze organisiert. Niemand weiß so genau wie das mit Unterkunft und Verpflegung ist. Vielleicht können wir das ändern. Zu Essen gab es dann irgendwann nach zwei Stunden Wartezeit Reis mit Groundnut soup. Mein Favorite! Aber man merkt, dass es kein „Tourismus-Personal“ vor Ort gibt, sondern alles Forest Guards sind. Ähnlich wie im Gola Regenwald, ist der Fokus eher auf wissenschaftliche Besuche ausgelegt, als auf Toursimus.

Ich bin gegen drei nochmal auf den Fluss, um mit Mohamed zu den Hippos zu paddeln. Die anderen haben am Auto gewartet. Die Paddeltour war ziemlich schön. Es ist kaum jemand unterwegs auf dem Fluss. Nur ab und an mal einzelne Personen auf einem Einbaum. Das Ufer ist zugewuchert, ab und an sieht und hört man Affen und natürlich sind auch hier wieder ganz viele Vögel am Start. Ich habe einen ziemlich beeindruckenden Geier gesehen und einen wunderschönen kleinen Kingfisher. Nach ungefähr einer Stunde haben wir die Hippos erreicht. Sie halten sich immer an der gleichen Stelle auf. Ich fand, dass wir ziemlich nah an sie ran sind, dafür dass wir in einem Bötchen aus hauchdünnem Blech saßen. Das eine Hippo kam zunächst auch in unsere Richtung, aber kam dann doch nicht ganz nah an uns heran. Die Hippos tauchten leider ab, als wir kamen. Es war trotzdem ein bisschen witzig ihnen zuzusehen, wie sie abwechselnd immer wieder unter lautem Schnauben kurz aufgetaucht sind, um Luft zu holen. Und jetzt weiß ich auch, weshalb wir sie auch Flußpferde nennen. Weil sie sich genauso anhören, wenn sie Luft holen. Bei den Hippos haben wir die Muffins genossen, die ich dabeihatte, dann haben wir uns auf den Rückweg gemacht. Dieses Mal habe ich auch ein bisschen gepaddelt. Das machte dann noch mehr Spaß, als einfach nur im Boot zu sitzen und zu gucken. Obacht: jetzt kommen unendlich viele Fotos von meiner Paddeltour. Es war einfach so schön entspannend und ruhig. Das möchte ich sehr ausgiebig mit euch teilen.

Zurück bei den anderen ging es nach Kamakwe, wo wir uns wieder auf die Suche nach einem Guesthouse begeben haben. Nachdem wir fundig geworden waren, ging es direkt wieder los. Wir hatten alle ziemlich Hunger nach dem langen Tag. So kam es, dass wir dann zufällig noch die zweite Halbzeit des kleinen Finales vom Africa Cup of Nations bei Pommes und Chicken anschauen konnten. Ich habe festgestellt: ich fühle mich gar nicht mehr reizüberflutet, wenn auf einem großen Bildschirm ein Fußballspiel mit lautem Ton gezeigt wird, zugleich ein Diskolicht die Plastikblumen auf der glitzernden Plastiktischdecke ständig in unterschiedliche Farben taucht und dann auch noch der DJ seine Abendschicht antritt und die Afrobeats aus den Lautsprechern dröhnen. Ganz normales Abendessen-Feeling. Weil Sinneh keine Lust auf Chicken und Chips hatte, ist er los und hat auf der Straße was zu essen gesucht und gefunden. Da wollten die anderen natürlich in Nichts nachstehen. Deshalb sind wir noch kurz an einen Straßenstand, wo Lamm, Schwein und Rind auf heißen Metallplatten knusprig gebraten wurde.

Man sucht sich einfach das Stück Fleisch aus, das man gerne hätte, das wird dann klein geschnitten in mundgerechte Happen und von allen Seiten scharf angebraten. Dann wird das Fleisch mit einem Stück Papier aufgenommen, gewürzt mit scharfem Pulver und frischer Zwiebel, ein – zwei Zahnstocher dazu und schon hat man Fingerfood vom Feinsten.

Am nächsten Morgen ging es wieder früh raus für unsere zweite Bird Watching Activity. Zuerst natürlich noch Frühstück im Guesthouse, dann los auf die Straße. Da Sinneh nicht wirklich geschlafen hatte – er hat das Auto bewacht – habe ich angeboten, zu fahren. Sinneh musste nur während unseres Birdings das Steuer übernehmen. Was ihm offensichtlich Spaß gemacht hat. Dieses Mal sind wir nicht durch den Wald gelaufen, sondern einfach an der Straße zwischen Kamakwe und Makeni entlang. Aber auch entlang der Straße haben wir unglaublich viele Vögel gesehen. Und – auch praktisch: auf der Straße kommen wenigstens ab und an Menschen vorbei und verkaufen Bananen 😉

Schon am ersten Tag war klar, dass ich sehr gut im Spotten bin. Ich kann zwar keine Vogelarten benennen, aber immerhin habe ich anscheinend einen guten Blick, um die Vögel auf den Bäumen und im Gebüsch zu entdecken. So konnte ich auch einen Beitrag leisten. Einmal kam es sogar zu einer großen Diskussion. Vorneweg muss ich erklären, dass Papanie unser Vogel-Spezialist ist. Er kennt alle Vögel. Andrea ist noch am Lernen und ich bin ja sowieso ganz neu im Business. Wir laufen also gerade die Straße entlang, da fliegt plötzlich ein wunderschöner Vogel vor uns quer über die Straße. Papanie war gleich sicher, es muss ein Senegal Coucal gewesen sein. Aber Andrea und ich sahen das ganz anders. Ganz klar hatte der Vogel rote Federn auf der Unterseite der Flügel. Keine braunen! Nach längerem Hin und Her ließ Papanie sich überstimmen. Er meinte zwar erst, es gebe keinen Vogel in der Größe, der rote Schwingen hat, aber da hat er wohl den Guinea Turaco vergessen gehabt…

Kurze Zeit später kreuzte noch ein Senegal Coucal unseren Weg. So waren wir alle wieder ausgesöhnt. Und spätestens als wir den blue-bellied roller erblickt hatten, waren wir sowieso vollkommen verzückt. Wer hätte es gedacht. Vielleicht steckt mir tatsächlich ein bird-nerd in den Genen…

Kleine Zwischenstopps am Heimweg

Auf dem Heimweg gab es nur noch einen Zwischenstopp zum Mittagessen in Makeni. Dachte ich zumindest. War natürlich nicht so. War ja klar… Papanie kommt aus einem Dorf, das auf dem Weg liegt. Also sind wir nochmal kurz vom Highway runter und über Sandpiste ins Dorf von Papanies Mutter. In der Nähe des Dorfes hat Papanie eine kleine Farm gestartet mit Cashew Bäumen, Casava, Ananas und Geflügel. Sinneh hat sich schnell ein Huhn gefangen und hinten ins Auto. Ich hasse das ja, wenn wir Hühner im Auto transportieren. Die Hühner haben soviel Angst und wissen gar nicht wie ihnen geschieht. Als wir in Papanies Dorf angekommen sind, kamen ziemlich viele Kinder und haben sich vor meinem Autofenster versammelt – „Oporto“ „Oporto“ „Oporto“ und haben gewunken. Ich habe dem einen Mädchen dann die Hand hingehalten, damit sie einschlagen kann, aber erst hat sie sich nicht getraut. Dann hat sie sich doch getraut, aber meine Fingerspitzen nur ganz flüchtig berührt. Die Kinder hatten wirklich Angst vor mir. Sie finden es zwar immer super aufregend, wenn eine weiße Person im Auto vorbeifährt und rufen immer ganz laut und winken, aber Anfassen ist dann anscheinend doch eine Nummer zu cras.

Normalerweise müssen wir unterwegs auf dem Rückweg nach Freetown immer oft anhalten, weil Kollegen und Kolleginnen unterwegs noch Holzkohle, Obst, Gemüse und und und kaufen wollen. Dieses Mal habe ich den Spieß mal umgedreht. Dieses Mal war ich Shoppen. Erst habe ich eine super sanfte Vollbremsung hingelegt, als wir kurz vor Lunsar an den Pottery Ladies vorbeigefahren sind und habe noch einen Schwung Lehmtöpfe für die Balkonpflanzen gekauft und dann gab es noch einen Stopp, um Kochbananen, Papaya, Ananas, Ingwer, Gurken und so zu kaufen. Erstens sind die Produkte günstiger als in der Stadt, zweitens sind sie frischer und drittens werden so Menschen unterstützt, die keinen direkten Zugang zu den Märkten in der Stadt haben.

Als ich dann endlich um kurz nach sechs zuhause war, war ich komplett tot. Nach zwei kurzen Nächten, einer langen Autofahrt und so vielen Vögeln… Aber ein Trip in den Outamba-Kilimi lohnt sich. Und als ich am Samstag in dem Boot auf dem Fluss gepaddelt bin, dachte ich mir, wie froh und dankbar ich doch bin, dass ich bin wo ich bin und all dies erleben darf. Deshalb gibt es zum Schluss nochmal ein Paddelfoto 🙂

20 Jahre Frieden – Wo stehen wir heute?

Am 18. Januar 2002 erklärte Präsident Kabbah den seit über zehn Jahre dauernden Bürgerkrieg in Sierra Leone für beendet. Letzte Woche gab es zu diesem Anlass ein Meeting mit anschließender Pressekonferenz der CPS – Netzwerkpartner von Brot für die Welt. Zur Erinnerung: CPS steht für Civil Peace Service, auf Deutsch Ziviler Friedensdienst (ZFD). Wir stellten uns den Fragen, was wir in den letzten 20 Jahren als Organisationen dazu beigetragen haben, den Frieden zu bewahren, wo wir heute stehen und wie wir auch in Zukunft den Frieden sichern können.

11 Jahre Krieg – Gibt es da eine Unterscheidung zwischen „Gut“ und „Böse“?

Der Bürgerkrieg in Sierra Leone dauerte von März 1991 bis Januar 2002. Er gilt als einer der brutalsten auf dem afrikanischen Kontinent und vielleicht auch weltweit. Genaue Opferzahlen sind nicht bekannt. Schätzungen gehen von 50.000 bis 200.000 Todesopfern aus. Doch die Todesopfer allein machen diesen Bürgerkrieg nicht zu einem der brutalsten in der neueren Geschichte. Während des Krieges wurden unzählige Menschen verstümmelt, vergewaltigt und psychisch zerstört. Kinder wurden aus ihren Dörfern entführt, unter Drogen gesetzt und zu furchtbaren Taten gezwungen, um sie zu brechen und als Kindersoldaten einzusetzen.

In vielen anderen Kriegen weltweit, die über mehrere Jahre andauern, in denen es nicht „nur“ um politische Macht, sondern vor allem um wirtschaftliche Interessen geht, gibt es keine klaren Linien, keine zwei Lager, die sich gegenüberstehen. Diese Kriege sind komplex und nicht immer ist klar, wer „die Guten“ und wer „die Bösen“ sind. Oder gibt es überhaupt „die Guten“ im Krieg? Im Falle Sierra Leones ist es nicht anders gewesen. Gräueltaten wurden nicht nur von den Rebellen begangen. Auch Soldaten der Regierungsarmee haben geplündert, vergewaltigt und die Bevölkerung in Angst versetzt. Und natürlich sind auch internationale Unternehmen, Regierungen und Mächte involviert, wenn es um Diamanten, Gold und andere Bodenschätze geht. Man nennt es auch den Ressourcenfluch. Für die Bevölkerung von Ländern, die reich an Bodenschätzen sind und schwache Regierungen haben, sind die Bodenschätze oftmals mehr Fluch als Segen. Man sieht das in der Demokratischen Republik Kongo, im Norden Mosambiks und auch in Sierra Leone. Ich möchte heute aber nicht über den Krieg schreiben, sondern über den Frieden.

CPS Netzwerktreffen zu 20 Jahre Frieden

Anlässlich des 20-jährigen Jahrestages zum Ende des Krieges haben sich letzte Woche die CPS-Netzwerkpartner von Brot für die Welt in Sierra Leone getroffen, um gemeinsam zu reflektieren, was sie in den letzten 20 Jahren getan haben, um den fragilen Frieden zu stärken, wo wir heute stehen angesichts der nahenden Wahlen im kommenden Jahr und wie wir es schaffen können, den Frieden auch in Zukunft zu wahren.

Die Organisationen im Netzwerk arbeiten in sehr unterschiedlichen Bereichen:

  • CCSL (Counsil of Churches of Sierra Leone)
    Als kirchliche Organisation kann CCSL oftmals in konfliktreichen Situationen vermitteln, da religiöse Führer in Sierra Leone hohes Ansehen genießen und Religion für die Menschen hier sehr wichtig ist. CCSL kann deshalb vermittelnd zwischen Konfliktparteien auftreten und Situationen entschärfen.
  • Culture Radio
    Culture Radio bringt Informationen, Nachrichten und Wissen zu Menschen im ganzen Land. Radio ist insbesondere in den entlegenen Gebieten das Medium der Wahl. Über community radios wird den Menschen eine Stimme gegeben, ihre Anliegen werden publik gemacht und sie werden über wichtige Entwicklungen im Land informiert. Falschinformationen kann entgegengewirkt werden.
  • MAGE (Men´s Association for Gender Equality)
    MAGE setzt sich für Geschlechtergerechtigkeit ein. Der Ansatz ist, dass es auch Männer braucht, um diesen gesellschaftlichen Wandel voranzubringen.
  • MADAME (Mankind Activities Development Accreditation Movement)
    MADAME setzt vor allem auf berufliche Ausbildung junger Menschen. Sie bieten verschiedene Ausbildungen für junge Männer und Frauen an, um ihnen einen guten Start im Berufsleben zu ermöglichen. Wer selbstständig ist und für das eigene Leben aufkommen kann, ist weniger anfällig für Falschmeldungen und Instrumentalisierung.
  • SiLNoRF (Sierra Leone Network on the Right for Food)
    SiLNoRF setzt sich, wie der Name schon sagt, für das Recht auf Essen ein. Es ist ein Netzwerk aus mehreren Organisationen, die auch Advocacy zu den Themen Nahrungssicherheit und sauberes Trinkwasser machen. Auch Landrechte gehören zu ihren Fokusthemen.
  • Freetong Players International
    Die Freetong Players informieren und vermitteln Wissen und Botschaften durch Theaterstücke.
  • YMCA (Young Men´s Christian Association)
    YMCA hat mehrere Jugendgruppen im ganzen Land, die ähnlich wie kirchliche Jugendgruppen in anderen Ländern funktionieren und versuchen Misstände in der Gesellschaft zu verringern.
  • und natürlich CSSL (Conservation Society of Sierra Leone)

Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen. Wir treffen uns einmal im Quartal, um über aktuelle Projekte zu berichten und uns auszutauschen. Beim Treffen letzte Woche ging es wie gesagt, um den Beitrag zum Frieden nach dem Bürgerkrieg. Es geht viel um Bildungsangebote, berufliche Ausbildung, Vermittlung zwischen Konfliktparteien und den Versuch, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft zu verringern.

Alle waren sich einig, dass einer der Hauptgründe für den Krieg damals – oder besser gesagt, einer der Gründe, weshalb der Krieg möglich war – die Perspektivlosigkeit der Menschen, insbesondere der jungen Generation, war. Hinzu kamen die große Ungleichheit im Land, die Korruption und das nicht vorhandene Vertrauen in die politische Elite, diese Missstände zu ändern. Eine Jugend, die keine Perspektive hat, die keine Ausbildung hat und sich in Drogen und Parallelwelten flüchtet, ist sehr anfällig für Radikalisierung und dafür für politische Ziele missbraucht zu werden.

Documentary on CPS 20 years after the war

Das CPS-Netzwerk hat eine 30minütige Video-Dokumentation erstellt, die die Netzwerkpartner und Betroffene zu Wort kommen lässt und auch auf die aktuelle Situation blickt. Die Netzwerkpartner berichten, was sie in den letzten 20 Jahren getan haben, um den Frieden zu stabilisieren. Der Film zeigt aber auch einige Szenen aus dem Bürgerkrieg, so dass unterschiedliche Aspekte des Krieges und des Friedens thematisiert werden.
Die Dokumentation ist leider noch nicht final freigegeben und da nicht absehbar ist, wann das der Fall sein wird, veröffentliche ich den Blogbeitrag schon einmal ohne den Film. Der Film dann nachgereicht 😉

Persönliche Erinnerungen an den Krieg – von Drogen, Mord und Kidnapping

Nachdem wir den Film angeschaut haben, gab es eine Diskussionsrunde. Offensichtlich hat der Film bei meinen Kolleginnen und Kollegen, die den Krieg miterlebt haben, viele Erinnerungen wieder hervorgeholt. Einige haben sehr persönliche Erfahrungen geteilt.

So berichtete ein Kollege, dass er während des Krieges die Schule verlassen musste und durch großes Glück die Möglichkeit hatte, anschließend seine Schule fertig zu machen und sogar zu studieren. Aber der Krieg hat ihm viel genommen. Er berichtete, dass einer seiner Mitschüler Teil der Rebellen wurde und dafür verantwortlich sei, dass seine Mutter nicht mehr da ist.

Ein weiterer Kollege erzählte, dass er gezwungen wurde (ich schätze mal, von den Rebellen), von Kenema nach Liberia zu laufen, was vier Tage dauerte. Zwischen Kenema und Liberia ist Busch und Regenwald. Dort gibt es keine Wege. Sein Bruder, von der gleichen Mutter und vom gleichen Vater (das wird hier immer extra betont, da es Mehrehen gibt), war ein Senior Rebell Leader. Deshalb wurde auch mein Kollege verfolgt und gejagt.

Ein Kollege berichtete, dass Drogen eines der Hauptprobleme waren, damals. Und es immer noch oder wieder sind. Die Jugend ist anfällig für Drogen, sie sind sehr billig hier und sie bringen die Jugendlichen in eine Abhängigkeit. Einer seiner Freunde wurde von Rebellen entführt. Er hat ihn in einem Ausschnitt im Film erkannt.

Am 25.12.1994 sei er von den Rebellen der RUF (Revolutionary United Front) gefangen genommen worden, erzählt ein weiterer Kollege. Er habe großes Glück gehabt. Ein paar Tage später haben sie ihn wieder freigelassen. Er betonte, wie wichtig es ist, den Krieg und die Kriegsgeschehnisse nicht zu vergessen. Reflektion, Erinnern und Gedenken sind wichtig.

Auch die CPS-Koordinatorin, Adenike, betonte anschließend, alle, die den Krieg erlebt haben, für sie ist klar: Nie wieder! Aber die junge Generation weiß nichts über den Krieg. Wenn sie jemanden sehen, dessen Bein oder dessen Hände amputiert sind, wissen sie nicht, dass dies mit dem Krieg zusammenhängt. Man müsse der jungen Generation erzählen, was während des Krieges passiert ist, damit auch sie sich für den Frieden einsetzen.

Wo stehen wir heute?

Im kommenden Jahr sind Wahlen in Sierra Leone. Wahlen sind immer eine fragile Zeit. Im Vorfeld der Wahlen versuchen Parteien, vulnerable Bevölkerungsteile, vor allem Jugendliche zu mobilisieren, der Druck auf die Bevölkerung steigt und es kann zu offenen Konflikten kommen. Je nach Ausgang der Wahl und je nachdem, wie die beteiligten Individuen und Parteien das Ergebnis akzeptieren, bleibt es ruhig oder gewaltsame Konflikte können ausbrechen. Es gibt zwei große Parteien im Land. Es ist üblich, dass eine Partei zwei Legislaturperioden bekommt und dann abgelöst wird. Es wird nun sehr spannend nächstes Jahr. Die aktuelle Regierung ist erst in ihrer ersten Legislaturperiode, aber die Menschen sind sehr unzufrieden mit ihnen. Es ist nicht klar, ob sie dennoch wiedergewählt werden, weil „normaler Weise“ alle eine zweite Periode an der Macht sind, oder die Bevölkerung sie nächstes Jahr schon abwählt.

Die große Ungerechtigkeit im Land war damals einer der Hauptgründe, weshalb sich Menschen den Rebellen angeschlossen haben. Mein Kollege vom CCSL betonte dies in seinem Statement. Diese Ungerechtigkeiten sind immer noch da. Die bisherigen Regierungen haben es nicht geschafft, dass zu ändern. Es gibt Verbesserungen und Entwicklungen, aber es gibt immer noch zu viele Ungerechtigkeiten im Bereich Gender, Zugang zu Ressourcen, Teilhabe am Reichtum des Landes, Lebensstandard, Landnutzung… Es gibt zu viel Korruption im Land. Als CPS-Netzwerk sollten wir diese Themen ansprechen und versuchen, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen, so mein Kollege.

Dass die Wunden des Krieges noch nicht verheilt sind und Sierra Leone auch zwanzig Jahre nach Kriegsende noch unter den Folgen des Krieges leidet, zeigt diese kurze Dokumentation. Vielleicht erinnert ihr euch, dass ich im guesthouse in meinen ersten Wochen eine französische Journalistin kennengelernt habe, Jenna. Sie war unter anderem in Sierra Leone um eine kurze Dokumentation zu Sierra Leone – 20 Jahre nach dem Krieg zu drehen. Sie ist zwar selbst mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden, aber ich möchte euch den Film dennoch nicht vorenthalten. Für die Dokumentation ist sie mit einem der Rebellen in eines der Dörfer gefahren, das er damals überfallen hat.

Über den Frieden reden und schreiben

Nach der offenen Diskussionsrunde haben wir uns in thematischen Gruppen zusammengesetzt und reflektiert, was wir als CPS-Netzwerkpartner gemacht haben, um den Frieden zu stabilisieren, wo wir die Herausforderungen für die Zukunft sehen und wie wir ihnen begegnen wollen. Für uns als CSSL geht es dabei hauptsächlich um Land Use und die Nutzung der Bodenschätze und natürlichen Ressourcen des Landes. Wir versuchen zum Beispiel zwischen den Communities und Regierungsorganen zu vermitteln, den Communities alternative Einkommensmöglichkeiten aufzuzeigen und in diesem Bereich für mehr Transparenz und Gerechtigkeit zu sorgen.

Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass der Frieden nicht sicher ist. Dass die Situation im Land nach wie vor fragil ist und wir uns weiterhin für den Frieden einsetzen müssen. Der Jugend eine Perspektive geben, den Menschen einen sicheren Lebensunterhalt ermöglich, Regierende zur Verantwortung ziehen, wenn sie ihre Versprechen nicht einhalten, sie in ihren Bemühungen unterstützen und helfen die Korruption zu bekämpfen. All dies sind Punkte, die auf unserer Liste stehen.

Ich weiß, ich habe am Anfang geschrieben, ich möchte nicht über den Krieg schreiben, sondern über den Frieden. Nachdem ich mich aber mit dem Frieden beschäftigt habe, habe ich gemerkt, ich kann nicht über den Frieden in Sierra Leone schreiben, ohne den Krieg im Hinterkopf zu haben. Ohne an die Zerbrechlichkeit des Friedens zu denken. In meinem täglichen Leben hier ist der Krieg sehr weit weg. Ich fühle mich sehr sicher. Ich denke, meinen Kollegen und Kolleginnen geht es ähnlich. Ich habe zum Beispiel nicht das Gefühl, dass es gefährlich ist, wenn ich nachts an der Straße stehe und auf ein Keke warte oder allgemein, wenn ich im Land unterwegs bin. Sicherheit ist aber offensichtlich nicht immer gleichzusetzen mit politischer und gesellschaftlicher Stabilität.

Als ich angefangen habe, zum Frieden zu recherchieren, musste ich feststellen, dass er fragiler ist, als ich dachte. Eine Studie des ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project), die im Dezember 2020 veröffentlicht wurde, zeigt einige Warnsignale auf. Laut dieser Studie nähert sich Sierra Leone in vielen Gesellschaftsbereichen wieder der Situation zu Beginn der 1990er Jahre an. Ich habe mich ja anfangs immer gefragt, was meine Stelle mit Frieden zu tun hat. Nach und nach verstehe ich es. Bei Frieden geht es nicht nur um die Abwesenheit von Krieg – das war mir schon zuvor klar. Wir sollten an den Frieden denken, bevor es zum Krieg kommt und mit allen Anstrengungen versuchen, den Frieden zu bewahren. In unserem Fall heißt das: für mehr Gerechigkeit und Teilhabe zu sorgen. Ich hatte anfangs nur nicht so klar gesehen, was meine Stelle bei einer Umweltorganisation damit zu tun. Nun verstehe ich es. Wir versuchen, die Umwelt zu schützen und damit auch die Lebensgrundlage der Menschen. Wir versuchen, die Regierung an ihre Versprechen zu erinnern und sie dabei zu unterstützen, die Gesetze umzusetzen. Das macht die Regierung verlässlicher in den Augen der Menschen und stabilisiert damit auch die Gesellschaft im allgemeinen. Unser Einfluss mag nicht ausschlaggebend sein, aber wenn viele Organisationen das gleiche Ziel verfolgen und sich auf unterschiedlichen Gesellschaftsebenen für den Frieden einsetzen, dann können wir den Frieden hoffentlich wahren.

A Holiday for War? A Holiday for Peace!

Ein Vorschlag, der sowohl im Film kam, als auch in den anschließenden Gruppenpräsentationen war ein nationaler Feiertag, um dem Krieg zu Gedenken. An der Formulierung „A Holiday for the War“ würde ich persönlich noch etwas feilen. Ich fände es schöner, einen Holiday for Peace zu haben, um dem Frieden zu Gedenken und den Krieg dennoch nicht zu vergessen.

Und dabei ist mir aufgefallen, dass wir in Deutschland keinen Feiertag haben, für das Ende des Zweiten Weltkrieges. Vielleicht brauchen auch wir einen solchen Feiertag. Es gibt viel Gedenken an die Gräueltaten der Nazis, wie die Reichsprogromnacht, die Wannseekonferenz und weitere Daten. Aber ich glaube, es wäre auch gut einen Tag für den Frieden zu haben, an dem wir uns daran erinnern können, welch großes Glück wir haben, dass wir seit über 75 Jahren in Frieden leben.

Meetings bei gefühlten Minusgraden….

Zum Ende hin, wie immer ein paar Fotoeindrücke. Es ist immer noch gewöhnungsbedürftig für mich, dass wir bei Besprechungen in abgedunkelten Konferenzsälen sitzen, die mit der Klimaanlage auf 17° heruntergekühlt werden. Dieses Mal wurde das Mittagsessen mit goldenen Löffeln verspeist. Die Kontraste im Land sind allgegenwärtig…

(Bitte nicht erschrecken, dass mein Teller halbleer ist. Ich versuche nach wie vor möglichst wenig Fisch und Fleisch zu essen und scheitere fast täglich. Aber manchmal schaffe ich es!)

 

Wi de play – Africa Cup of Nations

Am 18. Januar 2002 wurde der Bürgerkrieg in Sierra Leone nach über zehn Jahren für beendet erklärt. Ich dachte mir, dass ist ein Anlass, um über den Krieg und vor allem über 20 Jahre Frieden zu schreiben. Aber das Jubiläum ist gar nicht Thema No1 gerade – Thema No1 der letzten Wochen war Sierra Leones Beteiligung am Africa Cup! Deshalb schreibe ich heute nicht über den Frieden, sondern über das, was die Menschen aktuell bewegt: Fußball!

Das erste Mal seit 25 Jahren wieder dabei

Der Africa Cup of Nations 2021 (verschoben wegen Covid) findet seit dem 9. Januar in Kamerun statt. Sierra Leone hat sich das erste Mal seit 25 Jahren qualifiziert. Als wir letztes Jahr das Qualifikationsspiel gewonnen haben, war ganz Freetown auf der Straße und aus dem Häuschen, Menschengruppen mit Sierra Leonischen Flaggen rannten durch die Straßen und machten mit Trillerpfeifen und Topfdeckeln unendlich viel Lärm. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Stimmung, ich saß im Keke und war mittendrin. Freudiges Chaos in der ganzen Stadt. Es war klar: das hier ist nur der Vorgeschmack. Let´s see, was passiert, wenn wir erst wirklich im Africa Cup spielen…

Erstes Spiel: Sierra Leone – Algerien

Und dann war es so weit, erster Auftritt Sierra Leone auf der internationalen Fußballbühne seit über zwei Jahrzehnten. Wahnsinn! Stellt euch das vor. Eine ganze Generation junger Menschen ohne internationale Fußballturniererlebnisse. Und dabei sind hier alle so fußballbegeistert.

Das erste Spiel fand am frühen Nachmittag statt. Ich habe es also gemeinsam mit meinen Kollegen in unserem Konferenzraum auf dem großen Bildschirm angeschaut.

Meine Kolleginnen waren nicht wirklich interessiert, obwohl sie sich in den Landesfarben gekleidet hatten, kamen sie immer nur ins Zimmer gestürmt, wenn der Lärmpegel bei uns im Zimmer und draußen auf der Straße zunahm und klar war, irgendetwas ist passiert.

Tina hat mir von zu Hause immer Nachrichten geschrieben: „Jetzt haben wir wohl ein Tor gemacht? Die Leute auf der Straße drehen durch.“ – „Nein, es war nur der Anstoß.“ … „Jetzt haben wir aber ein Tor gemacht.“ – „Nein, war leider Abseits.“ …. „Jetzt haben wir aber gewonnen oder?“ – „Nein. Wir haben unentschieden gespielt. Das Spiel ist aus.“

Trotz unentschieden wurde gejubelt und gefeiert. Beim Abpfiff sprangen meine Kollegen auf und tanzten und jubelten, als hätten wir gewonnen. Okay, Sierra Leone hat unentschieden gegen den amtierenden Meister Algerien gespielt. Also kein schlechter Auftakt für das Turnier.

Spiel 2: Sierra Leone – Elfenbeinküste

Das zweite Spiel war an einem Sonntag. Wir haben uns also mit ein paar Freunden verabredet, um es gemeinsam zu schauen. Kurzfristig mussten wir aber kurz vor Anpfiff die Location nochmal wechseln, weil die erste Location einfach keine gute Fußball-Atmosphäre hatte. Zu clean und posh. Also schnell zum nächsten Roundabout und Keke klargemacht und auf in die Fußballkneipe, in der die Iren immer Premier league schauen und meist fußballbegeistertes Publikum ist. Yep, das war dann schon mehr unser Ding. Am Roundabout wurden wir direkt noch mit der Salone Flagge im Gesicht geschmückt (uns wurde mit Nagellack die Fahne auf die Wangen gemalt) und die kleine Fahne hatten wir ja eh schon mitdabei. Nun waren wir wirklich vorbereitet für das Spiel.

Dieses Spiel war um einiges spannender, vor allem, da Ivory Coast tatsächlich irgendwann ein Tor gemacht hat und wir das restliche Spiel mit zum Zerreißen gespannten Nerven immer wieder aufspringen mussten, wenn es zu brenzligen Situationen kam. Tina ist nicht wirklich für ihre Fußballbegeisterung bekannt, aber hier ist selbst für sie kein Halten.

Was für mich sehr interessant zu beobachten ist: Wenn Sierra Leone etwas Gutes macht, dann wird aufgesprungen, applaudiert, getanzt… Wenn die Gegner ein Tor machen, verfallen alle in eine Art kollektive Schockstarre. Da ist kein Gemaule, keine Beschwerde, kein Nichts. Einfach nur ruhige Niedergeschlagenheit.

Was ein Fest, als wir in der Verlängerung dann den Ausgleich erzielten. Party on! Wieder ein Unentschieden, das gefeiert wird, wie der Turniergewinn.

Der Montagmorgen im Büro war dann auch entsprechend anstrengend 😉 Ich frage mich wirklich, weshalb an den Tagen nach den Spielen nicht einfach Public Holiday ausgerufen wurde…

Und weil ihr euch ja auch immer für alltägliches interessiert, dachte ich, ich mach mal eine kleine Fotoreihe vom Klo. Was gibt es alltäglicheres als den Gang zur Toilette. Auch wenn Wasserhähne und Spülkasten vorhanden sind, heißt das nicht immer, dass da auch Wasser kommt. Deshalb gibt es die kleinen handlichen „Plastik-Teekannen“ und meist gibt es eine Wassertonne, wo man diese auffüllen kann.

Spiel 3: Sierra Leone – Äquatorial Guinea

Gestern dann, das große Zittern. Das alles entscheidende Spiel. Kommen wir in die nächste Runde, oder nicht? Eigentlich haben alle damit gerechnet, dass wir gewinnen. Weil die Menschen hier einfach sehr viel Hoffnung in sich tragen und weil der Präsident allen Spielern eine Prämie für jedes gewonnen Spiel versprochen hat und wir uns sicher waren, dass sie die Prämie bestimmt haben wollen.

Das dritte Spiel wollten wir an der Beach Road anschauen. Von dort aus kommen wir im Notfall auch zu Fuß nach Hause, weil wir wussten gar nicht, was wohl passiert, wenn wir gewinnen. Und natürlich war auch klar, am Beach wird die Stimmung am besten und die Party am lautesten sein. Schließlich reiht sich am Strand eine Bar an die nächste.

Wie beim letzten Spiel haben wir einmal location gewechselt. In der ersten Location gab es keine Sitzplätze mehr. Alles war reserviert und wir hätten in der Sonne stehen müssen. Das wäre zu viel Sonne gewesen. Also sind wir einfach die Straße lang und in die nächstbeste Bar. Ein Volltreffer! Nicht nur wegen des Barmanns und des Herren mit der rosa Schürze. Die Stimmung war top – fehlten nur noch ein paar Tore für Salone.

Dieses Spiel war das mit Abstand am aufregendsten. Wir lagen schon in der ersten Halbzeit hinten, aber in der zweiten machte Sierra Leone wirklich Druck. Leider, leider, ohne Erfolg. Wir gaben die Hoffnung nicht auf. Das letzte Mal glückte der Ausgleich ja auch erst in der Nachspielzeit. Als dann aber Kamara kurz vor Ende der regulären Spielzeit einen Elfmeter verschoss, war die Stimmung am Boden. Fast alle Zuschauer und Zuschauerinnen verließen die Bar noch vor Abpfiff. Kein Lächeln mehr in den Gesichtern. Nur noch Trauer und Enttäuschung. Als der Schiedsrichter Sierra Leone den Elfmeter gab, rasteten alle aus. Wir dachten schon, es wäre ein Tor. Und dann diese Enttäuschung…

Wir hoffen nun auf das nächste Turnier. Salone hat nicht schlecht gespielt. Die Abwehr und der Torwart sind sehr gut, nur mit den Toren klappt es nicht so. Kam mir irgendwie von irgendwo bekannt vor…

Salone Stars – still our team!

Wir haben den Abend dann noch in einem Beachrestaurant mit Sonnenuntergang und Chicken und Chips ausklingen lassen. Tina hat unterwegs noch versucht ein paar Plastikflaschen vor den Wellen zu retten.

Während ich den Beitrag schreibe, höre ich auf einmal Geschrei von der Straße. Neugierig schau ich auf den Balkon und unten stehen ein paar Leute und diskutieren sehr emotional aufgeladen über das gestrige Spiel. Es wird laut diskutiert, weil unsere Mannschaft einen Elfmeter verschossen hat. Hoffentlich lassen sie ihre Enttäuschung nicht am Team aus. Salone Stars sind schließlich immer noch unser Team. Egal ob sie gewinnen oder verlieren!

So war das mit Salone und dem Africa Cup 2021. Aber der nächste Africa Cup kommt bestimmt und dann sind wir wieder mit dabei!  

Zum neuen Jahr: Hoffnung

Das neue Jahr ist schon ein paar Tage alt, aber noch nicht zu alt, um hoffnungsvoll auf die kommenden Monate zu blicken. Inspiriert für meinen Hoffnungspost hat mich ein Buch, dass ich gestern Vormittag fertiggelesen habe: „Das Buch der Hoffnung“ von Douglas Abrams und Jane Goodall. Ich interessiere mich für die Arbeit von Jane Goodall, weil sie unglaublich viel für den Artenschutz und die Erhaltung der Biodiversität erreicht hat. Deshalb habe ich mir direkt das Ebook geholt, als ich von dem Buch gelesen hatte. Angefangen hat für sie alles mit ihrer Liebe zur Natur und vor allem zu den Schimpansen. Auch wenn das Buch sich stellenweise so liest, als wäre es für den amerikanischen Buchmarkt geschrieben, hat es mir tatsächlich Hoffnung gegeben. Und so hoffe ich, dass ich auch dem einen oder der anderen von euch die Augen öffnen kann für die Hoffnung.

Schlaflose Morgenstunden und zu viel im Kopf

An den ersten Tagen des neuen Jahres war meine Entspanntheit irgendwie auf einmal verflogen. Jeden Morgen bin ich aufgewacht mit Kopfkino und Gedankenkarusell. Die Gedanken drehten sich hauptsächlich um die Arbeit. Aber auch um den Alltag hier. Alles war so unsortiert und gleichzeitig so vielschichtig in meinem Kopf. Da sind so viele Aufgaben, die in der Arbeit auf mich warten und so viele Erwartungen, die an mich gestellt werden, dass ich sie nicht einmal alle aufzählen und benennen kann. Ich würde gerne alle Projekte angehen, die da auf mich warten, aber ich weiß gar nicht, wie ich das alles in einem 24 Stundentag schaffen soll. Wo anfangen, wann aufhören und bringt das dann überhaupt etwas?

Projektmanagement, Kommunikationsstrategie und Mitgliederbetreuung

Dazu kam, dass ich im alten Jahr nicht mehr alles geschafft hatte, was ich eigentlich vorhatte und was auch projektgebunden abgeschlossen werden sollte. Ich hatte über Weihnachten erfolgreich verdrängt, was alles als Ergebnis und als Herausforderungen und To Do´s aus unserem Workshop resultierte und was nun also angegangen werden möchte. Es fängt damit an, dass in den Projekten und allgemein in der Organisation das Projektmanagement verbessert werden könnte. Damit wäre dann auch unsere Arbeit als Kommunikationsteam leichter. Es wäre super, wenn alle ihre Arbeit planen würden und es gemeinsame Prozesse und Vorgehensweisen gäbe, die auch definiert sind. Es läuft schon alles, darum geht es nicht. Aber vieles wird adhoc gelöst. Ich denke, dass es für alle gut wäre, wenn wir in den verschiedenen Projekten langfristiger planen und organisieren würden und das Wissensmanagement verbessert werden würde. Gleichzeitig sind die Abgrenzungen zwischen den Bereichen nicht ganz klar und damit auch meine Rolle nicht wirklich. Eine meiner Aufgaben besteht ganz klar darin, eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, aber wir haben nicht wirklich Zeit dafür, weil zu viele Aktivitäten anstehen, die geplant, organisiert und umgesetzt werden müssen, so dass kaum Zeit dafür bleibt, das große Ganze zu betrachten und strategisch aufzusetzen.

Und dann kommen noch meine vielen kleinen „Nebenprojekte“ dazu. Auf einmal ist das Backend der Internetseite anders, so dass wir alle Seiten nochmal überarbeiten müssen. Eigentlich dachten wir ja, die Internetseite steht jetzt. Weit gefehlt. Jetzt müssen wir uns erst einmal mit dem neuen Backend vertraut machen und dann alle Seiten so überarbeiten, dass sie wieder so aussehen, wie wir das wollen. Gerade ist das nämlich nicht mehr der Fall. Dann soll ich der Kollegin helfen, die die Mitglieder betreut, das mit den E-Mail-Adressen klappt auch noch nicht und und und. Viel zu viel in meinem Kopf.

Und eigentlich wollen wir den Wald retten…

Wenn ich dann aus dem Fenster auf die abgeholzten Hügel blicke oder wir Richtung Strand fahren, entlang an trockenen Hängen, an denen bis vor wenigen Jahren noch dichter Wald gestanden hat, dann denke ich, eigentlich wollen wir den Wald retten, aber gefühlt bin ich mit so vielen anderen Dingen beschäftigt, dass ich gar nicht dazukommen, mir Gedanken für eine gute Kampagne zu machen, um das Abholzen zu stoppen und die Lebensgrundlage für Mensch und Tier zu retten.

Wenn ich mit Leuten spreche, die ich neu kennenlerne, fragen die natürlich immer, was ich hier mache. Wenn ich dann erzähle, dass ich für die Conservation Society arbeite und wir den Wald retten wollen, schauen alle immer beeindruckt, aber auch etwas mitleidig. Ein sinnloses Unterfangen. Wie soll man hier die Abholzung stoppen? Auch wenn es aussichtlos erscheint, müssen wir es probieren. Wir haben keine Wahl. Wir wissen, dass der Klimawandel voranschreitet und das Fenster immer kleiner wird, in dem wir die Folgen noch soweit abmindern können, dass wir weiterhin (gut und wie gewohnt) auf dem Planeten leben können.

Und dann sind da ja noch die Jungs vom Strand

Von meiner Begegnung mit den bettelnden Jungs am Strand habe ich ja berichtet (Please Ma, ah beg yu). Die sind auch noch in meinem Kopf. Wir haben schon ein paar Gedankennetze gesponnen, was eine Lösung sein könnte. Es gibt ein paar Männer am Strand, die den Müll dort sammeln. Ich weiß nicht wie regelmäßig und wie das Ganze finanziert wird oder ob die das auf Freiwilligenbasis machen. Tina hatte die Idee, man könnte ja das Müllkonzept von Festivals kopieren. Bei manchen Festivals in Deutschland werden Müllsäcke verteilt. Werden die dann voll zurückgebracht, gibt es einen kleinen Obolus. So etwas ähnliches könnte vielleicht auch hier klappen. Dann wäre der Strand sauber, es würde weniger Müll ins Meer geschwemmt werden und die Jungs hätten einen kleinen Verdienst und würden ihr Geld verdienen und nicht erbetteln. Das fühlt sich für sie gut an und sie erlangen eine gewisse Unabhängigkeit von milden Herzen. Ich muss mir das nochmal ein bisschen genauer überlegen und dann mit Mohammed sprechen. Das ist einer der Männer am Strand, die dort ab und an Müllsammeln. Vielleicht bekommen wir unser Projekt von den Strandlokalen finanziert. Für die wäre das ein Vorteil: deren Gäste werden nicht mehr angebettelt und der Blick auf einen sauberen Strand bringt vielleicht mehr Kundschaft. Das ist so eines der kleinen Nebenprojekte.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Als ich dann angefangen habe, das Buch der Hoffnung zu lesen, wurde mir bewusst, wie wichtig Hoffnung ist. Das Sprichwort „die Hoffnung stirbt zuletzt“ ist sehr weise und sehr wichtig. Es stimmt schon, wenn ich nicht zumindest eine klitzekleine Hoffnung hätte, dass wir es irgendwie schaffen können, den Wald und damit ja auch das Habitat der Tiere und die Wasserressourcen für uns Menschen zu bewahren, dass es eine Lösung gibt, für die vielen kleinen Probleme, die mir hier begegnen, dann müsste ich direkt meine Rucksäcke packen und nach Hause kommen. Andererseits denke ich mir, was dann? Was passiert denn, wenn ich zurückgehe? Dadurch, dass alles global verbunden ist, kann ich ja nicht wegrennen vor der Realität. Nur weil ich nicht mehr zusehe, wie die Wälder abgeholzt werden, heißt es ja nicht, dass es nicht mehr passiert. Nur dass ich nicht mehr angebettelt werde mit großen Augen und der typischen Handgeste vor dem Mund, heißt es ja nicht, dass die Jungs nicht mehr da sind und nicht mehr hungrig schlafen gehen.

In dem Buch werden einige hoffnungsvolle Geschichten erzählt, die zeigen, dass nicht nur die Natur einen unglaublichen Überlebenswillen und Resilienz besitzt, sondern auch wir Menschen. Solange Hoffnung da ist, machen wir weiter und können auch Unmögliches erreichen.

In Ruanda zum Beispiel wurde sehr viel Wald wieder aufgeforstet und die Natur erholt sich. Die berühmte Maya Bay in Thailand war für zwei oder drei Jahre für den Tourismus gesperrt, auch dort hat sich die Tier- und Pflanzenwelt erholt. Maritime Lebensräume benötigen laut Studien 10 bis 15 Jahre, um sich zu regenerieren (wenn die Zerstörung und der Schaden nicht zu weit vorgeschritten sind). Wälder brauchen länger, sie brauchen rund 45 Jahre. 45 Jahre mögen für manche wie ein langer Zeitraum erscheinen, aber ich finde, es ist ein sehr hoffnungsvoller kurzer Zeitraum. In meiner Familie ist es nur ein halbes Menschenleben. Ich musste direkt an den riesigen Baum auf Bunce Island denken. Ich habe mir auch schon überlegt, wie wundervoll es wäre, in 40 Jahren nach Sierra Leone zurückzukommen und nicht wegen komplett abgeholzten Hügelketten weinen zu müssen, sondern aus Freude, weil die Hügel wieder bewaldet sind. Ein sehr schöner Gedanke, wie ich finde.

Für mich waren die Geschichten in dem Buch, auch wenn sie teilweise ein bisschen plakativ waren, trotzdem irgendwie Hoffnungsquelle. Zu sehen, was andere Menschen erreicht haben, gibt mir wirklich Hoffnung und Kraft, dass wir auch hier einiges bewegen können.

In dem Buch wurde zum Beispiel mehrmals ein Film erwähnt, der von zwei Männern in China erzählt. Ein blinder Mann und ein Mann ohne Arme, die gemeinsam tausende Bäume pflanzen, um den Generationen nach ihnen einen Wald zu hinterlassen und um die Umweltzerstörung aufzuhalten. Eine wirklich beeindruckende Geschichte:

Hoffnung gibt Kraft

Auch wenn ich ein bisschen überfordert im Kopf ins neue Jahr gestartet bin, blicke ich jetzt voller hoffnungsfrohem Tatendrang auf die nächsten Monate. Es ist gerade nicht mehr der sorgenvolle Blick, bei dem ich denke – wie sollen wir das nur jemals schaffen. Sondern eher ein hoffnungsvolles Lächeln – wie gut es sich anfühlen wird, wenn wir es geschafft haben. Diese Vorfreude auf das Gefühl etwas erreicht zu haben, beflügelt. Was geschafft und erreicht denn nun? Ich denke, es werden ganz viele kleine Schritte sein, die ganz viele Menschen zusammen gehen müssen, um am Ende ans Ziel zu gelangen. Oder wie der Taufspruch meiner Nichte es ausdrückt:

Wenn viele kleine Menschen, an vielen kleinen Orten, viele kleine Schritte tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.

Sprichwort aus Südafrika

Mein Ziel hier ist, die Vielfalt und Schönheit der Natur zu bewahren und damit auch die Lebensgrundlage der Menschen zu sichern. Wenn die Menschen Zusammenhänge verstehen und Optionen haben, dieses Wissen umzusetzen und ihre Gewohnheiten zu ändern, dann sind wir dem Ziel schon um einiges näher. Und dann müssen wir es natürlich noch schaffen, dass auch die Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen mit uns in die gleiche Richtung gehen.

Mir ist auf jeden Fall klar geworden, dass ich anscheinend ganz viel Hoffnung in mir trage. Hoffnung, die teilweise auch Gewissheit ist. Hoffnung, dass meine Freundschaften die große Distanz überstehen. Hoffnung, dass ich mit meiner Arbeit hier etwas zum besseren verändere. Hoffnung, dass ich nicht alleine bin, in meinen Bemühungen. Da ist mir auch wieder ein Zitat von Albert Camus eingefallen, dass mir in schwierigen Zeiten hilft.

Im tiefsten Winter erkannte ich, dass in mir ein unbezwingbarer Sommer wohnt.

Albert Camus

Um aus meinem Gedankenkarusell herauszukommen, habe ich zu  meinem bewährten Mittel gegriffen: ich habe Listen angelegt. Listen helfen mir immer immens, um Sachen zu sortieren, zu strukturieren und dann mit klarem Kopf nochmal zu betrachten. Eine Liste vermittelt mir immer das Gefühl, als könnte man sie abarbeiten. Ich weiß zwar immer noch nicht, ob ich alles schaffen kann, was ich mir vornehme für das kommende Jahr, aber ich bin voller Zuversicht, dass ich zumindest einiges Anstoßen und voranbringen kann und dann folgt diesem Jahr ja wieder eines.

Von einigen von euch weiß ich, dass ihr auch ein paar schwere Wochen oder manchmal auch nur Tage hattet in letzter Zeit. Jede und jeder hat ja ganz eigene innere dunkle Zeiten. Ich hoffe, dass ihr alle gut durch eure dunklen Zeiten kommt, die Hoffnung immer wieder findet und mit ihr voller Zuversicht in die Zukunft blicken könnt. Das hört sich jetzt alles etwas geschwollen an, aber ich weiß nicht so genau, wie man das anders ausdrückt.

Zum Ende noch ein Zitat aus dem Buch, das ich ganz gut fand und das ich mir besonders für meine Arbeit ans Herz legen möchte. Ich glaube, es kann sehr hilfreich sein für den Umgang mit meinen Mitmenschen und dafür wirklich Lösungen zu finden, die für die Menschen sind.

„Denken mit dem Hirn, Verstehen mit dem Herzen.“

Das buch der Hoffnung, Jane goodall

Und weil es bei mir hier ja irgendwie um Umweltschutz geht und darum, die Folgen des Klimawandels zu minimieren und ihnen entgegenzuwirken, möchte ich euch auch Jane Goodalls Aufruf an uns alle nicht vorenthalten:

„Lassen Sie uns das Geschenk des Lebens nutzen, um eine bessere Welt zu schaffen.“

Das buch der Hoffnung, Jane Goodall

In diesem Sinne: Auf ein hoffnungsvolles und tatkräftiges neues Jahr!

Und jetzt, wo ich eigentlich schon fertig bin, fällt mir noch eine weitere Hoffnungsgeschichte ein. Gestern war das Eröffnungsspiel des Africa Cup of Nations. Morgen ist das erste Spiel von Sierra Leone – wir haben uns das erste Mal seit 25 Jahren qualifiziert!

Rezension – Steff: „Spontanurlaub in Salone“

Anmerkung von thekaddl: Hier folgt nun die lange und sehnsüchtig erwartete Rezension unseres ersten Gastes Steff. Die Inhalte und Fotos stammen alle von ihm.

Hello, ich bin der Steff und hatte die Möglichkeit die Bloggerin Kaddl (bekannt von thekaddl.com) in Sierra Leone als erster Gast zu besuchen. Nun möchte ich natürlich ein paar Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen mit euch teilen. Wer also damit liebäugelt Kaddl selbst zu besuchen und dabei das Land zu entdecken, kann sich hier ein paar Anreize holen und über die dortigen Gegebenheiten informieren.

Zuerst sei gesagt, der Urlaub wurde relativ spontan gebucht und somit auch im Vorfeld kaum geplant. Aufgrund der Einreisebestimmungen (Gelbfieber-Impfung, notwendige PCR-Tests, Visum-Antrag, …) und der nicht allzu vorhandene Vorlaufzeit bis zum Abflug startete der Urlaubsantritt erst etwas chaotisch. Jedoch verlief im Nachhinein betrachtet alles reibungslos, auch aufgrund von Kaddls Koordinationsfähigkeiten zu den nötigen Anlaufstellen.

Würde ich den Urlaub in Form einer Postkarte an meine Oma beschreiben dürfte ich folgende Sätze zitieren: „Ich bin gerade in Sierra Leone, an der Westküste von Afrika. Es ist hier sehr heiß, die Leute sind sehr nett und die Natur ist super schön.“

Für euch werde ich natürlich noch etwas weiter ausholen…

Angekommen am Flughafen in Freetown wirkte alles chaotisch. Man muss etliche Stationen durchlaufen (Temperaturmessung, Passkontrolle, Bezahlung PCR-Test, Bezahlung Fähren-Ticket, Antrag Covid-Test, Durchführung Covid-Test, warten auf Ergebnis) bis man in den Bus zur Fähre darf. Ab da war es ein Selbstläufer. Kurzer Kontakt zu Kaddl wann ich mit der Fähre aufschlage, dann wurde ich direkt von ihr und Tina empfangen und mit dem Auto zur Wohnung gebracht.

Hier erwartete mich eine großräumige Wohnung. Ich bekam sogar ein eigenes Gästezimmer mit Matratze, eigenem Balkon und Bad. Schnell stellte sich ein gemütliches WG-Leben ein und man verbachte viel Zeit zusammen in den eigenen vier Wänden mit Würfel- und Kartenspielen, gemeinsames Kochen und Essen und das ein oder andere Durstlöschgetränk in Form von Bier oder Gin mit Ananassaft.

In meiner Anwesenheit gab es ab und an Probleme mit Stromausfall, was mich als Urlauber weniger betroffen hat. Kaddl hatte mich hier hingehend schon vorgewarnt und auf Powerbanks und ggf. Stirnlampe hingewiesen. An einem Tag war die Wasserversorgung kurz nicht gegeben, jedoch kein akutes Problem, da man sich vorab mit genügend Trinkwasser und Wasserbehältern für die Hygiene absichern kann.

Abseits der Wohnung konnten wir einen Wochenendtrip auf eine Insel mit Übernachtungen machen, begleitet von einer Tour über eine alte Insel zur damaligen Sklavenhaltung und eine Wanderung durch einheimische Dörfer. Auch unter der Woche konnte man den ein oder anderen Strand besuchen, die Schimpansen Aufzucht besichtigen und eine Dschungel Wanderung unternehmen. Man merkt dabei deutlich, hier in Sierra Leone gibt es kaum Tourismus. An den Stränden und Ausflügen waren wir nahezu immer alleine, hier ist nichts überlaufen. Dagegen wirkt die Innenstadt von Freetown laut, chaotisch und dreckig. Hier habe ich nur bei der Durchfahrt Eindrücke gesammelt, entspannter ist es aber definitiv abseits hiervon.

Zusammenfassend war es eine sehr coole Zeit, da ich nie wirklich alleine unterwegs war. Egal ob Kaddl, Tina oder beide – es war immer jemand da mit dem man gemeinsam etwas unternehmen oder einfach den Tag zusammen ausklingen lassen konnte. Es war rundum immer entspannt und man fühlte sich sofort wohl und aufgenommen in der WG. Dass es durchgehend warm bis heiß ist, Moskitos einen am liebsten auffressen würden, nicht der beste Standard gegeben ist und bei jeder Nettigkeit der Einwohner ein Trinkgeld gern gesehen ist – darauf sollte man sich einlassen können. Doch genau wegen solcher Erfahrungen war ich gerne dort zum Urlaub machen.

________________________________________________________________________________________

@Steff: Vielen lieben Dank für diesen wertvollen Beitrag und auch nochmals Danke für deinen Besuch. Es hat uns sehr gefreut, dass du da warst und das Gästezimmer heißt jetzt Steff´s Zimmer 🙂 Allerdings wundere ich mich, weshalb du meinen Leserinnen und Lesern deinen Ausflug zum Friseur und in die Mukki-Bude vorenthalten hast 😉

Weihnachten na Salone

Wie schon mehrfach erwähnt, ist der Dezember und damit die Weihnachtszeit die Party- und Festivalsaison. Macht natürlich Sinn, da Trockenzeit und somit kein Regen. Strandpartys statt Aprésski, Christmas-Party an Stelle von Stille Nacht, Heilige Nacht. Und das Ganze bei konstant warmen Temperaturen. Wir sind Anfang Dezember mit gutem Beispiel vorangegangen und haben endlich meine erste Party in meiner Wohnung gefeiert! Anlass war der Abschied von Sarah, die ein paar Tage später zurück in die UK ist. Obwohl mal wieder kein Strom da war und es deshalb statt kühlem Bier Gin-Ananas-Bowle gab, war es eine gute Party. Und am Ende kam sogar der Strom zurück und das Partylicht kam noch zum Einsatz. Auch in der Kletterhalle gab es eine Weihnachts-Fundraising-Party. An den Wochenenden Partys am Strand und Festivals in der Stadt. Immer etwas geboten. Wenn man in der Stadt unterwegs ist, sieht man überall in den Kreisverkehren Weihnachtsdeko mit viel Lichter-Blingbling, auch einige Restaurants sind bunt geschmückt und es gibt viele Plastikweihnachtsbäume mit bunten Lichterketten.

Letzte Anstrengungen und Closing of the office

Aber auch hier heißt es: erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Fast hatte ich schon wieder vergessen, wie abgekämpft, entnervt und fertig ich in den Wochen vor Weihnachten war. Aber beim Videocall mit meinem Bruder gestern kam es mir wieder. Nachdem er meinte, „Ach, du siehst dieses Mal ja richtig entspannt und nach Urlaub aus, nicht so fertig wie das letzte Mal“, wurde mir bewusst, wie angespannt ich offensichtlich gewesen bin.

Von den zwei Workshop-Wochen hatte ich ja schon berichtet (Mano River Conference und Do No Harm), im Anschluss folgte noch eine Woche Büro, aber wieder einmal waren meine Kollegin und mein Kollege nicht wirklich da, so dass Planung und Absprachen nicht stattfinden konnten und dann stand ja noch mein Workshop an.

Teambuilding und Ventil

Nach sehr viel Hin-und Her in der Vorbereitung für meinen Workshop in Kenema – wer übernachtet im Guesthouse, wer will einfach die Tagessätze, wer bekommt die Tagessätze und was genau können wir eigentlich abrechnen – es war nicht so einfach, das alles herauszufinden und dann zu organizen, aber am Ende hat es klappt. Ich war sehr froh, dass ich meine Einheiten schon vorbereitet hatte und das nicht auf die letzten Tage vor dem Workshop geschoben hatte.

Zuerst hatte ich einen Strategie- und Planungsworkshop nur für mich, Abdul und Mariama im Kopf gehabt. Aber dann wurde immer klarer, dass wir eigentlich mit den Kommunikationsleuten aus den Projekten enger zusammenarbeiten müssen. Deshalb habe ich dann alle Kommunikations-, Advocacy- und Environmental Education Kolleginnen und Kollegen eingeladen. Insgesamt waren wir zu acht. Also eine ganz nette Größe. Mein Hauptziel war es, das Teamgefühl zu stärken und hineinzuhören, wie die Situation eigentlich ist und was die Wünsche und Erwartungen der anderen sind. Was soll sich denn verändern, durch mich und meinen Einsatz hier. Schnell habe ich gemerkt, dass sehr viele Erwartungen an mich gerichtet werden, die mein Mandat hier übersteigen und die auch nicht direkt etwas mit meiner Stellenbeschreibung zu tun haben. Aber der Workshop war sehr erfolgreich aus meiner Sicht. Wir haben es geschafft, genauer zu definieren, wer wir sind, was wir wollen und was wir brauchen. Mit der Planung für 2022 haben wir begonnen, aber da brauchen wir noch einen Folgeworkshop. Den Termin haben wir schon für Ende Februar festgelegt. Wenn wir es schaffen, weiter an einer gemeinsamen Kommunikation zu arbeiten und einfach mehr miteinander kommunizieren, dann ist schon viel gewonnen. Das wird sich dann nächstes Jahr zeigen.

Am Mittwochabend kamen auch alle anderen Kolleginnen und Kollegen in Kenema an für unseren Jahresendretreat am Donnerstag. Zuerst gab es Statements, kurze Projektvorstellungen und dann das Highlight: Freundschaftsspiel gegen das Team vom Gola Rainforest. Wir haben sehr klar verloren. Kein Wunder: Büromannschaft gegen Forest Guards. Da ist ja wohl klar, wer fitter ist und länger fresh dem Ball hinterherlaufen kann. Immerhin: in den fünf Minuten, in denen ich in der Abwehr war, gab es kein Gegentor 😉

Hier noch ein paar Eindrücke vom Workshop selbstverständlich mit Gruppenfoto und vom Fußballspiel.

Am Freitag war dann „closing of the office“ bis zum 4. Januar und somit: Urlaub. Ich war schon ab Mittwochnachmittag entspannt. Seitdem mein eigener Workshop vorbei war, war ich gechillt. Ich war am Mittwochnachmittag noch Sportschuhe shoppen fürs Fußballspiel und ein paar Weihnachtsgeschenke auf dem Markt in Kenema und abends waren wir mit ein paar Kollegen unterwegs. Ich war also schon längst in Christmas Mood, was hier gleichzusetzen ist mit Party Mood.

Yoga-Retreat in Selbstisolation

Zurück in Freetown ging es deshalb auch direkt rein ins Nachtleben. Wie in meinem letzten Beitrag geschrieben, haben wir uns abends erst einmal mit John getroffen auf ein Bierchen und dann sind wir irgendwie noch im Club gelandet. Samstag war ich dann nochmal unterwegs und war eigentlich schon in großer Vorfreude, weil ein ziemlich cooles Festival stattfand und ich für Sonntag von einem Kumpel Tickets bekommen hatte. Beste Aussichten also: Sonntag schön Festival und dann stand ja direkt im Anschluss, Montag bis Mittwoch, Peercoaching mit Sebastian am Bureh Beach an. So kann man den Weihnachtsurlaub natürlich bestens starten. Aber wie sooft kommt es dann doch anders als gedacht. Mein anderer Freund John wurde am Sonntag positiv auf Corona getestet, da hieß es für Tina und mich erst einmal Selbstisolation. Etwas besseres hätte uns kaum passieren können. Gut, dass ich das Festival verpasst habe, finde ich sehr schade, aber unsere Selbstisolation hat mir so gut getan: Jeden Tag lange im Bett liegen, dann lange Yogaeinheit mit Meditation, anschließend gesundes Frühstück, ganz viel Lesen und lecker Kochen und Essen. Abends nochmal Abendyoga und das ganze wieder von vorne. Perfekt zum Runterkommen.

Christmas Dinner und Dinner Party

Am Donnerstag haben wir uns rechtzeitig zur ersten Christmas Dinner Einladung aus unserer Selbstisolation entlassen – nach einem negativen Selbsttest selbstverständlich. Rachel, eine Freundin, die ich vom Klettern kenne, hat uns eingeladen. Wir waren etwas unsicher, was zieht man da an, was bringt man mit, was erwartet uns da? Es war viel legerer als erwartet und auch etwas ungewohnt. Auf dem länglichen Balkon waren Stühle aufgereiht, so dass man nur sehr schwer mit anderen Gästen – die in Kleingruppen herumsaßen – ins Gespräch kam. Aber es gab viel zu Trinken und noch mehr zu Essen. Klassiker: Reis, Hühnchen, Fisch, Casava Leaf, Salat. Die meisten Gäste sind nicht lange geblieben, so dass Tina und ich zusammen mit einem weiteren Gast die letzten Gäste waren. Am Ende saßen wir zu viert mit der Gastgeberin in der Runde und haben unsere Qualität als Gäste bewiesen. Wenn wir eins können, dann eben gute Gäste sein, die viel Essen und Trinken und lange bleiben 😉 Ich glaube, Rachel war dann trotzdem froh, als wir gegangen sind. Sie sah mir am Ende etwas müde aus.

Für den 24. hatten wir eine Einladung bei Maria. Maria wohnt im Erdgeschoß und da wir sie und einige ihrer Freunde schon kennen, war klar, dass das eine ganz andere Geschichte werden wird, als am Donnerstag. Wir waren vorbereitet auf Drinks, Tanzen und eine wilde Nacht. Und so kam es dann auch. Wir haben Weihnachtsbowle vorbereitet und mitgebracht – sie kam sehr gut an! Die Bowle wird gerade unser Alleinstellungsmerkmal in der Partyszene. Die Gäste bei Maria sind immer eine bunte Mischung an Leuten die Lust auf Feiern haben. Da die Nacht etwas kurz war, war entsprechend unser erster Weihnachtsfeiertag sehr entspannt. Wir haben natürlich auch einen Weihnachtsbaum – den hat Tina Donnerstagnacht noch für mich aufgestellt und geschmückt! Zwischen zwei Weihnachtsfilmen gab es am 25. dann Bescherung. Ich war abends nochmal auf einen Wein bei Maria, während Tina schon früher ins Bettchen ist.

Gestern ging es für mich zu einer Einladung zum Christmas Lunch. Ein anderer Freund, den ich auch vom Klettern kenne, hatte eingeladen. Aus dem Lunch wurde ein langer Nachmittag bis in den Abend. David wohnt in einem sehr großen Haus, mit großem Garten inklusive Gemüsegarten, Hühnern, Ziegenbock und Blick in die Hügel und auf das Gästehaus der Chinese Embassy. Anfangs hatte ich mich immer gefragt, wo wohnen denn hier alle reichen Leute mit den großen Häusern und den ausufernden Gärten – seit ein paar Wochen weiß ich es. Davids Firma hat das Haus angemietet. Er wohnt dort mit Kolleginnen und Kollegen, die für die gleiche Firma arbeiten. Es war ein super entspannter Nachmittag mit ein paar Bierchen auf der großen Terrasse und sehr netten Leuten.

Jetzt sind die Weihnachtstage offiziell vorbei. Ich habe noch frei bis zum 3. Januar. Dann holen wir unser Peercoaching am Strand nach und dann geht es ab 6. Januar wieder ins Büro. Für Sylvester haben wir schon eine Einladung für eine Party. Ob wir davor nochmal ein paar Tage wegfahren oder nicht, entscheiden wir heute.

Weihnachten war auf jeden Fall dieses Jahr ganz anders als sonst. Am 24. bin ich mit sehr großem Heimweh aufgewacht und mir war klar, dass ich nächstes Jahr auf jeden Fall zuhause bin an Weihnachten. Welch glücklicher Zufall, dass genau in diesem Moment eine sehr liebe Freundin angerufen hat und mich gestärkt hat. Danke! Jetzt sieht die Welt schon wieder anders aus – also mal schauen, was die letzten Tage des alten Jahres noch bringen und was dann 2022 auf mich wartet…

Euch allen weihnachtliche Grüße und ein Gutes Ausklingen von 2021!!!

Please Ma, ah beg yu*

„Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt.“ Es ist einer dieser Sätze, die man als erstes liest oder hört, wenn man sich über Sierra Leone informiert. Aber was dieser Satz bedeutet, das steht nirgends. Was heißt es denn, in einem der ärmsten Länder der Welt zu leben? Ich frage mich das öfter und eine Antwort finde ich nicht so richtig.

Letzte Woche war ich in Kenema, das ist eine Stadt im Südosten des Landes, fünfeinhalb Autostunden von Freetown entfernt. Auf der Heimfahrt beim Blick aus dem Fenster gingen mir viele Gedanken dazu durch den Kopf.

„Die ärmsten Länder der Welt“

Die ärmsten Länder der Welt… Ich sehe da eher Bilder aus dem Jemen vor mir oder aus Krisengebieten in der Sahal. Bilder von Kindern, die so klein und unterentwickelt sind, dass ich ganz tief in mir erschüttert bin vom bloßen Anblick dieser kleinen Körper, bestehend aus Haut und Knochen. Aber bestimmt sehe ich vor meinem inneren Auge nicht Sierra Leone.

Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich mich hier nicht mit dem ärmsten Bevölkerungsteil umgebe. Meine Wohngegend ist nicht die schlechteste, eher eine der besten. Trotzdem gibt es viel Wellblech um mich herum, in den Nachbarhäusern wird draußen auf Kohle gekocht, draußen abgespült und Wäsche gewaschen und es gibt öffentliche Toiletten- und Duschhäuschen, die sich mehrere Familien teilen. Viele haben Toilette und Waschstelle nicht im Haus. Durch meine Arbeit in den Dörfern und meinem Alltag in der Stadt habe ich wahrscheinlich schon relativ viele Einblicke in unterschiedliche Lebensrealitäten gewonnen. Natürlich gibt es auch in den ärmsten Ländern der Welt reiche Menschen und arme Menschen. Wie überall. Wie es ja auch in Deutschland mehrere Millionen Menschen gibt, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Das dürfen wir ja auch nicht vergessen. Oder besser: diese Menschen sollten wir auch nicht vergessen.

Was aber gehört dazu, wenn man in einem der ärmsten Länder der Welt lebt? Es gibt nicht immer Wasser und Strom. Manchmal gibt es auch kein Benzin. Die Straßen sind teilweise schlecht. Es gibt keine staatliche Fürsorge. Polizei, Lehrkräfte, Politikerinnen und Politiker, Angestellte im öffentlichen Dienst – viele versuchen ihren geringen Lohn mit zusätzlichen Geldern aufzustocken, sprich: es gibt viel Korruption. Von Machtmissbrauch und Genderthematik möchte ich hier jetzt gar nicht anfangen. Die tägliche Diät ist sehr eingeschränkt und viele Menschen ernähren sich sehr einseitig, was natürlich Einfluß auf den Körperbau, die Gesundheit und die Lebenserwartung hat. Das Schulsystem ist mehr als marode und in den ländlichen Gebieten gibt es meist nur eine Primary School in Laufnähe (Laufnähe bedeutet in einem Umkreis von 3-5km), von einer Secondary School wollen wir mal gar nicht träumen. Die Wirtschaft ist vollständig abhängig vom Ausland. Der Strom in der Hauptstadt kommt teilweise von einem türkischen Schiff, das vor der Küste ankert und dort Strom produziert. Die Regierung hatte vor ein paar Wochen nicht bezahlt, da gab es eben für ein paar Tage keinen Strom. All diese Sachen passieren in reicheren Ländern wahrscheinlich nicht.

Kein Wasser, kein Strom, keine Zuverlässigkeit

Allgemein fehlt es an Zuverlässigkeit im Alltag. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass Sachen funktionieren, weder Infrastruktur noch Dinge, die wir hier kaufen. Die Waren, die es hier zu kaufen gibt, sind entweder gebraucht oder billige Ware aus Asien. Das fängt bei Kugelschreibern, Post-Its und Markern an und geht über Kleidung und Elektroartikel weiter. Wir sind leider darauf angewiesen, mit Produkten von sehr geringer Qualität zu arbeiten, was es natürlich etwas schwer macht, wirklich gut voranzukommen und Sachen zu verbessern. Es sind oft diese kleinen Dinge im Alltag, die das Leben kompliziert und anstrengend machen.

All diese strukturellen Herausforderungen kann ich mal mehr mal weniger gut akzeptieren. Daran gewöhne ich mich teilweise und nehme sie gar nicht immer wirklich wahr. Auf der Rückfahrt von Kenema kam mir deshalb der Gedanke, wenn das hier eines der ärmsten Länder der Welt ist, vielleicht ist es dann doch nicht soooo schlecht um die Welt bestellt. Ja, viele Menschen kämpfen täglich und haben ein sehr anstrengendes Leben – und sei es „nur“ die tägliche Handwäsche der Klamotten und das Transportieren des Wassers – aber es fühlt sich nicht nach Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit an. Das Leben ist wie es ist, und es wird das Beste daraus gemacht. Das Leben hier ist sehr weit entfernt von den Bildern, die in meinem Kopf erscheinen, bei der Phrase „ärmste Länder der Welt“. Diese Bilder sind zu sehr von Katastrophenberichten aus den Medien beeinflusst. Wie überall gibt es auch hier einfach normalen Alltag.

Neben den strukturellen Schwächen im System und der fehlenden Infrastruktur, gibt es für mich aber noch die eine große Herausforderung hier, in einem der ärmsten Länder der Welt. Ich bin auf einmal nicht mehr Teil der Durchschnittsgesellschaft und weit entfernt von Mittelschicht. Durch meine Herkunft, meine Hautfarbe, mein Einkommen und meinen Pass bin ich unglaublich privilegiert.

Meine Privilegien – oft eine große persönliche Herausforderung

All die Sorgen und Nöte der Menschen – ich teile sie nicht wirklich. Ja, auch ich habe oft keinen Strom, aber nur weil ich mich bis jetzt geweigert habe, meine Wohnung an den Generator der Nachbarin anzuschließen. Und sollte ich doch einmal zu lange keinen Strom oder kein Wasser haben, dann habe ich jederzeit die Option ein paar Tage bei einem meiner britischen Johns unterzukommen, die große Wohnungen haben mit 24/7 Strom, Internet und Wasser. Ja, ich habe manchmal kein Wasser, aber dann tragen mir meine Security Leute die Eimer eben in den dritten Stock. Ich habe ein Auto, ich habe keine Geldsorgen und falls ich krank werden sollte, kann ich mir sicher sein, dass ich die bestmögliche Behandlung bekommen werde. Ich habe meine Medizinbox in meinem Schrank, bin gegen vieles geimpft und kann es mir leisten, sauberes Wasser zu haben und Essen in guter Qualität zu kaufen.

Konfrontation mit der Realität – was tun?

Ausschlaggebend für diesen Beitrag war eine Situation von Freitagabend. Sie arbeitet immer noch in mir. Wie gesagt, am Heimweg von Kenema dachte ich noch, ach, wenn das hier eines der ärmsten Länder der Welt ist, dann geht es dem Rest ja wirklich ganz gut. Abends waren wir dann mit meinem einem Freund John in einer der Strandbars auf ein letztes gemeinsames Bierchen dieses Jahr, weil John über Weihnachten und Sylvester in den UK ist.

Wir sitzen also gemütlich an unserem Tisch – Tina, John und ich – und trinken unser Bier. Die Strandbar ist eine Holzkonstruktion, quasi wie eine Holzterrasse direkt am Meer, die auf Stelzen steht. Um uns herum schon Dunkelheit, es wird hier zurzeit immer ab halb sieben/sieben dunkel. Auf einmal kommt von meiner linken Seite eine Stimme an mein Ohr „Yes Ma, please Ma, ah de beg yu“. Als ich in die Richtung schaue, blicke ich einem Jungen in die Augen. Insgesamt waren es drei Jungs, die da am Strand neben uns standen und uns um Geld gebeten haben, damit sie sich Essen kaufen können. John hat offensichtlich die gleiche Policy wie ich – wir geben kein Geld. Aber es ist alles andere als einfach – ah de tell yu. Wir haben den Jungs mehrfach gesagt, dass wir ihnen nichts geben, aber sie waren sehr hartnäckig. Verständlich. Ich denke, wer schnell aufgibt, der überlebt nicht lange auf der Straße. So sind sie immer wieder hochgeklettert neben uns und haben uns um Hilfe gebeten. Wie hart und herzlos ist das – da bittet dich jemand um Hilfe und du sagst einfach nein.

Da war sie also mal wieder. Diese Situation mit den Privilegien. Was tun? Ich weiß, man soll Kindern eigentlich nichts geben, vor allem kein Geld. Wenn sie mit Betteln Geld verdienen, kann es sein, dass sie nichts anderes lernen. Andererseits: was sollen sie anderes machen? Als ob tausend gut bezahlte Jobs auf diejenigen warten würden, die einen guten Schulabschluss haben. So ist es ja nicht. Und die Jungs, die am Strand betteln, sind bestimmt nicht die Jungs, die die Möglichkeit auf eine gute Schulbildung haben. Gleichzeitig ist klar, wenn ich den drei Jungs Geld gebe – abgesehen davon, dass wir nicht wissen, ob sie das Geld wirklich selbst behalten können oder abgeben müssen – was ist das für ein Zeichen? Kommen sie morgen wieder, kommen morgen mehr?

Natürlich wurden nur wir von den Jungs angesprochen. Die Gäste an den anderen Tischen wurden ignoriert. Bestimmt wissen die Jungs, dass Sierra Leoner ihnen nichts geben, im Gegensatz zu den Weißen aus Europa und den USA. Und fast hatten sie mich, mit ihrem Spruch

Wi go make yu laugh

Ein Lachen, eigentlich unbezahlbar. Sie haben auch angeboten, für uns zu tanzen. Es hätte also schon eine Leistung gegeben für unser Geld. Wir haben dann auch mit John darüber gesprochen, was wohl das richtige ist in solchen Situationen. Ich denke, es gibt kein richtig und kein falsch. Es fühlt sich nur so unglaublich falsch an, diesen Jungs kein Geld zu geben oder nicht einfach Essen für sie zu bestellen und es ihnen zu geben, so dass sie nicht hungrig schlafen gehen müssen. Aber ich weiß auch, dass das Problem größer ist als jede und jeder einzelne von uns. Den Jungs sind die großen Zusammenhänge mit Sicherheit vollkommen egal, sie haben Hunger und wollen etwas essen. Die Policy, niemandem Geld zu geben, schützt mich, weil ich dann nicht jedes Mal nachdenken muss, gebe ich jetzt etwas oder nicht. Aber es macht das Ganze nicht einfacher. Soll ich es wirklich zulassen, dass Menschen hungrig sind, wenn es mich ein paar Euro kosten würde und ich die Situation Hier und Jetzt ändern könnte? Ist das wirklich richtig und vor allem ist es menschlich? Es fühlt sich nicht gut an. Aber noch habe ich keine Lösung dafür, mit der ich mich wirklich gut fühle. Wenn ich darüber schreibe, denke ich, es ist mehr als gemein, nichts zu geben. Aber wo anfangen und wo aufhören? Anfangen beim ersten Menschen, der mich anspricht, und aufhören, wenn das Geld aufgebraucht ist? Oder doch im kleinen Kreise unter Freundinnen und Freunden helfen und versuchen über meine Arbeit positive Veränderung zu unterstützen?

Situationen wie die am Strand mit den Jungs gehören eben auch zum Leben in einem der ärmsten Länder der Welt. Meine Hautfarbe strahlt die Informationen über meine Privilegien in alle Himmelsrichtungen. Ich kann mich nicht rausreden mit Sätzen wie „Ich habe auch nicht viel Geld“, „Ich bin auch nicht reich“ oder ähnliches. Ich bin sehr reich im Vergleich zur großen Mehrheit der Bevölkerung hier. Und auch damit muss ich irgendwie klarkommen. Ich möchte jetzt hier nicht rumjammern und so tun als wären meine Privilegien eine ach so große Last. Ich bin sehr sehr dankbar, dass ich sie habe. Und ich bin mir ihrer mehr als bewusst. Bloß, wie damit umgehen? Da muss ich noch ein bisschen in mich gehen und brauche noch mehr Austausch mit anderen. Vielleicht gibt es aber auch einfach keine Lösung dafür.

Omikron und Co – bei dir so?

Zum Schluss noch ein kleines Covid-Update. Da in Deutschland die Zahlen ja gestiegen waren in den letzten Wochen und ich heute gelesen habe, die Niederlande sind wieder im Lockdown + Coronaleugnerinnen und – leugner verseuchen heute mit ihren Ideen und Gedanken mal wieder die Innenstädte, wollte ich kurz zur Situation hier berichten. Offiziell haben wir sehr niedrige Zahlen, wobei Omikron auch hier unterwegs ist. Es gibt jetzt auch hier langsam ein paar Leute, die ich kenne, die positiv getestet wurden bzw. Leute die „erkältet“ sind. Einer meiner Partygäste wurde ein paar Tage nach meiner Party positiv getestet, da war er allerdings schon wieder zurück in Deutschland. Vielleicht hat er es sich auf meiner Party geholt und wir hatten es alle in den letzten zwei Wochen, wer weiß. Da die Party nun schon zwei Wochen her ist, denke ich, dass ein Test jetzt nicht mehr positiv wäre. Gerade kam die Nachricht, dass der Impfstoff hier jetzt auch für Booster-Impfungen zur Verfügung steht. Deshalb werde ich mal schauen, ob ich mir in den nächsten Wochen meinen Booster hole.

In Sierra Leone ist gerade Festival Season. Das bedeutet, es gibt ständig Partys, mehrtägige Festivals, Leute aus aller Welt kommen über die Feiertage hierher, um ihre Familien zu besuchen. Perfekt also für das Virus, sich schön auszubreiten. Wir sind gespannt, ob im Januar vielleicht doch nochmal ein Lockdown kommt, falls die offiziellen Zahlen steigen. Bisher is business as usual. Das bedeutet: alles ist offen, niemand trägt Maske und die Leute feiern mit großer Leidenschaft.

Eigentlich hatte ich schon einen Blog-Beitrag zur Festival Season im Kopf und wollte euch mal wieder Einblicke in mein Leben jenseits der Arbeit geben, aber die Begegnung mit den Jungs am Freitag hat mich einfach zu sehr beschäftigt. Aber vielleicht ist das auch ganz passend, um die verschiedenen Facetten des Alltags hier einzubringen – deshalb voraussichtlich als nächstes ein Beitrag zu Party, Palmen, Fußballmatch.

Postkarten no dae

Und noch eine wichtige Info an alle die schon sehnsüchtig auf Weihnachtspost aus SL warten: Eigentlich wollten Tina und ich fleissig Weihnachtskarten verschicken, aber seit ein paar Wochen gibt es leider keine Postkarten mehr zu kaufen 🙂 Wenn es bis Ostern wieder Karten gibt, gibt es dann statt Weihnachtsgrüße eben Ostergrüße.

Bis dahin wenigstens ein Fotogruß. Heute habe ich den Artikel auf meinem Küchenbalkon verfasst. Hier mein Ausblick:

*Please Ma, ah de beg yu – ist Krio. Ma ist die Anrede für eine Frau. Entweder kommt es von Mama oder von Madame. „Ah de beg yu“ bedeutet „Ich bitte dich“

Mano River Conference und Do No Harm

Die letzten zwei Wochen waren ziemlich voll und anstrengend. Wir hatten zwei Wochen lang workshops. In der ersten Woche fand die CPS Mano River Conference statt. Die Mano River Region erstreckt sich über Sierra Leone, Liberia und Guinea. Im CPS Netzwerk der Mano River Region versammeln sich jedoch nur Organisationen aus Sierra Leone und Liberia. Normalerweise findet die gemeinsame Konferenz einmal im Jahr statt. Wegen Covid gab es letztes Jahr nur eine hybride Veranstaltung, dieses Jahr haben sich alle wieder live getroffen. Dafür kamen die Projektpartnerinnen und – partner aus Liberia nach Freetown und wir haben uns eine Woche lang ausgetauscht, voneinander und miteinander gelernt und haben auch einiges an Input bekommen vom Brot für die Welt – CPS Support-Team aus Deutschland.

Zwei Nürnbergerinnen treffen sich in Freetown

Mein Highlight war natürlich, dass auch Antje nach Freetown kam. Antje kenne ich aus der Vorbereitungszeit. Sie ist seit letztem Jahr Oktober in Liberia. Seitdem klar war, dass ich nach Sierra Leone gehen werde, haben wir uns schon auf unser Wiedersehen hier gefreut. Und so haben wir es beide genossen, einen gemeinsamen Abend am Strand mit Bierchen zu verbringen und uns austauschen zu können. Auch wenn man immer wieder Leute kennenlernt, gibt es eben immer einige, mit denen passt es einfach und andere, mit denen es nicht so gut passt. Bei Antje und mir passt es einfach.

Gruppenarbeit, Austausch und social evening

Auf der Konferenz wurde viel in Kleingruppen gearbeitet. Da wir im Netzwerk des Zivilen Friedensdienstes (CPS) verbunden sind, ging es thematisch natürlich immer um Arbeiten in einer Konfliktsituation oder auch um Arbeiten an einer Konfliktsituation. Wir haben über die Rolle von Medien, Zivilgesellschaft und anderen gesellschaftlichen Gruppen in Bezug auf Konflikte gesprochen und uns überlegt, wie wir auf offene und verborgene Konflikte reagieren können.

Ich fande es sehr spannend, zu erfahren, wie die Situation in Liberia ist. Teilweise ähneln sich die beiden Länder, aber es gibt natürlich auch einige Unterschiede. Der Unterschied, den man als erstes hört, ist, dass die Menschen in Liberia Englisch mit amerikanischem Akzent sprechen.

Von der Tagung selbst habe ich nicht wirklich Fotos, dafür aber vom Blick vom Hotel auf Freetown und auf unseren Fuhrpark 😉

Der krönende Abschluss der Konferenz war ein social evening. Über die Woche hatte jede und jeder eine „heimliche Freundschaft“ gepflegt. Mit dem Los haben wir diese Freundschaften geknüpft und unserem Freund oder unserer Freundin ein kleines Geschenk zukommen lassen. Am social evening wurden die Freundschaften dann visible und jede Person hat in der großen Runde mit dem jeweiligen invisible friend getanzt. Es war ein ganz netter Abschluss und ich persönlich freue mich auf jeden Fall auf ein Wiedersehen mit den Kolleginnen und Kollegen in Liberia nächstes Jahr – dann findet die Konferenz in Monrovia statt.

Do No Harm im Praxistest

In der zweiten Workshop Woche ging es um den Do-No-Harm-Ansatz. Unsere Moderatoren für diese Woche waren Rolf und John. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen von anderen Organisationen haben wir die Theorie von Do No Harm anhand eines Projektes von CSSL in der Praxis geprüft.

Worum geht es bei Do No Harm?

Wie der Name schon sagt, versucht man möglichst keinen Schaden zu verursachen. In der Entwicklungszusammenarbeit sind meist die Ziele gut, aber manchmal wird vergessen, sich den gesamten Kontext anzuschauen. Dadurch kann es passieren, dass mit einem Brunnenbau – wenn er an der falschen Stelle gebaut wird oder durch Ausschließen bestimmter Bevölkerungsgruppen in der Planungsphase – mehr Schaden in der Gesellschaft angerichtet wird, als er am Ende nutzen bringt. Bei Do No Harm wird deshalb zunächst eine Kontextanalyse gemacht, bei der mit allen möglichen Beteiligten und Betroffenen gesprochen wird, um ein Gesamtbild der Gesellschaft zu zeichnen und um mögliche Konfliktlinien herauszuarbeiten. Es müssen nicht immer offene Konflikte sein, wichtig ist, dass im Anschluss bei der Projektplanung – und Umsetzung diese (möglichen) Konflikte berücksichtigt werden, damit sie durch die Projektarbeit nicht vergrößert werden. Im besten Fall wird so das Projekt „konflikt-sensibel“ geplant und durchgeführt.

Einen Überblick über Do No Harm findet ihr auf der Website donoharm.info. Ist nicht das aktuellste Design, aber es geht ja um die Inhalte 😉

Do No Harm in Big Water

CSSL arbeitet ja schon eine Weile in Big Water, ihr erinnert euch an die Ökolodge… Eigentlich sollte die Kontextanalyse vor Projektstart stattfinden, wir haben das nun im laufenden Projekt gemacht. Aber die Ergebnisse sind trotzdem sehr interessant und vor allem ist es wichtig, sie nun in die weitere Arbeit vor Ort einfließen zu lassen.

An den ersten beiden Workshop-Tagen gab es nochmal ein kurzes Recap zu Do No Harm und zu Interviewführung. Dann ging es am Dienstagnachmittag in Freetown los. In Kleingruppen von drei Personen haben wir verschiedene Stakeholder, wie National Tourist Board, Ministerium für Tourismus, Ministerium für Landwirtschaft und Forst, Vertreter von Welthungerhilfe und Wild Life interviewt. Die Fragen behandelten die sozialen, ethnischen, religiösen und ökonomischen Gruppen in Big Water, wie sie zueinander stehen, wer verbindendes Element sein könnte und wer oder was die Gesellschaft eher trennt.

Mit dem Wissen um sogenannte Connector und Divider, soll es ermöglicht werden, bei der Projektarbeit sensibel vorzugehen, um die Connector zu stärken und die Divider mit einzubinden und wenn möglichen zu Connectoren zu machen.

Mittwoch und Donnerstag ging es dann ins Feld. Wir haben Einzelpersonen und Gruppen in Big Water und der Umgebung interviewt. Zum Beispiel den village headman, village vice headman (diese Person ist immer eine Frau), Frauengruppen, Lehrer, den Headman, der übergeordneten Ortschaft, Jugendgruppen, die Mummy Queen usw.

Interviews unter Bäumen und Mittagessen am Straßenrand

Bei den Interviews wurde zunächst immer betont, dass es keine Konflikte gibt, nach und nach kam dann aber doch heraus, dass es einige Konfliktlinien gibt und vor allem, dass CSSL bisher nicht ganz perfekt mit diesen bestehenden Konflikten umgegangen ist. Deshalb bin ich gespannt auf die finale Analyse von Rolf und John und wie wir die Ergebnisse dann in die künftige Arbeit in Big Water einbinden.

Das Hauptproblem der Menschen in Big Water ist auf jeden Fall, dass sie sich bisher nicht gut genug eingebunden fühlen in die Projektplanung und Umsetzung; dass sie uns als Regierungsvertreter wahrnehmen, die ihnen verbieten, den Wald zu nutzen – allerdings leben sie vom Wald und wissen nicht, wie sie sonst überleben sollen; die Grenze des „green belt“ wurde so festgelegt, dass die Big Water Community quasi gar keinen Wald und auch die Felder, die sie sonst bewirtschaftet haben, nicht mehr nutzen dürfen (man muss dazu sagen, die community kam nicht zum Meeting, als die Grenzen festgelegt wurden) und so kann zum Beispiel die traditionelle Landwirtschaft mit abwechselnder Nutzung der Felder nicht mehr praktiziert werden.

Außerdem gibt es mehrere große Firmen, die auf dem Gebiet Holz schlagen und jetzt eine neue Firma, die Steine abbauen will. Einerseits will die Community das nicht, weil sie wissen, dass damit ihre Lebensgrundlage – der Fluss, der dem Ort seinen Namen gibt – stark leiden wird, zugleich wollen sie das Land an die Unternehmen verkaufen, um schnelles Geld zu machen für den Hausbau, Autos und ähnliche Anschaffungen. Eine sehr verzwickte Situation. Wie fast überall in den forest edged communities. Die einzige Lösung scheint, alternative nachhaltige Einkommensmöglichkeiten zu schaffen, so dass der Wald geschützt werden kann und langfristig die Lebenssituation der Bevölkerung stabil bleibt bzw. verbessert wird.

Die Interviews wurden entweder direkt auf dem Schulhof durchgeführt, in der Schreinerei oder unter dem Baum mit Mamy Queen. Auf dem einen Foto seht ihr ein Interview in der Schule, im Hintergrund seht ihr ein rundes Gebilde in den Nationalfarben Salones. In der Mitte dieser runden Dinger sind immer die Handpumpen angebracht. Auch auf den Dörfern sehen die oft so aus. Ich nehme an, weil es relativ einfach ist, die Tiere fernzuhalten, wenn man am Durchgang ein kleines Gitter anbringt.

Raus aus der Komfortzone

Mein Highlight war die Zusammenarbeit mit einer Kollegin von YMCA – Salaimatu. Eine junge Frau, die anfangs etwas schüchtern und unsicher war, am Ende aber perfekte Interviews geführt hat. Es ist sehr cool zu sehen, wie schnell sich Menschen entwickeln können, wenn sie sich auf etwas neues einlassen und sich trauen, ihre Komfortzone zu verlassen. Das werde ich mir als Vorbild nehmen für die Zukunft. Nach den zwei Wochen Workshop und dem anschließenden Partywochenende war ich am Montag so zerschlagen, dass ich eigentlich nur noch reinwollte in die Komfortzone – leider weiß ich noch nicht so genau, wo die sich in Freetown versteckt. Deshalb hieß es dann einfach weitermachen 🙂

Und hier zum Abschluss noch ein paar Fotoeindrücke der letzten Tage und ich freudestrahlend mit meinen Zertifitkat. Ohne Zertifikat geht hier gar nichts!!!

Ich entschuldige mich auch ernsthaft für die oft verwirrenden Sätze und wahrscheinlich fehlen 50% der wichtigen Infos, damit ihr in der Lage seid, alles zu verstehen. Bitte habt Nachsehen – im Gegensatz zu Winter mit Schnee haben wir hier über 30 Grad und ich will gar nicht wissen wie viel Luftfeuchtigkeit. Mein Gehirn ist sehr weit von Höchstleistungen entfernt…

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2025 thekaddl.com

Theme von Anders NorénHoch ↑